بِسۡمِ ٱللَّهِ ٱلرَّحۡمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ |
Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers! |
وَٱلۡمُرۡسَلَٰتِ عُرۡفًۭا |
I11 Bei den in dichter Folge Gesandten, |
فَٱلۡعَٰصِفَٰتِ عَصۡفًۭا |
2 darauf heftig Stürmenden, |
وَٱلنَّٰشِرَٰتِ نَشۡرًۭا |
3 bei den weit Ausbreitenden, |
فَٱلۡفَٰرِقَٰتِ فَرۡقًۭا |
4 dann in alle Richtungen Zerstreuenden, |
فَٱلۡمُلۡقِيَٰتِ ذِكۡرًا |
5 dann Mahnung Abwerfenden, |
عُذۡرًا أَوۡ نُذۡرًا |
6 als Entschuldigung oder Warnung: |
إِنَّمَا تُوعَدُونَ لَوَٰقِعٌۭ |
7 Was euch angedroht ist, bricht herein! |
فَإِذَا ٱلنُّجُومُ طُمِسَتۡ |
28 Wenn dann die Sterne ausgelöscht werden, |
وَإِذَا ٱلسَّمَآءُ فُرِجَتۡ |
9 der Himmel gespalten wird, |
وَإِذَا ٱلۡجِبَالُ نُسِفَتۡ |
10 die Berge zerstäubt werden, |
وَإِذَا ٱلرُّسُلُ أُقِّتَتۡ |
11 und den Gesandten eine Zeit gesetzt wird – |
لِأَىِّ يَوۡمٍ أُجِّلَتۡ |
12 für welchen Tag wird ihnen ein Termin gesetzt? |
لِيَوۡمِ ٱلۡفَصۡلِ |
13 Für den Tag der Entscheidung. |
وَمَآ أَدۡرَىٰكَ مَا يَوۡمُ ٱلۡفَصۡلِ |
14 Was lässt dich wissen, was der Tag der Entscheidung ist? |
وَيۡلٌۭ يَوۡمَئِذٍۢ لِّلۡمُكَذِّبِينَ |
15 Wehe an jenem Tag den Leugnern! |
أَلَمۡ نُهۡلِكِ ٱلۡأَوَّلِينَ |
II316 Haben wir nicht die Altvorderen vernichtet? |
ثُمَّ نُتۡبِعُهُمُ ٱلۡٴَاخِرِينَ |
17 Hierauf lassen wir ihnen die Späteren folgen; |
كَذَٰلِكَ نَفۡعَلُ بِٱلۡمُجۡرِمِينَ |
18 so handeln wir an den Übeltätern. |
وَيۡلٌۭ يَوۡمَئِذٍۢ لِّلۡمُكَذِّبِينَ |
19 Wehe an jenem Tag den Leugnern! |
أَلَمۡ نَخۡلُقكُّم مِّن مَّآءٍۢ مَّهِينٍۢ |
420 Erschufen wir euch nicht aus verächtlichem Wasser |
فَجَعَلۡنَٰهُ فِی قَرَارٍۢ مَّكِينٍ |
21 und setzten es an einen festen Platz |
إِلَىٰ قَدَرٍۢ مَّعۡلُومٍۢ |
22 bis zu einem bestimmten Zeitpunkt |
فَقَدَرۡنَا فَنِعۡمَ ٱلۡقَٰدِرُونَ |
23 und bemaßen ihn? – Wie trefflich haben wir bemessen! |
وَيۡلٌۭ يَوۡمَئِذٍۢ لِّلۡمُكَذِّبِينَ |
24 Wehe an jenem Tag den Leugnern! |
أَلَمۡ نَجۡعَلِ ٱلۡأَرۡضَ كِفَاتًا |
525 Haben wir nicht die Erde zu einem Behältnis gemacht |
أَحۡيَآءًۭ وَأَمۡوَٰتًۭا |
26 für Lebende und Tote |
وَجَعَلۡنَا فِيهَا رَوَٰسِیَ شَٰمِخَٰتٍۢ |
27 und darauf hochragende beständige (Berge) gemacht |
وَأَسۡقَيۡنَٰكُم مَّآءًۭ فُرَاتًۭا |
27 und euch mit süßem Wasser getränkt? |
وَيۡلٌۭ يَوۡمَئِذٍۢ لِّلۡمُكَذِّبِينَ |
28 Wehe an jenem Tag den Leugnern! |
ٱنطَلِقُوٓا۟ إِلَىٰ مَا كُنتُم بِهِۦ تُكَذِّبُونَ |
III629 „Geht ein in das, was ihr geleugnet habt! |
ٱنطَلِقُوٓا۟ إِلَىٰ ظِلٍّ ذِی ثَلَٰثِ شُعَبٍۢ |
30 Geht ein in einen dreizüngigen Schatten, |
لَّا ظَلِيلٍۢ وَلَا يُغۡنِی مِنَ ٱللَّهَبِ |
31 der keinen Schatten spendet und nicht gegen die Flammen schützt!“ |
إِنَّهَا تَرۡمِی بِشَرَرٍۢ كَٱلۡقَصۡرِ |
32 Es sprüht Funken groß wie eine Burg, |
كَأَنَّهُۥ جِمَٰلَتٌۭ صُفۡرٌۭ |
33 gelben Kamelen gleich. |
وَيۡلٌۭ يَوۡمَئِذٍۢ لِّلۡمُكَذِّبِينَ |
34 Wehe an jenem Tag den Leugnern! |
هَٰذَا يَوۡمُ لَا يَنطِقُونَ |
735 Das ist der Tag, an dem sie nicht sprechen |
وَلَا يُؤۡذَنُ لَهُمۡ فَيَعۡتَذِرُونَ |
36 und ihnen nicht erlaubt wird, Entschuldigungen vorzubringen. |
وَيۡلٌۭ يَوۡمَئِذٍۢ لِّلۡمُكَذِّبِينَ |
37 Wehe an jenem Tag den Leugnern! |
هَٰذَا يَوۡمُ ٱلۡفَصۡلِ ۖ جَمَعۡنَٰكُمۡ وَٱلۡأَوَّلِينَ |
38 „Das ist der Tag der Entscheidung; wir haben euch und die Altvorderen versammelt. |
فَإِن كَانَ لَكُمۡ كَيۡدٌۭ فَكِيدُونِ |
39 Wenn ihr eine List wisst, so wendet sie doch gegen mich an!“ |
وَيۡلٌۭ يَوۡمَئِذٍۢ لِّلۡمُكَذِّبِينَ |
40 Wehe an jenem Tag den Leugnern! |
إِنَّ ٱلۡمُتَّقِينَ فِی ظِلَٰلٍۢ وَعُيُونٍۢ |
841 Die Gottesfürchtigen sind inmitten von Schatten und Quellen |
وَفَوَٰكِهَ مِمَّا يَشۡتَهُونَ |
42 und was sie nur an Früchten begehren. |
كُلُوا۟ وَٱشۡرَبُوا۟ هَنِيٓـًٔۢا بِمَا كُنتُمۡ تَعۡمَلُونَ |
43 „Esst und trinkt nach Herzenslust, zum Lohn für das, was ihr getan habt!“ |
إِنَّا كَذَٰلِكَ نَجۡزِی ٱلۡمُحۡسِنِينَ |
44 So entgelten wir denen, die Gutes tun. |
وَيۡلٌۭ يَوۡمَئِذٍۢ لِّلۡمُكَذِّبِينَ |
45 Wehe an jenem Tag den Leugnern! |
كُلُوا۟ وَتَمَتَّعُوا۟ قَلِيلًا إِنَّكُم مُّجۡرِمُونَ |
946 Esst und genießt noch ein wenig! Ihr seid Übeltäter. |
وَيۡلٌۭ يَوۡمَئِذٍۢ لِّلۡمُكَذِّبِينَ |
47 Wehe an jenem Tag den Leugnern! |
وَإِذَا قِيلَ لَهُمُ ٱرۡكَعُوا۟ لَا يَرۡكَعُونَ |
48 Wenn zu ihnen gesagt wird: „Verneigt euch!“, so verneigen sie sich nicht. |
وَيۡلٌۭ يَوۡمَئِذٍۢ لِّلۡمُكَذِّبِينَ |
49 Wehe an jenem Tag den Leugnern! |
فَبِأَىِّ حَدِيثٍۭ بَعۡدَهُۥ يُؤۡمِنُونَ |
50 An welche Kunde wollen sie denn glauben, wenn nicht an diese? |
bi-smi llāhi r-raḥmāni r-raḥīm] Zur Basmala s. die entsprechende Anmerkung zu 93; zum Gottesnamen raḥmān s. die Anmerkung zu 55:1.
S. die Anmerkung zu 100:1–5 mit grundsätzlichen Hinweisen zu den koranischen Schwüren sowie ihrer wahrscheinlichen, aber bis dato noch nicht hinreichend untersuchten Anlehnung an ein charakteristisches Ausdrucksmittel altarabischer Seher (kuhhān); vgl. a. die Anmerkung zu 79:1–5 speziell zu fāʿilāt-Schwüren; zur im Folgenden entwickelten Deutung der vorliegenden Schwurserie s. Neuwirth, „Horizont“, 9–11.
In der islamischen Kommentarliteratur herrscht Uneinigkeit darüber, ob der Passus auf „Winde“ (ar-riyāḥ) oder auf Engel zu beziehen ist (vgl. Ṭabarī, ad loc. ). Dabei dürfte sich die zweite Interpretation wohl primär der formalen und terminologischen Ähnlichkeit der Passage mit 37:1–3 verdanken, wo ebenfalls eine fāʿilāt-Serie steht, die in 37:3 (fa-t-tāliyāti ḏikrā) zudem den auch in 77:5 auftauchenden Ausdruck ḏikr enthält. Auch der Ausdruck mursalāt, „Gesandte“, könnte Engel in ihrer Funktion als Gottesboten suggeriert haben. Allerdings verwendet der Koran für die Sendung der Engel durch Gott nirgends das Verb ʾarsala, sondern nazzala (vgl. 6:111, 15:8, 16:2, 23:24, 25:21.25, auch wenn 35:1 die Engel als „Gesandte, rusul, mit Flügeln“ bezeichnet), während andererseits ʾarsala mehrfach in Verbindung mit riyāḥ, „Winde“ (mekkanische Belege: 7:57, 15:22, 17:69, 25:48, 30:48, 33:9, 35:9, 41:16, 51:41 u. a.) sowie im Zusammenhang mit Regen (6:6, 11:52, 71:11) gebraucht wird. Für eine meteorologische Lesart des Abschnittes spricht schließlich auch V. 2, der bezogen auf Engel keinen Sinn ergibt (vgl. Bell, Commentary, ad loc. , der auf 10:22 und 21:81 verweist, wo ʿāṣif ebenfalls den Wind beschreibt); dasselbe gilt auch für V. 3.
Die Schwurserie stellt also, wie 51:1–4, eine Unwetterszene dar. Als Subjekt sind, wie Neuwirth („Horizont“, 9 f.) gezeigt hat, Sturmwinde anzunehmen sein, als Objekt von V. 3.4 die von den Winden bewegten Regenwolken (auf explizite Weise werden riyāḥ und saḥāb, Sturmwinde und Regenwolken, in 30:48 und 35:9 nebeneinandergestellt). V. 5 ist eventuell auf die Wolken selbst zu beziehen (ein ähnlicher Übergang ist zwischen 51:1.2 zu beobachten). Neben 51:1–4 ist die Passage noch mit den früheren fāʿilāt-Serien in 100:1–5 und 79:1–5 zu vergleichen, die jeweils eine heranstürmende Reiterschar evozieren. Anzumerken ist darüberhinaus, dass das Bildungsschema fāʿila auch sonst für die endzeitliche Katastrophe reserviert ist, vgl. die Anmerkung zu 101:1–3 zu Bezeichnungen wie al-wāqiʿa oder al-ġāšiya.
wa-l-mursalāti] Das Verb ʾarsala wird koranisch in drei verschiedenen Zusammenhängen gebraucht: Zum einen bezeichnet es die Entsendung von menschlichen Mahnerfiguren wie Abraham, Mose oder Muḥammad, eine für 77:1 wohl nicht erhebliche Konnotation (s. o.; vgl. die Anmerkung zu 91:13). Zweitens begegnet das Wort, wie weiter oben ausgeführt, häufig in Verbindung mit Winden und Regen (Belege s. o.). Drittens wird das Verb in Stellen wie 7:162, 17:69, 29:40, 33:9, 41:16, 51:41, 54:34 und 105:3 auch mit der Vorstellung strafender Interventionen Gottes verbunden. Die Beschreibung der Winde als al-mursalāt transportiert also u. U. nicht nur eine meteorologische, sondern auch eine punitive Konnotation.
ʿurfā] In der islamischen Exegese ist umstritten, ob ʿurfan a) „hintereinander“ bedeutet oder b) als Synonym von bi-l-maʿrūf zu verstehen ist (vgl. Ṭabarī, ad loc. ). Die Paraphrase von ʿurfan mit „hintereinander“ ist, wie der Lisān al-ʿarab erläutert, von ʿurf = „Mähne“ abgeleitet (s. v. ʿ-r-f: huwa mustaʿārun min ʿurfi l-farasi ʾay yatatābaʿūna ka-ʿurfi l-farasi, wa-fī ḥadīṯi kaʿbi bni ʿuǧrata: ǧāʾū ka-ʾannahum ʿurfun ʾay yatbaʿu baʿḍuhum baʿḍan ...., „der Ausdruck ist eine Übertragung von ʿurf al-faras, ‚Pferdemähne’, d. h. sie folgen aufeinander wie eine Pferdemähne. In einem von Kaʿb b. ʿUǧra überlieferten Ḥadīṯ heißt es: ‚Sie kamen, als wären sie eine Mähne, d. h. einer folgte dem anderen’“; vgl. Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī, ad loc. : ʿurfan = mutatābiʿatan ka-šiʿri l-ʿurfi, yuqālu: ǧāʾū ʿurfan wāḥidan wa-hum ʿalaihi ka-ʿurfi ḍ-ḍabuʿi ʾiḏā taʾallabū ʿalaihi, „aufeinander folgend wie das Haar einer Mähne. Man sagt: ‚Sie kamen in einer Mähne’, und: ‚Sie waren um ihn wie die Mähne einer Hyäne’, nämlich wenn sie sich gegen ihn zusammengerottet haben“). Obwohl diese Herleitung auf den ersten Blick gewunden erscheinen mag, ist sie doch angesichts der im Lisān und bei ar-Rāzī angeführten Beispiele für einen solchen Gebrauch von ʿurf – die natürlich auch gelehrte Konstruktionen und keine getreuen Abbildungen des arabischen Sprachgebrauchs sein könnten – nicht von vornherein von der Hand zu weisen, zumal auch die altarabische Dichtung zahlreiche für einen modernen Leser zunächst abwegig wirkende Tiermetaphern enthält. Jedenfalls ist die Frage nach der genauen Bedeutung von ʿurfan vor dem Hintergrund der Tatsache zu stellen, dass V. 1 ff. insgesamt sicherlich eine Unwetterszene entfalten (s. o.). Da sich die Paraphrase ʿurfan = „hintereinander“ inhaltlich schlüssig in diesen Kontext einfügt, erscheint auch ihre gerade referierte Ableitung akzeptabel. Jedenfalls wirkt die von Paret erwogene Hypothese, statt ʿurfan wie in 79:1 (wa-n-nāziʿāti ġarqā) das rasm-identische Wort ġarqan zu lesen ( Paret, Kommentar, ad loc. ) aufgrund des Kontextes eher unwahrscheinlich.
wa-n-nāširāti našrā / fa-l-fāriqāti farqā] Als ungenanntes Objekt zu nāširāt und fāriqāt sind vermutlich von den Sturmwinden (riyāḥ) vorangetriebene Regenwolken (saḥāb) vorzustellen; beide werden u. a. in dem spätmekkanischen Vers 30:48 (ʾallāhu llaḏī yursilu r-riyāḥa fa-tuṯīru saḥāban) miteinander verknüpft ( Neuwirth, „Horizont“, 9 f. ).
ḏikrā] Ist wohl nicht im liturgischen Sinne der „Anrufung“ Gottes zu verstehen (gegen Neuwirth, „Horizont“, 9 f. ), sondern im paränetischen Sinne von „Mahnung“ (so jetzt auch Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 186–188 ); denn ḏikr in gottesdienstlicher Bedeutung regiert entweder eine Genitivverbindung (z. B. 5:91: ḏikri llāhi oder 12:42: ḏikra rabbihī) oder weist ein Objektsuffix auf (z. B. 20:14: ḏikrī).
nuḏrā] S. die Anmerkungen zu 74:1.2 und 74:35.
ʾinnamā tūʿadūna la-wāqiʿ] Die Schwuraussage berührt sich in zwei Punkten (mā tūʿadūna, wāqiʿ) eng mit der Schwuraussage der ebenfalls von einem Sturm-Regen-Tableau eröffneten Sure 51 (V. 5.6: ʾinnamā tūʿadūna la-ṣādiq / wa-ʾinna d-dīna la-wāqiʿ). Allerdings ist Q 51 (Gruppe IIIb) chronologisch wohl etwas später anzusetzen als Q 77 (Gruppe IIIa). Zu w-ʿ-d s. noch 73:18 (as-samāʾu munfaṭirun bihī kāna waʿduhū mafʿūlā). Die Bezeichnung des Weltendes mit der Wurzel w-q-ʿ begegnet wohl erstmals im vorliegenden Vers (Gruppe IIIa) und erscheint dann gehäuft in Gruppe IIIb; vgl. neben 51:6 noch 70:1.2 (saʾala sāʾilun bi-ʿaḏābin wāqiʿ / li-l-kāfirīna laisa lahū dāfiʿ), 69:15 (fa-yaumaʾiḏin waqaʿati l-wāqiʿah), 56:1.2 (ʾiḏā waqaʿati l-wāqiʿah / laisa li-waqʿatihā kāḏibah) und 52:7.8 (ʾinna ʿaḏāba rabbika la-wāqiʿ / mā lahū min dāfiʿ); s. a. die kurze Behandlung dieser Verse in Neuwirth, Studien, 208 f.
fa-ʾiḏă n-nuǧūmu ṭumisat] Das Erlöschen der Sterne wird auch anderswo als Beginn der Auflösung des Kosmos genannt, vgl. die ähnlichen Bilder in 81:2 (wa-ʾiḏă n-nuǧūmu nkadarat) und 82:2 (wa-ʾiḏă l-kawākibu ntaṯarat). S. die ausführlichen Anmerkungen zu diesen Stellen mit einer Reihe von biblischen und nachbiblischen Intertexten.
wa-ʾiḏă s-samāʾu furiǧat] Vgl. die terminologisch nahe und noch um einen Vergleich angereicherte Stelle 78:19 (wa-futiḥati s-samāʾu fa-kānat ʾabwābā) sowie 82:1 (ʾiḏă s-samāʾu nfaṭarat).
wa-ʾiḏă l-ǧibālu nusifat] Der Zerfall der Berge ist ein zentrales Element bereits der frühesten eschatologischen Temporalsätze, vgl. 101:5 (wa-takūnu l-ǧibālu ka-l-ʿihni l-manfūš), 81:3 (wa-ʾiḏă l-ǧibālu suyyirat), 78:20 (wa-suyyirati l-ǧibālu fa-kānat sarābā), 73:14 (yauma tarǧufu l-ʾarḍu wa-l-ǧibālu wa-kānati l-ǧibālu kaṯīban mahīlā), 70:9 (wa-takūnu l-ǧibālu ka-l-ʿihn), 69:14 (wa-ḥumilati l-ʾarḍu wa-l-ǧibālu fa-dukkatā dakkatan wāḥidah), 56:5 (wa-bussati l-ǧibālu bassā). S. die Anmerkung zu 81:3 mit Intertexten aus der Johannesapokalypse und von Jakob von Sarūg.
wa-ʾiḏă r-rusulu ʾuqqitat] Von einer Versammlung der Gesandten ist sonst ausdrücklich nur noch in dem medinensischen Vers 5:109 die Rede (yauma yaǧmaʿu llāhu r-rusula fa-yaqūlu māḏā ʾuǧibtum qālū lā ʿilma lanā ʾinnaka ʾanta ʿallāmu l-ġuyūb) die Rede (gegen Neuwirths Feststellung, die hier geschilderte „Einbestellung der Gesandten zum Gericht“ sei „einmalig im Koran“; vgl. Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 507 ). Parets paraphrasierende Übersetzung – „und für die Gesandten der Termin festgesetzt wird (damit sie über ihre Gemeinschaft Zeugnis ablegen)“ – deutet 77:11 im Sinne des (von ihm allerdings nicht angeführten) medinensischen Verses: Die Gesandten berichten über die Reaktion der jeweils von ihnen ermahnten Gemeinschaften. Tatsächlich ist Parets Deutung sachlich plausibel, obwohl 5:109 ein beträchtlich späterer Vers ist und insofern nicht ohne weiteres als Parallele zu 77:11 gelten kann.
ʾuqqitat] Zu der Mehrheitslesung ʾuqqitat bemerkt Ambros (Dictionary, 293) : „w > ʾ in the standard reading is prob. due to dissimilation from the following vowel u, so that the active form would prob. have been [waqqata]“. Vgl. 56:49.50, wo das Jüngste Gericht als „Zeitpunkt“ bzw. „Termin“ (mīqāt) bezeichnet wird (qul ʾinna l-ʾawwalīna wa-l-ʾāḫirīn / la-maǧmūʿūna ʾilā mīqāti yaumin maʿlūm), sowie 78:17 (ʾinna yauma l-faṣli kāna mīqātan).
li-yaumi l-faṣl] Vgl. in frühmekkanischer Zeit noch 78:17 (ʾinna yauma l-faṣli kāna mīqātā), mittel- und spätmekkanisch dann 44:40 (ʾinna yauma l-faṣli mīqātuhum ʾaǧmāʿīn) und 37:21 (hāḏā yaumu l-faṣli llaḏī kuntum bihī tukaḏḏibūn). Auffällig ist, dass die Wendung an zweien dieser drei Stellen mit mīqāt verbunden wird. In Q 77 steht zwar nicht mīqāt, doch immerhin das wurzelverwandte ʾuqqitat (V. 11, s. o.). Mit Angelika Neuwirth lässt sich yaum al-faṣl als Wiedergabe des neutestamentlichen hêmera kriseôs (Matthäus 10:15, 11:22.24, 12:36) auffassen ( Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 508 ). Interessant ist, dass die Peschitta diese Wendung mit yaumā d-dīnā, „Tag des Gerichts“, übersetzt, was ebenfalls zahlreiche koranische Parallelen hat (yaum ad-dīn, vgl. etwa 83:11, 82:15.17.18, 74:46, 70:26), z. T. auch in unmittelbarer Nachbarschaft von yaum al-faṣl (37:20.21). Es liegt nahe, diesen Befund so zu deuten, dass dem aramäischen Lehnwort yaum ad-dīn mit yaum al-faṣl eine arabische Lehnübersetzung an die Seite gestellt wird, welche die Grundbedeutung von gr. krisis „Scheidung, Unterscheidung“ und damit auch „Entscheidung“ durch arab. faṣl wiedergibt. Faṣala bedeutet eigentlich „trennen, scheiden“, doch ist im Koran auch faṣala baina im Sinne von „entscheiden unter“ (s. Ambros, Dictionary, 213 ) belegt – allerdings nur in eschatologischen Kontexten und mit Gott als Subjekt (22:17, 32:25, 60:32, allesamt spätmekkanisch oder medinensisch). Wahrscheinlich sind diese Stellen nachträgliche verbale Auflösungen der Genitivverbindung yaum al-faṣl. Rein etymologisch wäre der Ausdruck also mit „Tag der Scheidung“ wiederzugeben, doch empfiehlt sich angesichts des wahrscheinlichen Bezugs zu hêmera kriseôs sowie der drei gerade genannten Vorkommnisse des Verbes faṣala baina eher „Tag der Entscheidung“.
wa-mā ʾadrāka mā yaumu l-faṣl] Vgl. die ähnlichen, den Gerichtstag jedoch anders bezeichnenden Lehrfragen in 101:2 (al-qāriʿa), 82:17 (yaum ad-dīn), 69:2 (al-ḥāqqa).
wailun yaumaʾiḏin li-l-mukaḏḏibīn] Der Surenrefrain – der als solcher sicherlich zum zweiten Gesätz gehört – ist identisch mit 83:10 und unterscheidet sich nur durch das einleitende fa- von 52:11. Zu yaumaʾiḏin vgl. die Anmerkung zu 102:8. Zu den verschiedenen Gebrauchsweisen von kaḏḏaba vgl. die Anmerkungen zu 95:7, 92:16 und 73:11.
yaumaʾiḏin] Obwohl eine Anspielung auf innergeschichtliche Strafgerichte vorangeht, bezieht sich yaumaʾiḏin auch hier (wie in V. 15 und allen anderen Wiederholungen des Refrains) auf den in V. 13 genannten „Tag der Entscheidung“ zurück, den die in V. 16 ff. genannten innerweltlichen Strafakte im Kleinen vorwegnehmen.
ʾa-lam naḫluqkum min māʾin mahīn / fa-ǧaʿalnāhu fī qarārin makīn / ʾilā qadarin maʿlūm] Vgl. a. 86:6.7 mit Anmerkung, wo das menschliche Sperma ebenfalls als „Wasser“ umschrieben wird (ḫuliqa min māʾin dāfiq / yaḫruǧu min baini ṣ-ṣulbi wa-t-tarāʾib); sonst wird üblicherweise der Ausdruck nuṭfa verwendet (s. die Anmerkung zu 75:37 mit weiteren Belegen). Zum Verb ḫalaqa s. die Anmerkung zu 96:1.2.
ʾa-lam naǧʿali l-ʾarḍa kifātā / ʾaḥyāʾan wa-ʾamwātā] Vgl. 78:6 (ʾa-lam naǧʿali l-ʾarḍa mihādā), wo die Funktionalität der Erde jedoch unter anderem Aspekt ¬– nämlich dem ihrer Begehbarkeit – betrachtet wird. – Kafata ist „zusammenziehen, an sich ziehen, ergreifen“ ( WKAS, s. v. k-f-t, S. 256 f. ) und wird im Lisān al-ʿarab auch mit „zusammenbringen, sammeln“ (ḍamma) paraphrasiert ( Lisān, s. v. k-f-t ; Ǧauharī, Tāǧ al-luġa wa-ṣiḥāḥ al-ʿarabiyya, s. v. k-f-t : kafattu š-šaiʾa ... ʾiḏā ḍammamtahū ʾilā nafsika, s. a. den als Beleg für kaffata in derselben Bedeutung zitierten Vers von Zuhair; vgl. Lane, Bd. 7, 2619a ). Bei kifāt handelt es sich um das zugehörige Verbalsubstantiv (vgl. WKAS, a. a. O., S. 258 ; vgl. den dort zitierten Vers von al-Aʿ šā: kānat kifātan lahum, „Sie – nämlich die Erde – war ein Behältnis für sie“). Die beiden Akkusative in V. 26 lassen sich aus der Rektionswirkung von kifāt erklären. In der islamischen Exegese ist die Paraphrase von kifāt als ein „Ort, an dem etwas gesammelt oder festgehalten wird“, gängig ( Lisān, s. v. k-f-t ; Zamaḫšarī, ad loc. ; im Anschluss hieran weist der Lisān auf die abweichende Meinung von Ibn Sīda hin, der zufolge kifāt ein Infinitiv ist). – Gegen die naheliegende Interpretation von ʾaḥyāʾan wa-ʾamwātā (V. 26) im Sinne von „Lebenden und Toten“ will Bell die Aussage auf fruchtbares (‚lebendiges’) und unfruchtbares (‚totes’) Land beziehen: „Did We not make the earth an inclusive place – (Tracts) living and dead.“
wa-ǧaʿalnā fīhā rawāsiya šāmiḫātin wa-ʾasqainākum māʾan furātā] Rawāsī šāmiḫāt ist wörtl. „hochragende beständige“. Die Wendung umschreibt Berge; wie z. B. auch in 78:12 wird hier ein unausgesprochenes Substantiv attributiv paraphrasiert, ein auch in der altarabischen Dichtung häufiges Stilmittel. Vgl. 79:32 (wa-l-ǧibāla ʾarsāhā), 78:6.7 (ʾa-lam naǧʿali l-ʾarḍa mihādā / wa-l-ǧibāla ʾautāda) und allgemein 88:20, 55:10 und 51:48. Zur Anspielung auf Süßwasser in der zweiten Vershälfte (wa-ʾasqainākum māʾan furātā) vgl. die Anmerkung zu 55:19.20.
Versabteilung: Neuwirth teilt den überlangen V. 27 in zwei Verse (wa-ǧaʿalnā fīhā rawāsiya šāmiḫātī / wa-ʾasqainākum māʾan furātā), wodurch sich für das fünfte Gesätz (V. 25–28) dieselbe Verszahl wie für das vierte (V. 20–24) ergibt (s. Neuwirth, Studien, 29 ). Reimlich fällt V. 27a mit der Endung -ātī in einer -ātā-Serie allerdings aus dem Rahmen, so dass möglicherweise doch an der Einheit des Verses festzuhalten ist.
inṭaliqū ʾilā mā kuntum bihī tukaḏḏibūn] Vgl. 52:14 (hāḏihi n-nāru llatī kuntum bihā tukaḏḏibūn), 55:43 (hāḏihī ǧahannamu llatī yukaḏḏibu bihă l-muǧrimūn), 77:29 (inṭaliqū ʾilā mā kuntum bihī tukaḏḏibūn) und 83:16.17 (ṯumma ʾinnahum la-ṣālŭ l-ǧaḥīm / ṯumma yuqālu hāḏă llaḏī kuntum bihī tukaḏḏibūn). Zu kaḏḏaba s. die Anmerkungen zu 95:7, 92:16 und 73:11.
ʾilā ẓillin ḏī ṯalāṯi šuʿab] Paret: „ein Schatten mit drei Verzweigungen“. Als „Schatten“ (ẓill) wird das Höllenfeuer auch in 56:43.44 (wa-ẓillin min yaḥmūm / lā bāridin wa-lā karīm, „ein Schatten aus schwarzem [Rauch]“) gebraucht, wo der Ausdruck im Kontrast zu dem von den Seligen im Paradies genossenen Schatten (56:30) steht. Ṭabarī (ad loc.) erklärt die Wendung im Sinne von „ein Schatten aus Rauch mit drei Verzweigungen“ (ʾilā ẓilli duḫānin ḏī ṯalāṯi šuʿab): Der Rauch der Hölle steige in drei Säulen oder Zungen empor. Dass diese – durchaus plausible Deutung – auf einer Verknüpfung von 77:30 mit 56:43 beruht, zeigt sich bei az-Zamaḫšarī und Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī, die explizit auf 56:43 verweisen.
ʾinnahā tarmī bi-šararin] V. 32 steht im Singular femininum und schließt damit grammatikalisch nicht an das maskuline Subjekt des vorausgehenden Verses (lahab) an. Wahrscheinlich ist als Subjekt das weibliche Wort nār, „Feuer“, zu ergänzen.
ka-l-qaṣr] Qaṣr hat normalerweise die Bedeutung von „Schloss, Burg“ (vgl. 22:45, 25:10). „The word is said also to mean ‚firewood’, which is attractive but looks like a guess to suit this passage.“ ( Bell, Commentary, ad loc. ; vgl. Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī, Mafātīḥ al-ġaib, ad loc. : ḥaṭab ǧazl). Bells Skepsis wird dadurch bestätigt, dass der Lisān außer dem Koranvers keinerlei weitere Belege für diese Bedeutung von qaṣr anführt. Diejenigen Exegeten, die qaṣr als „Schloss“ deuten, spezifizieren als tertium comparationis die Größe: Die Funken, die aus dem Feuer stieben, sind groß wie ein Schloss (vgl. Ṭabarī, ad loc. ). Einen instruktiven Hinweis für das Verständnis von V. 32.33 gibt Ṭabarī im Anschluss an seine Auflistung der Meinungen von früheren Exegeten: Er weist darauf hin, dass Kamele in der Dichtung häufig mit hohen Bauwerken verglichen werden und zitiert als Beleg einen Vers von al-Aḫṭal: „Es [das Reittier des Dichters] ist wie der Turm, den ein Byzantiner erbaut hat / zusammengefügt aus Gips, Ziegeln und Steinen“ (ka-ʾannahā burǧu rūmiyyin yušayyiduhū / luzza bi-ǧiṣṣin wa-ʾāǧurrin wa-ʾaḥǧār). 77:32.33 sollte deshalb u. U. nicht so verstanden werden, als würden hier an šarar, „Funken“, zwei voneinander unabhängige Vergleiche angeschlossen (die Funken gleichen einerseits einem Schloss, andererseits gelben Kamelen), sondern möglicherweise sind die Elemente „Burg“ und „Kamele“ vielmehr als Bestandteile eines einzigen, aus der Dichtung vertrauten Sprachbilds zu verstehen, dessen gewöhnliche Reihenfolge (erst werden die Kamele genannt, dann werden sie mit einer Burg verglichen) hier aus Reimgründen invertiert ist. Die Übersetzung müsste dann lauten: „Es [das Höllenfeuer] sprüht Funken, die burgartig aufragenden gelben Kamelen gleichen.“
hāḏā yaumu lā yanṭiqūn] Zum Redeverbot am Jüngsten Tag vgl. a. den späteren Zusatz 78:37.38 (rabbi s-samāwāti wa-l-ʾarḍi wa-mā bainahumă r-raḥmāni lā yamlikūna minhu ḫiṭābā).
yaumu l-faṣli] Vgl. 78:17 (ʾinna yauma l-faṣli kāna mīqātā) und 56:49.50 (qul ʾinna l-ʾawwalīna wa-l-ʾāḫirīn / la-maǧmūʿūna ʾilā mīqāti yaumin maʿlūm). S. die Anmerkung zu V. 13.
fa-ʾin kāna lakum kaidun fa-kīdūn] Vgl. 52:46 (yauma lā yuġnī ʿanhum kaiduhum šaiʾan wa-lā hum yunṣarūn). Als ein Charakteristikum göttlicher Strafe anheimgefallener Menschen erscheint der später noch häufiger begegnende Begriff kaid erstmals in 105:2, woraufhin 86:15.16 (ʾinnahum yakīdūna kaidā / wa-ʾakīdu kaidā) eine Überbietung menschlicher List durch die List Gottes statuiert; der vorliegende Vers münzt diesen Gedanken dann in eine polemische Herausforderung um.
ʾinna l-muttaqīna fī ẓilālin wa-ʿuyūn / wa-fawākiha mimmā yaštahūn] Zum Verb ittaqā und dem zugehörigen Substantiv taqwā s. die Anmerkung zu 92:5. Vgl. die lange Paradiesverheißung in 56:10 ff. (V. 20: wa-fākihatin mimmā yataḫayyarūn, V. 30: wa-ẓillin mamdūd), die jedoch etwas später sein dürfte (Q 77 gehört zu Gruppe IIIa, Q 56 zu IIIb). Die Quellen des Paradieses werden frühmekkanisch noch in 51:15 (ʾinna l-muttaqīna fī ǧannātin wa-ʿuyūn) erwähnt, die Früchte neben 56:20 noch in 56:32 (wa-fākihatin kaṯīrah), 55:52 (fīhimā min kulli fākihatin zauǧān), 55:68 (fīhimā fākihatun wa-naḫlun wa-rummān) und 52:22 (wa-ʾamdadnāhum bi-fākihatin wa-laḥmin mimmā yaštahūn).
Intertexte: Wie die Offenbarung des Johannes 7:16 belegt, wird Schutz vor der Sonnenhitze, die Befreiung von Hunger und Durst und das Vorhandensein von Quellen bereits in der biblischen Tradition mit dem Jenseitsschicksal der Seligen assoziiert (vgl. Brady 1978 ): „Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. / Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.“ Im Hintergrund von Offb. 7:16 steht dabei die messianische Verheißung aus Jesaja 49:10: „Sie leiden weder Hunger noch Durst, Hitze und Sonnenglut schaden ihnen nicht. Denn er leitet sie voll Erbarmen und führt sie zu sprudelnden Quellen.“ Ob die zitierten Koranstellen eher auf die Passage aus der Johannesapokalypse oder aber direkt auf Jesaja 49 Bezug nehmen, lässt sich kaum entscheiden. – Die zahlreichen Koranpassagen, in denen den Paradiesbewohnern allerlei Arten von Früchten versprochen werden, könnten auch veristische Überbietungen der Verheißung aus Offenbarung 2:7 sein, der zufolge die Seligen vom Baum des Lebens essen werden (vgl. Brady 1978 ): „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer siegt, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes steht.“
kulū wa-šrabū hanīʾan bi-mā kuntum taʿmalūn] Der Vers ist identisch mit 52:19, teilweise auch mit 69:24 (kulū wa-šrabū hanīʾan bi-mā ʾaslaftum fĭ l-ʾayyāmi l-ḫāliyah). Beide Suren sind aber wohl etwas später anzusetzen, sie gehören zu Gruppe IIIb der frühmekkanischen Texte. Vgl. a. V. 46. Eine ähnliche Aufforderung ergeht in 78:30 an die Verdammten (fa-ḏūqū fa-lan nazīdakum ʾillā ʿaḏābā; s. den Kommentar ebd.). Zur Abwesenheit von Hunger und Durst im Paradies s. den in der Anmerkung zum letzten Vers zitierten Intertext.
kulū wa-tamaṭṭaʿū qalīlan ʾinnakum muǧrimūn] Vgl. denselben Imperativ kulū in V. 43, der dort jedoch an die Seligen gerichtet wird. Vgl. darüber hinaus 51:43 (wa-fī ṯamūda ʾiḏ qīla lahum tamattaʿū ḥattā ḥīn).
fa-bi-ʾayyi ḥadīṯin baʿdahū yuʾminūn] Wörtl.: „An welche Kunde wollen sie denn danach noch glauben?“ Nach 84:20 (fa-mā lahum lā yuʾminūn; Gruppe II) stellt dieser zu Gruppe IIIa gehörige Vers das früheste Vorkommnis von ʾāmana = „glauben“ dar. S. die Anmerkung zu 69:33. Zum ‚freischwebenden’ Personalpronomen s. die Anmerkung zu 97:1. Die Bezeichnung der von Muḥammad empfangenen Offenbarungen als ḥadīṯ ist in frühmekkanischer Zeit ein Spezifikum von Gruppe IIIb, vgl. 68:44 (fa-ḏarnī wa-man yukaḏḏibu bi-hāḏă l-ḥadīṯ ...), 56:81 (ʾa-fa-bi-hāḏă l-ḥadīṯi ʾantum mudhinūn), 53:59 (ʾa-fa-min hāḏă l-ḥadīṯi taʿǧabūn) und 52:34 (fa-l-yaʾtū bi-ḥadīṯin miṯlihī ʾin kānū ṣādiqīn); nur der vorliegende Vers gehört zu Gruppe IIIa. Älter als diese Verwendung von ḥadīṯ ist der Gebrauch des Wortes im Sinne der Kunde von früheren göttlichen Strafgerichten, vgl. die Erzählungen oder narrative Reminiszenzen einleitenden Fragen 85:17 (hal ʾatāka ḥadīṯu l-ǧunūd; Gruppe II), 79:15 (hal ʾatāka ḥadīṯu mūsā; Gruppe IIIa) und 51:24 (hal ʾatāka ḥadīṯu ḍaifi ʾibrāhīma l-mukramīn; Gruppe IIIb); dieselbe Frageform begegnet mit eschatologischem Bezug auch in 88:1 (hal ʾatāka ḥadīṯu l-ġāšiyah; Gruppe II). Der früheste Gebrauch der Wurzel ḥ-d-ṯ findet sich in 93:11 (wa-ʾammā bi-niʿmati rabbika fa-ḥaddiṯ; Gruppe I).
Literaturliste
Mit der einleitenden Schwurserie (V. 1–6) liegt wie in Q 100, 79 und 51 eine ‚Tableau-Einleitung’ vor (s. hierzu Neuwirth, „Horizont“ ). Wie in Q 79 dürften sich die partizipialen Umschreibungen auf die aufeinanderfolgenden Stadien eines heraufziehenden Sturmes beziehen: Die von anhaltenden (V. 1, ʿurfā) und heftigen (V. 2, ʿāṣifāt) vorangetriebenen, über den gesamten Himmel ausgebreiteten (V. 3.4) Regenwolken „werfen“ schließlich ihre Last „ab“ (V. 5, mulqiyāt). Problematisch mag dabei allerdings die den Wolken am Schluss der Serie (V. 5.6) zugeschriebenen Fähigkeit zu kommunikativen Handlungen (ḏikr, ʿuḏr, nuḏr) scheinen. Leistet die Serie anstatt einer Präfiguration des eschaton vielleicht doch eher eine Versinnbildlichung des Offenbarungsvorgangs mit seiner dem Herabfallen von Regen ähnelnden vertikalen ‚Flussrichtung’? Dagegen spricht, dass sich die durch die frühere Sure 100 und die in etwa gleichzeitig anzusetzende Sure 79 konditionierte Erwartungshaltung der Hörer zunächst klar auf den Jüngsten Tag gerichtet haben dürfte. Zwar könnten V. 5.6 die Annahme einer eschatologischen Bezüglichkeit der Serie kurzzeitig in Frage gestellt haben, doch wird sie von der abschließenden Schwuraussage (V. 7: ʾinnamā tūʿadūna la-wāqiʿ) wieder unmissverständlich festgeschrieben: Die eschatologische Strafe wird über die Ungläubigen so unweigerlich und unentrinnbar hereinbrechen (w-q-ʿ) wie ein Wolkenbruch. Diese Deutung wird auch durch die enge terminologische Berührung von V. 7 mit der Schwuraussage des Sturm-Wolken-Tableaus in Q 51 gestützt. Wenn V. 5.6 vor diesem Hintergrund den Winden ein „Abwerfen von Mahnung“ zuschreiben, so wird damit nur ausdrücklich die paränetische Funktionalität des beschriebenen Unwetters benannt: So wie sich für einen religiös sensibilisierten Betrachter die Natur als eine Menge auf den göttlichen Schöpfer verweisender „Zeichen“ (ʾāyāt) darstellt, so vermag er ein heraufziehendes Unwetter als Präfiguration des hereinbrechenden eschaton zu lesen, wodurch das Naturgeschehen den quasi-kommunikativen Status einer „Mahnung“ (ḏikr) erhält. Der von den Regenwolken „abgeworfene“ Regen stellt also in dem Sinne eine „Mahnung“ dar, dass er – wie unzählige andere im Koran vergegenwärtigte Naturphänomene – eine religiöse Botschaft transportiert und insofern, nicht anders als die koranischen Offenbarungen selbst, Textcharakter hat. V. 6 expliziert dann das Telos der in Schöpfung und Offenbarung vorliegenden göttlichen Mahnungen: Sie sollen dem Menschen „zur Warnung“ (nuḏran) gereichen und werden im Falle ihrer Beherzigung beim Jüngsten Gericht als „Entschuldigung“ bzw. „Rechtfertigung“ (ʿuḏr) dienen (vgl. die Verwendung derselben Wurzel in V. 36: Den „Leugnern“ wird „nicht erlaubt, Entschuldigungen vorzubringen“). Worin der Kern der von den Regenwolken kommunizierten „Mahnung“ besteht, artikuliert die das erste Gesätz abschließende Schwuraussage (V. 7). Sie ist so zugleich Auflösung der vorangehenden fāʿilāt-Serie und als Explikation des in V. 5 erwähnten ḏikr noch Bestandteil derselben. Wie die eng verwandte Stelle 51:5 blendet die Schwuraussage das Bild „abgeworfenen“ (mulqiyāt, V. 5) Regens in das der ebenfalls von oben „herabfallenden“ (wāqiʿ, V. 7) Strafe über.
Die durch den Schwur prototypisch veranschaulichten Ereignisse der Endzeit sind auch Thema der anschließenden Temporalsätze, wobei sich eine Aufeinanderfolge von fāʿilāt-Schwurserie und eschatologischem Temporalsatz auch in der ebenfalls zu Gruppe IIIa zählenden Sure 79 findet. Textdramaturgisch liegt dieser Sequenz das in den frühmekkanischen Suren in vielerlei Abwandlungen begegnende Schema von Enigma und Auflösung zugrunde: Das erste Gesätz evoziert das eschaton anhand nicht direkt benannter, sondern paraphrastisch verfremdeter Phänomene aus der Alltagserfahrung, das zweite Gesätz listet auf sprachlich ganz und gar unverstellte Weise, im Redegestus unerbittlicher Deskriptivität die bevorstehenden Zerfallsphänomene auf. Diese erfassen zunächst den Himmel (V. 8.9) und dann erhöhte Teile der Erde, die Berge (V. 10). Wie Neuwirth hervorhebt, fungieren Sterne und Berge auch in der altarabischen Dichtung als Paradigmen der Unvergänglichkeit (vgl. den Eröffnungsvers von Labīd, Riṯāʾ Arbad, in Jones 1996, 81 : balīnā wa-mā tablă n-nuǧūmu ṭ-ṭawāliʿu / wa-tabqă l-ǧibālu baʿdanā wa-l-maṣāniʿu – „Wir vergehen, doch nicht vergehen die aufgehenden Sterne / und es bleiben nach uns die Berge und Festen) ( Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 507 ). Auch im Kontext koranischer ʾāyāt-Serien versinnbildlichen die Berge die Stabilität der von Gott geschaffenen Weltordnung (vgl. V. 27). Um so eindringlicher wirkt ihre Nennung in eschatologischen ʾiḏā-Serien: Am Jüngsten Tag entpuppt sich die Dauerhaftigkeit und Unwandelbarkeit der Naturordnung als nur scheinbar und vorläufig. Dem die Welt vertikal durchlaufenden Desintegrationsvorgang folgen schließlich das Gericht (V. 11) und die göttliche „Entscheidung“ (faṣl, V.13); vgl. den analogen Aufbau der ausführlicheren Serie in 81:1 ff. Der später als Refrain wieder aufgenommene Wehspruch „Wehe an jenem Tag den Leugnern!“ erscheint erstmals in V. 15 als Antwort auf eine vorangehende Lehrfrage (V. 14) und schließt eine lange Folge von durchweg formularisch eingekleideten Aussagen (Schwurserie, Schwuraussage, ʾiḏā-Serie, Lehrfrage) ab. Hier tritt der Wehspruch an die Stelle einer Erklärung des Fragegegenstandes, die Lehrfrage ist also bereits zu einem lediglich emphatisierenden Element geworden. Der spätere Refrain wird damit zunächst noch als zum „Hauptstrang der Rede“ ( Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 514 ) gehörig eingeführt und verselbständigt sich erst im weiteren Textverlauf zu einer eigenständigen Nebenstimme, die z. T. in „kontrapunktischer“ ( Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 510 ) Spannung zu den unmittelbar vorangehenden Aussagen steht (vgl. insb. V. 24.28.45). Im Refrain bleibt die einleitende Schwurserie so als durchlaufender Subtext der gesamten Sure präsent.
Der zweite Teil (V. 16–28) ist einer Vergegenwärtigung der Manifestationen göttlichen Wirkens in Geschichte und Natur gewidmet. Damit enthüllen sich nicht nur die eingangs auf poetisch verfremdete Weise dargestellte Naturerscheinung eines Unwetters, sondern auch weitere Bereiche der innerweltlichen Realität als „Zeichen“ (in koranischer Terminologie: ʾāyāt; vgl. 51:37) für einen die Welt transzendierenden Schöpfer und Richter. Auf später für den Koran typisch werdende Weise sind diese und auch die folgenden ʾāyāt in der 1. Person Plural gehalten (so auch in der in etwa gleichzeitigen Sure 78, V. 6 ff., und in der früheren Sure 95, V. 4.5). Der zweite Teil füllt so rhetorisch wirkungsvoll die aus einem gänzlichen Fehlen der 1. Person resultierende ‚Sprecherlosigkeit’ des Anfangsteils (vgl. ähnlich Q 92 und 88, wo die 1. Person auch erst gegen Ende begegnet, nämlich in 92:12–14 bzw. 88:25.26).
Zunächst schließt sich dieser ʾāyāt-Teil eng an die eschatologische Thematik des ersten Teils an, indem im dritten Gesätz summarisch auf Gottes immer wieder in den Geschichtsablauf einbrechendes Strafhandeln verwiesen wird. Diese ‚negativen’ ʾāyāt leiten dann zu den ‚positiven’, dem in der Naturordnung zu Tage tretenden Schöpfertum Gottes gewidmeten ʾāyāt des vierten und fünften Gesätzes über. Letztlich untermauern jedoch alle im zweiten Teil aufgezählten Machterweise Gottes, ‚negative’ wie ‚positive’, seine im ersten Teil vorausgesetzte Fähigkeit zur Wiedererweckung und Aburteilung der Menschen am Jüngsten Tag. Dieser eschatologische Gesamtkontext auch eigentlich positiver Gnadenerweise Gottes wie der Wohlgeordnetheit von Zeugung und Wachstum der Menschen wird vor allem durch den Refrain (V. 19.24.28) präsent gehalten. Kann dieser in V. 19, am Ende des dritten Gesätzes, noch als zusammenfassender Abschluss der vorangehenden Anspielung auf innerweltliche Strafgerichte gelesen werden, steht er in V. 24 und 28 – am Ende des vierten und fünften Gesätzes – und dann noch einmal in V. 45 in deutlichem Gegensatz zur Hauptstimme des Textes und lässt sich logisch nicht mehr bruchlos mit dem Vorhergehenden verknüpfen. Der erstmals in V. 15 begegnende Wehspruch erscheint so „als ein aus der Schwurserie herausschallender basso continuo“, welcher dem drohenden Tonfall der Anfangsgesätze eine sich durch die gesamte Sure ziehende Resonanz verleiht ( Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 516 ). Wie in V. 18 wird der Refrain auch später noch zweimal (in V. 23 und V. 44) durch metatextuelle Kommentierungen des Vorangehenden von der primären Redeebene abgesetzt.
Der dritte, eschatologische Surenteil beginnt mit einer – in den Kontext des Jüngsten Gerichts gehörigen – Anrede an die Verdammten (V. 29–31), die den unmittelbar vorangehenden Refrain aufnimmt („Geht ein in das, was ihr geleugnet habt“). Wie ein Gastherr gerade eingetroffene Reisende dazu auffordern mag, sich im Schatten niederzulassen, so werden auch die Verdammten eingeladen, in einen „Schatten“ einzugehen – nämlich den Schatten des Höllenfeuers, der ganz und gar nicht „schattig“ (ẓalīl, V. 31) ist (vgl. Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 510 ) und „nicht gegen die Flammen schützt“. Während die im vierten und fünften Gesätz thematisierten Manifestationen göttlicher Fürsorge in auffälligem Kontrast zum warnenden Refrain standen, schwenkt nun auch die primäre Redeebene wieder in einen bedrohlichen Tonfall über. Die letzten drei Verse des sechsten Gesätzes (V. 32–34) entfalten ein surreal anmutendes Sprachbild, welches die Funken des Höllenfeuers mit burgartig aufragenden Kamelen vergleicht.
Das folgende, siebte Gesätz beginnt mit einer kurzen Bestimmung zu dem nun schon mehrfach im Refrain – unter anderem im unmittelbar vorangehenden Vers – heraufbeschworenen „Tag“: Den Gerichteten wird es untersagt sein, selbst das Wort zu ergreifen und „Entschuldigungen vorzubringen“ (fa-yaʿtaḏirūn) – ein terminologischer Rückverweis auf die einleitende Schwurserie (V. 6: ʿuḏran ʾau nuḏrā), der zufolge ja allein die rechtzeitige Beherzigung der in Schöpfung und Offenbarung zugänglichen „Mahnung“ (V. 5) vor der Verdammnis zu schützen vermag. Wie am Ende der Sure wird die Eindringlichkeit des Refrains in diesem zweiten Gesätz des negativen Abschnitts der Antithese noch dadurch verstärkt, dass er in dichterer Folge – nicht nur am Ende (V. 40), sondern auch im Inneren (V. 37) des Gesätzes – auftritt. V. 38 nimmt, wie Neuwirth hervorhebt, den bereits in V. 13.14 genannten yaum al-faṣl, den Tag der „Scheidung“ in Selige und Verdammte, wieder auf ( Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 511 ) und bereitet so den Übergang vom negativen zum positiven Teil der Antithese vor.
Das positive Gegenstück zu der Höllenbeschreibung im sechsten und siebten Gesätz umfasst nur wenige Verse; der bedrohliche Tonfall des Refrains, der auch dieses Gesätz abschließt, bleibt insofern bestimmend. Prominent an den Anfang der Paradiesszene ist der den Seligen zuteil werdende Schatten (V. 41) gestellt, der offenkundig das reale Pendant zu dem nur scheinbaren, „nicht schattigen“ Rauchschatten aus V. 30.31 darstellt ( Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 512 ). Wie den Verdammten in V. 29.30 wird auch den Seligen eine in wörtlicher Rede referierte Einladung zuteil (V. 43), auf die ein mit dem Drohwort in V. 18 („So handeln wir an den Übeltätern“) korrespondierende metatextuelle Verheißung (V. 44: „So entgelten wir denen, die Gutes tun“) folgt. Wie die vorangehenden Gesätze schließt jedoch auch dieses mit einem – erneut kontrapunktischen – Weheruf über die Leugner: Selbst die Verheißung eines materiell erfüllten jenseitigen Daseins wird so in den Kontext der drohenden Abrechnung gestellt.
Der Schlussteil beginnt nach V. 29.30 und V. 43 mit einem dritten Imperativ (wie V. 43 eine Aufforderung zum Essen: kulū ...), der die Anrede der Seligen aus V. 43 und das ihnen verheißene paradiesische Gastmahl sarkastisch invertiert (vgl. Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 518 ; dasselbe Motiv findet sich in 78:22.24–25.30). Während die beiden vorangehenden Imperative in einem jenseitigen Äußerungskontext stehen, bezieht sich diese dritte Aufforderung auf die Gegenwart und fordert nicht zum Genuss der zeitlich unbegrenzten Freuden des Paradieses (bzw. der Hölle), sondern zum zeitlich begrenzten und von der eschatologischen Strafe gefolgten Genuss diesseitiger Vergnügungen auf. In der Bezichtigung der Angeredeten als „Übeltäter“ (muǧrimūn) in V. 46 hallt einerseits V. 18 nach, der aus den früheren göttlichen Strafgerichten eine allgemeine Umgangsweise Gottes mit „Übeltätern“ ableitete („So handeln wir an den Übeltätern“); andererseits kontrastiert sie mit dem in V. 44 vorgeführten Kollektiv der muḥsinūn („So entgelten wir denen, die Gutes tun“; beachte, dass diese Aussage parallel zu dem gerade zitierten V. 18 gebaut ist). Der Refrain, der jetzt im Abstand von nur einem Vers wiederkehrt (V. 47 und V. 49), umschließt den Vorwurf einer Verweigerung gottesdienstlicher Unterwerfung. Die am Schluss stehende rhetorische Frage bekräftigt sinngemäß die Unüberbietbarkeit der koranischen Offenbarungen durch jede spätere „Kunde“.
Literaturliste
Die bereits in Hauptteile gegliederte Sure gehört mit einer durchschnittlichen Verslänge von 10,5 Silben und einer Gesamtlänge von 50 Versen zu Gruppe IIIa der frühmekkanischen Texte. Bestätigt wird diese Einordnung u. a. dadurch, dass der Text in seinem Aufbau und in der Perspektive der Antithese V. 29 ff. der ebenfalls zu Gruppe IIIa zählenden Sure 78 ähnelt; auch zu Sure 79, die ebenfalls von einer fāʿilāt-Serie mit folgendem eschatologischen Temporalsatz eingeleitet wird, bestehen strukturelle Ähnlichkeiten (s. u., Aufbau und Inhalt).
Die Sure ist eine Einheit. Die Reimwechsel folgen weitgehend den Sinnabschnitten, und auch stilistisch (Verslänge) und inhaltlich bietet der Text keine Handhabe für literarkritische Scheidungen.
Die neun Gesätze der Sure ordnen sich zu mehreren zusammenhängenden Gruppen an. Zu Anfang stehen zwei eschatologische Gesätze (fāʿilāt-Schwüre und ʾiḏā-Serie – vgl. eine ähnliche Abfolge in der in etwa gleichzeitigen Passage 79:1–14), deren Kernbotschaft – die unausweichliche Realität des Jüngsten Gerichts – dann in den folgenden drei Gesätzen (V. 16–28) durch Verweise auf die sich in Geschichte und Schöpfung manifestierende Macht Gottes untermauert wird. Die Folgen eines „Leugnens“ (V. 29) des Jüngsten Tages werden im Anschluss hieran in einer mehrgesätzigen Antithese entfaltet, an die ein polemisches Schlussgesätz anknüpft. Neuwirth, Studien, 216 f. , gliedert die Sure wie hier in drei Teile, fasst jedoch V. 16–45 zum zweiten Surenteil zusammen und lässt den dritten Teil lediglich aus dem Schlussgesätz V. 46–50 bestehen. Da sich Gesätz 6 bis 9 (V. 29–50) jedoch mit ihrer eschatologischen Thematik von den vorangehenden Werkaffirmationen (drittes bis fünftes Gesätz, V. 16–28) abheben, dürfte es näher liegen, als dritten Surenteil V. 29–50 zu zählen; dafür spricht auch, dass das sechste Gesätz durch retardierten Reimwechsel ab V. 30 vom Vorangehenden abgesetzt ist. Für die hier vorgeschlagene Gliederung spricht weiterhin, dass die der vorliegende Text zu Gruppe IIIa zu rechnende Sure 78 ebenfalls eschatologisch geprägte Anfangs- und Schlussteile aufweist, die einen von ʾāyāt-Polemik ausgefüllten Mittelteil umrahmen. Beide Suren stehen sich überdies darin nahe, dass die in ihren Schlussteilen ausgeführten Antithesen in besonderer Weise die gegensätzliche Bewirtung der Gerichteten in Paradies und Hölle thematisieren.
Eine sonst nur noch in wenigen Koransuren (vgl. noch Q 55 und mittelmekkanisch Q 26) zu findende Besonderheit des Textes besteht in dem erstmals in V. 15 erscheinenden Refrain („Wehe an jenem Tag den Leugnern!“), der, neben dem „Hauptstrang der Rede“ herlaufend ( Neuwirth, Frühmekkanische Suren, 514 ), auf gleichsam ‚metatextuelle‘ Weise immer wieder die eschatologische Kernbotschaft der Sure ins Bewusstsein des Hörers hebt. In drei Fällen gehen ihm noch ähnlich metatextuelle Kommentare voraus (V. 18.23.44), die sich als Vorläufer mittel- und spätmekkanischer Klauselverse verstehen lassen (zur Klausel s. allg. Neuwirth, Studien, 157–170 ; zum Begriff der Metatextualität vgl. die Anmerkungen in Sinai 2006, 122 f. ). Nur das Eröffnungsgesätz hat keinen Refrain, im Schlussgesätz folgt dem Refrain noch eine polemische Frage an die Hörer; an zwei Stellen (V. 37 und 47) tritt der Refrain zusätzlich noch im Gesätzinneren auf. Die strukturierende Funktion des Refrains kompensiert auch die Tatsache, dass die Länge der Einzelgesätze innerhalb der ersten drei Surenteile leicht variiert (I: 7 und 8 Verse, II: 4 oder 5 Verse, III: 5 oder 6 Verse).
Überblick
I Eschatologie | |
1–6 3KKā | 1 1–6 Schwurserie (fāʿilāt) |
7 āqiʿ | 7 Schwuraussage: Warnspruch |
8–12 3K(K)3Kat | 2 8–11 eschatologischer Temporalsatz |
12 daran anknüpfende Lehrfrage | |
13.14 faṣl | 13 Antwort |
14 daran anknüpfende Lehrfrage | |
15–24 2n/m | 15 Antwort: Wehspruch (im Folgenden als Refrain) |
II ʾāyāt-Polemik | |
3 16 polemische Frage: Strafreminiszenz | |
17.18 Drohwort, theologische Prädikation (metatextueller Kommentar) | |
19 Refrain (Wehspruch) | |
4 20–23 polemische Fragen: Werkaffirmationen (Erschaffung des Menschen) mit metatextuellem Kommentar (V. 23) | |
24 Refrain (Wehspruch) | |
25–27b ātā (27a ātin) | 5 25–27 polemische Fragen: Werkaffirmationen (Erschaffung der Erde) |
28 2n/m | 28 Refrain (Wehspruch) |
III Eschatologie | |
29 2n/m, 30.31 3K3b | 6 29–31 Antithese (Negativteil): Anrede der Verdammten |
32.33 3Kr | 32.33 Höllenbeschreibung |
34–50 2n/m | 34 Refrain (Wehspruch) |
7 35.36 Antithese (Negativteil): Jüngster Tag | |
37 Refrain (Wehspruch) | |
38.39 Anrede der Verdammten | |
40 Refrain (Wehspruch) | |
8 41.42 Antithese (Positivteil): Paradiesbeschreibung | |
43 Anrede der Seligen | |
44.45 theologische Prädikation (metatextueller Kommentar) und Refrain (Wehspruch) | |
9 46 Anrede der Gegner (2. Pl.) | |
47 Refrain (Wehspruch) | |
48 Scheltwort (3. Pl.) | |
49 Refrain (Wehspruch) | |
50 polemische Frage (3. Pl.) |
Proportionen: [7+8] + [4+5+5] + [6+6+5+5].