"Vier traten in das Paradies ein und zwar Ben Azai, Ben-Zoma und R. Aqiba. R. Aqiba sprach zu ihnen: Wenn ihr an die glänzenden Marmorsteine herankommt, so rufet nicht: Wasser, Wasser, denn es heisst: Wer Lügen redet, soll vor meinem Angesicht nicht bestehen. (Ps 101,7) Ben Azai schaute und starb. Ueber ihn spricht der Schriftvers: Kostbar in den Augen des Herrn der Tod seiner Frommen. (Ps. 116,15) Ben-Zoma schaute und kam zu Scahden. Ueber ihn spricht der Schriftvers: Hast du Honig gefunden, so iss, was dir genügt, dass du seiner nicht satt werdest und ihn ausspeist. (Prov 25,16) [Aher riss die Setzlinge aus. R. Aqiba verliess den Garten in Frieden.]"
Die koranischen Wendungen ʾadḫilnī mudḫala ṣidqin und wa-ʾaḫriğnī muḫrağa ṣidqin (Q 17:80) sind verschieden übersetzt worden, R. Paret, 1966: 202: „Gewähre mit (dereinst) einen guten (w. wahrhaftigen) Eingang und einen guten (w. wahrhaftigen) Ausgang“; H. Zirker, 2007: 179; „führe mich einen ehrenhaften Eingang und einen ehrenhaften Ausgang!“; H. Bobzin, 2010: 249: „Führe mich ein in Wahrhaftigkeit, und führe mich heraus in Wahrhaftigkeit“. Sie bleiben aber im Kontext der Sure schwer verständlich. Philologisch leiten sich die Wendungen aus dem Wort mudḫal/madḫal (Lesart nach dem Muṣḥaf ʾUbaiy) bzw. muḫrağ/maḫrağ (Lesart des Abū Qatāda u.a.; vgl. dazu ʿAbd al-Mağīd al-Šarfī, al-Muṣḥaf wa-qirāʾātuh, Bd. 2, S. 354) mit hinzugesetztem indeterminierten Genitiv der Wurzel /ṣ-d-q/, ṣidq, „in Wahrheit“ bzw. „in Wahrhaftigkeit“ (vgl. A.A. Ambros, 2004: 159) ab. Verwandte Wendungen im Koran wie qadam ṣidqin, „guten, festen Stand“ (Q 10:2), mubauwaʾ ṣidqin, „ehrenhafte Wohnung“ (Q 10:93), lisān ṣidqin, „guten Ruf“ (Q 19:50, Q 26:84), und maqʿad ṣidqin, „festen Sitzplatz“ (Q 54:55), oder auch bei ṣiddīq, „Gerechter“ (u. a. Q 4:69, Q 12:46, Q 19:41, Q 19:56, Q 57:19), deuten auf einen hebräisch-aramäischen Hintergrund hin (vgl. A. Jefferey, 1938: 194f.). Auch in der hebräischen Bibel ist das Wort ṣedeq im indeterminierten Genitiv in der Bedeutung „gut, gerecht“ bezeugt, so z. B. maʿagley ṣedeq, „gerader Weg“ (Ps 23,3), mišpaṭ ṣedeq, „gerechter Entscheid“ (Jes 58,2), ʾavney ṣedeq bzw. moʾazney ṣedeq, „rechte Balance“ und „rechtes Gewicht“ (Lev 19,36, Hiob 31,6, Ez 45,10 u. v. m.). Viele traditionelle Korankommentare beziehen die Verse auf die Auswanderung des Propheten von Mekka nach Medina (z.B. al-Zamaḫšarī, al-Kaššāf, ed. al-Ḥammādā, zu Q 17:80), ohne die Anklänge an jüdisch-rabbinische Formulierungen wahrzunehmen. Da in Sure 17 Gebet und Transzendenzerfahrung zentrale Themen sind, lässt sich ʾadḫilnī mudḫala ṣidqin und wa-ʾaḫriğnī muḫrağa ṣidqin (Q 17:80) vielleicht auch als Echo der hebräischen Wendung niḵenas ba-šalom wa-yaẓaʾ ba-šalom, „er ging herein in Frieden, und er kam heraus in Frieden“ (d. h. unversehrt) aus den Heḵalot-Literatur verstehen. Die im babylonischen Talmud berichtete Himmels- bzw. Paradiesreise behält das Privileg einer unbeschadeten Erfahrung Rabbi Akiva vor, wohingegen seine Begleiter dem Tod oder Wahnsinn anheim fallen. Die Tradition, die der babylonische Talmud hier bewahrt, entstammt der Sammlung Heḵalot Zuṭarti (Heḵalot Zuṭarti §§ 344-345, ed. P. Schäfer; vgl. TUK_1422). Die Sammlung Heḵalot Zuṭarti („Die kleinen Paläste“) ist aller Wahrscheinlichkeit nach einer der ältesten Texte der sogenannten Heḵalot-Literatur und stammt aus Palästina; er datiert in das zweite oder dritte Jahrhundert n. Chr. Im Gegensatz zur Stelle in der Tosefta (TḤag 2,3-4; vgl. dazu TUK_1341), wird hier nicht von einem „Aufstieg“ (hebr. ʿaliya) und „Abstieg“ (hebr. yerida) berichtet, sondern von einem „Eintreten“ (hebr. kenisa) und „Austreten“ (yeṣiya), wobei in beiden Stellen eine unversehrte Reise allein R. Akiva vorbehalten wird. Für ein besseres Verständnis der koranischen Wendung „gewähre mir einen wahrhaften Eingang“ (ʾadḫilnī mudḫala ṣidqin), und „gewähre mir einen wahrhaftigen Ausgang“ (wa-ʾaḫriğnī muḫrağa ṣidqin) kann diese Stelle eine mögliche Erklärung liefern, gerade wenn man auch die vielfältige Ausgestaltung dieser Himmelsreise bzw. des Besuchs in einer transzendente Welt (=Pardes) bedenkt, die annehmen läßt, dass diese Vorstellung einer möglichen Reise in die Transzendenz einen hohen Stellenwert in der spätantiken Literatur gehabt haben mag (zur Interpretation dieses Motivs vgl. A. Goshen-Gottstein, 1995: 69-133, M.E. Subtelny, 2004: 3-58, M.A. Sweeny, 2005: 262-282).
Der babylonische Talmud [bT] (ha-talmud ha-bavli) zählt wie kein anderes Werk zum Traditionsschatz des rabbinischen Judentums (vgl. Günter Stemberger, Das klassische Judentum. Kultur und Geschichte der rabbinischen Zeit [70. n. Chr.-1040 n. Chr.], München: C.H. Beck, 1979) und ist damit ein Hauptzeuge der jüdischen Gedankenwelt klassischer Zeit. Der babylonische Talmud bezeugt eine Verhandlung von Themenfeldern und Einzelproblemen, die bereits in der Mischna [M] und der Baraita/Tosefta [T] aufgeworfen wurden. Es handelt sich aber nicht nur um eine Sammlung rechtsphilosophischer und rechtstheologischer Diskussionen, sondern bewahrt auch eine Vielzahl haggadischer Materialien, welche Rückschlüsse auf die Theologie des rabbinischen Judentums zulassen (vgl. Salomon Schechter, Aspects of Rabbinic Theology, London: A & C Black, 1909; Ephraim E. Urbach, The Sages: Their Concepts and Beliefs, trans. I. Abrahams, Jerusalem: Magnes Press, 1979). Die Textgeschichte des Talmuds, der bisher häufig ins frühe sechste Jahrhundert n. Chr. datiert wurde, stellt sich schwieriger dar als bisher angenommen. Selbst wenn mit einer abschließenden Bearbeitung durch die Talmudredaktoren (Setammaʾim) erst zu Beginn des achten Jahrhunderts n. Chr. zu rechnen ist, so sind die mündlichen Überlieferungen doch älteren Datums (Moulie Vidas, Tradition and the Formation of the Talmud, Princeton: Princeton University Press, 2014). Damit werden die Traditionen des babylonischen Talmuds [bT] neben den frühen Auslegungsmidraschim – Genesis Rabba [BerR], Leviticus Rabba [WaR], Pesiqta de-Rav Kahane [PesK] – und den rechtsphilosophischen und rechtstheologischen Midraschim – Mekhiltaʾ de-Rabbi Yischmaʾel [MekhY] und Sifre Deuteronomium [SifDev] – zum wichtigsten Bezugspunkt jüdischen Denkens der Spätantike.
Ausgabe: Talmud Babli (Wilna Edition), 20 Bde., Jerusalem: o.V., 1977 [= Wilna: Romm, 1880-1886]; Übersetzung: (Deutsch) Lazarus Goldschmidt, Der babylonische Talmud, 12 Bde., Berlin: Jüdischer Verlag, 1929-1936 [Nachdruck Berlin 1996]; (Englisch) Isidore Epstein (Ed.), The Babylonian Talmud. Translated into English with Notes, Glossary and Indices, 35 Bde., London: Soncino Press, 1935-1952 [Nachdruck in 18 Bde. London 1961]; Literatur: Günter Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch. Neunte, vollständig neubearbeitete Auflage, München: C.H. Beck, 2011, S. 211-247; vgl. auch Günter Stemberger, Der Talmud: Einführung, Texte, Erläuterungen, München: C.H. Beck, 1982."Our Rabbis taught: Four men entered the 'Garden,' namely, Ben Azzai and Ben Zoma, Aher, and R. Akiba. R. Akiba said to them: When ye arrive at the stones of pure marble, say not, water, water! For it is said: He that speaketh falsehood shall not be established before mine eyes. (Ps 101,7) ben Azzai cast a look and died. Of him Scipture says: Precious in the sight of the Lord is the death of His saints. (Ps 116,15) Ben Zoma looked and became demented. Of him Scipture says: Hast thou found honey? East so much as is sufficient for thee, lest thou be filled therewith, and vomit it. (Prov 25,16) Aher mutilated the shoots. R. Akiva departed unhurt."