ወሶበ፡ ልህቁ፡ እልክቱ፡ ፲ወ፪ አባግዕ፡ ለ፩ እምኔሆሙ፡ መጠውዎ፡ ለአዕዱግ፡ ወእልኩ፡ አዕዱግ፡ ካዕበ፡ መጠውዎ፡ ለዝኩ፡ በግዕ፡ ለአዝእብት። ወልህቀ፡ ዝኩ፡ በግዕ፡ ማዕከለ፡ አዝእብት።
13 Und als jene zwölf Schafe [Jakobs Söhne; zu Israel als Schafe der Weide Gottes vgl. Ps 74:1, Jer 23:1-3] herangewachsen waren, lieferten sie eines [Josef] von ihnen den Eseln [Midianiter; zu Ismael als Wildesel vgl. Gen 16:12] aus, und diese Esel wiederum lieferten jenes Schaf den Wölfen [Ägypter] aus; und jenes Schaf wuchs unter den Wölfen auf.
In Q 12:13 fürchtet Jakob, daß Josef von einem Wolf (ḏiʾb) gefressen werden könnte, und später berichten die Brüder, daß Josef in der Tat von einem Wolf gefressen worden sei (Q 12:17). In Genesis 37:20.33 (vgl. TUK_0288) ist von einem "bösen Tier" (hebr. ḥayyāh rāʿāh) die Rede, ohne das näher gesagt wird, um welches Tier es sich handelt. Möglicherweise gibt es bei dem koranischen Wolf einen Bezug zum Henochbuch, wo in einer Traumvision die Geschichte Israels mit Tieren als Protagonisten erzählt wird. In dieser Tiervision wird Josef als Schaf dargestellt, das an die Wölfe (ʾazʾəbt), nämlich die Ägypter, verkauft wird.
Falls diese Vermutung zutrifft, ließe sich hier eine - auch an anderen Koranstellen zu findende- "Entallegorisierung" (vgl. dazu Neuwirth 2010: p. 590-595) beobachten: Aus den Wölfen als Sinnbild der Ägypter, die Israel als den Schafen Gottes gegenübergestellt werden, wird im Koran ein Wolf im wörtlichen Sinn, der keine symbolische Funktion mehr hat, sondern als Befürchtung Jakobs, bzw. Ausrede der Brüder zu einem Detail der Erzählung wird. Auch erscheint im Koran die Josefsgeschichte nicht als Teil einer umfassenden Geschichtsdeutung.
Joseph Witztum verweist kurz auf 1 Hen 89:13, hält die Henochstelle aber für "most probably irrelevant for the Qur'an" (Witztum 2011: p. 201-202, FN 53).
Das Äthiopische Henochbuch besteht aus mehreren zu unterschiedlichen Zeiten (3.-1. Jh. v. Chr.) entstandenen Traktaten: 1) Das Buch der Wächter; 2) Die Bilderreden; 3) Das Astronomische Buch; 4) Das Buch der Traumvisionen; 5) Die Epistel Henochs. Die Zusammenfassung zu einem Buch wurde wahrscheinlich nach der Zeitenwende von einem jüdischen Redaktor vorgenommen. Anhand von Henochs Himmelsreisen, Visionen und Mahnreden (bzw. -schriften) werden vor allem die Themen Eschatologie, Kosmologie und Weisheit behandelt. Entstanden sind die Traktate des Äthiopischen Henochbuchs vermutlich in antihellenistischen apokalyptischen Kreisen, die der Qumrangemeinschaft nahestanden. Mit anderen in Qumran gefundenen Schriften teilt das Äthiopische Henochbuch verschiedene Elemente: die Gestalt des Urweisen, deren Prototyp Henoch ist, dem die himmlischen Geheimnisse offenbart werden; die Deutung der Geschichte von Adam bis zum Ende; die Schilderung der Endzeit mit Krieg und Vernichtung, auf die das Gericht Gottes folgt, in dem der Satan und die gefallenen Engel sowie die Sünder vernichtet werden, während für die Frommen eine ewige Heilszeit anbricht. Die Frage nach der ursprünglichen Sprache (aramäisch oder hebräisch) des Äthiopischen Henochbuches ist nicht übereinstimmend geklärt; so wurden neben mehreren aramäischen Fragmenten in Qumran auch zwei hebräische gefunden. Später wurde das Buch auch im Christentum rezipiert, wovon Fragmente in verschiedenen Sprachen (griechisch, koptisch, syrisch, lateinisch) zeugen. Vollständig erhalten ist das Henochbuch dagegen nur in der äthiopischen Übersetzung (vermutlich im 5.-7. Jh. aus dem Griechischen übersetzt); wahrscheinlich dadurch bedingt, daß es bis heute Teil des Kanons der äthiopischen Kirche ist, während es in anderen christlichen Konfessionen und im Judentum heute kaum mehr eine Rolle spielt. (Zu Datierung und Textgeschichte siehe Uhlig 1984: p. 466-497).