106 Μετὰ δὲ τὰ περὶ τῆς ἑβδόμης παραγγέλλει πέμπτον παράγγελμα τὸ περὶ γονέων τιμῆς τάξιν αὐτῷ δοὺς τὴν μεθόριον τῶν δυοῖν πεντάδων· τελευταῖον γὰρ ὂν τῆς προτέρας, ἐν ᾗ τὰ ἱερώτατα προστάττεται, συνάπτει καὶ τῇ δευτέρᾳ περιεχούσῃ τὰ πρὸς ἀνθρώπους δίκαια. 107 αἴτιον δ´ ὡς οἶμαι τόδε· τῶν γονέων ἡ φύσις ἀθανάτου καὶ θνητῆς οὐσίας ἔοικεν εἶναι μεθόριος, θνητῆς μὲν διὰ τὴν πρὸς ἀνθρώπους καὶ τὰ ἄλλα ζῷα συγγένειαν κατὰ τὸ τοῦ σώματος ἐπίκηρον, ἀθανάτου δὲ διὰ τὴν τοῦ γεννᾶν πρὸς θεὸν τὸν γεννητὴν τῶν ὅλων ἐξομοίωσιν. 108 ἤδη μὲν οὖν τινες τῇ ἑτέρᾳ μερίδι προσκληρώσαντες ἑαυτοὺς ἔδοξαν τῆς ἑτέρας ὀλιγωρεῖν· ἄκρατον γὰρ ἐμφορησάμενοι τὸν εὐσεβείας πόθον, πολλὰ χαίρειν φράσαντες ταῖς ἄλλαις πραγματείαις ὅλον ἀνέθεσαν τὸν οἰκεῖον βίον θεραπείᾳ θεοῦ. 109 οἱ δ´ οὐδὲν ἔξω τῶν πρὸς ἀνθρώπους δικαιωμάτων ἀγαθὸν ὑποτοπήσαντες εἶναι μόνην τὴν πρὸς ἀνθρώπους ὁμιλίαν ἠσπάσαντο, τῶν τε ἀγαθῶν τὴν χρῆσιν ἐξ ἴσου πᾶσι παρέχοντες διὰ κοινωνίας ἵμερον καὶ τὰ δεινὰ κατὰ δύναμιν ἐπικουφίζειν ἀξιοῦντες. 110 τούτους μὲν οὖν φιλανθρώπους, τοὺς δὲ προτέρους φιλοθέους ἐνδίκως ἂν εἴποι τις, ἡμιτελεῖς τὴν ἀρετήν· ὁλόκληροι γὰρ οἱ παρ´ ἀμφοτέροις εὐδοκιμοῦντες. ὅσοι δὲ μήτ´ ἐν τοῖς πρὸς ἀνθρώπους ἐξετάζονται, συνηδόμενοι μὲν ἐπὶ τοῖς κοινοῖς ἀγαθοῖς, συναλγοῦντες δ´ ἐπὶ τοῖς ἐναντίοις, μήτ´ εὐσεβείας καὶ ὁσιότητος περιέχονται, μεταβεβληκέναι δόξαιεν ἂν εἰς θηρίων φύσιν· ὧν τῆς ἀγριότητος οἴσονται τὰ πρωτεῖα οἱ γονέων ἀλογοῦντες, ἑκατέρας μερίδος ὄντες ἐχθροὶ καὶ τῆς πρὸς θεὸν καὶ τῆς πρὸς ἀνθρώπους. 111 ἐν δυσὶν οὖν δικαστηρίοις, ἃ δὴ μόνα ἐστὶν ἐν τῇ φύσει, μὴ ἀγνοείτωσαν ἑαλωκότες, ἀσεβείας μὲν ἐν τῷ θείῳ, διότι τοὺς ἐκ τοῦ μὴ ὄντος εἰς τὸ εἶναι παραγαγόντας καὶ κατὰ τοῦτο μιμησαμένους θεὸν οὐ περιέπουσι, μισανθρωπίας δ´ ἐν τῷ κατ´ ἀνθρώπους. 112 τίνα γὰρ ἕτερον εὖ ποιήσουσιν οἱ τῶν συγγενεστάτων καὶ τὰς μεγίστας παρασχομένων δωρεὰς ὀλιγωροῦντες, ὧν ἔνιαι δι´ ὑπερβολὴν οὐδ´ ἀμοιβὰς ἐνδέχονται; πῶς γὰρ ἂν ὁ γεννηθεὶς ἀντιγεννῆσαι δύναιτο τοὺς σπείραντας, κλῆρον ἐξαίρετον τῆς φύσεως χαρισαμένης πρὸς παῖδας γονεῦσιν εἰς ἀντίδοσιν ἐλθεῖν οὐ δυνάμενον; ὅθεν καὶ σφόδρα προσῆκεν ἀγανακτεῖν, εἰ μὴ πάντα ἔχοντες ἀντιχαρίζεσθαι μηδὲ τὰ κουφότατα ἐθελήσουσιν.
106 Nach den Bestimmungen betreffend den Sabbat verkündigt er das fünfte Gebot über die Ehrfurcht vor den Eltern, dem er seine Stelle auf der Grenze zwischen den beiden Abteilungen von je fünf Geboten gegeben hat; es ist nämlich das letzte der ersten Abteilung, in der die heiligsten Pflichten (gegen Gott) geboten werden, und schliesst sich zugleich an die zweite Abteilung an, die die Pflichten gegen Menschen umfasst. 107 Der Grund, meine ich, ist folgender: die Natur der Eltern steht gleichsam auf der Grenze zwischen unsterblichem und sterblichem Wesen, sterblichem wegen der Verwandtschaft in leiblicher Vergänglichkeit mit Menschen und anderen lebenden Geschöpfen, unsterblichem wegen der Aehnlichkeit im Erzeugen mit Gott, dem Erzeuger des Alls. 108 Es haben nun manche sich ganz dem einen Teil der Gebote zugewandt und den andern ganz vernachlässigen zu dürfen gemeint: erfüllt von der reinsten Liebe zur Frömmigkeit haben sie allen anderen Geschäften den Rücken gekehrt und ihr eigenes Leben ganz dem Dienste Gottes geweiht. 109 Andere wieder halten nichts anderes für gut als die Pflichten gegen Menschen und lieben deshalb allein den Umgang mit Menschen, sie lassen in ihrem Verlangen nach inniger Gemeinschaft alle Menschen in gleicher Weise ihre Güter mitgeniessen und suchen ihnen in ihrer Not nach Kräften Erleichterung zu verschaffen. 110 Diese dürfte man mit Recht Menschenfreunde, erstere dagegen Gottesfreunde nennen; beide aber besitzen nur die halbe Tugend, denn vollkommen sind die nur, die sich nach beiden Richtungen auszeichnen. Die aber, die weder in ihren Beziehungen zu den Menschen sich bewahren, dadurch dass sie sich mitfreuen am gemeinsamen Glück und Leid mitfühlen bei dem Gegenteil, noch auch fromme Gesinnung gegen Gott bekunden, diese könnten fast in Tiernatur verwandelt erscheinen, eine Verwilderung der Sitten, die sich am schlimmsten bei denen zeigt, die keine Rücksicht gegen Eltern kennen, die sich also nach beiden Seiten feindlich gesinnt zeigen, gegen Gott und gegen die Menschen. 111 Vor zwei Richterstühlen also, die es allein auf Erden gibt, werden sie — das sollen sie wohl wissen — schuldig gefunden, schuldig der Gottlosigkeit in dem göttlichen Gericht, da sie die, welche sie aus dem Nichtsein ins Sein hinübergeführt und solcherweise Gott nachgeahmt haben, nicht ehren, und schuldig der Feindschaft gegen die Menschen in dem Menschengericht. 112 Denn wem werden denn sonst noch die wohltun, die die nächsten Verwandten missachten, die ihnen die grössten Geschenke dargereicht haben, Geschenke zum Teil so gross, dass sie gar nicht vergolten werden können? Denn wie vermochte einer, der Leben empfangen hat, seinen Erzeugern Leben wiederzugeben, da die Natur den Eltern damit eine besondere Gabe den Kindern gegenüber verliehen hat, für die es kein Wiedererstatten gibt? Darum darf man auch im höchsten Grade empört sein, wenn Kinder, die doch nicht alles wiedererstatten können, nicht das geringste von Liebe ihren Eltern erweisen wollen.
In Q 17:23-24 und Q 6:151 folgt das Gebot der Achtung gegenüber den Eltern direkt auf das der Alleinverehrung Gottes. Diese enge Verbindung zwischen den beiden Geboten erinnert an die jüdische Auslegung des Dekalogs, der zufolge das Elterngebot zu den die Beziehung zu Gott regelnden Geboten gehört. Dies wird so begründet, dass die Eltern durch Zeugung und Erziehung das Schöpfungswerk Gottes fortsetzen (Köckert 2016: p. 31). Eine Zweiteilung der Zehn Gebote in Gebote, die einerseits die Beziehung zu Gott betreffen und in Gebote, die andererseits die Beziehung zu den Mitmenschen betreffen, findet sich bereits im Neuen Testament (Mk 12:29-31 "Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden." Vgl. Mt 22:37-40, Lk 10:25-28), zumindest in der Auslegung der betreffenden Stelle durch Augustinus (350-430 n.Chr.) (Köckert 2016: p. 32, 95, 104). Allerdings teilt Augustinus den Dekalog in drei Gottesgebote und sieben
die Mitmenschen betreffende Gebote und unterscheidet sich damit von der jüdischen Einteilung
mit jeweils fünf Geboten (Köckert 2016: p. 31, 104). Eine Zweiteilung findet sich außerdem im Aristeas-Brief (Köckert 2016: p. 89-90) und bei Philo, wie der hier zitierte Text zeigt. Für Philo steht das Elterngebot an der Grenze zwischen den die Pflichten gegenüber Gott und den die Pflichten gegenüber den Mitmenschen behandelnden Geboten (Löhr 2013: p. 57-71; Köckert 2016: p. 90-91). Jan Assmann begründet die Auffassung, nach der das Gebot der Elternachtung noch zu den Gottesgeboten gehört, damit, dass die Eltern "die Vermittler der Gottesbeziehung sind und weil diese Ehrung ursprünglich auch den Totenkult und damit die Jenseitsbeziehung einschloss" (Assmann 2015: p. 270). Vgl. dazu den Kommentar zu Q 17:23-24.