1 𐩥𐩡𐩫𐩹𐩺𐩽𐩱𐩡-𐩯𐩬𐩽𐩨𐩬𐩽𐩠𐩴𐩧𐩬𐩽𐩣𐩷
2 𐩧𐩩𐩣𐩽𐩫𐩡𐩽𐩢𐩮𐩣𐩬𐩽𐩨𐩡𐩩𐩺𐩽𐩤𐩠𐩩𐩽𐩥
3 𐩱𐩹𐩬𐩽𐩨𐩬𐩽𐩪𐩭𐩺𐩣𐩣𐩽𐩥𐩱𐩡𐩯𐩬𐩽𐩹𐩨𐩬
4 𐩨𐩬𐩽𐩨𐩬𐩩𐩽𐩠𐩴𐩧𐩬𐩽𐩣𐩷𐩧𐩩𐩣𐩽𐩱𐩵𐩺𐩽𐩪
5 𐩱𐩧𐩩𐩽𐩨𐩧𐩻𐩬𐩽𐩥𐩠𐩴𐩧𐩣𐩽𐩶𐩺𐩧𐩽𐩠𐩴𐩧𐩬𐩽𐩣
6 𐩷𐩧𐩩𐩣𐩽𐩥𐩱𐩡𐩯𐩬𐩽𐩠𐩧𐩴𐩽𐩨𐩬𐩩𐩠𐩥𐩽𐩨
7 𐩬𐩫𐩡𐩽𐩦𐩲𐩨𐩬𐩽𐩹𐩣𐩷𐩧𐩩𐩣

1 Es wird verboten der Stadt Maṭ-
2 ira, Rechtsstreit zu führen (?), ohne Anweisung
3 und Erlaubnis der Banū Suḫaim, und es wird verboten zu geben (in die Ehe?)
4 eine Tochter der Stadt Maṭira an
5 einen anderen Ort oder Stadt als die Stadt Ma-
6 ṭira, und es wird verboten, seine Töchter [wörtl. Tochter] zu töten,
7 dem gesamten Stamm Ḏū-Maṭira.
An fünf koranischen Textstellen findet die altarabische Praxis der Mädchentötung nach der Geburt ein Echo. In Q 16:57-59, Q 17:31 und Q 81:8 ist von Mädchen, in Q 6:151 und 60:12 geschlechtsunspezifisch von der Tötung der Kinder die Rede. Diese Praxis ist wahrscheinlich auch in der angezeigten altsüdarabischen Inschrift aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. belegt. Nach Christian Robin (Robin 1992: p. 141-143) befand sich die jemenitische Stadt Maṭira, vielleicht als Folge von Krieg oder Seuchen, in einer demographischen Krise, auf die man politisch reagierte, wobei weniger ethische Überlegungen sondern politische Notwendigkeiten das Verbot der Mädchentötung zu motivieren scheinen. Das Verbot wird dabei nicht durch eine Gottheit sondern durch die Mächtigen des Stammes (sabäisch šʿb „Stamm“) Sḫym (von Chr. Robin "Suḫaim" vokalisiert) autorisiert. Die fünf Koranverse, die sich auf die Praxis der Mädchen- bzw. Kindestötung beziehen, reflektieren diese altarabische Praxis unterschiedlich: Q 6:151 verlangt Gottesfurcht, Respekt vor den Eltern und verbietet es in diesem Zusammenhang, seine Kinder aus Furcht vor Verarmung zu töten, das gleiche Motiv für die Kindstötung wird auch in Q 17:31 genannt. In Q 60:12 werden Frauen erwähnt, die dem Propheten Tugenden geloben, darunter auch die Absage an die Praxis, ihre Kinder zu töten. Der frühmekkanische Vers Q 81:8, koran-chronologisch gesehen der früheste koranische Beleg, erwähnt die altarabische Praxis im Rahmen der Schilderung des Jüngsten Gerichts, bei dem das "getötete Mädchen" (al-mauʾūda) als Zeugin erscheint und gefragt wird, aufgrund "welcher Verfehlung es getötet wurde" (bi-ʾayyi ḏambin qutilat). An allen fünf Stellen findet sich im Korantext ein Echo der altarabischen Praxis, Kinder - gemeint ist wohl unmittelbar nach der Geburt - zu töten, aus Furcht vor Verarmung. Geburtenkontrolle oder andere Techniken der Geburtenplanung werden im Korantext nicht thematisiert, spielen allerdings in den Prophetenworten eine Rolle und werden im islamischen Recht diskutiert, vgl. Literaturangaben in Bowen 2001: p. 234f. Nach Robin 1992: p. 143 wird das Verbot durch den sabäischen Ausdruck ʾl-śn ausgedrückt, wörtlich: ʾl = "nicht" und śn = "Sitte, Gewohnheit" (vgl. arabisch sunna) : Nach dem Wortlaut der Inschrift ist es verboten, Mädchen zu töten (sabäisch: w-ʾl śn hrg bnt-hw), gemeint ist wahrscheinlich, unmittelbar nach der Geburt. Der inschriftliche Beleg datiert fast acht Jahrhunderte vor dem Koran, könnte sich jedoch auf eine ähnliche Praxis in der altarabischen Gesellschaft beziehen. Was in der Inschrift wahrscheinlich aus politischen Gründen verboten ist, wird im Koran aus ethischen Gründen für verdammenswert erklärt; in beiden Texten wird eine gesellschaftliche Praxis sichtbar, die zu den Kennzeichen der barbarischen altarabischen Lebenswelt gehört.
1 w-l-k-ḏy ʾl-śn bn hgrn Mṭ=
2 rtm kl ḥṣmn blty qht w-
3 ʾḏn bn Sḫymm wa-ʾl-śn ḏbn
4 bn bnt hgrn Mṭrtm ʾdy s=
5 ʾrt brṯn w-hgrm ġyr hgrn M=
6 ṭrtm w-ʾl-śn hrg bnt-hw b=
7 n-kl šʿbn ḏ-Mṭrtm
Hinweis zur Umschrift: Anstelle der zur Transliteration häufig verwendeten Umschriftzeichen /s1/ steht in der angegebenen Umschrift /s/ für den einfachen s-Laut, anstelle von /s2/ steht ein /š/ ( = deutsches "sch", das arabische šīn) und /ś/ für den lateralen Zischlaut /s3/.
Der Text der Inschrift ist mit einem Worttrenner
geschrieben, der durch ein Leerzeichen
angegeben wird; das Zeichen /=/ kennzeichnet, dass das Wort über die
Zeile geschrieben wird.
1 Qu’il soit donc interdit à la cité de Maṭi-
2 rat d’intenter tout procès ( ?), sans l’ordre et
3 la permission des banū Suḫaim, et interdit de donner (en mariage ?)
4 une fille de la cité de Maṭira, en tout
5 lieu et cité autre que la cité de Ma-
6 ṭira, et interdit de tuer sa fille à
7 toute la tribu ḏū-Maṭira.