12:1 Et ingemescens diabolus dixit: O Adam, tota inimicitia mea et invidia et dolor ad te est, quoniam propter te expulsus sum et alienatus de gloria mea, quam habui in caelis in medio angelorum, et propter te eiectus sum in terram. 2 Respondit Adam: quid tibi feci 3 Aut quae est culpa mea in te? cum non sis a nobis nocitus nec laesus, quid nos persequeris? 13:1 Respondit diabolus: Adam, tu quid dicis mihi? propter tuam causam projectus sum inde. 2 Quando tu plasmatus es, ego proiectus sum a facie dei et foras a societate angelorum missus sum. quando insufflavit deus spiritum vitae in te et factus est vultus et similitudo tua ad imaginem dei, et adduxit te Michahel et fecit te adorare in conspectu dei, et dixit dominus deus: ecce Adam, feci te ad imaginem et similitudinem nostram 14:1 Et egressus Michahel vocavit omnes angelos dicens: adorate imaginem domini dei, sicut praecepit dominus deus. 2 Et ipse Michahel primus adoravit, et vocavit me et dixit: adora imaginem dei Jehova. 3 Et respondi ego: non habeo ego adorare Adam. et cum compelleret me Michahel adorare, dixi ad eum: quid me compellis? non adorabo deteriorem et posteriorem meum. in creatura illius prius sum. antequam ille fieret, ego iam factus eram. ille me debet adorare. 15:1 Hoc audientes ceteri qui sub me erant angeli noluerunt adorare eum. 2 Et ait Michahel: adora imaginem dei. si autem non adoraveris, irascetur tibi dominus deus. 3 Et ego dixi: si irascitur mihi, ponam sedem meam super sidera caeli et ero similis altissimo. 16:1 Et iratus est mihi dominus deus et misit me cum angelis meis foras de gloria nostra, et per tuam causam in hunc mundum expulsi sumus de habitationibus nostris et proiecti sumus in terram. 16:2 Et statim facti sumus in dolore, quoniam expoliati sumus tanta gloria, 16:3 et te in tanta laetitia delitiarum videre dolebamus. 16:4 Et dolo circumveniebam mulierem tuam et feci te expelli per eam de delitiis laetitiae tuae, sicut ego expulsus sum de gloria mea.
12:1 Und aufseufzend sprach der Teufel: "Oh Adam, meine ganze Feindschaft und mein Neid und mein Schmerz richtet sich auf dich, weil ich deinetwegen vertrieben und meiner Herrlichkeit beraubt worden bin, die ich im Himmel inmitten der Engel hatte, und deinetwegen auf die Erde hinausgeworfen bin." 2 Da antwortete Adam: " Was habe ich dir getan, 3 oder was ist meine Schuld gegen dich? Wenn du von uns nicht geboren oder verletzt worden bist, warum verfolgst du uns?" 13:1 Da antwortete der Teufel: "Adam, was sagst du zu mir? Um deinetwillen bin ich vertrieben worden. 2 Als du geformt wurdest, bin ich von dem Angesicht Gottes verstoßen und fernab der Gemeinschaft der Engel geschickt worden. Als Gott den Lebenshauch dir eingeflößt hat und dein Gesicht und dein Abbild zum Ebenbild Gottes gemacht wurde, brachte dich Michael herzu und ließ dich im Angesicht Gottes anbeten, und Gott der Herr sprach: Siehe, Adam, ich habe dich zu unserem Ebenbild und Abbild gemacht. 14:1 Und Michael ging hinaus und rief alle Engel und sprach: Betet das Ebenbild Gottes des Herrn an, wie es Gott der Herr geboten hat. 2 Und er, Michael, betete als erster an und rief mich und sprach: Bete das Ebenbild Gottes, des Herrn, an. 3 Und ich antwortete ihm: Ich habe keine Veranlassung, Adam anzubeten. Und ich sprach zu ihm: Was drängst du mich? Ich werde niemanden anbeten, der geringer und später entstanden ist als ich; in der Schöpfung bin ich früher als er. Bevor jener entstand, war ich schon geschaffen. Er muß mich anbeten. 15:1 Als das die übrigen Engel hörten, wollten sie ihn (ebenfalls) nicht anbeten. 2 Und Michael sprach: Bete das Ebenbild Gottes an. Wenn du aber nicht anbetest, wird Gott der Herr dir zürnen. 3 Und ich sprach: Wenn er mir zürnt, werde ich meinen Sitz über die Gestirne des Himmels setzen und dem Höchsten ähnlich sein. 16:1 Und Gott der Herr wurde zornig auf mich und schickte mich mit meinen Engeln weit weg von unserer Herrlichkeit, und deinetwegen sind wir in diese Welt hinaus vertrieben worden von unseren Wohnungen und sind auf die Erde geworfen worden, 2 und sofort wurden wir vom Schmerz erfüllt, weil wir solch großer Herrlichkeit beraubt wurden, 3 und wir litten Schmerz über solch große Freud und Wonne. 4 Und mit List umgarnte ich deine Frau und bewirkte, daß du durch sie von diesen Freuden und Wonnen vertrieben wurdest, gleich wie ich von meiner Herrlichkeit vertrieben wurde."
"Das Leben Adams und Evas" berichtet, wie der Teufel mit seinen Engeln aus dem Himmel geworfen wird, nachdem er sich geweigert hatte, Adam anzubeten. Die koranischen Erzählungen vom Fall des ʾIblīs greifen diese Verstoßungslegende auf, unterscheiden sich aber in einigen Punkten davon: Die Begründung des Teufels für seine Weigerung ist in beiden Fällen, daß er sich für besser als Adam hält; während er dies im "Leben Adams und Evas" damit begründet, früher erschaffen worden zu sein, beruft er sich im Koran darauf, aus Feuer erschaffen zu sein, statt wie Adam aus Lehm. Die koranische Erzählung ähnelt in diesem Detail mehr der im Bartholomäusevangelium geschilderten Version der Verstoßungslegende (vgl. TUK_1018). Auch wird im Koran, anders als im "Leben Adams und Evas", die Adam geschuldete Verehrung durch die Engel nicht auf Adams Gottesebenbildlichkeit zurückgeführt. Weiterhin ist es im Koran Gott selbst, der den Engeln befiehlt, sich vor Adam niederzuwerfen, im "Leben Adams und Evas" dagegen Michael. Die beiden letztgenannten Unterschiede ergeben sich als Konsequenz der im Koran hervorgehobenen Einzigkeit Gottes: Gott kann kein Ebenbild haben, und niemand außer Gott kann den Engeln befehlen, sich vor Adam niederzuwerfen.
Der koranische Name für den Teufel, ʾIblīs, ist, wie Horovitz 1926: p. 87 gezeigt hat, von gr. diabolos abzuleiten, was eine christliche Vermittlung der Verstoßungslegende wahrscheinlich macht.
Anhand des Schicksals der ersten Menschen behandelt "Das Leben Adams und Evas" die allgemeine Situation des Menschen, zu dessen Leben die Erfahrung von Tod, Leid und Krankheit gehört. In diesem Zusammenhang liegt der Schwerpunkt vor allem auf der Kraft der Buße, durch die der Mensch wieder Gottes Zuwendung erfahren kann. Daneben wird auch die Rolle des Satans behandelt, sowohl in seinem Verhältnis zu Gott als auch zur menschlichen Willensfreiheit. Verschiedene Indizien sprechen dafür, dass es sich um einen jüdisch-hellenistischen Text handelt, trotz der ausschließlichen Überlieferung in christlichen Handschriften. Spezifisch christliche Elemente finden sich jedoch nur im sekundären Teil 29:1-10, sowie in dem aus dem Nikodemusevangelium eingeschobenen Teil 41:1-42:2. Ursprünglich wurde "Das Leben Adams und Evas" wahrscheinlich auf griechisch verfasst, ist heute aber nur noch in Übersetzungen erhalten (neben der vorliegenden lateinischen gibt es auch armenische, georgische und altkirchenslavische Rezensionen). Auch besteht eine gewisse Beziehung zur griechischen Apokalypse Mosis; neben einander entsprechenden Passagen enthalten beide Texte jeweils auch Sondergut; die genaue Abhängigkeit zwischen den beiden Texten ist aber nicht übereinstimmend geklärt. (Vgl. dazu Merk and Meiser 1998: p. 740-776).