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Welcher begleitete Yima, den Strahlenden, mit guten Herden,
über eine lange Zeit hin,so daß er herrschte auf der siebenteiligen Erde
über Dämonen und Menschen,
über Zauberer und Hexen
über Machthaber, Seher und Ritualpriester
32
Welcher von den Dämonen heraufbrachte
beide, Wohlstand und Ansehen;
beide, Kleinvieh und Großvieh;
beide, Zufriedenheit und Ehre.
Aufgrund dessen Herrschaft soll das zu Essende aber sein:
beide Speisen als unversiegliche,
unvergänglich (sollen sein) Tier und Mensch,
nicht vertrocknend Wasser und Pflanzen.
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Unter dessen Herrschaft
es keinen Frost und keine Hitze gab,
es kein Alter, keinen Tod gab,
keinen von Dämonen geschaffenen Neid:
ehe er nicht gelogen hatte,
vor dem, daß er dieses
trügerische Wort, das unwahre,
in sein Verlangen aufnahm.
In Q 76 werden die Genüsse der Bewohner des Paradieses beschrieben: Auf Ruhebetten (Q 76:14) genießen die Gerechten mit Kampfer und Ingwer versetzten Wein (Q 76:5, 17), sie sind in Brokat und Seide gekleidet (Q 76:21), ihnen werden Früchte dargeboten (Q 76:14) und Jünglinge warten dienstbeflissen auf (Q 76:19), während sie aus prächtigen Gefäßen trinken. Beschattet in der Nähe der Quelle Salsabīl erfahren sie weder Hitze noch Kälte: lā yarauna fīhā šamsan wa-lā zamharīrā (vgl. zur dieser Vorstellung auch TUK_0604).
Der Terminus zamharīr, der hier Verwendung findet, ist ein hapax legomenon, das den arabischen Lexikographen Deutungsschwierigkeiten bereitet hat und zumeist als eine „schneidende Kälte“ aufgefasst wird (Ambros and Procházka 2004: 211; Lane 1863: 1255). Dagegen versteht Angelika Neuwirth im Anschluss an Josef Horovitz (Horovitz, Josef 1923: 14) zamharīr im Sinne eines intensivierenden Parallelismus als „sengende Hitze“ (Neuwirth 2017: 512, vgl. auch TUK_0115). Roberto Tottoli wertet zahlreiche Korankommentare (tafāsīr) aus, welche zamharīr als „Mond“ (Tottoli 2008: 142, 149) verstehen, was der koranische Parallelismus zu šams („Sonne“) nahelege (Tottoli 2008: 148–149). Des Weiteren verweist er auf Muqātil b. Sulaimān (gest. 150/767 n. Chr.), der zamharīr als „Kälte“ auffasst, jedoch anmerkt, dass diese die Paradiesbewohner nicht verletze (Tottoli 2008: 143). Schließlich nennt Tottoli zahlreiche andere Exegeten, die zamharīr als eine der Höllenstrafen begreifen (Tottoli 2008: 149), und diskutiert die Möglichkeit, dass der Begriff im Sprachgebrauch der Ṭayyʾ die „Kälte des Mondes“ bezeichnet haben könnte (Tottoli 2008: 148–149). Während sich nach Tottoli Kälte als Höllenstrafe in der jüdisch-christlichen Tradition nicht finde (vgl. jedoch TUK_1274), ist darauf hingewiesen worden, dass sich diese Vorstellung im Zoroastrismus nachweisen lasse (Palacios 1919: 138–139; Gray 1902: 174). Möglicherweise handelt es sich bei zamharīr um ein Kompositum aus dem mittelpersischen Wort zam, das „Winter“ und „schneidende Kälte“ bedeutet (MacKenzie 1971: 97; Asbaghi 1988: 77), und der arabischen Wurzel h-r-r, die das „Winseln“ und „Heulen (eines Tieres)“ bezeichnet (Lane 1863: 2888).
Die Vorstellung eines ausgeglichenen Klimas als Charakteristikum des Paradieses findet sich bereits im Awesta (Yasna 9:5; Yašt 15:16; 19:33; 19:69), während in mittelpersischen Texten, im Ardā Wīrāz Nāmag (TUK_1271) und im Dādestān ī Mēnōg ī Xrad (TUK_1302), die Kälte als Höllenstrafe dem milden Klima des Paradieses antithetisch gegenübergestellt ist. Die hier zitierte Stelle teilt mit Yasna 9:5 (TUK_1272) die Vorstellung einer idealen Zeit im Paradies, unter der Herrschaft des mythischen ersten Königs Yima (Humbach 2002: 78, Shenkar 2014: 166), die jedoch mit seinem Sündenfall (Yasna 32:8, dazu Humbach 2002: 70-72; Boyce 1975: 93) und anschließender Flucht endete (Yašt 19:34, zur vielschichtigen Yima-Mythologie in der iranischen Tradition siehe Skjærvø 2012).
Die Yašts, eine Gruppe von 21 Hymnen an Gottheiten und protektive Prinzipien, bilden zusammen mit Yasna, Vīsparad, Vīdēvdād und Ḫordeh Avestā das Corpus des Awesta (siehe einleitend Hintze 2014, Hintze 2009: 46–62). Da für die awestischen Texte gemeinhin von einer mündlichen Komposition und Rekomposition ausgegangen wird (vgl. Skjærvø 1994, Kreyenbroek 1996, Rezania 2010), ist die Entstehungszeit der Texte in der Forschung umstritten. Die Verschriftlichung ist, wenn auch einige Hinweise auf eine frühe Abfassung bei Pausanias (gest. 180 n. Chr., vgl. Boyce and Grenet 1991: 235–239; de Jong 1997: 364–365) und in Mānīs Kephalaia (vgl. Cantera 2004: 144–146) existieren, in die spät-sasanidische Zeit zu datieren (siehe die Zusammenfassung der Forschungsdebatte bei Cantera 2004: 106–163). Das mittelpersische Wort Yašt („Hymne“, MacKenzie1971: 97) geht auf das awestische Verb yaz („rituell verehren“, Bartholomae 1904: 1274–1280) zurück. Zahlreiche Yašts gehören zu den jungawestischen Texten, deren Alter sich nicht präzise bestimmen lässt, obgleich einiges dafür spricht die Achämenidenzeit, wie ein Hinweis bei Herodot nahelegt (vgl. de Jong 1997: 117), als terminus ante quem anzusetzen (vgl. Hintze 2014). Der Zamyād-Yašt ist der Erde gewidmet, die auch als Tagesgenius des 28. Tages des zoroastrischen Monats fungiert (vgl. Hintze 1994: 45–49).
Inhaltlich lassen sich zwei Teile unterscheiden: Der erste Abschnitt (1–8) enthält eine Liste der großen Berge, denen in der religiösen Vorstellungswelt eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. Hintze 1994: 40–45). Der zweite Abschnitt (9–96) preist die Kayaniden-Herrscher, schließt jedoch auch Zarathustra selbst und den Saošyant, einen endzeitlichen Welterlöser (siehe Malandra 2013), ein. Alter und Entstehungszeit lassen sich nur ungefähr eingrenzen, wobei Almut Hintze anführt, dass die, im Vergleich zu anderen awestischen Texten, ausgeprägte Eschatologie (vgl. Hintze 1994: 42), und die Sprachstufe, die ein Jungawestisch mit südwestiranischen Dialekteinfluss erkennen lässt (vgl. Hintze 1994: 49–52), für eine Datierung auf das 6. Jh. v. Chr. sprechen.
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yat̰ upaŋhacat̰ yim yiməm xṣ̌aētəm huuąϑβəm
darəγəmcit̰ aipi zruuānəm
yat̰ xṣ̌aiiata paiti būmīm haptaiϑiiąm
daēuuanąm maš́iiānąmca
yāϑβąm pairikanąmca
sāϑrąm kaoiiąm karafnąmca
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yō uzbarat̰ haca daēuuaēibiiō
uiie ištišca saokāca.
uiie fṣ̌aonišca vąϑβāca.
uiie ϑrąfsca frasastišca
yeŋ́he xṣ̌aϑrāδa xvairiiaṇtu +astu
uiie xvarəϑe ajiiamne
amarəṣ̌aṇta pasu vīra
aŋhaoṣ̌əmne āpa uruuaire
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yeŋ́he xṣ̌aϑrāδa
nōit̰ aotəm ā̊ŋha nōit̰ garəməm.
nōit̰ zauruua. ā̊ŋha nōit̰ mərəiϑiiuš
nōit̰ araskō daēuuō dātō
para anādruxtōit̰
para ahmāt̰ yat̰ hīm aēm
draoγəm vācim aŋhaiϑīm
cinmāne paiti barata