بِسۡمِ ٱللَّهِ ٱلرَّحۡمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ |
Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers! |
ٱلرَّحۡمَٰنُ |
I11 Der Barmherzige! |
عَلَّمَ ٱلۡقُرۡءَانَ |
2 Er hat die Lesung gelehrt |
خَلَقَ ٱلۡإِنسَٰنَ |
3 und den Menschen geschaffen |
عَلَّمَهُ ٱلۡبَيَانَ |
4 und ihn klare Rede gelehrt. |
ٱلشَّمۡسُ وَٱلۡقَمَرُ بِحُسۡبَانٍۢ |
5 Sonne und Mond gehen nach Berechnung. |
وَٱلنَّجۡمُ وَٱلشَّجَرُ يَسۡجُدَانِ |
6 Sterne und Bäume werfen sich nieder. |
وَٱلسَّمَآءَ رَفَعَهَا وَوَضَعَ ٱلۡمِيزَانَ |
27 Den Himmel hob er empor und setzte die Waage fest, |
أَلَّا تَطۡغَوۡا۟ فِی ٱلۡمِيزَانِ |
8 auf dass ihr beim Wiegen nicht aufsässig seid; |
وَأَقِيمُوا۟ ٱلۡوَزۡنَ بِٱلۡقِسۡطِ |
9 Stellt die Gewichte auf, wie es recht ist, |
وَلَا تُخۡسِرُوا۟ ٱلۡمِيزَانَ |
und zieht nichts von der Waage ab! |
وَٱلۡأَرۡضَ وَضَعَهَا لِلۡأَنَامِ |
10 Die Erde setzte er für die Menschen hin; |
فِيهَا فَٰكِهَةٌۭ وَٱلنَّخۡلُ ذَاتُ ٱلۡأَكۡمَامِ |
11 auf ihr gibt es Früchte und Palmen mit Fruchthüllen, |
وَٱلۡحَبُّ ذُو ٱلۡعَصۡفِ وَٱلرَّيۡحَانُ |
12 Korn auf Halmen und Duftkräuter. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
13 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
خَلَقَ ٱلۡإِنسَٰنَ مِن صَلۡصَٰلٍۢ كَٱلۡفَخَّارِ |
II314 Er hat den Menschen aus Ton geschaffen wie ein Töpfer |
وَخَلَقَ ٱلۡجَآنَّ مِن مَّارِجٍۢ مِّن نَّارٍۢ |
15 und die Ǧinne hat er aus einem Gemisch von Feuer geschaffen. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
16 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
رَبُّ ٱلۡمَشۡرِقَيۡنِ وَرَبُّ ٱلۡمَغۡرِبَيۡنِ |
17 Der Herr des Ostens und des Westens! |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
18 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
مَرَجَ ٱلۡبَحۡرَيۡنِ يَلۡتَقِيَانِ |
19 Er hat die beiden Gewässer strömen lassen, so dass sie sich treffen; |
بَيۡنَهُمَا بَرۡزَخٌۭ لَّا يَبۡغِيَانِ |
20 zwischen ihnen ist eine Schranke, so dass sie sich keine Übertretung zuschulde kommen lassen. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
21 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
يَخۡرُجُ مِنۡهُمَا ٱللُّؤۡلُؤُ وَٱلۡمَرۡجَانُ |
22 Aus ihnen gehen Perlen und Korallen hervor. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
23 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
وَلَهُ ٱلۡجَوَارِ ٱلۡمُنشَـَٔاتُ فِی ٱلۡبَحۡرِ كَٱلۡأَعۡلَٰمِ |
24 Sein sind die dahinziehenden Schiffe, die auf dem Meer emporragen wie Wegmarken. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
25 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
كُلُّ مَنۡ عَلَيۡهَا فَانٍۢ |
26 Jeder, der auf Erden weilt, muss vergehen, |
وَيَبۡقَىٰ وَجۡهُ رَبِّكَ ذُو ٱلۡجَلَٰلِ وَٱلۡإِكۡرَامِ |
27 doch das Antlitz deines erhabenen und ehrwürdigen Herrn bleibt. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
28 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
يَسۡـَٔلُهُۥ مَن فِی ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضِ ۚ |
29 Ihn bittet, wer in den Himmeln und auf Erden ist; |
كُلَّ يَوۡمٍ هُوَ فِی شَأۡنٍۢ |
jeden Tag ist er am Werk. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
30 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
سَنَفۡرُغُ لَكُمۡ أَيُّهَ ٱلثَّقَلَانِ |
431 Wir werden uns Zeit für euch nehmen, ihr Schweren und ihr Leichten! |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
32 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
يَٰمَعۡشَرَ ٱلۡجِنِّ وَٱلۡإِنسِ |
33 O ihr Schar der Ǧinnen und Menschen! |
إِنِ ٱسۡتَطَعۡتُمۡ أَن تَنفُذُوا۟ مِنۡ أَقۡطَارِ ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضِ فَٱنفُذُوا۟ ۚ |
Wenn ihr vermögt, die Regionen der Himmel und der Erde zu durchdringen, so dringt hindurch! |
لَا تَنفُذُونَ إِلَّا بِسُلۡطَٰنٍۢ |
Ihr werdet nicht hindurchdringen, es sei denn kraft einer Vollmacht. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
34 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
يُرۡسَلُ عَلَيۡكُمَا شُوَاظٌۭ مِّن نَّارٍۢ وَنُحَاسٌۭ فَلَا تَنتَصِرَانِ |
35 Gegen euch werden Feuerflammen und Erz gesandt, so dass ihr euch nicht zu helfen wisst. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
36 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
III537 Wenn sich der Himmel spaltet |
فَكَانَتۡ وَرۡدَةًۭ كَٱلدِّهَانِ |
und rosenfarben glänzt wie Öl, |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
38 welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr dann leugnen? |
فَيَوۡمَئِذٍۢ لَّا يُسۡـَٔلُ عَن ذَنۢبِهِۦٓ إِنسٌۭ وَلَا جَآنٌّۭ |
39 An jenem Tag wird kein Mensch und Ǧinn nach seiner Schuld gefragt. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
40 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
يُعۡرَفُ ٱلۡمُجۡرِمُونَ بِسِيمَٰهُمۡ |
41 Die Übeltäter werden an ihrem Zeichen erkannt |
فَيُؤۡخَذُ بِٱلنَّوَٰصِی وَٱلۡأَقۡدَامِ |
und dann an den Schöpfen und Füßen gepackt. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
42 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
هَٰذِهِۦ جَهَنَّمُ ٱلَّتِی يُكَذِّبُ بِهَا ٱلۡمُجۡرِمُونَ |
43 „Dies ist die Hölle, welche die Übeltäter geleugnet haben!“ |
يَطُوفُونَ بَيۡنَهَا وَبَيۡنَ حَمِيمٍ ءَانٍۢ |
44 Sie gehen hin und her zwischen ihr und siedendem Wasser. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
45 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
وَلِمَنۡ خَافَ مَقَامَ رَبِّهِۦ جَنَّتَانِ |
646 Dem, der die Macht seines Herrn gefürchtet hat, kommen zwei Gärten zu – |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
47 welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? – |
ذَوَاتَآ أَفۡنَانٍۢ |
48 mit allerlei Arten. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
49 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
فِيهِمَا عَيۡنَانِ تَجۡرِيَانِ |
50 Darin sind zwei fließende Quellen. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
51 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
فِيهِمَا مِن كُلِّ فَٰكِهَةٍۢ زَوۡجَانِ |
52 Darin gibt es von jeglicher Frucht ein Paar. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
53 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
مُتَّكِـِٔينَ عَلَىٰ فُرُشٍۭ بَطَآئِنُهَا مِنۡ إِسۡتَبۡرَقٍۢ ۚ |
54 Sie ruhen auf Betten, deren Decken aus Brokat sind; |
وَجَنَى ٱلۡجَنَّتَيۡنِ دَانٍۢ |
die Früchte der Gärten sind nah. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
55 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
فِيهِنَّ قَٰصِرَٰتُ ٱلطَّرۡفِ |
56 Darin gibt es Frauen, die den Blick keusch niederschlagen |
لَمۡ يَطۡمِثۡهُنَّ إِنسٌۭ قَبۡلَهُمۡ وَلَا جَآنٌّۭ |
und die vor ihnen weder Mensch noch Ǧinn berührt hat, – |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
57 welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? – |
كَأَنَّهُنَّ ٱلۡيَاقُوتُ وَٱلۡمَرۡجَانُ |
58 Hyazinthen oder Korallen gleich. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
59 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
هَلۡ جَزَآءُ ٱلۡإِحۡسَٰنِ إِلَّا ٱلۡإِحۡسَٰنُ |
60 Werden denn Wohltaten mit etwas anderem vergolten als durch Wohltaten? |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
61 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
وَمِن دُونِهِمَا جَنَّتَانِ |
762 Darunter gibt es zwei weitere Gärten – |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
63 welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? – |
مُدۡهَآمَّتَانِ |
64 von tiefem Grün. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
65 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
فِيهِمَا عَيۡنَانِ نَضَّاخَتَانِ |
66 Darin sind stark sprudelnde Quellen. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
67 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
فِيهِمَا فَٰكِهَةٌۭ وَنَخۡلٌۭ وَرُمَّانٌۭ |
68 Darin sind Früchte, Palmen und Granatapfelbäume. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
69 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
فِيهِنَّ خَيۡرَٰتٌ حِسَانٌۭ |
70 Darin sind gute, schöne Frauen – |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
71 welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? – |
حُورٌۭ مَّقۡصُورَٰتٌۭ فِی ٱلۡخِيَامِ |
72 mit schwarzen Augen, abgesondert in Zelten, – |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
73 welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? – |
لَمۡ يَطۡمِثۡهُنَّ إِنسٌۭ قَبۡلَهُمۡ وَلَا جَآنٌّۭ |
74 die vor ihnen weder Mensch noch Ǧinn berührt hat. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
75 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
مُتَّكِـِٔينَ عَلَىٰ رَفۡرَفٍ خُضۡرٍۢ وَعَبۡقَرِیٍّ حِسَانٍۢ |
76 Sie ruhen auf grünen Polstern und schönen Teppichen. |
فَبِأَىِّ ءَالَآءِ رَبِّكُمَا تُكَذِّبَانِ |
77 Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen? |
تَبَٰرَكَ ٱسۡمُ رَبِّكَ ذِی ٱلۡجَلَٰلِ وَٱلۡإِكۡرَامِ |
78 Gesegnet sei der Name deines erhabenen und ehrwürdigen Herrn! |
bi-smi llāhi r-raḥmāni r-raḥīm] Zur Basmala s. die entsprechende Anmerkung zu 93; zum Gottesnamen raḥmān s. die Anmerkung zu Vers 1.
Baṣra, Mekka und Medina ziehen V. 1 und V. 2 zusammen. Medina zählt außerdem V. 3 und V. 4 als einen Vers ( Spitaler, Verszählung, 60 ). An beiden Stellen sprechen sowohl der Reim, als auch die im Koran übliche ansteigende Verslänge für eine Trennung ( Neuwirth, Studien, 24 ).
ar-raḥmān] Geht man davon aus, dass zumindest die frühmekkanischen Suren erst nachträglich mit Basmala-Einleitungen versehen worden sind (s. die Anmerkung zu 93:1), so dürfte es sich beim vorliegenden Vers um das früheste Vorkommnis des kurz darauf, nämlich in mittelmekkanischer Zeit, prominent werdenden Gottesnamens ar-Raḥmān handeln. Er ist erstmals in einer aramäischen Inschrift aus der Mitte des neunten Jahrhunderts v. Chr. als Titel des Gottes Hadad dokumentiert und später insbesondere in der rabbinischen Literatur als Gottesname (hebräisch ha-raḥamān, aramäisch raḥmānā) geläufig (s. den Überblick in Greenfield 2000 mit weiteren Literaturangaben). Im Syrischen ist er hingegen selten; gängiger ist dort die der Morphologie des Syrischen entsprechende Partizipialform mraḥḥmānā (so bereits GdQ, Bd. 1, 112–114, Anm. 1, Abschn. III ; vgl. jüngst Nebes 2010, 37, Anm. 48 ). In seiner sabäischen Form rḥmnn (rḥmānān) erscheint der Titel dann ab Ende des 4. Jh. n. Chr. in den unter ḥimyaritischer Herrschaft angefertigten monotheistischen Inschriften, mit denen der traditionelle altsüdarabische Polytheismus sein Ende findet (s. ausführlicher Nebes 2010, 35–40 ). Inzwischen hat sich in der Forschung die Erkenntnis durchgesetzt, dass der ḥimyaritische Monotheismus jüdischer Natur gewesen sein muss (s. u. a. Robin 2004 ) – in einer Inschrift (Ry 515) heißt es geradezu: „Beim Barmherzigen, dem Herrn der Juden“ (brḥmnn / rbhwd; Ryckmans 1953, 314 f. ). Für die Herkunft des koranischen Gottesnamens ar-Raḥmān bieten sich damit zwei Alternativen an: einerseits eine südarabische Herkunft, wie sie bereits Nöldeke für wahrscheinlich hielt ( GdQ, Bd. 1, a. a. O. ), andererseits eine Übernahme des Titels von in Nordwestarabien (etwa in Yaṯrib) ansässigen Juden ( Greenfield 2000, 390 ). Da auch die erste Möglichkeit in letzter Instanz auf die rabbinische Tradition verweist, müssen sich die beiden Hypothesen nicht ausschließen. Für die erste Alternative spricht die inschriftliche Evidenz, für die zweite die größere geographische Nähe.
Inwieweit der Name ar-Raḥmān den Adressaten des Koran bereits in vorkoranischer Zeit vertraut war und ihnen sogar als identisch mit Allāh gegolten haben mag, lässt sich nicht sicher bestimmen. Der mittelmekkanische Vers 17:110 scheint eigens festzustellen, dass Allāh und ar-Raḥmān ein und dasselbe göttliche Wesen bezeichnen (quli dʿŭ llāha ʾawi dʿŭ r-raḥmāna ʾayyan mā tadʿū fa-lahu l-ʾasmāʾu l-ḥusnā ..., Paret: „Sag: Ihr mögt zu Gott beten oder zum Barmherzigen. Wie ihr ihn auch nennt, ihm stehen die schönen Namen zu“); und Nöldeke vertritt unter Hinweis auf 25:60 (wa-ʾiḏā qīla lahumu sǧudū li-raḥmāni qālū mă r-raḥmānu ʾa-nasǧudu li-mā taʾmurunā wa-zādahum nufūrā, Paret: „Und wenn man zu ihnen sagt: Werft euch vor dem Barmherzigen nieder!, sagen sie: Was soll das denn heißen: ‚der Barmherzige’? Sollen wir uns vor etwas niederwerfen, nur weil du es uns befiehlst?“) vertritt Nöldeke (GdQ, Bd. 1, 112, Anm. 1, Abschn. III ) die These, der Name ar-Raḥmān sei den Mekkanern „neu“ gewesen. Dagegen spricht allerdings die von Patricia Crone ( Crone 2010, 166 ff. ) gemachte Beobachtung, dass der Koran auch Muḥammads Widersacher gelegentlich den Namen ar-Raḥmān verwenden lässt (vgl. etwa 21:26 oder 43:19.20). Dass die Gegner der koranischen Verkündigung den Gottesnamen ar-Raḥmān gekannt haben und der Koran ihn diesen gelegentlich auch in den Mund legt, muss jedoch nicht dem allgemeinen Eindruck widersprechen, der Ausdruck sei eher der religiösen Terminologie des Korans als derjenigen seiner Gegner zuzuordnen (während der Gottesname Allāh von beiden Seiten gleichermaßen gebraucht worden zu sein scheint; vgl. die Anmerkung zu 95:8).
Ambros weist darauf hin, dass der Name ar-Raḥmān im Koran verschiedentlich auch in drohenden Zusammenhängen auftritt ( Ambros, Dictionary, 305 ). Das Wort könnte deswegen in erster Linie den Charakter eines Eigennamens (‚der Raḥmān’) gehabt haben. Vielleicht ist die Kombination des Ausdrucks mit dem Adjektiv raḥīm in der Basmala (s. die Anmerkung zur Basmala im Kommentar zu Q 93), die auf den ersten Blick redundant wirkt, vor diesem Hintergrund zu sehen. Der semantische Kern des Ausdrucks ar-Raḥmān bestand also wohl weniger in einer bestimmten göttlichen Charaktereigenschaft als in seiner allgemeinen biblische Resonanz, die ihn von dem stärker in der altarabischen Tradition verwurzelten Gottesnamen Allāh unterschieden haben dürfte (s. die Anmerkung zu Sure 93; vgl. a. den Kommentar zu 55:1–6).
ʿallama l-qurʾān] Das Verb ʿallama wird auch in 96:3.4 (allaḏī ʿallama bi-l-qalam / ʿallama l-ʾinsāna mā lam yaʿlam) und in 53:5 (ʿallamahū šadīdu l-quwā) für die Belehrung des Menschen durch göttliche Offenbarung gebraucht; s. a. die Anmerkung zu 96:3.4. Zu qurʾān s. die Anmerkung zu 75:16–19, zum zugrunde liegenden Verb qaraʾa vgl. die Anmerkung zu 96:1.
ḫalaqa l-ʾinsān] Zu Gottes „Erschöpfung“ (ḫ-l-q) des Menschen, unter der in frühmekkanischer Zeit in der Regel Entstehung und Heranwachsen von Kindern im Mutterleib und nicht die urzeitliche Erschaffung Adams verstanden werden, s. die Anmerkung zu 96:2. Da jedoch in V. 14 der vorliegenden Sure als einziger frühmekkanischer Stelle explizit von einer Erschaffung des Menschen aus Ton die Rede ist (ḫalaqa l-ʾinsāna min ṣalṣālin ka-l-faḫḫār), ist vielleicht schon V. 3 in diesem Sinne zu deuten.
ʿallamahu l-bayān] Vgl. 75:19 (ṯumma ʾinna ʿalainā bayānah). Allgemein scheint bayān einen Akt des ‚klar-und-deutlich’-Machens zu bezeichnen (s. Ambros, Dictionary, 47 ). Während es sich in 75:19 jedoch um die Erklärung koranischer Offenbarungen handeln muss, dürfte es hier allgemein um die Fähigkeit des Menschen zu ‚klarer und deutlicher’ Rede gehen. Neuwirth geht in einem früheren Aufsatz davon aus, dass auch V. 4 sich auf die Belehrung des Menschen durch göttliche Offenbarung bezieht ( Neuwirth 1984b, 452 ); da diese jedoch bereits in V. 2 erwähnt wurde, an den V. 4 nach der Schöpfungsreferenz in V. 3 nicht direkt anschließt, ist diese Deutungsalternative aber eher unwahrscheinlich.
Bereits Hirschfeld und Speyer haben auf Ähnlichkeiten zwischen Q 55 und Psalm 136 hingewiesen (s. die Anmerkungen zu V. 13 und V. 78). Neben dem ähnlichen Refrain beider Texte legen dabei auch die Schöpfungsreferenzen in den ersten beiden Teilen der Sure einen Vergleich nahe. Neuwirth 2010, 767 hebt im Einzelnen die folgenden Entsprechungen hervor:
Sure 55 | Psalm 136 (Verse jeweils ohne Refrain) |
V. 5.6: „Sonne und Mond gehen nach Berechnung. Sterne und Bäume werfen sich nieder.“ | V. 7–9: „der die großen Leuchten gemacht hat, [...] die Sonne zur Herrschaft über den Tag, [...] den Mond und die Sterne zur Herrschaft über die Nacht [...]“ |
V. 7: „Den Himmel hob er empor.“ | V. 5: „der den Himmel geschaffen hat in Weisheit“. |
V. 10: „Die Erde setzte er für die Menschen hin.“ | V. 6: „der die Erde über den Wassern gegründet hat“. |
aš-šamsu wa-l-qamaru bi-ḥusbān] Paret übersetzt wohl in Analogie zu 6:96 (wa-ǧaʿala l-laila sakanan wa-š-šamsa wa-l-qamara ḥusbānan): „Die Sonne und der Mond dienen zur Berechnung“. Die obige Übersetzung folgt Zirker. Neuwirth (2010, 756) merkt an, dass auch Psalm 104:19 die zeitmessende Funktion von Sonne und Mond als Merkmal des göttlichen Schöpfungswerkes hervorhebt: „Er hat den Mond als Maß für die Zeiten gemacht, / die Sonne weiß, wann sie untergeht“ (עָשָׂ֣ה יָ֭רֵחַ לְמוֹעֲדִ֑ים שֶׁ֜֗מֶשׁ יָדַ֥ע מְבוֹאֽוֹ).
wa-n-naǧmu wa-š-šaǧaru yasǧudān] Gegen die von Kratschkovskij und August Fischer vertretenen Deutung von naǧm als „Pflanzen, Gräser“ nimmt Paret 1967 Stellung. Er verweist insbesondere auf 22:18, wo ebenfalls von einer Anbetung Gottes durch die nuǧūm – womit im Kontext dort nur die Sterne gemeint sein können – die Rede ist: ʾa-lam tara ʾanna llāha yasǧudu lahū man fi s-samāwāti wa-man fĭ l-ʾarḍi wa-š-šamsu wa-l-qamaru wa-n-nuǧūmu ..., „Hast du denn nicht gesehen, daß sich vor Gott ein jeder niederwirft, der im Himmel und auf der Erde ist, sowie die Sonne, der Mond und die Sterne ...“. Obwohl die Parallelstelle erst medinensisch ist, gibt es prima facie keinen Grund, die Vorstellung von einem suǧūd der Sterne – die vielleicht mit dem in Genesis 37:9 geschilderten Traum Josefs zusammenhängt – nicht auch für den vorliegenden Vers in Betracht zu ziehen, zumal naǧm sonst im Koran nirgends in dem von Kratschkovskij und Fischer statuierten Sinne gebraucht wird. Neuwirth hat allerdings die Ansicht geäußert, dass der Verweis auf 22:18 allein nicht ausreiche, um die Hypothese von Kratschkovskij und Fischer mit Sicherheit auszuschließen ( Neuwirth 1984b, 452, Anm. 8 ); eine Interpretation von naǧm im Sinne von „Gräser“ erscheint ihr dabei vor allem deshalb attraktiv, weil das Verspaar V. 5.6 dann eine der auch sonst in der Sure zu beobachtenden Prominenz paariger Phänomene entsprechende symmetrische „Antithese von himmlischen und irdischen Phänomenen“ darstellen würde.
wa-s-samāʾa rafaʿahā] Gottes Errichtung des Himmelsgewölbes wird – z. T. unter Verwendung des hier gebrauchten Verbs rafaʿa – frühmekkanisch noch in 91:5 (wa-s-samāʾi wa-mā banāhā), 88:18 (wa-ʾilă s-samāʾi kaifa rufiʿat), 79:27 (ʾa-ʾantum ʾašaddu ḫalqan ʾami s-samāʾu banāhā / rafaʿa samkahā fa-sawwāhā ...), 78:12.13 (wa-banainā fauqakum sabʿan šidādā ...) und 51:47 (wa-s-samāʾa banaināhā bi-ʾaidin wa-ʾinnā la-mūsiʿūn) erwähnt, wo die Erschaffung des Himmels wie im vorliegenden Passus in mehr oder weniger enger Nachbarschaft mit der Erschaffung der Erde genannt wird (vgl. V. 10 mit Anmerkung); eine isolierte Himmelsreferenz steht in 52:5 (wa-s-saqfĭ l-marfūʿ). wa-waḍaʿa l-mīzān / ʾallā taṭġau fĭ l-mīzān / wa-ʾaqīmŭ l-wazna bi-l-qisṭi wa-lā tuḫsirŭ l-mīzān] Da die erste Hälfte von V. 7 von der Errichtung des Himmelsgewölbes spricht, ist die zweite Hälfte vielleicht auf das Sternbild der Waage zu beziehen ( Neuwirth 1984b, 452, Anm. 9 ), woran in V. 8.9 dann eine die irdische Waage betreffende „moralische Nutzanwendung“ ( GdQ, Bd. 1, 107 ) geknüpft wird. Die Aufforderung, volles Maß zu geben, findet sich frühmekkanisch noch in 83:1–3 (wailun li-l-muṭaffifīn / allaḏīna ʾiḏă ktālu ʿală n-nāsi yastaufūn / wa-ʾiḏā kālūhum ʾau wazanūhum yuḫsirūn) und stellt einen biblischen Topos dar (s. die Anmerkung zu 83:1–3 mit Verweisen).
ʾallā taṭġau fĭ l-mīzān] Zu ṭaġā s. die Anmerkung zu 96:6.
wa-l-ʾarḍa waḍaʿahā li-l-ʾanām] Gottes „Ausbreitung“ o. Ä. der Erde wird frühmekkanisch noch in 91:6 (wa-l-ʾarḍi wa-mā ṭaḥāhā) und 88:20 (wa-ʾilă l-ʾarḍi kaifa suṭiḥat), 79:30 (wa-l-ʾarḍa baʿda ḏālika daḥāhā), 78:6 (ʾa-lam naǧʿali l-ʾarḍa mihādā) und 51:48 (wa-l-ʾarḍa farašnāhā fa-niʿma l-māhidūn) erwähnt; in allen diesen Stellen erscheint die Erschaffung der Erde wie im vorliegenden Passus in mehr oder weniger enger Nachbarschaft zur Erschaffung des Himmels (s. V. 7 mit Anmerkung). Der etymologisch ungeklärte Ausdruck ʾanām wird entweder mit „Menschen“ oder umfassender mit „Geschöpfe“ (al-ḫalq) erläutert (s. Lane, Bd. 1, 118b , und Ambros, Dictionary, 30 ; vgl. Ṭabarī, ad loc., Nr. 32891 ff. ). Die in der islamischen Exegese gängige Umschreibung „Menschen und Ǧinne“ (vgl. neben Ṭabarī, Nr. 32893 , auch Lisān, s. v. ʾ-n-m ) ist der Tatsache geschuldet, dass in V. 14.15 explizit von Gottes Erschaffung der Menschen und Ǧinne die Rede ist und bereits der als Refrain fungierende V. 13 den Dual gebraucht.
Versabteilung: Mekka setzt nach ʾanām keinen Verstrenner ( Spitaler, Verszählung, 60 ), doch macht der Reim eine Abtrennung unumgänglich ( Neuwirth, Studien, 24 ).
fīhā fākihatun wa-n-naḫlu ḏātu l-ʾakmām] Vgl. ganz ähnlich V. 68 (fīhimā fākihatun wa-naḫlun wa-rummān).
fa-bi-ʾayyi ʾālāʾi rabbikumā tukaḏḏibān] Wörtlich: „ihr beide“ (Dual). Die polemische Frage fungiert im Folgenden als Refrain; sie erscheint ab hier alle zwei oder drei Verse und findet sich in der Sure insgesamt einundreißig Mal. Vgl. ähnlich 53:55 (fa-bi-ʾayyi ʾālāʾi rabbika tatamārā); Paret verweist außerdem auf die ähnlich konstruierte Frage in 77:50 (fa-bi-ʾayyi ḥadīṯin baʿdahū yuʾminūn; s. Paret, Kommentar, zu 53:55 ). Ālāʾ ist Plural von ʾilan, „Gnadenerweis, Wohltat“ ( Lane, Bd. 1, 87b ). Zu rabb s. die Anmerkung zu 95:8, zu den verschiedenen Gebrauchsweisen von kaḏḏaba s. die Anmerkungen zu 95:7, 92:16 und 73:11. Zum Sinn des u. a. von Nöldeke aus bloßem Reimzwang erklärten Duals (vgl. etwa GdQ, Bd. 1, 40 ) s. ausführlich Neuwirth 1984a und 1984b, 450 f. , die darauf aufmerksam macht, dass der unmittelbar vor der erstmaligen Erwähnung der beiden Gruppen der Menschen und Ǧinne in V. 14.15 einsetzende Refrain „ganz natürlich auf diese beiden Gruppen bezogen“ ist. „Die Kombination ʾins/ǧinn wird im weiteren Verlauf der Sure noch fünfmal über den Gesamttext verteilt: sie erscheint am Ende des Hymnus, in der Drohrede Allāhs, V. 31 und 33, im eschatologischen Vorgang, V. 39, sowie schließlich je einmal in den beiden Gartenschilderungen, V. 56 und 74. Die im Refrain immer wieder angesprochenen Gruppen sind also auch im Text selbst stets deutlich präsent.“ ( Neuwirth, a. a. O. )
Bezug zum Psalter: Bereits Hirschfeld 1902, 73 und Speyer, Biblischen Erzählungen, 449 haben auf die Ähnlichkeit zwischen dem Refrain von Sure 55 und dem von Psalm 136 („denn seine Huld währet ewiglich“, כִּ֖י לְעוֹלָ֣ם חַסְדּֽוֹ) hingewiesen. Zum Verhältnis beider Texte s. a. die Anmerkungen zu V. 5–10 und zu V. 78 sowie die Bemerkungen zu Aufbau und Inhalt der Sure.
ka-l-faḫḫār] Faḫḫār, in der islamischen Tradition zumeist als „Töpferware“ o. Ä. erklärt (vgl. Ṭabarī, ad loc., Nr. 32933 ff. ), ist mit Fraenkel und Jeffery aus syr. paḥḥārā abzuleiten; mit der arabischen Wurzel f-ḫ-r hat der Begriff nichts zu tun ( Jeffery, Foreign Vocabulary, 222 ). Paḥḥārā kann sowohl „Töpfer“ als auch „Ton“ bezeichnen ( Brockelmann 1928, 563 ); Jeffery und Bell halten deshalb an der Übersetzung von ka-l-faḫḫār als „wie Töpferware“ fest ( Jeffery, Foreign Vocabulary, 222 ; Bell, Commentary, ad loc. ). In einem von Yousef Kouriyhe identifizierten Text Jakobs von Sarūg (451–521), der ebenfalls von Gottes Erschaffung des Menschen spricht, hat das syrische paḥḥārā jedoch sicherlich die Bedeutung „Töpfer“: „Wie ein Töpfer (paḥḥārā) Lehmklumpen [formt], so formte er Geheimnisse (ramzē) und gestaltete aus ihnen große und kleine Tiere und so alle Lebewesen.“ (TUK, Nr. 191) Es liegt von daher nahe, den Vergleich ka-l-faḫḫār im Sinne der thematisch unmittelbar verwandten Passage Jakobs von Sarūg zu deuten (vgl. Ambros, Dictionary, 210 , der ebenfalls „Töpfer“ für die wahrscheinlichere Bedeutung hält). – Der Vers stellt den frühesten koranischen Beleg für die biblische Vorstellung einer urzeitlichen Erschaffung des Menschen aus Erde dar (Genesis 2:7); in früheren Texten ist nur von der Erschaffung des Menschen aus einem Spermatropfen bzw. im Mutterleib die Rede (s. die Anmerkung zu 96:1.2). Als biblischer Hintergrund ist letzten Endes Jeremia 18:1–6 zu vergleichen, wo Gott als Töpfer beschrieben wird, der nach Belieben Völker herstellt und zerbricht (Hinweis von Hannelies Koloska).
māriǧin min nār] Māriǧ ist abgeleitet von maraǧa, was u. a. „mischen“ bedeuten kann ( Lane, Bd. 7, 2704a ; zu maraǧa vgl. a. V. 19 mit Anmerkung).
rabbu l-mašriqaini wa-rabbu l-maġribain] Vgl. 70:40 (fa-lā ʾuqsimu bi-rabbi l-mašāriqi wa-l-maġāribi ʾinnā la-qādirūn) und 73:9 (rabbu l-mašriqi wa-l-maġribi lā ʾilāha ʾillā huwa fa-ttaḫiḏhu wakīlā). Wörtlich wäre der Vers zu übersetzen: „Der Herr der beiden Orte des Sonnenaufgangs und des Sonnenuntergangs“. Neuwirth will die beiden Duale jeweils auf den nördlichen und den südlichen Wendekreis beziehen ( Neuwirth 1984b, 453 ).
Versabteilung: Im Anschluss an Flügel argumentiert Neuwirth für eine Teilung des Verses nach mašriqaini ( Studien, 24 ), was jedoch eher unwahrscheinlich sein dürfte.
maraǧa l-baḥraini yaltaqiyān / bainahumā barzaḫun lā yabġiyān] Die Parallelstellen 25:53 (wa-huwa llaḏī maraǧa l-baḥraini hāḏā ʿaḏbun furātun wa-hāḏā milḥun ʾuǧāǧun wa-ǧaʿala bainahumā barzaḫan wa-ḥiǧran maḥǧūrā; mittelmekkanisch) und 35:12 (spätmekkanisch) machen deutlich, dass mit den baḥrain hier keine zwei Meere, sondern Süßwasser und Salzwasser (25:53 und 35:12: ʿaḏbun furātun vs, milḥun ʾuǧāǧun) gemeint sind (speziell von Süßwasser ist bereits in 77:27 die Rede: wa-ǧaʿalnā fīhā rawāsiya šāmiḫātin wa-ʾasqainākum māʾan furātā). Eine geographische Deutung der baḥrain ist von daher auszuschließen. Barzaḫ (vgl. noch 23:100 und 25:53) ist vielleicht von Pahlavi frasang abzuleiten ( Jeffery, Foreign Vocabulary, 77 ; Ambros, Dictionary, 37 ); da in 27:61 wird bei der Beschreibung desselben Phänomens ḥāǧiz statt barzaḫ verwendet (wa-ǧaʿala baina l-baḥraina ḥāǧizan) und in 25:53 noch ḥiǧran maḥǧūrā hinzugesetzt wird, ist die Bedeutung „Schranke, Barriere“ (die auch für die Vorkommnisse in 23:100 und 25:53 passt) gesichert. Angesichts der Tatsache, dass es in V. 20 heißt, die beiden Wasser würden sich keine „Übertretung zuschulde kommen lassen“ (baġā; s. Lane, Bd. 1, 231b–c ), erscheint es problematisch, maraǧa in V. 19 (wie auch in 25:53) im Sinne von „vermischen“ (s. die Anmerkung zu V. 15) zu lesen. In der islamischen Tradition wird das Verb deshalb üblicherweise mit „strömen lassen“ (ʾarsala, ḫallā) paraphrasiert (s. Ṭabarī, ad loc., Nr. 32963 , sowie Zamaḫšarī, ad loc. ).
Bezug zum Psalter: Die Vorstellung einer von Gott etablierten Wasserschranke erscheint auch in Psalm 104:9: „Du hast den Wassern eine Grenze gesetzt, / die dürfen sie nicht überschreiten; nie wieder sollen sie die Erde bedecken“ ( Neuwirth 2010, 758 ). Dort handelt es sich allerdings um eine Grenze zwischen Wasser und Land und nicht zwischen Süß- und Salzwasser.
yaḫruǧu] Überliefert sind auch die alternativen Vokalisierungen yuḫraǧu („Daraus werden Perlen und Korallen hervorgeholt“) und nuḫriǧu („Daraus holen wir Perlen und Korallen hervor“) ( Muʿǧam, ad loc. ).
al-munšaʾāt] Überliefert werden auch die weniger wahrscheinlichen Lesungen al-munšiʾāt und al-munaššaʾāt ( Muʿǧam, ad loc. ). ʾanšaʾa kann „schaffen“ bedeuten (vgl. 56:35: ʾinnā ʾanšaʾnāhunna ʾinšāʾā), aber auch einfach „errichten, hinstellen“ (vgl. Lane, Bd. 8, 2791 : ʾanšaʾa ʿalaman, „Er errichtete ein Wegzeichen auf“ (našaʾa im ersten Stamm ist zumeist „aufwachsen“, aber auch allgemein „sich erheben“; s. Lane, Bd. 8, 2790c ).
kullu man ʿalaihā fān] Wörtl.: „Jeder auf ihr vergeht“. Wie Paret anmerkt ( Kommentar, ad loc. ) steht ʿalaihā auch in 16:61 (mā taraka ʿalaihā min dābbatin) für „auf der Erde (ʾarḍ, f.)“.
waǧhu rabbika ḏŭ l-ǧalāli wa-l-ʾikrām] Vgl. V. 78 (ʾismu rabbika ḏĭ l-ǧalāli wa-l-ʾikrām). Zum Gottestitel rabb s. die Anmerkung zu 95:8.
ʾayyuha ṯ-ṯaqalān] Wörtlich: „ihr beiden Gewichte“. In der islamischen Exegese wird der Vokativ üblicherweise auf Menschen und Ǧinne bezogen (vgl. Zamaḫšarī, ad loc. ), was durchaus wahrscheinlich ist, da diese in V. 33 und 35 explizit angeredet werden. Der Dual ṯaqalān ist wahrscheinlich entsprechend einem Klammerzusatz Parets mit „ihr Leichten (= aus Feuer geschaffene Ǧinne, s. V. 15) und ihr Schweren (= aus Ton geschaffene Menschen, s. V. 14)“ zu paraphrasieren (vgl. a. Neuwirth 1984b, 453 ).
Zu dem für Gruppe IIIb charakteristischen Begriff sulṭān s. die Anmerkung zu 52:38.
yursalu ʿalaikumā šuwāẓun min nārin wa-nuḥāsun fa-lā tantaṣirān] Der Vers wird auch aktivisch gelesen (yursilu mit zwei Nominativen, „er sendet ...“; vgl. Muʿǧam, ad loc. ). Zur Wurzel r-s-l (ʾarsala, rasūl) s. die Anmerkungen zu 91:13 und 77:1, zu nār vgl. die Anmerkung zu 111:3. Mit nuḥāsun ist wohl, wie bereits von der islamischen Exegese erkannt, flüssiges Messing o. Ä. gemeint (vgl. Ṭabarī, ad loc., Nr. 33042 ff. ). Die ebenfalls diskutierte Alternative, nuḥās könne hier einfach „Rauch“ bedeuten ( Ṭabarī, ad loc., Nr. 33039 ff. ), erscheint auf den ersten Blick eher unwahrscheinlich; Ṭabarī belegt sie zwar mit einem Vers an-Nābiġa aḏ-Ḏubyānīs, der sich jedoch nicht in dessen Dīwān im ʿIqd aṯ-ṯamīn findet. Wie Ṭabarī in seiner eigenen Stellungnahme zugunsten dieser letzteren Alternative hervorhebt, komplementiert sie die von manchen Auslegern vertretenen Paraphrase von šuwāẓun als „Flamme ohne Rauch“. Neben nuḥās existiert eine ganze Reihe von Lesevarianten ohne langes ā, die in einer defektiven Schreibung des Wortes in frühen Koranmanuskripten wurzeln könnte, etwa naḥs („Unglück“; s. Muʿǧam, ad loc. ). Doch erscheint naḥs im koranischen Vergleich allzu abstrakt und nimmt sich wie der Versuch aus, die exegetische Schwierigkeit durch textkritische Kombinationen zu umgehen.
Versabteilung: Mekka und Medina setzen nach min nār einen Verstrenner ( Spitaler, Verszählung, 60 ), der zwar einen Reim auf die Umgebung ergibt, von Neuwirth jedoch aus strukturellen Gründen abgelehnt wird: „Übertragung zweiten Subjekts auf folgengen Vers begegnet zwar mehrfach im Koran [...], jedoch nicht mit folgendem vom gesamten Satz abhängigen neuen Satz.“ ( Neuwirth, Studien, 24 ).
fa-ʾiḏă nšaqqati s-samāʾu] Von einer Spaltung des Himmels ist frühmekkanisch noch die Rede in 69:16 (wa-nšaqqati s-samāʾu), 73:18 (as-samāʾu munfaṭirun bihī), 82:1 (ʾiḏă s-samāʾu nfaṭarat) und 84:1 (ʾiḏa s-samāʾu nšaqqat). fa-kānat wardatan ka-d-dihān] Die Wendung ist eine Crux. Warda ist eigentlich nomen unitatis zu ward, „Rose“, wird jedoch von islamischen Exegeten als adjektivisch gebrauchtes Nomen mit der Bedeutung „rötlich“ bzw. „rosenfarben“ verstanden (den arabischen Lexika zufolge bezeichnet wurda einen rötlichen Farbton, während ward auch ein rötliches Pferd meinen kann; s. Lane, Bd. 8, 2936a und 2935b ; vgl. Ṭabarī, ad loc., Nr. 33049 ff. , wo wardatan mit ka-l-faras al-ward o. Ä. glossiert wird). Mangels einer überzeugenderen Alternative hält auch die obige Übersetzung an der Deutung warda = „rosenfarbig“ fest, die auch Jeffery ohne Einschränkungen akzeptiert ( Foreign Vocabulary, 287 ). Dihān wird von manchen Auslegern mit „Haut“ (ʾadīm) wiedergegeben (vgl. Ṭabarī, ad loc. , sowie Lane, Bd. 3, 927a ); wahrscheinlicher ist es aber wohl, den wie andere Exegeten als Plural von dihn, „Öl“ zu deuten, und zwar insbesondere unter dem Gesichtspunkt seines Glänzens (so neben Ṭabarī auch Zamaḫšarī, ad loc. , der wardatan ka-d-dihān mit ḥamrāʾa ka-dihni z-zait paraphrasiert).
fa-yaumaʾiḏin lā yusʾalu ʿan ḏanbihī ʾinsun wa-lā ǧānn] Zu yaumaʾiḏin vgl. die Anmerkung zu 102:8. Bell (Commentary, ad loc.) weist darauf hin, dass die Sünder anderen Versen zufolge sehr wohl „befragt“ werden; s. etwa die mittelmekkanische Stelle 15:92 (fa-wa-rabbika la-nasʾalannahum ʾaǧmaʿīn) samt der in Parets Konkordanz dazu aufgeführten Parallelstellen. Dass die Sünder nicht befragt werden, steht noch in 28:78. Parets Übersetzung optiert für eine Harmonisierung der Dissonanz, die gleichwohl diskutabel scheint: In 55:39 und 28:78 übersetzt er „(nicht lange) befragt“, in den übrigen Stellen gibt er das Passiv von saʾala mit „zur Verantwortung ziehen“ wieder.
yuʿrafu l-muǧrimūna bi-sīmāhum] Sīmā ist – wohl vermittelt über das Syrische – von gr. sêma abgeleitet ( Jeffery, Foreign Vocabulary, 183 f. ; vgl. a. Ambros, Dictionary, 144 ). fa-yuʾḫaḏu bi-n-nawāṣī] Vgl. 96:15.16 (kallā la-ʾin lam yantahi la-naṣfaʿan bi-n-nāṣiyah / nāṣiyatin kāḏibatin ḫāṭiʾah).
hāḏihī ǧahannamu llatī yukaḏḏibu bihă l-muǧrimūn / yaṭūfūna bainahā wa-baina ḥamīmin ʾān] Zu V. 43 vgl. 52:14 (hāḏihi n-nāru llatī kuntum bihā tukaḏḏibūn), 77:29 (inṭaliqū ʾilā mā kuntum bihī tukaḏḏibūn) und 83:17 (ṯumma yuqālu hāḏă llaḏī kuntum bihī tukaḏḏibūn); zu ǧahannam s. die Anmerkung zu 78:21, zu kaḏḏaba die Anmerkungen zu 95:7, 92:16 und 73:11. Zu ḥamīm in V. 44 s. 78:25 (ʾillā hamīman wa-ġassāqa) mit Anmerkung sowie 56:42 (fī samūmin wa-ḥamīm), 56:54 (fa-šāribūna ʿalaihi mina l-ḥamīm) und 56:93 (fa-nuzulun min ḥamīm). Paret verweist auch auf 88:4.5 (taṣlā nāran ḥāmiyah / tusqā min ʿainin ʾāniyah), wo ebenfalls die beiden Elemente Höllenfeuer und heißer Trank kombiniert sind. Das Verb ṭāfa erscheint sonst vor allem in koranischen Paradiesbeschreibungen, wo es das Umhergehen der jugendlichen Schenken bezeichnet (s. die Anmerkung zu 56:17); seine Anwendung auf die Verdammten ist deshalb vielleicht sarkastisch gemeint.
Versabteilung: Baṣra zieht V. 43 und V. 44 zusammen ( Spitaler, Verszählung, 60 ), wahrscheinlich deshalb, weil muǧrimūn als einziger 2n-Reim der Sure aus dem Rahmen fällt. Ibn Masʿūd bietet jedoch eine zweiversige Variante für V. 43, die zweimal auf -ān endet, also dem Reimschema entspricht ( Muʿǧam, ad loc. ): Obwohl Neuwirth diese Version zu präferieren scheint ( Neuwirth, Studien, 24 ), weist sie auf die Möglichkeit hin, dass V. 43b von 87:13 (ṯumma lā yamūtu fīhā wa-lā yaḥyā) inspiriert sein könnte. Auch zu V. 43a lassen sich Parallelen anführen, s. o. Ursache zur Skepsis ist aber vor allem die Tatsache, dass sich die Variante in das generelle Muster Ibn Masʿūd zugeschriebener Lesarten fügt, die häufig längere und geglättete Textfassungen bieten. Vorerst empfiehlt es sich deshalb, an der Mehrheitslesung festzuhalten.
wa-li-man ḫāfa maqāma rabbihī ǧannatān] S. 79:40.41 (wa-ʾammā man ḫāfa maqāma rabbihī wa-nahă n-nafsa ʿani l-hawā / fa-ʾinna l-ǧannata hiya l-maʾwā), wo dem, der „den maqām seines Herrn gefürchtet hat“, ebenfalls das Paradies (ǧanna) zugesagt wird. Zur Bedeutung von maqām rabbihī s. die Anmerkung ebd. Zu ǧanna s. die Anmerkung zu 81:13. Gegen die in der älteren Orientalistik vorherrschende Ansicht, der Dual ǧannatān stehe hier und in V. 62 nur um des Reimes willen, hat Angelika Neuwirth in einer ausführlichen Untersuchung Stellung genommen, die verschiedene alternative Deutungen des Duals diskutiert ( Neuwirth 1984b ). Neuwirth macht erstens geltend, dass in einer insgesamt von symmetrisch-paarigen Phänomenen dominierten Sure (s. u. den Abschnitt zu Aufbau und Inhalt) auch „die Perspektive einer Paradieslandschaft, die sich ihrerseits aus symmetrisch-paarig angeordneten Gärten zusammensetzt, nur sinnvoll zu nennen“ ist ( ebd., 458 ). Zweitens weist sie darauf hin, dass in der altarabischen Dichtung insbesondere bei Ortsbezeichnungen numerisch neutralisierte, d. h. keine präzise Zahlangabe mehr ausdrückende Dualformen ( ebd., 465 ) häufig sind; obwohl es sich damit zunächst um „reimtechnisch oder metrisch bequemere Nebenformen“ gehandelt haben mag, dürften diese im Laufe der Zeit doch einen „poetischen Nimbus“ angenommen haben, so dass es zu einer „Umwertung der Erscheinung von einem bloßen technischen Notbehelf zu einer spezifisch poetischen Stilnuance“ kam ( ebd., 470 ). Drittens weist sie auf die in der islamischen Exegese zu findende Erklärung des Duals ǧannatān im Sinne von „Garten auf Garten“ hin ( ebd., 473 ), die auf der Tatsache gründet, dass manche poetische Ortsduale nicht „die Zweizahl, sondern die Kontinuierlichkeit der Aufeinanderfolge mehrerer Landschaften“ zu bezeichnen scheinen ( ebd., 472 ). Vor dem Hintergrund von Neuwirths Ausführungen erscheinen somit die folgenden Deutungen von ǧannatān gerechtfertigt:
- wörtlich „zwei Gärten“ (in Anbetracht der auch sonst den Text durchziehenden Antithesen und Paare);
- „Gärten“ (ǧannatān als numerisch neutralisierter Dual, der in erster Linie eine poetische Resonanz vermittelt);
- „Garten auf Garten“ (der Dual als Ausdruck kontinuierlicher Aufeinanderfolge).
Zur Übersetzung des Duals s. die Anmerkung zu V. 46.
fīhimā min kulli fākihatin zauǧān] Vgl. 51:49 (wa-min kulli šaiʾin ḫalaqnā zauǧaini). Der Dual von zauǧ steht im Koran auch anderswo für „Paar“ ( Ambros, Dictionary, 123 ), es ist also nicht von zwei Paaren die Rede. Zu einem möglichen biblischen Hintergrund der den Seligen verheißenen Früchte s. die Anmerkung zu 77:41.42.
muttakiʾīna ʿalā furušin] Zu muttakiʾīna s. die Anmerkung zu 56:16, zu den paradiesischen Ruhebetten (surur, furuš, ʾarāʾik) s. die Anmerkung zu 56:15. baṭāʾinuhā min istabraqin] Wie andere Bezeichnungen luxuriöser Ausstattungsgegenstände des Paradieses, etwa ʾabārīq (Plural von ʾibrīq) in 56:18 (vgl. Jeffery, Foreign Vocabulary, 46 f. ), stammt auch istabraq ursprünglich aus dem Mittelpersischen ( Jeffery, Foreign Vocabulary, 58 f. ). Baṭāʾin ist Plural zu biṭāna ( Lane, Bd. 1, 221b ). wa-ǧană l-ǧannataini dān] Das die Früchte des Paradieses bequem zu pflücken sind, wird auch in 69:22.23 (fī ǧannatin ʿāliyah / quṭūfuhā dāniyah) hervorgehoben.
fīhinna qāṣirātu ṭ-ṭarfi lam yaṭmiṯhunna ʾinsun qablahum wa-lā ǧān] Die zweite Hälfte von V. 56 ist identisch mit V. 74. Ṭamaṯa ist wörtlich „entjungern“ ( Lane, Bd. 5, 1878b ). Zu den übrigen frühmekkanischen Erwähungen der koranischen Paradiesjungfrauen s. die Anmerkungen zu 78:33 und zu 56:22 mit weiteren Belegen; in der vorliegenden Sure werden sie noch in V. 70 und 72 erwähnt. – Paret merkt an, dass hier und in V. 70 der Ausdruck fīhinna (Plural femininum) gebraucht wird statt wie in V. 50.52 und V.66.68fīhimā (Dual) ( Paret, Kommentar, ad loc. ).
wa-min dūnihimā ǧannatān] Zu ǧannatān s. die Anmerkung zu V. 46.
mudhāmmatān] S. Lane, Bd. 3, 925c . Das Wort ist Partizip zu idhāmma im XI. Stamm, das semantisch äquivalent mit dem IX. Stamm idhamma, „schwarz (ʾadham) werden“ bzw. „ein schwärzliches Grün annehmen“ ist ( Lane, Bd. 3, 925a ). Wie Ambros anmerkt, handelt es sich um das einzige Vorkommnis des XI. Verbalstammes im Koran ( Dictionary, 101 ).
fīhimā fākihatun wa-naḫlun wa-rummān] Vgl. V. 11 (fīhā fākihatun wa-n-naḫlu ḏātu l-ʾakmām) sowie die Anmerkung zu V. 52.
fīhinna ḫairātun ḥisān / ḥūrun maqṣūrātun fĭ l-ḫiyām] Das auch aus der Dichtung bekannte Epitheton ḥūr erscheint frühmekkanisch noch in 52:20 (wa-zawwaǧnāhum bi-ḥūrin ʿīn) und 56:22 (wa-ḥūrun ʿīn); vgl. die ausführliche Anmerkung zu letzterer Stelle. Zu den bereits in V. 56 der vorliegenden Sure erwähnten Paradiesjungfrauen s. allg. die Anmerkungen zu 78:33.
lam yaṭmiṯhunna ʾinsun qablahum wa-lā ǧān] Der Vers ist identisch mit der zweiten Hälfte von V. 56.
muttakiʾīna ʿalā rafrafin ḫuḍrin wa-ʿabqarīyin ḥisān] Zur Bedeutung von rafraf s. Lane, Bd. 3, 1117a . Der Gebrauch als präpositionales Objekt zu muttakiʾīna ʿalā, woran sich sonst immer Ruhebetten o. Ä. anschließen (s. o. V. 54: muttakiʾīna ʿalā furušin sowie die Anmerkungen zu 56:15.16) macht es unwahrscheinlich, dass der semantisch schillernde Begriff rafraf hier die Wiesen des Paradieses meinen könnte (s. zu dieser angeblichen Bedeutung Lane, a. a. O. ).
tabāraka smu rabbika ḏĭ l-ǧalāli wa-l-ʾikrām] Zum göttlichen Namen (ʾism rabbika) s. die Anmerkung zu 87:1. Vgl. V. 27 (wa-yabqā waǧhu rabbika ḏŭ l-ǧalāli wa-l-ʾikrām). Die koranische Eulogien einleitende Form tabāraka korrespondiert der Prädikationsform der Berāḫā, die bereits im Alten Testament dokumentiert ist und „deren endgültige Gestalt als beherrschende Gebetsform des rabbinischen Judentums uns entgegentritt“ ( Baumstark 1927 ): „Gesegnet (bārûḫ) seist du, O Herr unser Gott, König der Welt, der ...“ Da der Vers insgesamt jedoch Psalm 113:2 („Der Name des Herrn sei gesegnet / von nun an bis in Ewigkeit“) ähnelt (s. Baumstark 1927, 232 und Bell, Commentary, ad loc. ), hält Baumstark eine Anlehnung des Verses an die stark durch den Psalter geprägte christliche Liturgie für wahrscheinlicher als an den rabbinischen Gebetsritus ( Baumstark 1927, 232 f. ; zum christlichen Gebrauch von Psalm 113 s. ebd., 233, Anm. 3). – Auch Psalm 136, dessen Refrain dem von Sure 55 ähnelt (s. die Anmerkungen zu V. 13 sowie zu V. 5–10) schließt mit einem Preis Gottes (136:26: „Danket dem Gott des Himmels, / denn seine Huld währet ewiglich“; vgl. Neuwirth 2010, 769 ), der allerdings in der Formulierung wenig mit der am Ende der Sure stehenden Eulogie gemeinsam hat.
Literaturliste
Die Sure setzt mit einer Anrufung des auf rabbinischen Sprachgebrauch zurückgehenden und ab Ende des 4. Jh. in südarabischen Inschriften gebräuchlichen Gottesnamens ar-Raḥmān (s. die Anmerkung zu V. 1) ein. Die hier erstmals im Koran dokumentierte Verwendung von ar-Raḥmān könnte der terminologischen Abgrenzung von denjenigen Teilen des koranischen Publikums gedient haben, die Gott engelartige Mittlergottheiten unterordneten bzw. „beigesellten“ – eine Position, die gegen Ende der frühmekkanischen Periode zum Gegenstand zunehmend heftiger koranischer Kritik wird (s. Q 53:19–22.24.25 und ähnlich 52:39 sowie die kategorischeren Feststellungen in 73:9 und 51:51): Möglicherweise wird der zuvor nur als Allāh oder rabb, „Herr“, bezeichnete koranische Gott durch den Gebrauch des Gottesnamens ar-Raḥmān eindeutiger in einen primär biblischen Kontext gestellt, wohingegen die Bezeichnungen Allāh und rabb eine stärkere Kontinuität mit den etablierten religiösen Vorstellungen und Praxen Mekkas signalisiert haben könnten.
An den ersten Vers schließt sich eine bis in den zweiten Surenteil hinein reichende Serie von hymnischen Werkaffirmationen an, die teilweise bereits aus früheren Texten bekannte Einzelaspekte des göttlichen Schöpfungswerkes aufzählt. Den bis V. 30 vorherrschenden allgemeinen kosmischen Schöpfungsreferenzen geht dabei zunächst noch eine Bezugnahme auf Gottes Offenbarung des qurʾān (V. 2) voraus, die eng mit der Erschaffung des Menschen und seiner Ausstattung mit der Fähigkeit zu „klarer Rede“ kombiniert ist (V. 3.4). Die ersten vier Verse der Sure lesen sich damit als verdichtete Reprise der Einleitung von Q 96 (V. 1–5), mit welcher der vorliegende Passus wichtige Schlüsseltermini (ʿallama, ḫalaqa l-ʾinsān) gemeinsam hat (vgl. den Kommentar zu 96:1–5).
In dem Verspaar V. 5.6 tritt dann erstmals der von Gott geschaffene Kosmos in den Blick. Mit Sonne und Mond (V. 5) sowie Sternen und Bäumen (V. 6) beginnt eine die ganze Sure durchziehende Reihe paariger Phänomene (s. die Bemerkungen zu Aufbau und Inhalt), welche die bereits in den früheren Schwurserien 91:1–8 und 92:1–4 gestaltete Vorstellung eines polar ausbalancierten Aufbaus der göttlichen Schöpfung veranschaulichen. In den Suren 91 und 92 werden solche im natürlichen Kosmos zutage tretende Polaritäte explizit mit der Antithese von gutem und bösem Tun samt seiner jeweiligen eschatologischen Konsequenzen verknüpft – eine Verbindung, die auch im Aufbau von Sure 55 greifbar ist, die ja von einem eschatologischen Teil (V. 37–78) mit einer ausführlichen Antithese abgeschlossen wird.
Das zweite Gesätz der Sure (V. 7–13) ist der Erschaffung des Himmel (V. 7) und der Erde (V. 10) gewidmet, die – beginnend mit den zu Gruppe II zählenden Stellen 91:5.6 und 88:18.20 – bereits in verschiedenen anderen frühmekkanischen Texten in enger Nachbarschaft genannt wurden (s. o. die Anmerkungen zu V. 7.10). Beide Referenzen sind durch ein daran anschließendes Verspaar erweitert: Auf V. 7 folgt eine „moralische Nutzanwendung“ (V. 8.9), die angesichts des von Gott geschaffenen Sternbildes der Waage dazu auffordert, beim Umgang mit der irdischen Waage Gerechtigkeit walten zu lassen; auf V. 10 hingegen folgen zwei Verse, die jeweils ein auf der Erde wachsendes Fruchtpaar nennen („man beachte die chiastische Erweiterung je eines der Glieder mit ḏāt/ḏū“; Neuwirth 1984b, 453 ). Die beiden Dreiergruppen über Himmel und Erde werden durch das erstmalige Erscheinen des Refrains abgeschlossen („Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr beide – scil. die erstmals in V. 14.15 erwähnten beiden Gruppen von Menschen und Ǧinnen – denn leugnen?“), der hier als paränetische Konsequenz aus dem Vorangehenden noch fest in den Hauptstrang der Rede integriert ist.
Der zweite Surenteil besteht bis auf das letzte Gesätz aus weiteren Werkaffirmationen, die jetzt durch den in V. 13 eingeführten Refrain punktiert werden; wie der von Hirschfeld und Speyer als möglicher Intertext ins Spiel gebrachte Refrain von Psalm 136 („denn seine Huld währet ewiglich“) wiederholt er sich in hoher Frequenz (in der Regel alle zwei Verse, manchmal auch erst nach drei Versen). Die ersten beiden Verse des Gesätzes kontrastieren die Schöpfung des Menschen aus „Ton“ mit derjenigen der Ǧinne aus Feuer und bieten damit die früheste explizite koranische Anspielung auf die biblische Erzählung von der Erschaffung Adams aus Erde. Die folgenden Schöpfungsreferenzen kreisen um Wasser und das Meer (V. 19.20.22.24). Gegen Ende des Gesätzes stehen statt der bisher dominierenden Werkaffirmationen allgemeine Sentenzen, welche die Vergänglichkeit der Geschöpfe (V. 26) mit der Unvergänglichkeit Gottes (V. 27) kontrastieren und ihre gänzliche Abhängigkeit von Gott unterstreichen (V. 29).
Mit dem ab V. 31 beginnenden vierten Gesätz geht der Tonfall ins Drohende über: Den bereits zu Anfang des vorangehenden Gesätzes erwähnten Menschen und Ǧinnen, also der Gesamtheit moralisch verantwortlicher Lebewesen, wird – jetzt erstmals in der 1. Person anstatt wie bisher in der 3. Person – angekündigt, dass Gott sich ihnen „widmen“ werde. Gemeint ist, wie spätestens in V. 35 („Gegen euch werden Feuerflammen und – flüssiges – Erz gesandt“) deutlich wird, das Jüngste Gericht und die anschließende Bestrafung der Sünder in der Hölle. Der Refrain fungiert hier und auch noch im folgenden Gesätz kontrapunktisch: Während der Hauptstrang der Rede die göttliche Bestrafung der Verdammten ankündigt, insistiert der Refrain nach wie vor auf den „Gnadenerweisen eures Herrn“. Zugleich wird so jedoch eine implizit bereits zuvor vorhandene Drohpotenz der Frage „Welchen der Gnadenerweise eures Herrn wollt ihr denn leugnen?“ sichtbar: Nachdem zunächst exemplarisch verschiedene „Gnadenerweise“ Gottes vorgeführt wurden, geht es jetzt um die Konsequenzen einer etwaigen Leugnung derselben.
Der dritte Teil beginnt mit einem eschatologischen Temporalsatz mit Nachsatz (V. 37.39.41), der nun explizit Weltende und Jüngstes Gericht einblendet. Die in V. 37 evozierte Spaltung des Himmels ist einerseits ein Standardelement vieler frühmekkanischer Szenerien, kontrastiert aber andererseits auch mit der im zweiten Gesätz (V. 7) angesprochenen Erschaffung des Himmels. Im Gegensatz zu einer Reihe anderer Stellen kommt die Aburteilung der Menschen und Ǧinne hier ganz ohne Befragung der zu Richtenden aus (V. 39): die „Übeltäter“ werden bereits anhand eines besonderen Zeichens (sīmā) identifiziert (V. 41). Mit der anschließenden Anrede der Verdammten (V. 43) und einer kurzen Höllenbeschreibung (V. 44) beginnt dann eine ausgedehnte Antithese, deren Positivteil sich über den gesamten Rest der Sure (V. 46–61 und V. 62–77) hinzieht; Neuwirth bezeichnet die Sure geradezu als „poetische summa frühmekkanischer Paradiesbeschreibungen“ ( Neuwirth 2010, 762 ).
Subtrahiert man jeweils den Refrain, so sind die beiden Paradiesschilderungen V. 46–61 und V. 62–77 mit acht Versen jeweils doppelt so lang wie der vorangehende Abschnitt über die Verdammten V. 39–45 – ein quantitatives Steigerungsverhältnis zwischen Höllen- und Paradiesbeschreibung, das sich auch in 52:9 ff. findet ( Neuwirth 1984b, 456, mit Anm. 13 ). Auffällig ist das Nacheinander zweier Gartenszenarien, das an die in Sure 56 unterschiedenen zwei Gruppen von Seligen – „die Leute der Rechten“ und „die Vorauseilenden“ – erinnert, die ebenfalls in Form zweier aufeinanderfolgender Paradiesschilderungen behandelt werden ( Horovitz 1923, 55 ; vgl. Q 56 mit Kommentar). Während sich auch in Q 56 die den „Leuten der Rechten“ und den „Vorauseilenden“ zugedachten jenseitigen Annehmlichkeiten stark ähneln, stehen die einzelnen Elemente der beiden Paradiesschilderungen in Q 55 sogar in einem exakten Korrespondenzverhältnis: Genannt werden in beiden Fällen Üppigkeit der Vegetation (V. 48 und V. 64), Wasserreichtum (V. 50 und V. 66), Früchte (V. 52 und V. 68; Früchte erscheinen bereits in V. 11), Ruhebetten (V. 54 und V. 76 – das einzige Element der Reihe, das in der zweiten Gartenbeschreibung an anderer Stelle als in der ersten steht) und weibliche Gespielinnen (V. 56.58 und 70.72.74). Auch die beiden im Schlussteil der Sure beschriebenen Paradieslandschaften – die jeweils dualisch als ǧannatān bezeichnet werden (zur Deutung s. die Anmerkung zu V. 46) – zeichnen sich damit durch geradezu spiegelbildliche Symmetrie aus. Diese wird noch dadurch unterstrichen, dass die beiden Passagen über die Paradiesjungfrauen zweimal einen identischen Nebensatz aufweisen: Die Charakterisierung „die vor ihnen weder Mensch noch Ǧinn berührt hat“ findet sich sowohl im zweiten Teil von V. 56 als auch in V. 74. Wie auch in der ungefähr gleichzeitigen Stelle 56:36 erhalten die Gefährtinnen der Seligen – anders als noch bei ihrer erstmaligen Erwähnung in 78:33 (Gruppe IIIa; s. die Anmerkung ebd.) – hier durch den Gebrauch des Verbs ṭamaṯa, wörtlich „entjungern“, eindeutig sexuelle Konnotationen (vgl. den kursorischen Kommentar zu 56:10b–40).
Die Sure schließt mit der einzigen in frühmekkanischer Zeit belegten Eulogie, die sich in ihrer ersten Hälfte wie der Refrain an einen Psalmtext (in diesem Fall an Psalm 113:2) anlehnt und in der zweiten Hälfte die theologische Prädikation aus V. 27 aufnimmt.
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Die Sure, deren durchschnittliche Verslänge mit 13,9 Silben über die für Gruppe IIIa typische Schwankungsbreite zwischen 9 und 11 Silben hinausgeht, ist Gruppe IIIb zuzuordnen und ist deshalb später anzusetzen als die einzige weitere frühmekkanische Refrainsure 77 (IIIa, durchschnittliche Verslänge: 10,5 Silben). Diese Einordnung wird auch durch eine ganze Reihe von Überschneidungen mit den ebenfalls zu IIIb gehörigen Suren 52 und 56 bestätigt (s. die Anmerkungen, zum Verhältnis zu Q 56 auch den kursorischen Kommentar zu V. 46–78).
Nöldeke und Schwally halten die „moralische Nutzanwendung“ in V. 8.9 für einen späteren Einschub ( GdQ, Bd. 107 ). Sie fallen jedoch stilistisch und terminologisch keineswegs aus dem Rahmen. Vgl. Neuwirth, 1984b, 452, Anm. 9 : V. 8.9 „als nachträgliche Einfügung zu verstehen, wie seit Nöldeke (Bell, Blachère, Paret) üblich, heißt das Weltbild des Korans mit seinem grundsätzlichen Zusammenhang von Kosmologie und Ethik gründlich mißverstehen. Vor allem aber hieße es in formaler Hinsicht, die genaue umfangsmäßige Entsprechung von 3 Versen (Himmel) und 3 Versen (Erde) übergehen.“
Aufgrund seiner überdurchschnittlichen Länge rechnen Nöldeke und Schwally ( a. a. O. ) auch bei V. 33 mit einem späteren Zusatz. Da unmittelbar davor und danach der Refrain steht, müsste man entweder die beiden Verse 33 und 34 als Einschübe ansehen oder aber – wie Nöldeke und Schwally – davon ausgehen, dass ein Teil von V. 33 authentisch ist. Aus dem Text extrahieren ließe sich dabei jedoch allenfalls die Anrede yā-maʿšara l-ǧinni wa-l-ʾinsi, die man evtl. als „später hinzugefügte Verdeutlichung“ ansehen könnte ( Neuwirth 1984b, 453 ). Eine endgültige Entscheidung der Frage erscheint allerdings kaum möglich.
Bestimmendes Strukturmerkmal der Sure ist ein ab V. 13 einsetzender Refrain, wie er frühmekkanisch sonst nur noch in der etwas früheren Sure 77 erscheint. Wie im vorliegenden Text ist der Refrain auch dort drohend und tritt erstmals nach 13 (Sure 55) bzw. 15 (Sure 77) Versen auf; in beiden Fällen liegt es nahe, dem erstmaligen Auftreten des Refrains eine gliedernde Funktion zuzuschreiben und die dadurch markierte Zäsur als Abschluss des ersten Surenteils zu werten (so Neuwirth 1984b, 450 , gegen Abdelhaleem 1993, 75 , der V. 1–30 zu einem Teil zusammenfasst). In Sure 55 sticht am Refrain besonders der im Reim stehende Dual vor; er ist auf die beiden Gruppen von Menschen und Ǧinnen zu beziehen, die unmittelbar im Anschluss an das erstmalige Auftreten des Refrains eingeführt werden (s. die Anmerkung zu V. 13). Auch sonst weist die Sure, wie Angelika Neuwirth herausgearbeitet hat, eine Fülle paariger und antithetischer Phänomene auf (die folgende Auflistung beruht auf Neuwirth 1984b, 451–455 ). So nennen etwa im ersten Teil V. 5.6 und V. 11.12 je zwei Gegenstände; V. 14.15, V. 31.33, V. 39 sowie V. 56 und V. 74 erwähnen die Antithese von Menschen und Ǧinnen; V. 19.20.22 thematisieren den Gegensatz von Salzwasser und Süßwasser, aus denen wiederum zweierlei Schmuckgegenstände (Perlen und Korallen) gewonnen werden; und V. 52 stellt fest, dass es im Paradies „von jeglicher Frucht ein Paar“ gebe. Paarig konstruiert sind überdies die Gottestitel in V. 17, V. 27 und V. 78, die Drohungen in V. 35 (Feuerflammen und Erz) und V. 41 (die Übeltäter werden „an den Schöpfen und Füßen gepackt“) sowie in der Paradiesbeschreibung die Verse 58, 68 und 76. Die Sure spitzt damit die bereits in früheren Texten formulierte Vorstellung eines symmetrischen Aufbaus der Schöpfung zu (vgl. in Gruppe II die antithetisch konstruierten Schwurserien 91:1–8 und 92:1–4 mit Kommentar).
Thematisch ist die Sure zunächst von hymnischen Werkaffirmationen (in Teil I und II) bestimmt, woran sich ein eschatologischer Schlussteil mit einer ausführlichen Antithese anschließt (auch Q 77 weist einen eschatologischen Schlussteil mit Antithese auf). Gegen Neuwirth (Studien, 209 f.) könnte man mit Abdelhaleem 1993, 75 erwägen, bereits mit V. 31 und nicht erst mit V. 37 einen neuen Surenteil beginnen zu lassen, insofern bereits V. 31–36 eine eschatologische Thematik besitzen. Da Vers 37 mit seinem „formelhaften Neueinsatz“ (vgl. Neuwirth 1984b, 450 ) jedoch zweifellos eine stärkere Zäsur markiert als der thematische Übergang zwischen V. 30.31 empfiehlt es sich dennoch, an Neuwirths Gliederung festzuhalten.
Verhältnis zu Psalm 136 : Bereits Hirschfeld und Speyer haben auf Ähnlichkeiten zwischen Sure 55 und Psalm 136 hingewiesen, der einen ähnlichen Refrain aufweist (s. die Anmerkungen zu V. 5–10, V. 13 und V. 78). Darauf aufbauend will Neuwirth die Sure – die ihrer Ansicht nach in erster Linie für den Gemeindegebrauch bestimmt gewesen ist ( Neuwirth 2010, 764 ) – als bewusste Überbietung des im rabbinischen Gebetsritus zentralen Psalmes verstehen ( ebd., 771 ; zur liturgischen Rolle des Psalms im Judentum s. ebd., 763 ). Thematisch laufen die beiden Texte nach anfänglichen Überschneidungen allerdings auf markante Weise auseinander: Nach einem anfänglichen Lobpreis des göttlichen Schöpfungswerkes (vgl. Psalm 136:1–9 und Q 55:1–30; zu einzelnen Berührungspunkten s. die Anmerkung zu V. 5–10) schließen sich im Psalm heilsgeschichtliche Anspielungen auf die Bestrafung Pharaos und anderer Feinde Israels an, während die Sure die jenseitige Vergeltung in Hölle und Paradies beschreibt. Der Korantext substituiert folglich biblische Heilsgeschichte durch Eschatologie ( Neuwirth 2010, 768 f. ) und das partikuläre Kollektiv Israel durch die Gesamtheit der Menschen und Ǧinnen.
Überblick
I Hymnus auf den Schöpfer (ohne Refrain) | |
1–78 ān/m (mit gelegentlichen Varianten) | 1 1–6 Werkaffirmationen |
2 7–12 Werkaffirmationen mit Aufruf an die Hörer (V. 8.9) | |
13 polemische Frage (Refrain, im Folgenden nicht mehr eigens aufgeführt) | |
II Hymnus auf den Schöpfer (mit Refrain) | |
3 14–30 Werkaffirmationen mit Warnspruch (V. 26) und theologischen Prädikationen (V. 27.29) | |
4 31 Drohwort | |
33 polemische Anrede der Ǧinnen und Menschen | |
35 Drohwort | |
III Eschatologie (mit Refrain) | |
5 37–42 eschatologischer Temporalsatz mit Nachsatz | |
43–45 Antithese (Negativteil): Anrede der Verdammten (V. 43), kurze Höllenbeschreibung (V. 44) | |
6 46–61 Antithese (Positivteil): Verheißung (V. 46) mit Paradiesbeschreibung | |
7 62–77 Antithese (Positivteil): weitere Paradiesbeschreibung | |
78 Eulogie |
Proportionen (aufgrund des Refrains ergeben sich z. T. ungewöhnlich lange Gesätze): [6+7] + [17+6] + [9+16+17].