بِسۡمِ ٱللَّهِ ٱلرَّحۡمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ |
Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers! |
ٱقۡتَرَبَتِ ٱلسَّاعَةُ |
I11 Die Stunde ist nahe; |
وَٱنشَقَّ ٱلۡقَمَرُ |
und der Mond hat sich gespalten. |
وَإِن يَرَوۡا۟ ءَايَةًۭ |
2 Doch wenn sie ein Zeichen sehen, |
يُعۡرِضُوا۟ وَيَقُولُوا۟ |
wenden sie sich ab und sprechen: |
سِحۡرٌۭ مُّسۡتَمِرٌّۭ |
‚Immer wieder Zauberei!‘ |
وَكَذ َّبُوا۟ ٱتَّبَعُوٓا۟ أَهۡوَآءَهُمۡ ۚ |
3 Sie leugneten und folgten ihren Neigungen, |
وَكُلُّ أَمۡرٍۢ مُّسۡتَقِرٌّۭ |
wo doch alles schon festgelegt ist. |
وَلَقَدۡ جَآءَهُم مِّنَ ٱلۡأَنۢبَآءِ |
4 Zu ihnen ist doch schon Kunde gekommen, |
مَا فِيهِ مُزۡدَجَرٌ |
die sie hätte abschrecken können, |
حِكۡمَةٌۢ بَٰلِغَةٌۭ |
5 treffende Weisheit - |
فَمَا تُغۡنِ ٱلنُّذُرُ |
Doch was nützen die Warnungen! |
فَتَوَلَّ عَنۡهُمۡ ۘ |
6 Wende dich ab von ihnen! |
يَوۡمَ يَدۡعُ ٱلدَّاعِ إلَىٰ شَىۡءٍۢ نُّكُرٍ |
Am Tage, da der Rufer zu etwas Grässlichem ruft. |
خُشَّعًا أَبۡصَٰرُهُمۡ |
7 Niedergeschlagenen Blicks |
يَخۡرُجُونَ مِنَ ٱلۡأَجۡدَاثِ |
werden sie aus den Gräbern hervorkommen |
كَأَنَّهُمۡ جَرَادٌۭ مُّنتَشِرٌۭ |
wie ein Schwarm auseinanderstiebender Heuschrecken |
مُّهۡطِعِينَ إِلَى ٱلدَّاعِ ۖ |
8 den Hals zum Rufer hin gereckt. |
يَقُولُ ٱلۡكَٰفِرُونَ |
Die Ungläubigen sprechen dann: |
هَٰذَا يَوۡمٌ عَسِرٌۭ |
‚Dies ist ein schwerer Tag!‘ |
كَذَّبَتۡ قَبۡلَهُمۡ قَوۡمُ نُوحٍۢ |
II29 Schon vor ihnen leugnete das Volk Noahs [die Warnungen], |
فَكَذَّبُوا۟ عَبۡدَنَا |
sie nannten unseren Diener einen Lügner |
وَقَالُوا مَجۡنُونٌۭ |
und sprachen: ‚ein Besessener!‘ |
وَٱزۡدُجِرَ |
und er wurde verschreckt. |
فَدَعَا رَبَّهُۥٓ |
10 Da rief er seinen Herrn an: |
أَنِّی مَغۡلُوبٌۭ فَٱنتَصِرۡ |
‚Man hat mich überwältigt, so komm zur Hilfe!‘ |
فَفَتَحۡنَآ أَبۡوَٰبَ ٱلسَّمَآءِ بِمَآءٍۢ مُّنۡهَمِرٍۢ |
11 Da öffneten wir die Himmelstore, dass das Wasser hervorströmte |
وَفَجَّرۡنَا ٱلۡأَرۡضَ عُيُونًۭا |
12 und ließen aus der Erde Quellen sprudeln, |
فَٱلۡتَقَى ٱلۡمَآءُ |
so dass das Wasser sich vereinte, |
عَلَىٰۤ أَمۡرٍۢ قَدۡ قُدِرَ |
gemäß einer Entscheidung, die bereits getroffen war. |
وَحَمَلۡنَٰهُ عَلَىٰ ذَاتِ أَلۡوَٰحٍۢ وَدُسُرٍۢ |
13 Wir trugen ihn davon auf etwas Gezimmerten aus Planken und aus Nägeln, |
تَجۡرِی بِأَعۡيُنِنَا |
14 das dahinglitt unter unseren Augen |
جَزَآءً لِّمَن كَانَ كُفِرَ |
als Lohn für einen, dem man keinen Glauben schenkte. |
وَلَقَد تَّرَكۡنَٰهَآ ءَايَةًۭ |
15 Wir ließen es zurück als Zeichen – |
فَهَلۡ مِن مُّدَّكِرٍۢ |
Doch ist da jemand, der sich mahnen lässt? |
فَكَيۡفَ كَانَ عَذَابِی وَنُذُرِ |
16 Wie war da meine Strafe, wie meine Warnungen! |
وَلَقَدۡ يَسَّرۡنَا ٱلۡقُرۡءَانَ لِلذِّكۡرِ |
17 Wir haben die Lesung leicht gemacht zur Mahnung: |
فَهَلۡ مِن مُّدَّكِرٍۢ |
Doch ist da jemand, der sich mahnen läßt? |
كَذَّبَتۡ عَادٌۭ |
318 Die ʿĀd leugneten [die Warnungen], |
فَكَيۡفَ كَانَ عَذَابِی وَنُذُرِ |
und wie war meine Strafe, wie meine Warnungen! |
إِنَّآ أَرۡسَلۡنَا عَلَيۡهِمۡ رِيحًۭا صَرۡصَرًۭا |
19 Wir sandten einen eiskalten Wind über sie |
فِی يَوۡمِ نَحۡسٍۢ مُّسۡتَمِرٍّۢ |
an einem Unglückstag, der nicht enden wollte. |
تَنزِعُ ٱلنَّاسَ |
20 Er entwurzelte die Menschen, |
كَأَنَّهُمۡ أَعۡجَازُ نَخۡلٍۢ مُّنقَعِرٍۢ |
als wären sie herausgerissene Palmstümpfe. |
فَكَيۡفَ كَانَ عَذَابِی وَنُذُرِ |
21 Wie war meine Strafe, wie meine Warnungen! |
وَلَقَدۡ يَسَّرۡنَا ٱلۡقُرۡءَانَ لِلذِّكۡرِ |
22 Wir haben die Lesung leicht gemacht zur Mahnung: |
فَهَلۡ مِن مُّدَّكِرٍۢ |
Doch ist da jemand, der sich mahnen läßt? |
كَذَّبَتۡ ثَمُودُ بِٱلنُّذُرِ |
423 Die Ṯamūd leugneten die Warnungen, |
فَقَالُوٓا۟ أَبَشَرًۭا مِّنَّا وَٰحِدًۭا نَّتَّبِعُهُۥٓ |
24 sie sprachen: ‚Einem Menschen, einem einzigen unter uns sollten wir folgen? |
إِنَّآ إِذًۭا لَّفِی ضَلَٰلٍۢ وَسُعُرٍ |
Dann wären wir in Irrtum und in Tollheit! |
أَءُلۡقِیَ ٱلذِّكۡرُ عَلَيۡهِ مِنۢ بَيۡنِنَا |
25 Sollte unter uns etwa gerade auf ihn die Mahnung gefallen sein? |
بَلۡ هُوَ كَذَّابٌ أَشِرٌۭ |
Nein! Er ist nichts als ein anmaßender Lügner.‘ |
سَيَعۡلَمُونَ غَدًۭا مَّنِ ٱلۡكَذَّابُ ٱلۡأَشِرُ |
26 ‚Sie werden morgen wissen, wer der anmaßende Lügner ist! |
إِنَّا مُرۡسِلُوا۟ ٱلنَّاقَةِ فِتۡنَةًۭ لَّهُمۡ |
27 Wir wollen ihnen, um sie zu prüfen, die Kamelin senden, |
فَٱرۡتَقِبۡهُم ۡوَٱصۡطَبِرۡ |
so gib auf sie acht und harre geduldig aus! |
وَنَبِّئۡهُم |
28 Tue ihnen kund, |
أَنَّ ٱلۡمَآءَ قِسۡمَةٌۢ بَيۡنَهُمۡ ۖ |
dass das Wasser zwischen ihnen zu teilen ist; |
كُلُّ شِرۡبٍۢ مُّحۡتَضَرٌۭ |
zu jeder Tränke soll einer da sein.‘ |
فَنَادَوۡا۟ صَاحِبَهُمۡ |
29 Doch sie riefen ihren Gefährten. |
فَتَعَاطَىٰ فَعَقَرَ |
Der griff zu und zerschnitt die Kniesehnen. |
فَكَيۡفَ كَانَ عَذَابِی وَنُذُرِ |
30 Und wie war meine Strafe, wie meine Warnungen! |
إِنَّآ أَرۡسَلۡنَا عَلَيۡهِمۡ صَيۡحَةًۭ وَٰحِدَةًۭ |
31 Wir sandten einen einzigen Schrei über sie – |
فَكَانُوا۟ كَهَشِيمِ ٱلۡمُحۡتَظِرِ |
Da wurden sie wie dürre Zweige, Gestrüpp zum Gehegebauen. |
وَلَقَدۡ يَسَّرۡنَا ٱلۡقُرۡءَانَ لِلذِّكۡرِ |
32 Wir haben die Lesung leicht gemacht zur Mahnung: |
فَهَلۡ مِن مُّدَّكِرٍ |
Doch ist da jemand, der sich mahnen lässt? |
كَذَّبَتۡ قَوۡمُ لُوطٍۭ بِٱلنُّذُرِ |
533 Das Volk Lots leugnete die Warnungen. |
إِنَّآ أَرۡسَلۡنَا عَلَيۡهِمۡ حَاصِبًا ۖ |
34 Wir sandten einen Sandsturm über sie – |
إِلَّآ ءَالَ لُوطٍۢ نَّجَّيۡنَٰهُم بِسَحَرٍۢ |
doch über Lots Familie nicht, wir erretten sie bei Morgengrauen |
نِّعۡمَةًۭ مِّنۡ عِندِنَا ۚ |
35 aus Huld von uns, |
كَذَٰلِكَ نَجۡزِی مَن شَكَرَ |
so lohnen wir es dem, der dankbar ist. |
وَلَقَدۡ أَنذَرَهُم بَطۡشَتَنَا |
36 Er hatte sie gewarnt vor unserem heftigen Zugriff, |
فَتَمَارَوۡا۟ بِٱلنُّذُرِ |
doch sie verwahren die Warnungen. |
وَلَقَدۡ رَٰوَدُوهُ عَن ضَيۡفِهِۦ |
37 Sie wollten ihm seine Gäste streitig machen, |
فَطَمَسۡنَآ أَعۡيُنَهُمۡ |
da schlugen wir sie mit Blindheit. |
فَذُوقُوا۟ عَذَابِی وَنُذُرِ |
‚So kostet meine Strafe und meine Warnungen!‘ |
وَلَقَدۡ صَبَّحَهُم بُكۡرَةً عَذَابٌۭ مُّسۡتَقِرٌّۭ |
38 Am Morgen kam dann eine festgelegte Strafe über sie. |
فَذُوقُوا۟ عَذَابِی وَنُذُرِ |
39 ‚So kostet meine Strafe und meine Warnungen!‘ |
وَلَقَدۡ يَسَّرۡنَا ٱلۡقُرۡءَانَ لِلذِّكۡرِ |
40 Wir haben die Lesung leicht gemacht zur Mahnung: |
فَهَلۡ مِن مُّدَّكِرٍۢ |
Doch ist da jemand, der sich mahnen lässt? |
وَلَقَدۡ جَآءَ ءَالَ فِرۡعَوۡنَ ٱلنُّذُرُ |
641 Zu den Leuten von Pharao waren die Warnungen gekommen. |
كَذَّبُوا۟ بِـَٔايَٰتِنَا كُلِّهَا |
42 Sie leugneten alle unsere Zeichen. |
فَأَخَذۡنَٰهُمۡ أَخۡذَ عَزِيزٍۢ مُّقۡتَدِرٍ |
Da ergriffen wir sie mit dem Griff eines Mächtigen Allbestimmenden. |
أَكُفَّارُكُمۡ خَيۡرٌۭ مِّنۡ أُو۟لَٰٓئِكُمۡ |
III743 Sind die Ungläubigen unter euch etwa besser als jene, |
أَمۡ لَكُم بَرَآءَةٌۭ فِی ٱلزُّبُرِ |
oder verfügt ihr über einen Freibrief in den Schriften? |
أَمۡ يَقُولُونَ نَحۡنُ جَمِيعٌۭ مُّنتَصِرٌۭ |
44 Oder sagen sie: ‚Wir sind ein Heer, dem Hilfe geleistet wird?‘ |
سَيُهۡزَمُ ٱلۡجَمۡعُ وَيُوَلُّونَ ٱلدُّبُرَ |
45 Doch ihre Schar wird besiegt werden und die Flucht ergreifen. |
بَلِ ٱلسَّاعَةُ مَوۡعِدُهُمۡ |
46 Nein doch, die Stunde ist die ihnen gesetzte Zeit. |
وَٱلسَّاعَةُ أَدۡهَىٰ وَأَمَرُّ |
Die Stunde ist noch unheilvoller und bitterer. |
إِنَّ ٱلۡمُجۡرِمِينَ فِی ضَلَٰلٍۢ وَسُعُرٍۢ |
47 Die Übeltäter sind in Irrtum und in Tollheit. |
يَوۡمَ يسۡحَبُونَ فِی ٱلنَّارِ عَلَىٰ وُجُوهِهِمۡ |
48 Am Tag, da sie auf ihren Gesichtern ins Höllenfeuer geschleift werden: |
ذُوقُوا۟ مَسَّ سَقَرَ |
‚Schmeckt die Berührung mit der Höllenglut!‘ |
إِنَّا كُلَّ شَىۡءٍ خَلَقۡنَٰهُ بِقَدَرٍۢ |
49 Ein jedes Ding haben wir nach Bestimmung geschaffen, |
وَمَآ أَمۡرُنَآ إِلَّا وَٰحِدَةٌۭ كَلَمۡحٍۭ بِٱلۡبَصَرِ |
50 unser Vorgehen ist nur ein einziges, wie ein Wink der Augen. |
وَلَقَدۡ أَهۡلَكۡنَآ أَشۡيَاعَكُمۡ |
51 Wir haben schon euresgleichen zugrunde gehen lassen, |
فَهَلۡ مِن مُّدَّكِرٍۢ |
doch ist da jemand, der sich mahnen lässt? |
وَكُلُّ شَىۡءٍۢ فَعَلُوهُ فِی ٱلزُّبُرِ |
52 Alles was sie taten, steht in den Schriften, |
وَكُلُّ صَغِيرٍۢ وَكَبِيرٍۢ مُّسۡتَطَرٌ |
53 alles, Großes und Kleines, ist aufgezeichnet. |
إِنَّ ٱلۡمُتَّقِينَ فِی جَنَّٰتٍۢ وَنَهَرٍۢ |
54 Die Gottesfürchtigen sind in Gärten und an Flüssen |
فِی مَقۡعَدِ صِدۡقٍ عِندَ مَلِيكٍۢ مُّقۡتَدِرٍ |
55 auf dem Sitz der Gerechten, in Gegenwart eines allbestimmenden Königs. |
Die Sure ist eine Einheit. Lediglich in V. 9 könnte das allen Erzähleinleitungen programmatisch vorangestellte (bi-n-)nuḏur – in V. 18 etwas modifiziert in eine Frage eingebettet - ausgefallen sein, so dass sich statt zweier kurzer Verse ein überlanger ergibt, der darüberhinaus – anders als die annähernd entsprechenden Verse 18, 23, 33 und 41 - mit der Doppelfunktion der Berichteinleitung und dem Erzählungsanfang belastet ist, siehe dazu SKMS, 47f. Bei Restituierung des reimenden Redeelements bi-n-nuḏur würde die Sure auffallend harmonische Proportionen aufweisen: 10+5+10+8+2, wie sie auch bei anderwo, freilich zwischen Hauptteilen zu beobachten sind, vgl. SKMS zu Q 15, 17, 19, 20, 21, 23, 25 u.a.m. Die Einzelteile sind durch Stichwortverknüpfungen miteinander verbunden, Teil I und II: muzdaǧar V. 4, uzduǧir V. 9; nuḏur V. 5, 16, 18, 21, 23, 30, 33, 37, 39; Teil II und III: fī ḍalālin wa-suʿur V. 24, 47; ʿazīz muqtadir V. 52, malīk muqtadir V. 55; Teil I und III: as-sāʿa V. 1, 46.
Die gesamte Sure reimt auf 3C(C)r. Gelegentliches 3C(C)rr scheint dem dominanten Muster angepasst und gleichfalls pänultima-betont zu lesen sein, siehe zum Wortakzent im Koran SKMS, 342–359.
Versabteilungsdifferenzen
Innerhalb der islamischen Tradition sind keine Verszählungsdifferenzen überliefert, siehe Spitaler 1935, 60, allenfalls würde die Konjektur in V. 9 ein zusätzliches Versende erforderlich machen, siehe unten Kommentar zu V. 9.
Literaturliste
I Einleitung: | |
Drohung mit Gericht, Polemik | |
1 1 Ankündigung der nahen „Stunde“ angesichts eingetroffenen Zeichens | |
2 2–3 Unglaube gegenüber Zeichen | |
2 4–5 Frühere Warnungen | |
3 6–8 Prophetentrost, Vorausblende des Jüngsten Tags | |
II Straflegenden, Rettungsgeschichten | |
Volk Noahs | |
1 9a Einleitung | |
7 9b-15 Bericht: Verunglimpfung, Hilferuf, Rettung | |
2 16–17 Refrain: Ausmaß der Strafe, doch ist Warnung durch Lesung leicht zugänglich gemacht | |
ʿĀd | |
1 18 Einleitung | |
2 19–20 Bericht: Strafe | |
2 21–22 Refrain | |
Ṯamūd | |
1 23 Erzählung | |
7 24–29 ,31 Bericht: Verunglimpfung des Boten, Drohung, Vergehen: Kamelstuten-Episode | |
2 30,32 Refrain | |
Volk Lots | |
1 33 Einleitung | |
5 34–38 Bericht: Bestrafung, Botschaft Lots, Vergehen, Strafe | |
2 39–40 Refrain | |
Leute Pharaos | |
1 41 Einleitung | |
1 42 Bericht: Leugnung, Strafe | |
III Polemik, Eschatologisches | |
2 43–44 Polemische Fragen | |
2 45–46 Drohung mit „Stunde“ | |
2 47–48 Irrgang der Gegner, Einblende der eschatologischen Bestrafung | |
5 49–53 Allmacht Gottes, Verzeichnung aller Dinge in Schrift | |
5 54–55 Gerechte in Garten, Nähe zu Gott, dem allbestimmenden König | |
Proportionen:
Teil I: 8 Verse | Teil II: 35 Verse | Teil III: 13 Verse |
(1+2+2+3) | (10+5+10+8+2 | (2+2+2+5+2) |
iqtarabati s-sāʿatu wa-nšaqqa l-qamar]
Die Behauptung des Nahegerücktseins der „Stunde“ nimmt ein bereits einmal frühmekkanisch, in Q 79:42, eingesetztes Drohsignal steigernd wieder auf; „die Stunde“ war dort Gegenstand der Frage: yasʾalūnaka ʿani s-sāʿati ʾaiyāna mursāhā („Sie fragen dich nach der Stunde, wann sie eintreffen wird“, siehe HK I, 407 sowie die Anmerkung zu Q 79:42), die aber eine Antwort nicht zuließ: Q 79:43 fī-mā ʾanta min ḏikrāhā („Wie kämst du dazu, sie zu bestimmen?“) - ganz im Einklang mit Mt 24:35–6: ho ouranos kai he ge pareleusontai, hoi de logoi mou ou pareleusontai. Peri de tes hemeras ekeines he tes oras oudeis oiden, oude hoi angeloi ton ouranon oude ho hyios („Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte werden nicht vergehen. Welcher Tag und welche Stunde es sein werden, weiß nur Gott und kein Mensch, auch die Engel im Himmel und selbst der Sohn wissen es nicht“), vgl. auch Mk 13:31–32, siehe Rubin 2010, 42f. Dabei ist allerdings die konkrete Ausfüllung der Stunde im Koran eine substantiell andere, da die Naherwartung hier nicht auf das Kommen eines Erlösers, sondern die Rechenschaft im Gericht zielt. Vor allem aber dokumentiert V. 1 einen gedanklichen Fortschritt gegenüber Q 79:42f.: sie hebt nicht mehr auf die Unerkennbarkeit der „Stunde“ ab, sondern deklariert deren faktische Nähe, vgl. Mt 3:2, wo Johannes predigt: metanoeite, engiken gar he basileia ton ouranon! („Kehrt um! Denn das Königtum Gottes ist nahe!“) - Ganz im Sinne dieses Bewusstseins wird die Realität der nahegerückten „Stunde“ in V. 1 erstmals durch eine empirisch beobachtete Naturerscheinung bekräftigt: eine ‚Mondspaltung‘, vielleicht eine Mondfinsternis, wenn man Rubin 2010 mit der Deutung des Wortes im Sinne einer poetisch-bildlichen Formulierung für den bekannten Sachverhalt folgen will. Anders als das in Q 54:1 eingesetzte inšaqqa, steht der bereits in Q 75:8 erwähnte – offenbar gravierendere - Sachverhalt des „Verschwindens“ des Mondes im Kontext einer eschatologischen Szenerie, gefolgt von der Voraussage einer Verschmelzung von Sonne und Mond. In V. 1 soll offenbar ein solches aus der apokalyptischen Literatur als Vorzeichen des Weltendes bekanntes Phänomen anklingen: die Veränderung eines Himmelskörpers hat sich faktisch ereignet; die „Stunde“ ist also nahe. Diese Aufwertung der Naturerscheinung stößt allerdings auf den Spott der Gegner. Denn kosmische „Zeichen“ waren bis dahin in Zukunftsvisionen eingebettet gewesen, sie prägten die frühmekkanischen „eschatologischen Szenerien“, eine Textsorte, in der ganze Serien von kosmischen Ausnahmeerscheinungen als Vorboten des Jüngsten Tages aufgeführt wurden, vgl. etwa Q 81:1–13, Q 84:1 (wo der Himmel „gespalten“ wird); von ähnlichen „Spaltungen“ ist in Q 69:16 und Q 55:37 die Rede. Sie entsprechen der Einleitung zu der eschatologischen Voraussage Jesu in Mt 24:29–31 Eutheos de meta ten thlipsin ton hemeron ekeinon ho helios skotisthesetai kai he selene ou dosei to phengos autes, kai hoi asteres pesountai apo tou ouranou kai hai dynameis ton ouranon saleuthesontai. Kai tote phanesetai to semeion tou hyiou tou anthropou… („Sogleich nach dem Elend wird sich die Sonne verfinstern, der Mond wird sein Licht verlieren; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Himmelmächte werden durcheinander geraten. Dann wird das Zeichen des Menschensohnes erscheinen…“), vgl. Mk 13:24–26, Lk 21:25–27. Es ist diese Vorstellung von den Zeichen des Jüngsten Tages, die in der ältesten Erwähnung dieser „Vorzeichen“, Q 82:1–4, anklingt: ʾiḏa s-samāʾu nfaṭarat / wa-ʾiḏa l-kawākibu ntaṯarat / wa-ʾiḏa l-biḥāru fuǧǧirat / wa-ʾiḏa l-qubūru buʿṯirat („Wenn der Himmel sich spaltet / und die Sterne sich verstreuen, / wenn die Meere aufwallen / und die Gräber aufspringen“). Die Textsorte steht im Koran jedoch in einem ganz anderen Kontext, insofern sie die dereinstige Aufdeckung der inneren Situation des Menschen ankündigt: ʿalimat nafsun mā qaddamat wa-ʾaḫḫarat („(dann) weiß eine Seele, was sie getan und was sie unterlassen hat“), während es in Q 54 - noch anders - um die Gegenwart konkreter Gegner geht. Rubin 2010, der den Surenanfang Q 54:1 im Rahmen einer detaillierten Studie zu Muhammads Zeichen analysiert hat, weist auf einen noch älteren apokalyptischen Vorgängertext in der Hebräischen Bibel, Joel 3:3–4, zitiert in Ap 2:19–20, hin.
In V. 1 geht es also, wie schon Bell 1939, 544f. und Paret KKK, 495, betont haben, um ein Naturereignis, das sich in der Periode der mekkanischen Verkündigung real vollzogen haben dürfte. Die Deutung von iqtarabat (und inšaqqa) als „perfectum propheticum“, als Hinweis auf dereinstiges Näherkommen, die ältere Übersetzer vertreten (vgl. Blachère 1949, 140f.), ist anachronistisch, sie verdankt sich offenbar der islamischen Tradition. Denn das „Zeichen“ der Mondspaltung, das laut einem Ibn Masʿūd-Ḥadīṯ von diesem selbst beobachtet wurde und folglich prophetenbiographisch Relevanz besaß, konnte, nachdem die damit verbundene Voraussage des nahe bevorstehenden Weltendes nicht eingetroffen war, nicht mehr als schon eingetretenes eschatologisches Zeichen fungieren, es wurde nun von einigen als bloße Voraussage einer Erscheinung, von anderen als ein vom Propheten selbst gewirktes Zeichen, ein Bestätigungswunder, verstanden, siehe Andrae 1918, 55–57, Schimmel 1985, 69–71 und vor allem Rubin 2010; zu den Diskussionen der Theologen, die wie al-Naẓẓām (st. 844/5), die die Nichterfüllung der Voraussage vom Ende der Welt bearbeiten mussten, siehe van Ess 1992, 415f. und 1995, 167f.
wa-ʾin yarau ʾāyatan yuʿriḍū wa-yaqūlū siḥrun mustamirr / wa-kaḏḏabū wa-ttabaʿū ʾahwāʾahum wa-kullu ʾamrin mustaqirr]
Die ‚Mondspaltung‘ in V. 1 wird vom Verkünder offenbar als ein - über die oft hymnisch gepriesenen „Zeichen“ Gottes (ʾāyāt) in der Natur hinausgehendes, da die normalen Abläufe der Natur durchbrechendes - „Wunderzeichen“ verstanden, das ihn bereits an die so oft heraufbeschworenen Anzeichen der Stunde“ denken lässt (Zum Begriff der ʾāya, siehe die Anmerkung zu 74:16). Sein Argument mit der Eschatologie-Relevanz des Zeichens trifft jedoch ins Leere. Denn die Wunderzeichen, die die Gegner erwarten – siehe etwa Q 74:52 bal yurīdu kullu mriʾin minhum ʾan yuʾtā ṣuḥufan munaššarah („Aber jeder von ihnen will Schriften sehen, vor ihm ausgebreitet!“) – sollen vom Verkünder selbst erbracht werden oder doch seine Transzendenz-betreffenden Aussagen bestätigen; die Mondspaltung steht aber gerade nicht in einer direkten Verbindung zum Verkünder, sie erfüllt daher auch die gegnerische Erwartung von menschlich erbrachten Wunderzeichen nicht. Die Sure beginnt also – aus der Perspektive des Verkünders gesehen - mit der Feststellung eines Fiaskos.
Wie schon früher die Möglichkeit eines vom Himmel fallenden Meteoriten, kisf Q 52:44 wa-ʾin yarau kisfan mina s-samāʾi sāqiṭan yaqūlū saḥābun markūm („Selbst wenn sie ein Stück vom Himmel herunterfallen sähen, würden sie sagen: ‚Eine Haufenwolke!‘“) als ohne Zeichenwert, insofern pragmatisch als bloße Wolke erklärbar, abgetan worden ist, wird auch die ‚Mondspaltung‘ offenbar als nur eine metereologische und daher vorübergehende Ausnahmeerscheinung gewertet. Anders als der Verkünder selbst sehen die Ungläubigen hierin also kein Zeichen, sondern bezichtigen ihn vielmehr der „Zauberei“, siḥr, rhetorischer „Augenwischerei“, siḥr muss hier offenbar im Sinne von siḥr al-bayān, „Zauber der Sprache“ erklärt werden; die Hörer, die außerhalb des eschatologischen Diskurses stehen, sträuben sich gegen die sprachliche Macht des Verkünders. Diese Auflehnung gegen seine Überlegenheit addiert sich nun zu den früheren Versuchen, ihm als Anmaßung auszulegen, dass er das Wort Gottes übermittelt, obwohl er ein normaler Sterblicher ist wie sie selbst, vgl. schon Q 74:24–25 fa-qāla ʾin hāḏā ʾillā siḥrun yuʾṯar / ʾin hāḏā ʾillā qaulu l-bašar („Er sprach: ‚Das ist nur Zauberei, von alters her überlieferte, das ist nur das Wort eines Sterblichen!‘“), eine Sure, in der von den Gegnern auch erstmals ein Wunderzeichen gefordert wurde: Q 74:52, s. o. Die Unterstellung von (Wort)Zauberei ist ein Topos der letzten frühmekkanischen Suren, siehe Q 51:39, 52, Q 52:15, sie wurde stets mit der Botschaft selbst verbunden. Der Gedanke des Wortzaubers, gegen den sich die Gegner auflehnen, ist faktisch so abgelegen nicht: der Verkünder schafft mit seiner Unterlegung der realen Welt mit einer Verheißungsdimension in der Tat eine „Verzauberung der Welt“, s.u. Inhalt und Struktur.
Der Gedanke des Feststehens aller Geschehnisse wird später (V. 53) präzisiert als (in einer Schrift) „aufgezeichnet“, mustaṭar.
wa-la-qad ǧāʾahum mina l-ʾanbāʾi mā fīhi muzdaǧar / ḥikmatun bāliġatun fa-mā tuġni n-nuḏur]
Auch V. 4 wird erst durch einen späteren Kontext (V. 10: Noah wird „verschreckt“) eindeutig; zaǧara bedeutet „schreien“, „(durch Schreien) aufschrecken“, muzdaǧar wird am ehesten mit „Abschreckendes“ wiedergegeben.
fa-tawalla ʿanhum yauma yadʿu d-dāʿi ʾilā šaiʾin nukur / ḫuššaʿan ʾabṣāruhum yaḫruǧūna mina l-ʾaǧdāṯi ka-ʾannahum ǧarādun muntašir / muhṭiʿīna ʾila d-dāʿi yaqūlu l-kāfirūna hāḏā yaumun ʿasir]
Prophetentrost, der hier den ersten Hauptteil abschließt, vgl. Q 51:54, am Surenende. An die Aufforderung sich abzuwenden schließt eine eschatologische Szenerie an. Sie ist hier auf das eine Detail des Erweckungsrufs reduziert, an die Stelle der Summierung von kosmischen Erscheinungen (vgl. etwa Q 81:1–13) ist die bedrohliche Figur des Rufers getreten, der durch die etymologische Figur yadʿu d-dāʿi und den unbestimmt belassenen Inhalt seines Rufs, als šaiʾun nukur, noch bedrohlicher hervortritt. Nicht Ruf, sondern Schrei war schon früher als Signal zur Erweckung begegnet: Q 79:13f.: fa-ʾinnamā hiya zaǧratun wāḥidah / fa-ʾiḏā hum bi-s-sāhirah („Und doch wird es sein nur ein einziger Aufschrei, / schon sind sie geweckt zu hellem Wachen.“). Der Schrei tritt neben den in Q 69:13 und Q 78:18 und aus Offb 7:7–9, 21 bekannten Posaunenstoß als Zeichen der apokalyptischen Auflösung der Welt (siehe TUK, Nr. 492).
Der Vergleich der orientierungslos gewordenen Erweckten mit Insekten evoziert das frühere Bild aus Q 101:4 wa-yakūnu n-nāsu ka-l-farāši l-mabṯūṯ, „Am Tag, da Menschen sein werden wie auffliegende Motten“, das das Vertrauen in Sicherheit gewährende Stammesstrukturen (siehe Hoyland 2003, 113ff.) ad absurdum führt (vgl. auch Q 74:50). Die Reaktion der Erweckten auf ihre eschatologischen Situation erinnert an die innerweltlliche Reaktion der Ungläubigen auf die irritierende Botschaft des Verkünders in Q 70:36, die sich ebenfalls an ihrer Körpersprache festmacht: fa-mā li-llaḏīna kafarū qibalaka muhṭiʿīn („Was haben die Ungläubigen, daß sie den Hals nach dir recken“), siehe die Anmerkung zu Q 70:36.
kaḏḏabat qablahum qaumu nūḥin [/] fa-kaḏḏabū ʿabdanā wa-qālū maǧnūnun wa-zduǧir / fa-daʿā rabbahū ʾannī maġlūbun fa-ntaṣir / fa-fataḥnā ʾabwāba s-samāʾi bi-māʾin munhamir / wa-faǧǧarna l-ʾarḍa ʿuyūnan fa-ltaqa l-māʾu ʿalā ʾamrin qad qudir / wa-ḥamalnāhu ʿalā ḏāti ʾalwāḥin wa-dusur / taǧrī bi-ʾaʿyuninā ǧazāʾan li-man kāna kufir / wa-la-qad taraknāhā ʾāyatan fa-hal min muddakir / fa-kaifa kāna ʿaḏābī wa-nuḏur / wa-la-qad yassarna l-qurʾāna li-ḏ-ḏikri fa-hal min muddakir]
Zum biblischen Hintergrund der Noaherzählung siehe TUK, Nr. 30. Zur Noaherzälung in der vorislamischen Dichtung siehe TUK, Nr. 530, TUK, Nr. 560.
Auf den Schmerzensruf der Verdammten, der die ungläubigen Hörer in ihre jenseitige Situation projiziert, folgt ein erneuter Austritt aus der realen Zeit, in Gestalt der „Lesung“. Der zentrale Teil mittelmekkanischer Suren ist in der Regel mit biblisch inspirierten Erzählungen gefüllt, er entspricht so dem - innerhalb des Gottesdienstverlaufs bei Juden und Christen - von der „Lesung“ besetzten zentralen Teil, siehe dazu KTS, 360–73. Die in Q 54 berichteten heilsgeschichtlichen Begebenheiten spiegeln zwar die aktuelle Situation, sind von ihr aber nicht nur zeitlich als Berichte aus der Vergangenheit, sondern auch hierarchisch weit entfernt, da sie der transzendenten Schrift entstammen. In Q 54 besteht die Lesung aus einer Serie von fünf Erzählungen, alle mit der Feststellung kaḏḏabat eingeleitet, die sich stilistisch deutlich von ihrem Kontext abheben. Sie werden nicht nur anaphorisch eingeleitet sondern auch durch einen Refrain ausgeleitet. Mit der folgenden Erzählserie werden Präzdenzfälle für das Leugnen der Gegner angeführt, die sich allesamt den Warnungen, nuḏur, der Gottesboten widersetzten (zu Straflegendenzyklen siehe die Anmerkung zu Q 91:11–15 sowie Q 89:4–6, zu dem Begriff nuḏur siehe die Anmerkung zu Q 74:36). In fünf Beispielen wird hier der neue Typus des naḏīr, des Warner-Propheten vorgestellt, dessen Funktion – bezogen auf den Verkünder - vorher erst einmal, in Q 74:2 genannt wurde. Gleichzeitig wird die Aufmerksamkeit von der ephemeren Erfahrung der Bedrängnis auf die - gegenüber der Jetztzeit höherrrangige - Heilsgeschichte verlagert.
Die Noah-Erzählung (zu dem in V. 9 evtl. zu ergänzenden Bezugselement bi-l-nuḏur siehe oben Literarkritik) wurde bereits in Anspielung in Q 51:46 und 53:52 erwähnt, wird aber hier erstmals entfaltet. Sie ragt aus der Serie insofern heraus, als sich die Leugnung der warnenden Botschaft mit einer Verhöhnung des Boten verbindet, die den prophetenpolemischen Topos der vermeintlichen Besessenheit des Boten, vgl. für den Verkünder frühmekkanisch Q 81:22, 68:2, 51, 51:39, 52, aufgreift. Einen Verweis auf den Verkünder enthält auch die Erwähnung des Boten mit ʿabdanā („unser Diener“), vgl. die Anmerkung zu Q 53:10 sowie TUK, Nr. 483. Anders als die übrigen Boten ruft Noah um Hilfe und wird – ohne dass der Strafcharakter der Flut expliziert würde – auf wunderbare Weise über das Wasser getragen und gerettet. Die Noah-Erzählung ist ganz auf die wunderbaren Hergänge der Rettung konzentriert, vgl. KTS, 622–633, wenngleich das „abschreckende Zeichen“, die Flut, nicht fehlt.
Die metonymische Erwähnung der Arche Noahs, wörtlich als „etwas aus Planken und aus Nägeln“, weist auf ihre simple Bauweise, wodurch die spektakuläre Rettung der Familie Noahs besonders deutlich wird. Sogleich darauf wird in V. 15 durch den Hinweis auf die materielle Nachweisbarkeit der Arche (ʾāya) die Rettung Noahs für die Hörer auch physisch untermauert; entsprechende Traditionen waren im Umlauf: Flavius Josephus berichtet in den Antiquitates Judaicae von der Existenz der Reste der Arche Noahs in Armenien (Josephus, Bd. I, 1959, 28). Der Appell an die Bereitschaft der Hörer, sich durch das Zeichen (ʾāya) der Arche Noahs mahnen zu lassen, erinnert an die talmudische Erzählung (BT Synhedrin, 96a) um den Tod des Sancherib, der durch den Anblick der Reste Arche Noahs zu einer schicksalhaften Entscheidung verleitet wurde.
Die Noah-Erzählung schließt wie alle folgenden mit einem Refrain, der den – in der Noah-Geschichte sonst fehlenden – Hinweis auf die erfolgte Bestrafung nachträgt, der aber vor allem noch einmal an die leichte Zugänglichkeit der Botschaft erinnert, und ein weiteres Mal an die Bereitschaft, sich mahnen zu lassen, appelliert. Der Gedanke der Leicht-Zugänglichkeit der Lesung begegnet hier erstmalig; er gewinnt durch seine viermalige Wiederholung einen triumphalen Ton. Die Insistenz auf der Präsenz des Lesungstextes unter den Hörern basiert auf der Überzeugung des Verkünders, in der Tradition der Schriftreligionen zu stehen – ein Bewusstsein, das Stroumsa 2011 als tragend für die spätantike jüdische und christliche Frömmigkeit aufgezeigt hat. Qurʾān entspricht in dieser Phase bereits dem gleichfalls mehrdeutigen hebräischen miqra, das ‚Lesung‘ und ‚Lesungstext‘ bedeutet, siehe zu der Entwicklung dieser Selbstwahrnehmung HK I, 51–53.
kaḏḏabat ʿādun fa-kaifa kāna ʿaḏābī wa-nuḏur / ʾinnā ʾarsalnā ʿalaihim rīḥan ṣarṣaran fī yaumi naḥsin mustamirr / tanziʿu n-nāsa ka-ʾannahum ʾaʿǧāzu naḫlin munqaʿir / fa-kaifa kāna ʿaḏābī wa-nuḏur / wa-la-qad yassarna l-qurʾāna li-ḏ-ḏikri fa-hal min muddakir]
Die ʿĀd-Erzählung ist zwar nicht Teil der biblischen Bildung, eine Vorform der koranischen Gestaltung scheint aber in Form einer Lokallegende verbreitet gewesen zu sein. Zu den ʿĀd allgemein siehe die Anmerkung zu Q 89:6–13; für die außerkoranisch mit ihren Geschicken verbundenen Heldengeschichten siehe Stetkevych 1996, spezifisch zu ʿĀd, Bencheikh 1990. Koranisch ist die Legende aus Anspielungen in Q 89:6, Q 69:4–8 (wo ebenfalls von einem rīḥ ṣarṣar die Rede ist) und Q 53:50 und Q 51:41–42 vertraut, sie kann daher auf 2 Verse mit den wichtigsten Details reduziert werden. Sie beschränkt sich - ohne Erwähnung des Boten und seiner Rettung – auf die Hergänge der Strafe. Mit dem Vergleich der Niedergestreckten mit entwurzelten Palmstämmen in V. 20 wird – wie schon in Q 69:7, ebenfalls in der ʿĀd-Geschichte - ein bekannter Vers von Imru’ al-Qais evoziert, wa-Taimāʾa lam yatruk bihā ǧiḏʿa naḫlatin / wa-lā ʾuṭuman ʾillā mašīdan bi-ǧandalī, „(der Gewittersturm) liess in Taimaʾ nicht den Stumpf einer Palme zurück, noch auch einen Wohnturm, es sei denn er war aus Steinblöcken gefügt“ (SEAP, 90), siehe HK I, 556. Angesichts der Hochschätzung der Palme u.a. als Symbol der Beständigkeit – vgl. Ṭarafa V. 73 ʾantumu naḫlun nuṭīfu bihī / fa-ʾiḏā mā ǧuzza naṣṭarimuh, „Ihr seid ein Palmbaum, um den wir kreisen, wird er gefällt, so trennen wir uns von ihm“ (SEAP, 1152). Die Erzählung schließt mit dem Refrain. ʿĀd und Ṯamūd, wie hier zumeist in enger Verbindung genannt, stehen repräsentativ für die „vernichteten Völkerschaften“ der Vorzeit, al-ʾumam al-ḫāliya, siehe KTS, 223–230.
kaḏḏabat ṯamūdu bi-n-nuḏur / fa-qālū ʾa-bašaran minnā wāḥidan nattabiʿuhū ʾinnā ʾiḏan la-fī ḍalālin wa-suʿur / ʾa-ʾulqiya ḏ-ḏikru ʿalaihi min baininā bal huwa kaḏḏābun ʾašir / sa-yaʿlamūna ġadan mani l-kaḏḏābu l-ʾašir / ʾinnā mursilu n-nāqati fitnatan lahum fa-rtaqibhum wa-ṣṭabir / wa-nabbiʾhum ʾanna l-māʾa qismatun bainahum kullu širbin muḥtaḍar / fa-nādau ṣāḥibahum fa-taʿāṭā fa-ʿaqara / fa-kaifa kāna ʿaḏābī wa-nuḏur / ʾinnā ʾarsalnā ʿalaihim ṣaiḥatan wāḥidatan fa-kānū ka-hašīmi l-muḥtaẓir / wa-la-qad yassarna l-qurʾāna li-ḏ-ḏikri fa-hal min muddakir]
Die Ṯamūd-Geschichte wurde bereits frühmekkanisch mehrmals evoziert, in Q 89:9, Q 85:18, Q 69:4–5, in Q 91:11–15 auch in groben Zügen entfaltet. Wie vorher, so kommt sie auch in Q 54 ohne namentliche Nennung des Boten aus, der in einer – der Realität des Verkünders ähnlichen – Situation der Verunglimpfung eingeführt wird, siehe zu dem Topos des „nur-Sterblichen“, bezogen auf den Verkünder, bereits Q 74:25. Mit dem Hinweis auf das alleinige Auftreten des Boten, wāḥid, ist indirekt auf die fehlende Einbettung in einen den Verkünder unterstützenden Familienverband verwiesen, vgl. Q 108:1–3 und Q 102:1, siehe dazu HK I, 109, 128f. Auf die wörtlich zitierten Anwürfe der Gegner wird mit einem Drohruf geantwortet (V. 26). Dem ungenannten Boten wird der göttliche Plan enthüllt, er erhält Anweisungen zur Behandlung der Gegner. Dann geht die Wechselrede in Bericht über, der bereits in Q 91:12–14 mitgeteilte Frevel der Tötung der – offenbar geweihten – Kamelin wird kurz in Erinnerung gebracht. Der die Erzählung abschließende Refrain wird in diesem Fall unterbrochen durch eine Einblendung der Strafe, die Vernichtung der Frevler, so dass sie hašīm („dürren Zweigen, geeignet für den Bau eines Geheges“) gleichen; das Bild erinnert nur noch weitläufig an die vorausgehenden – die Psalmen evozierenden – Vergleiche von vernichteten Gruppen mit trockner Spreu, etwa Q 105:5 fa-ǧaʿalahum kaʿaṣfin maʾkūl („und (hat) sie wie abgefressenes Gras werden lassen“) oder Q 87:4–5 wa-llaḏī aḫraǧa l-marʿā / fa-ǧaʿalahū ġuṯaʾān ʾaḥwā („der die Weide hervorbringt / und sie dann zu bräunlicher Spreu verdorren läßt“), was wiederum psalmistische Bilder evozierte, vgl. Ps. 1:4lo khen ha-reša`im ki-im ka-mos ašer tidfennu ruah („Nicht so die Frevler, sondern wie Spreu, die der Wind verweht“). Die den Hörern offenbar bekannte Geschichte, die auch von dem mit Muhammad zeitgenössischen Dichter Umayya b. abī l-Ṣalt gestaltet worden ist, berichtet von dem verhängnisvollen Kultfrevel einer Stammesgemeinschaft. Erst im Koran wird sie aber um die vorher unbekannte Figur eines Gottgesandten herum konstruiert und kann so als Rahmen für die Erwiderung auf gängige Prophetenpolemik dienen, siehe dazu Sinai 2011, der die Textstrategien verfolgt, die zur Entdramatisierung und Theologisierung der ursprünglich profanen Geschichte führen (siehe TUK, Nr. 525).
kaḏḏabat qaumu lūṭin bi-n-nuḏur / ʾinnā ʾarsalnā ʿalaihim ḥāṣiban ʾillā ʾāla lūṭin naǧǧaināhum bi-saḥar / niʿmatan min ʿindinā ka-ḏālika naǧzī man šakar / wa-la-qad ʾanḏarahum baṭšatanā fa-tamārau bi-n-nuḏur / wa-la-qad rāwadūhu ʿan ḍaifihī fa-ṭamasnā ʾaʿyunahum fa-ḏūqū ʿaḏābī wa-nuḏur / wa-la-qad ṣabbaḥahum bukratan ʿaḏābun mustaqirrun / fa-ḏūqū ʿaḏābī wa-nuḏur / wa-la-qad yassarna l-qurʾāna li-ḏ-ḏikri fa-hal min muddakir]
Mit der – im Koran erstmaligen – Erwähnung der Lot-Geschichte kehrt die Serie zu dem biblischen Zyklus zurück. Von dem Volk des Lot – eingeblendet unter dem Aspekt seiner bereits zerstörten, „umgewendeten“ Stadt, al-muʾtafika / al-muʾtafikāt, siehe dazu KU, 10–32 – war ohne Nennung seines Namens bereits in Q 69:9 und Q 53:53–54 die Rede. In Q 54 wird die konkrete Strafe gleich eingangs genannt, um die Rettung des Boten vor der Katastrophe zu betonen. In Rückblende wird seine vergebliche Warnung und das konkrete Vergehen des Volkes, die Begehrlichkeit der Leute gegenüber Lots Gästen, genannt, siehe zur spätantiken Rezeption der Figur Lots BEQ, 151–156, siehe auch TUK, Nr. 464.
wa-la-qad ǧāʾa ʾāla firʿauna n-nuḏur / kaḏḏabū bi-ʾāyātinā kullihā fa-ʾaḫaḏnāhum ʾaḫḏa ʿazīzin muqtadir]
Das kurze Referat der früher in Q 79:15–26 (siehe Anmerkung und Kommentar dazu) ausführlich erzählten Geschichte – jetzt ohne Nennung des Boten – schließt den Mittelteil ab, es vervollständigt die Zehnzahl der Verse der Lotgeschichte: sodass der Hauptteil nun klar proportioniert ist: Noah 10 V., ʿĀd 5 V., Ṯamūd 10 V., Lot 8 V., Pharao 2 V. Der Schlussvers lässt sich auch als Zusammenfassung der Bestrafung aller genannten Gruppen verstehen. Dennoch bilden die einzelnen Berichte keinen kontinuierlichen Geschichtsverlauf ab. Sie bleiben nicht nur zeitlich und örtlich unverbunden, sondern dienen auch keinen über das didaktische Ziel hinausgehenden Zweck. Den hier dargestellten historischen „Verlierern“ steht kein „Gewinner“ gegenüber, der etwa wie das erwählte Volk Israel durch die Niederlagen seiner Freinde gerettet würde. Gewinn kann nur der Typus des Propheten verzeichnen.
ʾa-kuffārukum ḫairun min ʾulāʾikum ʾam lakum barāʾatun fi z-zubur / ʾam yaqūlūna naḥnu ǧamīʿun muntaṣir / sa-yuhzamu l-ǧamʿu wa-yuwallūna d-dubur / bali s-sāʿatu mauʿiduhum wa-s-sāʿatu ʾadhā wa-ʾamarr / ʾinna l-muǧrimīna fī ḍalālin wa-suʿurin / yauma yusḥabūna fi n-nāri ʿalā wuǧūhihim ḏūqū massa saqar]
Der polemische Schlussteil, der eine Art Predigt über die vorher gehörten „Lesungstexte“ enthält, führt wieder in die Jetztzeit der Hörer zurück. Sie wird mit einer rhetorisch wirkungsvollen Formel eingeleitet, a-XY + Elativ min, vgl. Q 79:27ʾa-ʾantum ʾašaddu ḫalqan ʾami s-samāʾu banāhā ( „War eure Schöpfung schwerwiegender als der Himmel, den er baute?“) und wenig später wieder Q 37:11 fa-staftihim ʾa-hum ʾašaddu ḫalqan ʾam man ḫalaqnā („Befrage sie: War ihre Schöpfung schwerwiegender als die, die wir auch erschufen?“). Verglichen werden in Q 54 die Ungläubigen der Gegenwart mit denen der gerade in Erinnerung gebrachten Vergangenheit; die Frage betrifft die etwaige Überlegenheit der jetzigen Leugner gegenüber den früheren. Es folgt die rhetorische Nachfrage nach der Vollmacht der Gegner – hier mit dem seltenen Wort barāʾa, „Freibrief“, „Vollmacht“, bezeichnet - , seit Q 52:38 – jeweils bezeichnet mit sulṭān - ein festes Element der Streitgespräche. Es folgt eine imaginierte Antwort der Gegner: Die militärisch konnotierte Behauptung ihrer Übermacht, die sogleich mit einer – in der Kriegsmetaphorik bleibenden - Voraussage zurückgewiesen wird. Die hier im Mund der Ungläubigen geführte militärische Bildlichkeit ist auffallend, siehe zu ǧamʿ, „Streitmacht, Heer“ SEAP, 330 mit 13 Belegen für den praktischen Gebrauch im altarabischen Kontext von ʿAntara, al-Nābiġa, Imruʾ al-Qais und Zuhair, zu wallā (l-dubur), SEAP, 1249 (tawallā) – wenngleich die Geste des den Rücken-Kehrens auch bereits als Körpersprache in der „Arena“ der Auseinandersetzungen des Verkünders mit den Gegnern eingeführt worden war. Bell 1991, 327 hat – mit einigen traditionellen Exegeten - aus den militärischen Anklängen auf eine Entstehung des Textes in medinischer Zeit geschlossen, wo die Schlacht von Badr als Bestätigung von Muhammads Prophetentum verstanden wurde. Eine solche Spätdatierung, die die Verse aus dem Kontext isolieren würde, ist aber nicht erforderlich. Denn angesichts der bereits in der Noah-Geschichte gebrauchten militärischen Metapher ʾannī maġlūbun fa-ntaṣir (siehe zu ġalaba SEAP, 810, zu intaṣara, SEAP, 1163) für die Rettung durch Gottes Eingreifen legt sich eine andere Deutung nahe.
Analog zu Noahs Erwartung von Gottes Hilfe ist auch bei der Siegeszuversicht der Gegner für ihr „Heer“ an einen Beistand durch übernatürliche Kräfte zu denken. Diese Kräfte, wohl ihre „Nebengötter“, die wie die wenig spätere Sure Q 37 erkennen lässt, am ehesten Geistwesen des Typus der gefallenen Engel aus dem Wächterbuch (1. Henoch) sind, werden jedoch zusammen mit ihnen besiegt werden. Der „Krieg“ zwischen göttlichen bzw. vermeintlich-göttlichen Kräften, der in V. 44f. anklingt, könnte an die apokalyptische Voraussage endzeitlicher Kriege in Mt 24:6–7 erinnern: mellesete de akouein polemous kai akoas polemon. orate me throeisthe. dei gar genesthai all‘ oupo estin to telos. egerthesetai gar ethnos epi ethnos kai basileia epi basileian („Wenn ihr Nachrichten oder Gerüchte über Kriege hört, lasst euch nicht erschrecken. Das muss so geschehen, aber es ist nicht das Ende. Volk wird sich gegen Volk wenden und Reich gegen Reich“). Ein Krieg wird in Q 54 jedoch nur angedeutet, vor allem aber zeigt bereits die unmittelbar folgende Sure, Q 37:172f., dass es sich nicht um apokalyptische Kämpfe, die zu einer Erneuerung der Weltordnung führen sollen, sondern um die Auseinandersetzung zwischen den Heerscharen Gottes und den „Truppen“ der Gegner handelt. Die Auseinandersetzung ist – anders als in dem Evangelientext - nicht mehr Teil der innerweltlichen Geschichte, sondern eschatologisches Geschehen, das die Menschen passiv erleben. Diese passive Rolle der Menschen unterscheidet die Voraussage auch von der etwa aus der gleichen Zeit wie die Evangelien stammenden Vorstellung eines endzeitlichen Kampfes, der in der sog. „Kriegsrolle“ aus Qumran dokumentiert ist: „Zwei Heerlager stehen einander gegenüber, jedes besteht aus Menschen und Engeln, die eine erbarmungslose Schlacht ausfechten. (…) Waffenbrüder, aus Menschen und Engeln bestehend, spornen einander gegenseitig zu höchster militärischer Leistung an. Schließlich findet all dies auf Erden und nicht im Himmel statt“ (Schäfer 2011, 171). Gerade der Verzicht auf die Ausmalung eines endzeitlichen Kriegsszenarios zeigt aber, dass der Koran nicht apokalyptisch, d.h. auf eine Weltalter-Erneuerung hin – zu dieser siehe z.B. Mischa Meier 2008,41–63 – sondern rein eschatologisch orientiert ist. Dem von den Gegnern nur beanspruchten Zustand der Stärke und Unanfechtbarkeit wird die unumstößliche Stunde des Gerichts entgegengestellt. Die Gegner befinden sich dabei in eben dem Zustand, dem sie sich entziehen wollten, indem sie sich von ihrem Verkünder (konkret: die Ṯamūd) distanzierten, V. 24. Es folgt ein eschatologisches Szenario der Bestrafung mit der aus Q 78:30 und Q 51:14 bekannten zynischen Aufforderung zum „Genuss“ (vgl. V. 37, 39, 48).
ʾinnā kulla šaiʾin ḫalaqnāhu bi-qadar / wa-mā ʾamrunā ʾillā wāḥidatun ka-lamḥin bi-l-baṣar]
Die Betonung, dass alles nach bedachtem Maß, „nach Bestimmung“, erschaffen sei, vgl. Q 77:22f., beleuchtet die Eingangsbehauptung, dass alles festgelegt sei, V. 3. Zugleich wird damit Gottes Prärogative der Vorbestimmung betont, die im paganen Kontext bei den Schicksalsmächten, ebenfalls mit qadar bezeichnet, lag. Die Betonung der Plötzlichkeit der Erweckung – vgl. die Verbindung des Eintreffens des Menschensohns mit einem Blitz, Mt 24:27 - nimmt Bilder aus früheren Gesätzschlüssen wie Q 100:9f., Q 79:13, wieder auf, vgl. auch TUK, Nr. 185. Das Beziehungswort für das feminin konstruierte wāḥidatun fehlt, Bobzin 2010, 475 übersetzt wa-mā ʾamrunā ʾillā wāḥidatun als „der Befehl von uns ist nur einmalig“, Bell 1939, 547: „our affair is but one (flash)“, Paret KKK, 376: „unsere Angelegenheit(?) (oder: unsere Entscheidung…) ist nur ein einziger Akt“. Nimmt man wāḥida im Sinne von Q 79:13f: fa-ʾinnamā hiya zaǧratun wāḥida / fa-ʾiḏā hum bi-l-sāhira („und doch wird es sein nur ein einziger Aufschrei, / schon sind sie geweckt zu hellem Wachen“) so könnte an den kurzen, unerwarteten Erweckungsschrei, entsprechend dem Posaunenstoß aus Offb 7:7–9, 21, also ein Signal, ein Zeichen, gedacht sein.
wa-la-qad ʾahlaknā ʾašyāʿakum fa-hal min muddakir / wa-kullu šaiʾin faʿalūhu fi z-zubur / wa-kullu ṣaġīrin wa-kabīrin mustaṭar]
Der Abspann der Sure lässt die behandelten Themen noch einmal anklingen: die Straflegenden durch ʾahlaknā ʾašyāʿakum und die Wiederholung ihres Refrains fa-hal min muddakir; Gottes Festlegung der Dinge (V. 3) wird durch den Hinweis auf seine Registrierung (mustaṭar) der Taten und aller sonstigen Geschehnisse – eine Fusion des von Jeffery FVQ, 148f. beschriebenen Registerbuchs und seines Inventarbuchs - in Schrift, zubur, siehe dazu KU, 69, konkretisiert, siehe zu den frühmekkanischen Vorstellungen von göttlicher Schrift KTS, 120–130, Neuwirth 2015 und TUK, Nr. 130.
ʾinna l-muttaqīna fī ǧannātin wa-nahar / fī maqʿadi ṣidqin ʿinda malīkin muqtadir]
Zum Schluss wird das in der Sure vorher gänzlich ausgeblendete Geschick der Gottesfürchtigen (zum biblischen Hintergrund der Gottesfurcht siehe TUK, Nr. 647) – die Frevler waren in V. 47f. besprochen worden - in zwei Versen nachgetragen, die jetzt erstmals nicht wie sonst bei einem paradiesischen Gelage begegnen, sondern durch eine besondere Rangstellung „auf dem Platz der Gerechten“ in der Nähe des Herrschers selbst ausgezeichnet werden. Bells (Bell 1939, 547) Deutung von maqʿad ṣidq als „sichere Plätze“ trägt ebenso wenig wie Parets (KKK, 377) „guter Sitzplatz“ und Bobzins (Bobzin 2010, 475) „Sitz der Wahrhaftigkeit“ der hier wahrscheinlich vorliegenden Referenz auf die „Gerechten“, hebr. ṣaddīqīm Rechnung, wie sie aus den Seherberichten bekannt sind, vgl. Schäfer 2011, 267–270, der auf einen Tosefta-Erzählzyklus hinweist, wo die Seligen beim jenseitigen Mahl nach „Klassen“, kittot, gesetzt sind, deren erste mit dem Ps. 140:14 beschrieben ist: ʾakh saddiqim yodu le-šemekha yeševu yešarim et panekha („die Gerechten werden danken deinem Namen, es werden sitzen die Redlichen vor deinem Angesicht“). Speyer BEQ, 282 verweist auf die verwandte Vorstellung bereits bei Qoh 12:5, khol saddiq we-saddiq notenim lo mador le-fi kevodo („Jedem Gerechten gibt man eine Wohnung, die seiner Ehre zukommt“). Die Evokation einer zeremoniellen Sitzordnung passt zu der hier erstmals explizit artikulierten Vorstellung von Gott als König, malīk muqtadir, ein Bild, das in mittelmekkanischer Zeit vor allem durch die fātiḥa (Q 1:4) transportiert wird (siehe zur altarabischen Evidenz des Begriffs malīk innerhalb der Beschreibung der göttlichen Wohnstatt TUK, Nr. 546). Die hier angedeutete Integration der Seligen in den himmlischen Hofstaat ist neu, sie wird wenig später in Q 76 noch weiter entfaltet.
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Die Sure – bereits von Nöldeke GdQ I, 221 als erste unter den mittelmekkanischen eingeordnet - steht formal in der Tradition der schon frühmekkanisch geläufigen Refrainsuren Q 55 und Q 56; wobei sich der Refrain nun aber über mehrere Verse erstreckt und auch einzig den Erzählungen angehängt ist. Wie bereits in Q 51 steht auch hier eine Serie von Erzählungen im Mittelteil, während es dort die sog. Philoxenie, die Verheißungsgeschichte um Abraham (und seine Gäste), und die Straflegenden um Lot, Mose, die ʿĀd, die Ṯamūd und Noah waren, sind es hier zwei Rettungsgeschichten – um Noah und Lot – und drei Straflegenden, um die ʿĀd, die Ṯamūd und Pharao (ohne Nennung Moses). Dennoch sind die in V. 4 angekündigten „abschreckenden Zeichen“ in allen Erzählungen enthalten. Wie in Q 51 ist der Erzählteil umrahmt von zwei polemischen Teilen. In Q 54 wird die in Q 51 unbeantwortet gebliebene Frage nach dem Termin des Gerichtstags, Q 51:12 - die die Frage nach der „Stunde“ aus Q 79:42 wieder aufnimmt – nun einer Antwort näher gebracht: sie ist bereits nahegerückt, was mit dem Hinweis auf eine konkrete Naturerscheinung untermauert wird. Vor allem ist Q 54 aber eng verwandt mit der ihr unmittelbar vorausgehenden Sure Q 52, mit der sie die gegnerische Unterstellung, die Rede des Verkünders sei „Vorspiegelei“, „Wort-Zauber“, siḥr (vgl. frühmekkanische Q 52:15, vgl. V. 2) verbindet – das Argument kam vorher nur noch in Q 74:24–25 und bezogen auf Mose in Q 51:39 vor. Gemeinsam ist auch seine Verleumdung als „Besessener“, d.h. Dichter (Q 52:29, 30 vgl. V. 9), mit der gegen seinen fehlenden übernatürlichen Status (V. 24, bašar ) polemisiert wird. Mit der Feststellung, alles Geschehen sei „verzeichnet“, mustaṭar (V. 53), wird auf den Schwur wa-kitābin masṭūr („Und bei einer Schrift, niedergeschrieben“), Q 52:2, zurückverwiesen. Selbst das meteorologische Zeichen der Mondspaltung, das auf Unglauben trifft, hatte in Q 52:44 eine Entsprechung, auch dort wurde eine – vielleicht nur angenommene - meteorologische Erscheinung von einem möglichen Vorzeichen zu einer banalen Naturerscheinung abgewertet. Ein Zitat aus Q 52:48 fa-ʾinnaka bi-ʾaʿyuninā („du bist unter unseren Augen“) dürfte mit V. 14 taǧrī bi-ʾaʿyuninā („es (die Arche) zog dahin unter unseren Augen“) vorliegen: jeweils wird ein Gesandter unter Gottes Schutz gestellt. Schließlich nehmen die rhetorischen Fragen im Schlußteil, V. 43–44, die für Q 52 charakteristische Textsorte der Fragenserie (Q 52:30–43) wieder auf. Nicht ganz neu ist auch die militärische Metaphorik, die Vorstellung, dass Gott – in einer Situation der drohenden Niederlage (V. 10) zum Sieg verhelfen kann, bzw. dass Gott gegnerische „Heere“ besiegt (V. 45); denn von der (ausbleibenden) Unterstützung, intiṣār, der Gegner (durch ‚Nebengötter‘) war auch bereits in Q 52:46 die Rede: yauma lā yuġnī ʿanhum kaiduhum šaiʾan wa-lā hum yunṣarūn („Am Tag, da ihnen ihre List nichts nützt und sie keine Hilfe finden!“). Das aus den Evangelien und der qumranischen „Kriegsrolle“ bekannte Szenario endzeitlicher Kriege wird hier und in der folgenden Q 37 jedoch aus dem innerweltlich relevanten apokalyptischen Kontext in die eschatologische Situation verschoben, wo ein Abtausch zwischen den himmlischen Heerscharen und den von ihren ‚Nebengöttern‘ unterstützten Gegnern imaginiert wird. Auch die ironische Nachfrage nach der Verfügung der Gegner über eine in der Schrift verzeichnete Vollmacht für ihre Behauptungen (V. 43) nimmt eine entsprechende Frage aus Q 52:41 wieder auf. –
Neu dagegen in Q 54 ist die Betonung der Alleinverfügung Gottes über alle Hergänge, ein Gedanke der mnemotechnisch wirksam von seltenen Reimwörtern wie mustaqirr (V. 3), mustaṭar (V. 53), muqtadir (V. 55) transportiert wird. Vor allem bezeugt Q 54 einen deutlichen Fortschritt in der Argumentation um die in der Botschaft zentrale Naherwartung: anstelle der imaginierten kosmischen Veränderungen aus den ʾiḏā-Serien, die bis dahin im Einklang mit der apokalyptischen Tradition als „Vorzeichen der Stunde“ reklamiert worden waren, ist die Feststellung einer realen Veränderung, einer Mondspaltung, getreten. In Q 52:44 war eine solche Verbindung zwischen dem Herabfallen eines Meteoren und der nahenden „Stunde“ noch nicht explizit hergestellt worden. Das Zeichen wird zwar von den Gegnern verworfen, es wird dadurch aber nicht tangiert, denn es ist in der Wahrnehmung des Verkünders Teil einer bereits feststehenden göttlichen Weltplanung. Neu ist auch die Insistenz, mit der auf die Leicht-Zugänglichkeit der Botschaft abgehoben wird; ihre Nicht-Beachtung wird nun, da sich beim Sprecher das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu den Schriftreligionen schärft, als schwerwiegende Verfehlung erkennbar.
Während die Bestrafung der Frevler weiterhin in der invertierten Form altarabischer Gastfreundschaft (s. dazu Hoyland 2003, 134–138 ) vorgestellt wird, manifestiert sich jenseitiger Lohn nicht mehr wie in den frühmekkanischen Suren inform eines luxoriösen Gastmahls sondern in der spirituellen Verheißung besonderer Gottesnähe.
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Die Sure setzt ein mit einer Proklamation, der paukenschlagartigen Feststellung der unmittelbar nahen „Stunde“, deren Termin bis dahin als unbekannt galt, nun aber - festgemacht an einem aktuellen meteorologischen Ereignis - , als nahe bevorstehend hingestellt wird, denn mit der ‚Mondspaltung‘ wird ein Vorzeichen der Stunde assoziiert. Die proklamationsartige Eröffnung: „Die Stunde ist nahe!“ – im Stil vergleichbar dem für Johannes, Mt 3:2, bezeugten Ausruf über das nahegekommene Königtum Gottes – unterlegt der Sure einen Subtext: die Dringlichkeit der Botschaft, der im Folgenden immer wieder hervortreten wird. Die Reaktion der Gegner ist Ablehnung, sie folgen beliebigen Neigungen, offenbar uneingedenk der Tatsache, dass alle göttlichen Verfügungen bereits feststehen, V. 3. Vor allem aber sind sie der hermeneutischen Versuche des Verkünders müde, sie zu einer neuen Lektüre der Welt zu bewegen. Seine von ihnen durchaus zutreffend diagnostizierten Bemühungen um eine „Verzauberung der Welt“, um die Unterlegung der empirischen Realität mit einer eschatologisch relevanten Zeichendimension, werden von ihnen als „Magie“, als Wortzauber entlarvt. Seine schriftreferentielle Lesung der Welt setzt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch – sie wird es aber im Laufe der Verkündigung, denn der Koran ist ein durch und durch eschatologisch durchwirkter Text. Der anschließende Verweis auf bereits erfolgte aufrüttelnde, verschreckende Belehrungen ( mā fīhi muzdaǧar, V. 4) wird im „Lesungsteil“ an fünf Prophetenlegenden exemplifiziert, von denen eine deutlich die angekündigte „verschreckende“ Situation spiegelt (V. 9 uzduǧir). Der Einleitungsteil schließt mit einem Prophetentrost unter Einblendung eines im Koran neuartigen Auferstehungsszenarios: es beschränkt sich auf das eine Bild des „Rufers“, der die Erweckung auslöst, wobei die Erweckten ähnlich wie in Q 101:4 wie ein auffliegender Insektenschwarm auseinanderstieben. Auffallend ist die Sicherheit, mit der Polemik zurückgewiesen wird: durch Verweis auf den evidenten Charakter der Botschaft (V. 5) ebenso wie auf die bereits getroffene Verfügung Gottes (V. 3).
Versteht man die Sure als ihrer Struktur nach einen Gottesdienst abbildend, siehe KTS, 360–373, so stellen Q 54:1–8 eine Gottesdiensteinleitung dar, die wie der Introitus eines christlichen Gottesdienstes die Teilnehmer in ihrer realen Situation anspricht und einbezieht. Die Erzählungen des Mittelteils (V. 9–42), die zumeist biblischen Ursprungs sind, nehmen die zentrale Position der Schriftlesung, mit der die Teilnehmer aus ihrer realen Zeit herausgeführt mit einer zeitlich fernen, heilsgeschichtlichen Vergangenheit konfrontiert werden. Dies geschieht nicht ohne Gegenwartsreferenz: bereits mit der Gegner-Referenz kaḏḏabat qablahum (V. 9) eingeführt, stellen sie Präzedenzfälle für die gegenwärtige Situation der abgelehnten Botschaft dar. Sie thematisieren Gesellschaften, die einesteils aus der biblischen Bildung, andernteils aus dem altarabischen Erzählgut bekannt sind: Das Volk Noahs, die ʿĀd, die Ṯamūd, das Volk Lots und das Haus Pharao. Die Geschichten sind trotz des stereotypen zwei Verse einnehmenden Refrains keineswegs eintönig erzählt, die Erzählungen von ʿĀd, Ṯamūd und Pharao sind Straflegenden, dagegen steht bei den anderen, Noah und Lot, die Rettung des Gesandten im Vordergrund, wobei jedoch der angekündigte Charakter des Abschreckenden durch die Erwähnung der jeweiligen Katastrophe gleichfalls zum Ausdruck kommt. Sie setzen trotz Zunahme der Details (Noah, Ṯamūd) gegenüber der vorausgehenden Version in Q 51 noch immer eine Vertrautheit der Hörer mit den Hergängen voraus, die nur kurz referiert werden. Alle werden von einem Refrain über die Lesung, die für die Hörer leicht zugänglich gemacht ist, beschlossen. Diese Lesungs-Referenz – siehe zu ihrer Entwicklung Neuwirth 2015 - die ja auf die Verlautbarung des Gotteswortes aus einer transzendenten Schrift zielt, bezeugt gleichzeitig die Selbstzuordnung des Verkünders zur Tradition der Schriftreligionen (zu dieser spätantiken Wahrnehmung siehe Stroumsa 2011, 53–85).
Die Erzählungen stellen durch ihre polemischen Reminiszenzen eine direkte Beziehung zwischen den angesprochenen Gegnern und ihren typologischen Vorbildern in der Prophetengeschichte her; vor allem in den referierten Reden der historischen Leugner treten Streitpunkte der Gegenwart in Erscheinung: der Vorwurf der Besessenheit in der Noah-Geschichte (V. 9), der nur-menschlichen Natur des Verkünders, seines Allein-Auftretens, V. 24, seiner Lügenhaftigkeit (V. 25) in der Ṯamūd-Geschichte. Unüberhörbar ist die mit den Erzählungen intendierte Botschaft im Refrain, der die aktuellen Hörer anspricht und sie an die auch ihnen geltenden Warnungen erinnert, die in einer transzendenten Schrift bewahrt sind.
Der III. Teil (V. 43–55) verlässt die Heilsgeschichte und wendet sich wieder direkt an die Hörer, er verrät sich mit seinen Rückbezügen auf den „Lesungsteil“ als funktional einer Predigt entsprechend. Er wird eingeleitet mit einer rhetorisch einprägsamen Frage (ʾa-ʾantum + Komparativ + am, vgl. Q 79:27 ʾa-ʾantum ʾašaddu ḫalqan ʾami s-samāʾu banāhā („War eure Schöpfung schwerwiegender als der Himmel, den er baute?“)) nach der etwaigen Überlegenheit der zeitgenössischen Leugner gegenüber den früheren und einer anschließenden ironischen Nachfrage nach der Verfügung der Gegner über eine in der Schrift verzeichnete Vollmacht für ihre Behauptungen, die - wie schon der Refrain der Erzählungen - ein bereits entwickeltes Bewusstsein des Sprechers für die eigene – und ihn vor den Ungläubigen auszeichnende - Zugehörigkeit zu der Tradition der Schriftreligionen attestiert.
Mit der militärischen Metapher ǧamīʿun muntaṣir (V. 44) wird ein neuer Diskurs eröffnet. Obwohl sie in V.45 schlicht auf die von den Gegnern beanspruchte Sieghaftigkeit, vielleicht mithilfe ihrer Nebengötter, anzuspielen scheint, blendet sie doch mit dem Bild des aus dem Kampf fliehenden Heeres sa-yuhzamu l-ǧamʿu wa-yuwallūna l-dubur (V. 45) die Vorstellung endzeitlicher Kriege ein, wie sie aus apokalyptischen Schriften bekannt sind. Doch stehen hinter den hier imaginierten Konfrontationen gerade nicht die aus den apokalyptischen Evangelienaussagen und Qumran-Zeugnissen bekannten innerweltlichen Kriegskatastrophen, sondern offenbar ein Kräfteabtausch zwischen den himmlischen Heerscharen und der Macht der durch ihre ‚Nebengötter‘ verstärkten Gegner. Der eine Gott als Herr der Heerscharen kam bereits Q 89:22: wa-ǧāʾa rabbuka wa-l-malaku ṣaffan ṣaffā („und dein Herr und die Engel in Reihen herankommen“) und Q 78:38 (in einem Zusatz): yauma yaqūmu l-rūḥu wa-l-malāʾikatu ṣaffan („am Tage, da der Geist und die Engel in Reihen stehen“) zur Sprache, ihm gegenüber sind die von ohnmächtigen Nebengöttern unterstützten Ungläubigen unterlegen, ein Gedanke, der in der folgenden Sure Q 37 weiter ausgeführt wird.
Den Gegnern wird schließlich die Realität der „Stunde“ (V. 46) und damit ihrer demütigenden Bestrafung nochmals vorgehalten. Die Sure schließt mit einer Reihe von Wir-Prädikationen Gottes, Schöpfung, Erweckung, und Eingriff in die Geschichte betreffend, woran eine - die ganze Sure zusammenfassende - Feststellung anschließt: alles ist in den Schriften bereits verzeichnet. Die beiden Schlußverse, die nun den vorher ausgeblendeten Seligen gelten, münden in das Bild des als Richter thronenden Gottes, in dessen Nähe den Gerechten privilegierte Plätze vorbehalten sind. Das Bild erinnert an die - wahrscheinlich in dieser Zeit eingeführte – fātiḥa, in der vielleicht erstmals von Gott als einem thronenden Herrscher und Richter die Rede ist, vgl. zu malīkin muqtadir Q 1:4 māliki yaumi d-dīn, siehe den Kommentar zu Q 1.
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Die Sure stellt sich in die Situation eines erlebten Ereignisses, einer Mondfinsternis oder verwandten Erscheinung, „Mondspaltung“. Deren Akzeptanz als eschatologisches Zeichen der nahegerückten Stunde wird aber – wie in einer Rede über sie festgestellt wird - von den Gegnern verweigert. Sie erkennen, ohne sich dessen bewusst zu sein, die von dem Verkünder bewirkte „Verzauberung der Welt“ aus einer empirischen Wirklichkeit in eine über sich selbst hinausweisende Zeichenwelt an. Mit ihrem Verdikt über diese Verwandlungsleistung nennen sie indirekt die hermeneutische Leistung des Verkünders beim Namen, die – ihrer Verweigerung zum Trotz – schließlich zur Durchsetzung einer Weltsicht führen wird, die wie diejenige der Juden und Christen eine eschatologisch geprägte Sicht ist, bei der die irdische Wirklichkeit auf eine höherrangige transzendente Welt verweist. Ihrem Unwillen, sich einem über empirische Erfahrungen hinausgehenden göttlichen Weltplan zu öffnen, setzt der Verkünder Geschichtsberichte entgegen, deren Hergänge Teil der mit den Gegnern geteilten kulturellen Erinnerung ist: eine Kette von fünf Erzählungen über untergegangene Völkerschaften. Sie vertreten liturgisch betrachtet die Schriftlesung, führen die Hörer also aus der Wirklichkeit in die Welt der Bibel oder doch der biblisch beleuchteten Heilsgeschichte. Trotz der Diskontinuität, der weder zeitlichen noch örtlichen Kohärenz der Geschichten werden die berichteten Hergänge in ihrer koranischen Deutung doch als Erweise göttlichen Eingreifens in die Geschichte erkennbar, wobei jeweils auch ungewöhnliche, empirische Erwartungen weit übersteigende Umstände eine Rolle spielen. Sie sind Exempla göttlicher Straf- und Errettungskraft und präludieren so dem Jüngsten Gericht. Die so „theologisierten“ Erzählungen wiederum sind Thema eines im zweiten Teil geführten Arguments, das als Predigt über die biblisch geprägten Erzählungen gelten kann: Jene Bestraften waren nicht schlimmer als die nun (V. 43) explizit angesprochenen Gegner. Diese sind nicht nur durch ihren Unglauben und ihr Vertrauen auf mythische Helfer disqualifiziert, sondern auch noch in einer anderen Hinsicht dem Verkünder gegenüber unterlegen: sie besitzen keinen Teil an den autoritativen Texten, keine „Vollmacht in den Schriften“, V. 43, dagegen sind ihre Taten in Schriften, V. 52, nämlich den Registern der himmlischen Wächter, vgl. Q 82:10, verzeichnet, vgl. HK I zur Stelle. Die Ungläubigen unterstehen mithin der in der Schrift dokumentierten göttlichen Macht, auch wenn sie sie nicht anerkennen. Zu diesem Text, bei dem altarabische bzw. frühmekkanische Reminiszenzen – Legenden untergegangener Völker, V. 9–42, Heuschreckenvergleich, V. 7, „invertierte Gastfreundschaft“, V. 47–48 – mit neuen von der Idee der Schriftreligion inspirierten Gedanken – die Leicht-Zugänglichkeit der Lesung, V. 17, 22, 32, 40, und die Notwendigkeit von Autorisierung durch Schriftreferenzen, V. 43 – verbunden bzw. diesen untergeordnet werden, passt es, dass den Gerechten im Jenseits nun weniger sinnliche als spirituelle Vergeltung verheißen wird (V. 54, 55).