14. Hanc autem historiam paulo latius repetere uoluimus et inserere huic expositioni nostrae scientes in tantum conuenire haec ad personam ecclesiae, quae ex gentibus uenit ad Christum, ut ipse Dominus in euangeliis reginae huius faceret mentionem, dicens eam uenisse a finibus terrae, ut audiret sapientiam Solomonis. Austri autem reginam dicit eam pro eo, quod Aethiopia in austri partibus iaceat, et a finibus terrae, quasi in ultimo posita. 15. Inuenimus autem huius ipsius reginae etiam Iosepum in historia sua facere mentionem addentem etiam hoc, quod, posteaquam regressa est, inquit, a Solomone, Cambyses rex miratus eius sapientiam, quam sine dubio ex Solomonis doctrina susceperat, cognominauit, inquit, nomen eius Meroen. Refert autem, quod non solum Aethiopiae, sed et Aegypti regnum tenuerit. [...] 26. Videamus autem et ea, quae ex tertio Regnorum libro protulimus de regina Saba, et ipsa nihilominus Aethiopissa, cui testimonium dat Dominus in euangeliis, quod in die iudicii ueniat cum uiris generationis incredulae et condemnet eos, quia uenit a finibus terrae audire sapientiam Solomonis, et addit quia „plus Solomone hic“ docens per hoc plus esse ueritatem quam ueritatis figuras. 27. Venit ergo et haec, immo secundum figuram eius ecclesia uenit ex gentibus e audire sapientiam ueri Solomonis et ueri pacifici Domini nostri Iesu Christi. Venit et haec primo quidem tentans eum per aenigmata et quaestiones, quae ei prius insolubiles uidebantur, atque ab ipso de agnitione ueri Dei et de creaturis mundi uel de animae immortalitate et iudicio futuro, quod apud eam et apud doctores eius, gentiles dumtaxat philosophos, incertum semper ac dubium manebat, absoluitur. 28. Venit ergo in Hierusalem, ad uisionem scilicet pacis, cum multitudine et uirtute multa; non enim cum una sola gente, ut prius synagoga solos habuit Hebraeos, sed cum totius mundi gentibus uenit deferens etiam munera digna Christo, odoramentorum inquit suauitates, opera scilicet bona,quae ad Deum per odorem suauitatis adscendunt. Sed et auro uenit repleta, sensibus sine dubio et rationabilibus disciplinis, quas ante fidem adhuc ex communi hac et scolari eruditione collegerat. Detulit etiam lapidem pretiosum, quae ornamenta morum possumus intelligere.
14. Diese Geschichte wollten wir etwas breiter wiedergeben und unserer Auslegung hier einfügen, weil wir wissen, dass diese so sehr auf die Person der Kirche, die aus den Völkern zu Christus kommt, zutrifft, dass der Herr selbst in den Evangelien diese Königin erwähnt, wenn er sagt, dass sie von den Enden der Erde gekommen ist, um die Weisheit Salomos zu hören. "Königin des Südens" (Matth. 12,42) aber nennt er sie deshalb, weil Äthiopien in den südlichen Teilen der Erde liegt, und von den Enden der Erde redet er, weil es gleichsam ganz am Rand gelegen ist. 15. Wir finden aber, dass sogar Josephus in seiner Geschichte eben diese Königin erwähnt und noch Folgendes hinzufügt: Nachdem sie, sagt er, von Salomo zurückgekehrt war, bewunderte König Kambyses ihre Weisheit, zu der sie zweifellos durch die Belehrung durch Salomo gekommen hatte, und gab ihr deshalb, wie er sagt, den Beinamen Meroë. Er berichtet aber, dass sie nicht nur die Herrschaft über Äthiopien, sondern auch über Ägypten innehatte (vgl. Josephus Flavius, Ant. Iud. II, 10, 2). […]. 26. Wir wollen aber auch die Passage betrachten, die wir aus dem dritten Buch der Königtümer über die Königin von Saba zitiert haben, ihrerseits ebenfalls eine Äthiopierin, der der Herr in den Evangelien das Zeugnis ausstellt, dass sie am Tag des Gerichts zu den Männern der ungläubigen Generation kommt und sie verdammt, weil sie von den Enden der Erde gekommen ist, um die Weisheit Salomos zu hören, und er fügt hinzu: "Hier ist mehr als Salomo" (Matth. 12,42), womit er lehrt, dass die Wahrheit mehr ist als die Symbole der Wahrheit. 27. Es kommt also auch diese, vielmehr kommt in ihrer Gestalt die Kirche aus den Völkern, um die Weisheit des wahren Salomo und des wahren Friedensbringers zu hören, die unseres Herrn Jesus Christus. Es kommt auch diese zuerst so, dass sie ihn durch Rätsel und Fragen auf die Probe stellt, die ihr davor unlösbar zu sein schienen, und wird von ihm uber die Erkenntnis des wahren Gottes und die Geschöpfe der Welt oder auch über die Unsterblichkeit der Seele und das künftige Gericht, was bei ihr und bei ihren Lehrern, bei den heidnischen Philosophen nämlich, immer ungewiss und zweifelhaft geblieben war, aufgeklärt. 28. Sie kommt also nach Jerusalem, das heist zur Schau des Friedens, mit einer Menge Leute und großem Hofstaat. Denn sie kommt nicht mit nur einem Volk, wie früher zur Synagoge einzig die Hebräer gehörten, sondern mit den Völkern der ganzen Welt und bringt auch Gaben dar, die Christi würdig sind, süße Gerüche, heißt es, von Spezereien, nämlich gute Werke, die zu Gott mit süßem Duft emporsteigen.Sie kommt aber auch überhäuft mit Gold, zweifellos mit vernünftigen Gedanken und Kenntnissen, die sie schon vor dem Glauben durch die allgemeine und schulische Bildung erworben hatte. Sie brachte auch Edelsteine, worunter wir den Schmuck der guten Sitten verstehen können.
Durch seine ausführliche allegorisierende Deutung des Hoheliedes schafft Origenes die wichtigste Grundlage für die spätere christliche Kommentartradition zu diesem biblischen Buch. Darüber hinaus identifiziert Origenes in den hier zitierten Passagen die beiden nicht namentlich genannten Geliebten im Hohelied mit Salomo und der Königin von Saba und interpretiert ihre Liebesbeziehung als Allegorie für die Liebe zwischen Christus und der Kirche, was ebenfalls zu einer Standardauslegung in der christlichen Bibelexegese wird.
Auf der Ebene des literalen Sinns bespricht Origenes zunächst die historischen Angaben zu Saba und zieht dafür die Antiquitates Judaicae (die "Jüdischen Altertümer") des jüdischen Historikers Flavius Josephus (Ant. Iud. II,10,2) heran, aus dem er wörtlich zitiert. Anders als für Theodoret von Kyrrhos, der Saba wahrscheinlich mit Südarabien (Arabia felix) identifiziert (TUK_1441) ist für Origenes das Herrschergebiet der Königin Äthiopien und Ägypten.
Zentral für Origenes’ allegorische Auslegung des Treffens zwischen Salomo und der Königin (vgl. 1 Kön. 10,1-10, dazu TUK_1404, TUK_1405) ist die Trennung zwischen der Weisheit Salomos, welche zur Bekehrung der Königin führt, und der Weisheit Jesu Christi. Als Schatten und "Symbol der Wahrheit" (ueritatis figurae) des Evangeliums hat also das historische Treffen zwischen Salomo und der Königin von Saba für Origenes nur einen andeutenden Charakter: der "wahre Salomo" (uerus Solomon) ist Jesus Christus, der "mehr als Salomo" (plus Solomone, vgl. Matth. 12,42) ist. Damit wird auch impliziert, dass die Bekehrung der Königin zum Glauben auch nur ein Symbol (figura) für die Bekehrung der Nichtjuden (gentes) zum Christentum darstellt (diese Deutung findet sich später auch bei Gregor von Nyssa und Theodoret, siehe TUK_1441).
Während im Koran die Geschichte von Salomo und der Königin auch einen gewissen symbolischen Bezug zur Gegenwart hat (vgl. z.B. der Begriff muslimūn in Salomos Aufforderung zur Ergebung in Q 27:31, wa-ʾtūnī muslimīna; oder das Verb ʾaslama in Q 27:44), lässt sich keine allegorische oder typologische Deutung im engeren Sinne feststellen. In Gegesatz zur origenischen Unterscheidung zwischen dem "Symbol der Wahrheit" (Salomo) und der Wahrheit selbst (Jesus Christus), nimmt der Q 27 zwischen dem prophetischen Wissen (ʿilm) Davids und Salomos (vgl. Q 27:15) und dem der anderen Propheten keine wesentliche Unterscheidung vor.
Zu Salomo und der Königin von Saba in der rabbinischen Tradition, siehe TUK_1406 und TUK_1421.