ܐܘ ܒܪ ܐܕܡ ܥܦܪܐ ܕܡܢ ܐܪܥܐ ܕܩܐܡ ܒܪܥܝܢܐ ܕܡܪܕܐ ܠܐܒܕܢܐ: ܐܘܠܕܬ ܬܪܥܝܬܟ ܐܠܗ̈ܐ ܐܚܖ̈ܢܐ: ܚܫܠܬ ܡܚܫܒܬܟ ܡܕܡ ܕܠܐ ܚܙܐ ܠܗ. ܠܥܠ ܠܐ ܣܠܩܬ: ܒܐܪܥܐ ܐܣܝܪ ܐܢܬ. ܠܬܚܬ ܠܐ ܢܚܬܬ ܕܬܕܥ ܕܬܡܢ. ܕܡܝܬ ܘܡܠܠܬ ܟܕ ܠܐ ܚܙܝܬܝܗܝ. ܗܘܝܬ ܠܟ ܕܓܠܐ ܡܡܠܠ ܫܘܩܪܐ ܘܙܐܦܐ. ܐܫܐܠܟ ܬܐܡܪ ܠܝ: ܫܡܫܐ ܕܚܙܝܬܝܗܝ ܕܡܢܐ ܗܘ ܩܢܘܡܗ ܆ ܐܝܬ ܒܗ ܢܦܫܐ ܆ ܐܝܬ ܒܗ ܝܕܥܬܐ ܆ ܐܘ ܐܝܬ ܒܗ ܦܘܪܫܢܐ ܆ ܐܢ ܬܗܝܡܢ ܒܡܕܡ ܕܐܡܪ ܐܢܐ ܠܟ ܗܟܢܐ .ܐܝܬܘܗܝ: ܫܡܫܐ ܘܣܗܪܐ ܐܝܟ ܢܘܪܐ ܘܡܝ̈ܐ ܕܠܐ ܪܓܫܝܢ ܘܠܐ ܦܪܫܝܢ
O Adamssohn, Staub von der Erde, der du in Gedanken dastehst, die ins Verderben führen. Dein Sinn hat andere Götter geboren, dein Denken hat erdacht, was es nicht gesehen hat. Nach oben bist du nicht aufgestiegen, auf Erden bist du gefesselt. Nach unten bist du nicht hinabgestiegen, um zu erkennen, was dort ist. Du stellst Vergleiche an und sprichst, obgleich du nicht gesehen hast. Du bist zum Lügner geworden, sprichst Lügen und Falsches. Ich will dich fragen. Sag mir, die Sonne, die du gesehen hast, was ist ihr Wesen? Birgt sie eine Seele? Birgt sie Erkenntnisvermögen? Birgt sie Unterscheidungsgabe? Wenn du glaubst, was ich sage, will ich dir sagen, dass es sich so verhält: Sonne und Mond sind ebenso wie Feuer und Wasser ohne Empfindungsvermögen und ohne Unterscheidungsgabe.
In seiner letzten und längsten "Unterweisung" (Dem. XXIII) behandelt der frühsyrische Schriftsteller Aphrahat u.a. die Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens und stellt sie der Allwissenheit Gottes gegenüber. Unter den Bildern, die Aphrahat für die Schilderung des begrenzten Wissens des Menschen verwendet, findet sich auch die Unmöglichkeit des Betretens (wörtl. des „Hinabsteigens“) – und damit, implizit, des Erkennens – der Unterwelt. Heinrich Speyer (Speyer 1931, S. 307, n. 5) erwähnt das hier evozierte Bild als eine mögliche Parallele zur koranischen Aussage in Q 17:36-37, gemäß welcher der Mensch die Erde nicht aufspalten kann (ʾinnaka lan taḫriqa l-ʾarḍa); siehe auch Kommentar zu Sure 17,1.
Darüber hinaus können auch weitere Gemeinsamkeiten zwischen der Passage bei Aphrahat und den eben zitierten koranischen Versen aus Sure 17 hervorgehoben werden: Aphrahat argumentiert grundsätzlich gegen das Ersinnen von falschen Gottheiten und gegen die Anbetung der Schöpfung (etwa der Sonne, des Feuers, usw.). Dieser Nachdruck auf den Monotheismus ist auch im unmittelbaren Kontext von Q17:36-37 zu spüren, wo die Prezepte des mosaischen Dekalogs, darunter eben besonders der Monotheismus (vgl. Q 17:22-23, 17:39-40), ausführlich behandelt werden. Ein weiterer gemeinsamer Punkt ist auch der Gegensatz zwischen der Überheblichkeit des Menschen und der für ihn eigentlich angemessenen Demut (syr. makkikūtā), ein Thema zu dem Aphrahat eine gesamte "Unterweisung" (Dem. IX) verfasst hat. Dieser Gegensatz klingt auch in der koranischen Aufforderung in Q 17:37 an, die Erde nicht überheblich zu beschreiten (wa-lā tamši fi l-ʾarḍi maraḥan).
Auch bekannt als "der persische Weise" ist Aphrahat einer der wichtigsten frühsyrischen christlichen Autoren (geb. ca. 270 – gest. nach 345). Seine 23 Demonstrationes ("Unterweisungen", syr. taḥwyātā) wurden 336/7 bzw. 345 n. Chr. verfasst und sind u.a. in drei frühen syrischen Handschriften aus dem 5. und 6. Jh. überliefert (hg. Parisot 1895, Parisot 1907). Ferner sind eine ebenfalls frühe armenische Übersetzung der ersten 19 Unterweisungen (ed. Lafontaine 1977-1980), sowie arabische und georgische Teilübersetzungen auf uns gekommen. Im Armenischen ist das Werk Jakob von Nisibis zugeschrieben (gest. 337/8) und Aristakes, dem Sohn Gregors des Erleuchters von Armenien, gewidmet. Eine moderne deutsche Übersetzung hat Peter Bruns veröffentlicht (Bruns 1991).
Aphrahats Schriften spiegeln eine von der griechischen patristischen Literatur im Grunde noch unbeeinflusste und stark an die Bibel orientierte frühchristliche Spiritualität wider. Die „Unterweisungen“ behandeln ausführlich mehrere grundlegende Themen des christlichen Lebens: den Glauben an Gott, die christlichen Tugenden (z.B. die Demut, die Liebe), das Fasten, das Gebet, usw. Zentral sind auch Aphrahats Bemerkungen über die frühesten Formen der syrischen Askese (die Bundessöhne, die Einsiedler), sowie seine Vorstellungen über die Heilsgeschichte. Ein oft hervorgehobener Aspekt des theologischen Denkens Aphrahats ist seine z.T. polemische Auseinandersetzung mit dem Judentum, wobei seine Schriften gleichzeitig viele Gemeinsamkeiten mit der jüdischen Bibelexegese der Periode haben.
Heinrich Speyer (Speyer 1931) hat mehrere Passagen aus Aphrahats Schriften als frühsyrische Zeugnisse bzw. Vergleichsstellen für seine Untersuchungen zum Koran herangezogen.