In der koranischen Darstellung der Hölle erscheinen peinigende Speisen und Getränke als Strafe für die Sünder (zur Hölle im Koran siehe Jeschke 2012; Lange 2016: 37–56). Ihre anschaulichste Schilderung findet die grausame Speisung in Gestalt des am Höllengrund wurzelnden zaqqūm-Baumes (Q 37:62–67; Q 44:43–46; Q 56:52, siehe dazu Radscheidt 2010), dessen Früchte Teufelsköpfen gleichen (Q 37:65), die nach ihrem Verzehr wie geschmolzenes Metall und siedendes Wasser im Bauch wirken (Q 45:44–46). Daneben finden Feuer (Q 2:174; 4:10; 47:15), Dornensträucher oder ganz allgemein schlechtes Essen (Q 73:13) Erwähnung. Als Getränke werden kochendes Wasser (Q 6:70; Q 10:4; Q 18:29; Q 38:57; Q 47:15; Q 56:54; Q 78:25; Q 88:5), Wundflüssigkeit (Q 14:16–17) und Eiter (Q 38:57; Q 69:35–37; Q 78:35) dargeboten.
Angelika Neuwirth weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die „demütigende Bestrafung, wie die ehrende Auszeichnung, gleicherweise im Bild des Gastmahles eingefaßt sind“ (Neuwirth 2010: 424). Im Anschluss an Josef Horovitz, der für die paradiesischen Gastmähler auf Parallelen in der altarabischen Dichtung verwiesen hatte (Horovitz 1923: 15–16; siehe auch Qian 2017), deutet Neuwirth die Bewirtung mit peinigenden Speisen als „pervertiertes Bild der exzessiven Gastfreundschaft des altarabischen Helden“ (Neuwirth 2010: 427). In Q 56:56 werden die Früchte des zaqqūm-Baumes explizit als „[d]ies ist ihre Bewirtung am Tage des Gerichts“ (hāḏā nuzuluhum yauma d-dīni) benannt, während an einigen weiteren Stellen auf die Beschreibung der Höllenspeisen die zynische Aufforderung folgt, von diesen zu kosten (Q 51:14; Q 54:37, 39, 48; Q 78:30). Der Maßlosigkeit der Sünder im Leben steht somit die Maßlosigkeit gegenüber, mit der ihnen ekelerregende Speisen dargeboten werden. Die Parallele zu den Gelagen im Paradies ist zudem auffällig, da Höllen- und Paradiesbeschreibungen einander häufig antithetisch gegenübergestellt sind. Nach Geert J. van Gelder sind Speisen und Getränke „important elements in contrasting the ultimate locus amoenus of Heaven with the dystopia of Hell“ (van Gelder 2011: 23).
Im zoroastrischen Schrifttum existieren Vorstellungen, die möglicherweise als Präfigurationen der genannten koranischen Passagen fungiert haben könnten. Die Bedeutung zoroastrischer Ideen für die koranische Eschatologie ist früh betont worden (Haneberg 1871: 5; Rüling 1895: 62–63; Meyer 1901: 78; Goldziher 1901), allerdings hat erst Louis H. Gray eine umfassende Zusammenstellung koranischer Allusionen an zoroastrische eschatologische Vorstellungen vorgenommen (Gray 1902). Im Zoroastrismus scheint die Idee eines jenseitigen Lebens, in dem die Seelen der Menschen Belohnung bzw. Strafe für ihre guten und schlechten Taten zu erwarten haben, bereits sehr früh entwickelt worden zu sein (siehe dazu Stausberg 2009: 219–221, der auch auf Parallelen im Rig-Veda eingeht). Nach Mary Boyce ist dem Zoroastrismus die Entwicklung einer Konzeption der Unterwelt „not merely of negations, but of punishment, in fact as hell“ zuzuschreiben (Boyce 1975: 84 und zur Entwicklung zoroastrischer Eschatologie Boyce 1984).
In den Gāthās, den Hymnen Zarathustras, die den Kern der zoroastrischen Liturgie (Yasna) bilden, erscheint das Phänomen schlechten Essens als Strafe dreimal (Y 31:19–22; Y 49:11, Y 53:6). Nach Michael Stausberg kann „schlechtes Essen“ (akāiš xⱽarǝθāiš) als das bestimmende Charakteristikum der frühen zoroastrischen Vorstellung vom „Haus der Lüge“ (drūjō dǝmāna) gelten (Stausberg 2009: 223). In der mittelpersischen Literatur findet sich eine Fülle von Belegen für Speisen als Höllenstrafe, so im Weisheitstext Dādestān ī Mēnōg ī Xrad (TUK_1318) und an zahlreichen Stellen im Ardā Wīrāz Nāmag (TUK_1400), die weit elaborierter erscheinen und in den drastisch beschriebenen Strafen Parallelen zu den genannten Koranstellen aufweisen.
Im Ardā Wīrāz Nāmag wird die Bestrafung durch üble Speise insgesamt elfmal (AWN 20; 22; 23; 27; 35; 38; 59; 61; 72; 73; 83) erwähnt, wobei der jeweils zu gewärtigenden Strafe ein konkretes Vergehen zugeordnet ist. Die meisten der genannten Stellen teilen die Vorstellung, dass die Menschen für das Verletzten von Reinheitsvorschriften in der diesseitigen Welt eine Strafe im Jenseits zu erwarten haben (zur Bedeutung ritueller Reinheit siehe Boyce 1992 u. de Jong 2012). Der extensive Sündenkatalog, der detaillierte und in ihrer Grausamkeit drastische Beschreibungen der korrespondierenden Strafen enthält, erinnert an die Visio Pauli; auch dort werden nicht weniger als 42 Sünden aufgelistet (Bremmer 2009: 307–308); auch die Zweiteilung der Hölle (AWN 16–53 u. 54–100) erinnert strukturell an die Visio Pauli, wobei die Frage der wechselseitigen Abhängigkeit in der Forschung kontrovers diskutiert wurde (Leurini 2002: 210 mit weiterer Literatur).
Das Ardā Wīrāz Nāmag („Das Buch des Ardā Wīrāz“) stellt auf Grund seiner einzigartigen Gestaltung wie auch seiner breiten Rezeption den bedeutendsten zoroastrischen Beitrag zur Gattung der apokalyptischen Literatur dar (vgl. zum Werk Gignoux 1986). Strukturell gliedert sich das Werk in vier Teile: Auf eine kontextualisierende Einleitung (Kapitel 1–3) folgen die ausführlichen Beschreibungen des Paradieses (Kapitel 4–15) und der Hölle (Kapitel 16–100) sowie eine kurze Schlusssequenz (Kapitel 101), die eine zweite Begegnung des Ardā Wīrāz mit Ohrmazd im Paradies schildert (vgl. die ausführliche Zusammenfassung bei Haug and West 1872: LVII–LXII). In der Einleitung wird geschildert, wie Ardā Wīrāz auf Grund seiner Tugendhaftigkeit von Priestern auserkoren wird, die zoroastrische Glaubenswahrheit durch eine Himmelsreise zu bestätigen. Nachdem die Priester ihm einen narkotisierenden Trank eingeflößt haben, fällt Ardā Wīrāz für sieben Tage und sieben Nächte in einen tiefen Schlaf, bevor er das Bewußtsein wiedererlangt. Die sich anschließende Schilderung der Jenseitsreise beschreibt detailliert die Freuden der Gerechten und Leiden der Sünder (vgl. TUK_1271). Den weitaus größten Teil nimmt die Beschreibung der Hölle ein: 84 der 101 Kapitel des Werkes beschäftigen sich mit den Sünden der Hölleninsassen und den korrespondierenden Strafen (Stausberg 2009: 238; Leurini 2002: 214–220).
Alter und Entstehungszeit sind schwer einzugrenzen. In seiner heutigen Form wurde das Werk jedoch erst nach der arabischen Eroberung verschriftlicht, wie die angefügte Einleitung deutlich macht, in der von der Invasion Irans durch die Araber die Rede ist. Martin Haug und Edward W. West betonen die literarische Eigenständigkeit der Apokalypse, die weder jüdische noch christliche Einflüsse aufweise (Haug and West 1872: LVI–LVII), und verorten die Entstehung des Werkes in die Spätphase der Sasanidenherrschaft (Haug and West 1872: LXXIII). Mary Boyce und Philippe Gignoux datieren die Endredaktion auf das 9. bzw. 10. Jahrhundert (Boyce 1968: 48; Gignoux 1969). Dabei geht Boyce von einem sehr alten Kern des Werkes aus, worauf auch der bereits in den Gāthās vorkommende Name Wīrāz (Yašt 13:101) hinweise (Boyce 1968: 48–49), und auch Faridun Vahman (Vahman 1981: 11) betont, dass die zentralen Teile des Werkes aus der sasanidischen Zeit stammen.
Das Genre der Jenseitsreise, während derer eine bedeutende Person Himmel und Hölle erblickt, und somit die zoroastrische Religion durch eine transzendente Erfahrung legitimiert, ist alt; schon Zarathustra soll nach Vizīdagīhā ī Zādspram 21 in den Himmel aufgefahren sein und auch über den legendären König Vištaspa wird Ähnliches berichtet (Dēnkard 7.4:83–86). Der Hohepriester Kartīr (vgl. zu Leben und Wirken Kartīrs Skjærvø 2011), der in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts zu höchster Machtfülle im Sasanidenreich aufstieg, rühmte sich, eine Jenseitsreise unternommen zu haben, wie aus seinen Inschriften in Naqš-e Raǧab (vgl. auch TUK_1323) deutlich wird (Skjaervø 1983). Im Gegensatz zu den Inschriften Kartīrs, die eine physische Jenseitsreise des Hohepriesters beschreiben, findet sich im Ardā Wirāz Nāmag eine Akzentverschiebung hin zu einer spirituellen Reise der Seele, während derer der Körper im Diesseits verharrt.
u-m dīd ruwān ī mard-ē kē gūh ud naga rēmannih xwardan dahēnd (ud) dēwan pad samg ud *kudāmag hamē kōbēnd
u-m pursīd kū ēn tan čē wināh kard kē ruwān ōwōn garān pādifrāh barēd
gōwēd srōš-ahlaw ud ādur-yazad kū: ēn ruwān ī ōy druwand mardōm kē ō garm-ābag ī was šund hēnd u-šān hixr ud nasā ō āb ud ātaxš zammig burd ahlaw andar šud ud druwand bērōn āmand hēnd.
And I saw the soul of a man whom they fed excrement and carrion and filth, and the demons forever beating him with stones and clods (of earth)
And I asked: "What sin did this body commit whose soul is undergoing such punishment?"
Srōš, the pious, and the god Ādur said: "These are the souls of those wicked people who went often to the bath, and brought excrement and carrion to water, fire and earth. They entered (the bath) pious and came out wicked". (Vahman 1981: 206)