
In der koranischen Schilderung der Freuden und Gnadenbezeugungen Gottes, welche die Gläubigen im Paradies erfahren, finden Ruhebetten und prachtvolle Gewänder aus dunkler Seide (sundus) und Brokat (istabraq) Erwähnung. Während sich der Begriff sundus schon in der altarabischen Dichtung nachweisen lässt (Horovitz 1923: 16), scheint das Wort istabraq erst im Koran Eingang ins Arabische gefunden zu haben. Arthur Jeffery diskutiert den persischen Ursprung des im Koran für Brokat verwendeten Wortes (Jeffery 1938: 58–60), welches sich möglicherweise vom mittelpersischen Wort stabr („fest, dick“, für awestische Belege siehe Bartholomae 1904: 1592) ableiten lasse. In diesem Zusammenhang ist auch das mittelpersische stabrag („glänzende, schillernde Seide“) aufschlussreich (MacKenzie 1971: 77). Im Syrischen lassen sich die Lehnworte esṭaḇrē und esṭaḇrgā nachweisen (Ciancaglini 2008: 109–110), so dass eine auch Vermittlung über das Syrische in Betracht zu ziehen ist.
Die Vorstellung luxuriöser Kleidung und bequemer Ruhebetten im Paradies findet sich prominent in der zoroastrischen eschatologischen Literatur. An zahlreichen Stellen im Ardā Wīrāz Nāmag (AWN 7:3; 9:2; 12:1,9,11,13; 13:2; 14:4, 8–9, 12, 14, 17, 20; 15:9–10, 16) und im hier vorgestellten Dādestān ī Mēnōg ī Xrad wird ein Bild der paradiesischen Freuden entworfen, das den Gerechten feine Speisen, Wohlgerüche, bequeme Ruhelager und prachtvolle Gewänder verheißt. Konträr dazu wird das Schicksal der „Anhänger der Lüge“ (TUK_1318) dargestellt. Thema und antithetischer Aufbau erinnern an die Gestaltung eschatologischer Szenen im Koran, in welchen Gott in der Überfülle der dargebotenen Erquickungen überaus großzügig erscheint (Neuwirth 2010: 424–430).
Das Dādestān i Mēnōg ī Xrad („Urteile des Geistes der Weisheit“) ist ein mittelpersischer zoroastrischer Text, welcher der Gattung der Weisheitsliteratur (Andarz) zugerechnet wird (vgl. Shaked and Safa 1985). Der Text selbst stellt die spätere Verschriftlichung einer zunächst mündlichen Tradition dar. Die älteste erhaltene Handschrift stammt aus dem Jahr 1589. Autor und Entstehungszeit sind unbekannt, jedoch gehen Edward W. West, Mary Boyce und Aḥmad Tafażżolī aufgrund stilistischer Besonderheiten und der Bezugnahme auf historische Ereignisse der späten Sasanidenzeit von einer schriftlichen Abfassung während der Regierungszeit des Ḫusraw I. Anūšīrwān (reg. 531–579 n. Chr.) aus (vgl. West 1885: X–XI; Boyce 1968: 54; Tafażżolī 1993). Für das Genre der Andarz-Literatur generell wird von einer schriftlichen Fixierung in der spät-sasanidischen Zeit ausgegangen (vgl. Stausberg 2002: 291–292).
Formal gliedert sich der Text in 63 Abschnitte, wobei auf eine den Rahmen bildende erzählerische Einleitung 62 Dialogsequenzen folgen. Die Einleitung unterrichtet über die Bemühungen eines gewissen Dānāg (der sprechende Name kann wörtl. übersetzt werden mit „der Wissende, der Weise“), der während seiner Suche nach Wissen und Erkenntnis viele Länder bereist und dabei Sitten, Bräuche und religiöse Überzeugungen kennenlernt (DMX 1:33–38). Am Ende seiner Reise wird ihm schließlich – nach Erkennen der für den Zoroastrismus zentralen Tugend der Weisheit (xrad) – die Ehre zuteil, Fragen an den göttlichen Geist der Weisheit (Mēnōg ī Xrad) stellen zu dürfen (DMX 1:57–60). Die darauf folgenden 62 Sektionen behandeln eine Fülle von Themen: Neben lebenspraktischen Fragen etwa über das maßvolle Weintrinken (DMX 16) werden Fragen der religiös korrekten Lebensführung, wie die nach der Einhaltung der drei Gebetszeiten (DMX 53), erörtet; des Weiteren werden Begräbnis-Vorschriften (DMX 6), das Tragen des heiligen Gürtels und Essenvorschriften (DMX 6) sowie dogmatische Themen wie der Antagonismus zwischen Ohrmazd und Ahriman (DMX 45; 45; 54), Fragen des Rituals (DMX 52) sowie Sünden- und Tugendkataloge (DMX 35; 36) besprochen. Vereinzelt wird auch auf eschatologische Themen, etwa die Anzahl der Paradiese und Höllen (DMX 7), eingegangen. Daneben finden sich auch kurze kosmogonische (DMX 44) und geographische (DMX 56) Passagen, Darlegungen über die Klassenstruktur der Gesellschaft (DMX 31; 32) und weitere Themengebiete. Wie der Titel des Werkes bereits andeutet, betont der Text die sittliche Überlegenheit des Strebens nach Weisheit und spiritueller Vervollkommnung vor materiellem Wohlstand und weltlicher Macht.
- Čiyōn paydāg
- kū: Ahlaw nar ud nārīg pas az bē-widerišnīh xwaštom az xwariṣnān, ahy ān ī mēdyōzarm rōγn, mēnōgān yazadān awiš barēnd u+š pad gāh ī harwisp-pēsīd be nišānēnd,
- tā hamēw-ud-hamēw-rawišnīh pad harwisp xwarīh ēstēd abāg mēnōgān yazadān hamēs-rawišnīhā.
- As it is declared
- that: “Unto the righteous man and woman, after passing away, they bring food of the most agreeable of eatables – the food of the angels of the spiritual existences – that which is the mid-spring butter; and they seat them down on an all-embellished throne.
- For ever and everlasting they remain in all glory with the angels of the spiritual existences everlastingly.”