In Bearbeitung
20:1 Und diese Männer erhoben mich von dort und trugen mich hinauf in den 7. Himmel. Und ich sah dort ein über alle Maßen großes Licht, und alle feurigen Heerscharen der großen Erzengel und der körperlosen Kräfte und Herrschaften, der Obrigkeiten und Mächte, der Cherubim und Seraphim, der Throne und Vieläugigen, 10 Scharen, den leuchtenden Stand der Ophanim. Und ich erschrak und fing an zu zittern mit großer Furcht. 2 Und die Männer nahmen mich und führten mich in ihre Mitte, und sie redeten zu mir: "Sei guten Mutes, Henoch, fürchte dich nicht!" 3 Und sie zeigten mir den Herrn von ferne, wie er auf seinem sehr hohen Thron saß.
Die genannten Koranstellen sprechen von sieben Himmeln (z.B. Q 78:12 sabʿan šidādan "sieben (Himmels)feste", Q 71:15 sabʿa samāwātin "sieben Himmel", Q 23:17 sabʿa ṭarāʾiqa "sieben Wege"). Dabei handelt es sich um eine in Antike und Spätantike weitverbreitete kosmologische Vorstellung (vgl. TUK_0885, TUK_0699, TUK_1121, TUK_1122, TUK_1124, TUK_1125), die Heinrich Speyer zufolge bereits in babylonischen Texten erwähnt wird (Speyer 1931: p. 11-13; siehe dagegen Horowitz 1998: p. 208-220) und die sich unter anderem auch im Slawischen Henochbuch nachweisen lässt. Dort wird geschildert, wie Henoch auf seiner Himmelsreise auch in den siebten Himmel gelangt. Die Verse 20:3, 21:6 und 22:1 erwähnen daneben noch den achten, neunten und zehnten Himmel. Jedoch handelt es sich bei diesen Stellen, die nicht in allen Handschriften enthalten sind, um spätere durch die jüdische Mystik beeinflusste Interpolationen (Böttrich 1996: p. 885, 889).
Eingebettet in die Erzählung von der Himmelsreise Henochs, seiner Rückkehr und seiner Mahnreden an seine Söhne, sowie der Begründung des Priestertums durch Methusalem, Nir und Melchisedek, behandelt das Slawische Henochbuch die Themen Kosmologie, Weisheit, Ethik und Kult. Obwohl nicht identisch mit dem Äthiopischen Henochbuch, setzt das Slawische Henochbuch die dort enthaltenen Henochtraditionen voraus und verrät an mehreren Stellen sogar eine direkte Abhängigkeit. Dennoch handelt es sich beim Slawischen Henochbuch um ein eigenständiges Werk, das dem hellenistischen Judentum in der Diaspora zuzuordnen ist, und in dem sich der Versuch einer Vermittlung von jüdischem Glauben mit den Vorstellungen einer religiös vielfältigen Umwelt erkennen lässt. Während der Großteil des Buches vor der Zerstörung des Tempels entstanden ist, lassen sich auch spätere Interpolationen identifizieren, so jüdisch-mystische, frühchristliche und byzantinisch-chronographische. Verschiedene Indizien sprechen dafür, dass das Slawische Henochbuch ursprünglich auf griechisch verfasst wurde. Ungelöst bleibt in diesem Fall aber das Problem der jüdisch-mystischen Interpolationen, die auch Eingang in die christliche Bearbeitung und Überlieferung des Buches fanden. Erhalten ist das Buch heute nur noch auf altkirchenslawisch. Es wurde ca. im 10./11. Jh. aus dem Griechischen ins Altkirchenslawische übersetzt und in Sammelbände aufgenommen, die Viten, Gebete, Väterzitate, Homilien etc. vereinten und damit auch günstige Überlieferungsbedingungen für verschiedene Apokryphen boten. (Vgl. dazu Böttrich 1996: p. 785-819).