Aber den Lügnern, (Leuten) von schlechter Herrschaft, schlechten Handlungen,
schlechten Worten, schlechten Anschauungen (und) schlechten Gedanken,
kommen die Seelen (der Verstorbenen) mit verdorbenen Speisen entgegen.
Im Haus der Lüge werden sie die richtigen Gäste sein. (Humbach and Faiss 2010: 149)
In der koranischen Darstellung der Hölle erscheinen peinigende Speisen und Getränke als Strafe für die Sünder (zur Hölle im Koran siehe Jeschke 2012; Lange 2016: 37–56). Ihre anschaulichste Schilderung findet die grausame Speisung in Gestalt des am Höllengrund wurzelnden zaqqūm-Baumes (Q 37:62–67; Q 44:43–46; Q 56:52, siehe dazu Radscheidt 2010), dessen Früchte Teufelsköpfen gleichen (Q 37:65), die nach ihrem Verzehr wie geschmolzenes Metall und siedendes Wasser im Bauch wirken (Q 45:44–46). Daneben finden Feuer (Q 2:174; 4:10; 47:15), Dornensträucher oder ganz allgemein schlechtes Essen (Q 73:13) Erwähnung. Als Getränke werden kochendes Wasser (Q 6:70; Q 10:4; Q 18:29; Q 38:57; Q 47:15; Q 56:54; Q 78:25; Q 88:5), Wundflüssigkeit (Q 14:16–17) und Eiter (Q 38:57; Q 69:35–37; Q 78:35) dargeboten.
Angelika Neuwirth weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die „demütigende Bestrafung, wie die ehrende Auszeichnung, gleicherweise im Bild des Gastmahles eingefaßt sind“ (Neuwirth 2010: 424). Im Anschluss an Josef Horovitz, der für die paradiesischen Gastmähler auf Parallelen in der altarabischen Dichtung verwiesen hatte (Horovitz 1923: 15–16; siehe auch Qian 2017), deutet Neuwirth die Bewirtung mit peinigenden Speisen als „pervertiertes Bild der exzessiven Gastfreundschaft des altarabischen Helden“ (Neuwirth 2010: 427). In Q 56:56 werden die Früchte des zaqqūm-Baumes explizit als „[d]ies ist ihre Bewirtung am Tage des Gerichts“ (hāḏā nuzuluhum yauma d-dīni) benannt, während an einigen weiteren Stellen auf die Beschreibung der Höllenspeisen die zynische Aufforderung folgt, von diesen zu kosten (Q 51:14; Q 54:37, 39, 48; Q 78:30). Der Maßlosigkeit der Sünder im Leben steht somit die Maßlosigkeit gegenüber, mit der ihnen ekelerregende Speisen dargeboten werden. Die Parallele zu den Gelagen im Paradies ist zudem auffällig, da Höllen- und Paradiesbeschreibungen einander häufig antithetisch gegenübergestellt sind. Nach Geert J. van Gelder sind Speisen und Getränke „important elements in contrasting the ultimate locus amoenus of Heaven with the dystopia of Hell“ (van Gelder 2011: 23).
Im zoroastrischen Schrifttum existieren Vorstellungen, die möglicherweise als Präfigurationen der genannten koranischen Passagen fungiert haben könnten. Die Bedeutung zoroastrischer Ideen für die koranische Eschatologie ist früh betont worden (Haneberg 1871: 5; Rüling 1895: 62–63; Meyer 1901: 78; Goldziher 1901), allerdings hat erst Louis H. Gray eine umfassende Zusammenstellung koranischer Allusionen an zoroastrische eschatologische Vorstellungen vorgenommen (Gray 1902). Im Zoroastrismus scheint die Idee eines jenseitigen Lebens, in dem die Seelen der Menschen Belohnung bzw. Strafe für ihre guten und schlechten Taten zu erwarten haben, bereits sehr früh entwickelt worden zu sein (siehe dazu Stausberg 2009: 219–221, der auch auf Parallelen im Rig-Veda eingeht). Nach Mary Boyce ist dem Zoroastrismus die Entwicklung einer Konzeption der Unterwelt „not merely of negations, but of punishment, in fact as hell“ zuzuschreiben (Boyce 1975: 84 und zur Entwicklung zoroastrischer Eschatologie Boyce 1984).
In den Gāthās, den Hymnen Zarathustras, die den Kern der zoroastrischen Liturgie (Yasna) bilden, erscheint das Phänomen schlechten Essens als Strafe dreimal (Y 31:19–22; Y 49:11, Y 53:6). Nach Michael Stausberg kann „schlechtes Essen“ (akāiš xⱽarǝθāiš) als das bestimmende Charakteristikum der frühen zoroastrischen Vorstellung vom „Haus der Lüge“ (drūjō dǝmāna) gelten (Stausberg 2009: 223). In der mittelpersischen Literatur findet sich eine Fülle von Belegen für Speisen als Höllenstrafe, so im Weisheitstext Dādestān ī Mēnōg ī Xrad (TUK_1318) und an zahlreichen Stellen im Ardā Wīrāz Nāmag (TUK_1400), die weit elaborierter erscheinen und in den drastisch beschriebenen Strafen Parallelen zu den genannten Koranstellen aufweisen.
at̰ dušəxṣ̌aϑrə̄ṇg duš š́iiaoϑanə̄ṇg dužuuacaŋhō
duždaēnə̄ṇg duš manaŋhō drəguuatō
akāiš xvarəϑāiš paitī uruuąnō paitiieiṇtī
drūjō dəmānē haiϑiiā aŋhən astaiiō
But the deceitful, (persons) of bad rule, bad actions,
bad words, bad views, (and) bad thoughts
the souls (of the dead) come to meet with foul food.
They will be guests in the house of deceit. (Humbach and Faiss 2010: 149)