Im Koran ist an drei Stellen von flüssigem Metall in einem eschatologischen Kontext die Rede. In Q 18:29 wird kochend heißes Wasser als eine Höllenstrafe beschrieben, das wie flüssige Schmelze (muhl) brenne, während in Q 70:8 der Himmel am Tage des Gerichts wie flüssiges Metall (muhl) imaginiert wird. Ähnlich wird in Q 55:35 flüssiges Messing (nuḥās) den Sündern verheißen. Positiv konnotiert erscheint das flüssige Metall (qiṭr) in Q 18:94–97, wo berichtet wird wie Ḏū l-Qarnain den von ihm zum Schutz vor Gog und Magog errichteten Wall damit übergießt, um diesen zu festigen (siehe dazu TUK_1402). In Q 34:12 wird dagegen beschrieben wie Salomo der Wind und die ǧinn dienstbar gemacht werden und ihm eine Metallquelle (ʿain al-qiṭr) fließt, wobei ʿain al-qiṭr wahrscheinlich als Allusion an das König Salomon zugeschriebene große metallene Bassin im Tempel von Jerusalem zu verstehen ist (1 Kön. 7:22–26, 25:13, 1 Chr. 18:18, 2 Chr. 4:2; siehe dazu Kang 2008 u. TUK_1418).
Im Zoroastrismus spielt ein Strom flüssigen Metalls bei der abschließenden Purifikation der Welt eine tragende Rolle. Ausführlich dargestellt wird die endzeitliche Reinigung durch den Strom flüssigen Metalls im Groß-Bundahišn 30:18–20: Am Ende des dritten Weltzeitalters (Wizārišn) erscheint Zarathustras dritter, einer Jungfrau geborener Sohn, Šōšāns. Der Text verheißt, dass die Sonne 30 Tage im Zenit steht, die Pflanzen grünen, niemand mehr stirbt und Glückseligkeit herrscht. In der Beschreibung folgt die Ausführung über die Auferstehung der Toten (Ristāxēz) sowie über die Aushebung einer Armee durch Šōšāns, die die Dämonen besiegen wird. Ohrmazd und die anderen himmlischen Wesenheiten erscheinen, so der Text, auf der Erde, und die letzte Schlacht zwischen Gut und Böse beginnt. Im Kampf steht dabei jedem guten Prinzip ein böses Prinzip gegenüber. Nach der Niederlage des Bösen überkommt ein reinigender Strom flüssigen Metalls die Welt: Dieser sei für die Tugendhaften wie ein warmes Bad, für die Sündhaften eine schmerzhafte Prüfung. Danach wird die Welt als gereinigt beschrieben; die Berge sind eingestürzt und der ideale Ur-Zustand ist wiedererreicht. Ahriman wird in dieser Darstellung nicht getötet, doch für immer in einem unterirdischen Gelass gefesselt. Die Welt kehrt in die adynamische Zeit zurück (West 1880: 125–126; siehe dazu Kreyenbroek 1993 u. Kreyenbroek 2002; zur Bedeutung des flüssigen Metalls Boyce 1975: 242–243).
Der Groß-Bundahišn ist ein recht junges Werk, das in die Zeit nach der islamischen Eroberung Irans datiert wird, wenn der Text auch eine Fülle deutlich älteren Materials enthält (siehe dazu MacKenzie 1989). Gleichwohl erscheint bereits in den Gāθās flüssiges Metall in einer strafenden Funktion (Yasna 51:8–9, TUK_1456), eine Vorstellung die im Ardā Wīrāz Nāmag als eine konkreten Vergehen korrespondierende Strafe entfaltet wird (Ardā Wīrāz Nāmag 64, 76, 77, 87). Auch Lactantius (ca. 250 n. Chr.–325 n. Chr.) berichtet im siebten Buch der Divinae institutiones von einer ähnlichen Vorstellung, die möglicherweise auf den im Werk häufiger zitierten Orakeln des Hystaspes beruht (vgl. dazu Boyce 1975: 243, Boyce and Grenet 1991: 377–381 u. Sundermann 2004, kritisch: Freund 2009: 57–59; siehe Shahbazi 2002 zur Gräzisierung von Vīštāspa, allgemein: Shahbazi 2004; TUK_1463).
Das Ardā Wīrāz Nāmag („Das Buch des Ardā Wīrāz“) stellt auf Grund seiner einzigartigen Gestaltung wie auch seiner breiten Rezeption den bedeutendsten zoroastrischen Beitrag zur Gattung der apokalyptischen Literatur dar (vgl. zum Werk Gignoux 1986). Strukturell gliedert sich das Werk in vier Teile: Auf eine kontextualisierende Einleitung (Kapitel 1–3) folgen die ausführlichen Beschreibungen des Paradieses (Kapitel 4–15) und der Hölle (Kapitel 16–100) sowie eine kurze Schlusssequenz (Kapitel 101), die eine zweite Begegnung des Ardā Wīrāz mit Ohrmazd im Paradies schildert (vgl. die ausführliche Zusammenfassung bei Haug and West 1872: LVII–LXII). In der Einleitung wird geschildert, wie Ardā Wīrāz auf Grund seiner Tugendhaftigkeit von Priestern auserkoren wird, die zoroastrische Glaubenswahrheit durch eine Himmelsreise zu bestätigen. Nachdem die Priester ihm einen narkotisierenden Trank eingeflößt haben, fällt Ardā Wīrāz für sieben Tage und sieben Nächte in einen tiefen Schlaf, bevor er das Bewußtsein wiedererlangt. Die sich anschließende Schilderung der Jenseitsreise beschreibt detailliert die Freuden der Gerechten und Leiden der Sünder (vgl. TUK_1271). Den weitaus größten Teil nimmt die Beschreibung der Hölle ein: 84 der 101 Kapitel des Werkes beschäftigen sich mit den Sünden der Hölleninsassen und den korrespondierenden Strafen (Stausberg 2009: 238; Leurini 2002: 214–220).
Alter und Entstehungszeit sind schwer einzugrenzen. In seiner heutigen Form wurde das Werk jedoch erst nach der arabischen Eroberung verschriftlicht, wie die angefügte Einleitung deutlich macht, in der von der Invasion Irans durch die Araber die Rede ist. Martin Haug und Edward W. West betonen die literarische Eigenständigkeit der Apokalypse, die weder jüdische noch christliche Einflüsse aufweise (Haug and West 1872: LVI–LVII), und verorten die Entstehung des Werkes in die Spätphase der Sasanidenherrschaft (Haug and West 1872: LXXIII). Mary Boyce und Philippe Gignoux datieren die Endredaktion auf das 9. bzw. 10. Jahrhundert (Boyce 1968: 48; Gignoux 1969). Dabei geht Boyce von einem sehr alten Kern des Werkes aus, worauf auch der bereits in den Gāthās vorkommende Name Wīrāz (Yašt 13:101) hinweise (Boyce 1968: 48–49), und auch Faridun Vahman (Vahman 1981: 11) betont, dass die zentralen Teile des Werkes aus der sasanidischen Zeit stammen.
Das Genre der Jenseitsreise, während derer eine bedeutende Person Himmel und Hölle erblickt, und somit die zoroastrische Religion durch eine transzendente Erfahrung legitimiert, ist alt; schon Zarathustra soll nach Vizīdagīhā ī Zādspram 21 in den Himmel aufgefahren sein und auch über den legendären König Vištaspa wird Ähnliches berichtet (Dēnkard 7.4:83–86). Der Hohepriester Kartīr (vgl. zu Leben und Wirken Kartīrs Skjærvø 2011), der in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts zu höchster Machtfülle im Sasanidenreich aufstieg, rühmte sich, eine Jenseitsreise unternommen zu haben, wie aus seinen Inschriften in Naqš-e Raǧab (vgl. auch TUK_1323) deutlich wird (Skjaervø 1983). Im Gegensatz zu den Inschriften Kartīrs, die eine physische Jenseitsreise des Hohepriesters beschreiben, findet sich im Ardā Wirāz Nāmag eine Akzentverschiebung hin zu einer spirituellen Reise der Seele, während derer der Körper im Diesseits verharrt.
u-m dīd ruwān ī zan-ē kē griyān ud brāmān hamē āmad [ud] šud u-š abar sar tagarg *ud snēxr hamē āmad ud azēr ī pāy rōy ī garm ī widāxtag hamē raft ud sar ud rōy ī xwēš pad kārd hamē darrīd. u-m pursīd kū ēn tan čē wināh kard ka ruwān ōwōn garān pādifrāh hamē barēd gōwēd srōš-ahlaw ud ādur-yazad kū ēn ruwān ī ōy druwand zan kē az mard ī kasān a-xwē/škārīhā ābustan būd u-š kōdak tabāh kard ud az dard ud pādifrāh pad ēd dārēd kū wāng ī ān kōdak ašnawēd ud dawēd ud dawistan ōwōn garōmandīh sahist čiyōn kē abar rōy ī garm rawēd ud hamē wāng ī ān kōdak ašnawēd ud sar ud rōy ī xwēš pad kārd hamē darrēd ud kōdak xwāhēd u-š nē wēnēd tā rašgird ēn pādifrāh abāyēd burdan
And I saw the soul of a woman who was coming and going and weeping and on (her) head were always falling hail and sleet, an under her feet ran a river of molten copper, and she was always cutting her head and face with a dagger. And I asked: “What sin did this body commit whose soul is undergoing such heavy punishment?” Srōš, the pious, and the god Ādur said: “This ist the soul of that wicked woman who became unlawfully pregnant by someone else’s husband and destroyed the child. And because of the pain and the punishment she thinks as if she heard the cry of that child. And she runs and running, seemed (to her) so difficult as if she walked on the molten copper. And she hears the cry of that cild, and always cutting her head and face with the dagger, and longing for her child and cannot see ist. She has to suffer this punishment until renovation.” (Vahman 1981: 210–211)