بِسۡمِ ٱللَّهِ ٱلرَّحۡمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ |
Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers! |
صٓ ۚ |
I11 Ṣād. |
وَٱلۡقُرۡءَانِ ذِی ٱلذِّكۡرِ |
Bei der mahnenden Lesung! |
بَلِ ٱلَّذِينَ كَفَرُوا۟ فِی عِزَّةٍۢ وَشِقَاقٍۢ |
22 Doch die Ungläubigen sind hochmütig und widersetzen sich. |
كَمۡ أَهۡلَكۡنَا مِن قَبۡلِهِم مِّن قَرۡنٍۢ |
33 Wie viele Generationen haben wir schon vor ihnen vernichtet! |
فَنَادَوا۟ وَّلَاتَ حِينَ مَنَاصٍۢ |
Sie riefen, doch war es nicht mehr die Zeit zum Entrinnen. |
وَعَجِبُوٓا۟ أَن جَآءَهُم مُّنذِرٌۭ مِّنۡهُمۡ ۖ |
44 Sie waren erstaunt, dass ein Warner aus ihrer Mitte zu ihnen gekommen ist, |
وَقَالَ ٱلۡكَٰفِرُونَ هَٰذَا سَٰحِرٌۭ كَذَّابٌ |
und die Leugner sagten: „Das ist ein lügnerischer Zauberer! |
أَجَعَلَ ٱلۡٴَالِهَةَ إِلَٰهًۭا وَٰحِدًا ۖ |
5 Will er denn die Götter zu einem einzigen Gott machen? |
إِنَّ هَٰذَا لَشَىۡءٌ عُجَابٌۭ |
Das ist in der Tat eine erstaunliche Sache!“ |
وَٱنطَلَقَ ٱلۡمَلَأُ مِنۡهُمۡ |
6 Die Ratsleute unter ihnen entfernten sich mit den Worten: |
أَنِ ٱمۡشُوا۟ وَٱصۡبِرُوا۟ عَلَىٰۤ ءَالِهَتِكُمۡ ۖ |
„Geht hin und bleibt euren Göttern treu! |
إِنَّ هَٰذَا لَشَىۡءٌۭ يُرَادُ |
Das ist etwas Wünschenswertes. |
مَا سَمِعۡنَا بِهَٰذَا فِی ٱلۡمِلَّةِ ٱلۡٴَاخِرَةِ |
7 So etwas haben wir in der bisherigen Religion noch nicht gehört; |
إِنۡ هَٰذَآ إِلَّا ٱخۡتِلَٰقٌ |
es ist nur eine Erfindung. |
أَءُنزِلَ عَلَيۡهِ ٱلذِّكۡرُ مِنۢ بَيۡنِنَا ۚ |
8 Wurde etwa auf ihn unter uns die Ermahnung herabgesandt?“ |
بَلۡ هُمۡ فِی شَكٍّۢ مِّن ذِكۡرِی ۖ |
Doch nein, sie sind im Zweifel über meine Mahnung! |
بَل لَّمَّا يَذُوقُوا۟ عَذَابِ |
Nein, sie haben meine Strafe noch nicht gekostet! |
أَمۡ عِندَهُمۡ خَزَآىِٕنُ رَحۡمَةِ رَبِّكَ ٱلۡعَزِيزِ ٱلۡوَهَّابِ |
59 Oder besitzen sie etwa die Schätze der Barmherzigkeit deines Herrn, des Mächtigen und Freigiebigen? |
أَمۡ لَهُم مُّلۡكُ ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضِ وَمَا بَيۡنَهُمَا ۖ |
10 Oder besitzen sie die Herrschaft über die Himmel und die Erde und das, was dazwischen ist? |
فَلۡيَرۡتَقُوا۟ فِی ٱلۡأَسۡبَٰبِ |
Dann sollen sie doch an den Himmelszugängen hinaufsteigen – |
جُندٌۭ مَّا هُنَالِكَ مَهۡزُومٌۭ مِّنَ ٱلۡأَحۡزَابِ |
11 ein Heer unter den Völkern, das da unterlegen sein wird! |
كَذَّبَتۡ قَبۡلَهُمۡ قَوۡمُ نُوحٍۢ |
II612 Schon vor ihnen leugneten das Volk Noahs |
وَعَادٌۭ وَفِرۡعَوۡنُ ذُو ٱلۡأَوۡتَادِ |
und ʿĀd und Pharao mit den Pfählen |
وَثَمُودُ وَقَوۡمُ لُوطٍۢ وَأَصۡحَٰبُ لۡـَٔيۡكَةِ ۚ |
13 und Ṯamūd und das Volk Lots und die Leute des Dickichts – |
أُو۟لَٰٓئِكَ ٱلۡأَحۡزَابُ |
das sind die Völker. |
إِن كُلٌّ إِلَّا كَذَّبَ ٱلرُّسُلَ |
14 Sie alle haben die Gesandten der Lüge bezichtigt. |
فَحَقَّ عِقَابِ |
Da ist meine Strafe in Erfüllung gegangen. |
وَمَا يَنظُرُ هَٰٓؤُلَآءِ إِلَّا صَيۡحَةًۭ وَٰحِدَةًۭ |
15 Sie haben nichts anderes zu erwarten als einen einzigen Schrei, |
مَّا لَهَا مِن فَوَاقٍۢ |
der keinen Aufschub kennt. |
وَقَالُوا۟ رَبَّنَا |
16 Sie sagten: „Unser Herr, |
عَجِّل لَّنَا قِطَّنَا قَبۡلَ يَوۡمِ ٱلۡحِسَابِ |
lass uns noch vor dem Tag der Abrechnung schnell unseren Anteil zuteil werden!“ |
ٱصۡبِرۡ عَلَىٰ مَا يَقُولُونَ |
717 Sei standhaft angesichts dessen, was sie sagen, |
وَٱذۡكُرۡ عَبۡدَنَا دَاوُۥدَ ذَا ٱلۡأَيۡدِ ۖ |
und gedenke unseres Dieners David, des Starken! |
إِنَّهُۥٓ أَوَّابٌ |
Er war bereit zur Umkehr. |
إِنَّا سَخَّرۡنَا ٱلۡجِبَالَ مَعَهُۥ |
18 Wir nahmen die Berge in Dienst, |
يُسَبِّحۡنَ بِٱلۡعَشِیِّ وَٱلۡإِشۡرَاقِ |
so dass sie zusammen mit ihm abends und morgens Gott priesen, |
وَٱلطَّيۡرَ مَحۡشُورَةًۭ ۖ |
19 und ebenso die Vögel in Scharen; |
كُلٌّۭ لَّهُۥٓ أَوَّابٌۭ |
alle kehren sich ihm zu. |
وَشَدَدۡنَا مُلۡكَهُۥ |
20 Wir festigten seine Herrschaft |
وَءَاتَيۡنَٰهُ ٱلۡحِكۡمَةَ وَفَصۡلَ ٱلۡخِطَابِ |
und gaben ihm Weisheit und die Gabe zu entscheidender Rede. |
وَهَلۡ أَتَىٰكَ نَبَؤُا۟ ٱلۡخَصۡمِ |
821 Ist die Nachricht über die Streitenden zu dir gelangt, |
إِذۡ تَسَوَّرُوا۟ ٱلۡمِحۡرَابَ |
als sie die Mauer zum Tempel erkletterten? |
إِذۡ دَخَلُوا۟ عَلَىٰ دَاوُۥدَ |
22 Als sie bei David eintraten. |
فَفَزِعَ مِنۡهُمۡ |
Da erschrak er vor ihnen, |
قَالُوا۟ لَا تَخَفۡ ۖ |
doch sie sprachen: „Fürchte dich nicht! |
خَصۡمَانِ بَغَىٰ بَعۡضُنَا عَلَىٰ بَعۡضٍۢ |
Wir sind nur zwei Streitende, von denen der eine dem anderen Unrecht zugefügt hat. |
فَٱحۡكُم بَيۡنَنَا بِٱلۡحَقِّ وَلَا تُشۡطِطۡ |
So urteile gerecht zwischen uns und sei nicht unbillig! |
وَٱهۡدِنَآ إِلَىٰ سَوَآءِ ٱلصِّرَٰطِ |
Und führe uns zum rechten Weg! |
إِنَّ هَٰذَآ أَخِی |
23 Der hier ist mein Bruder; |
لَهُۥ تِسۡعٌۭ وَتِسۡعُونَ نَعۡجَةًۭ |
er besitzt neunundneunzig Schafe, |
وَلِیَ نَعۡجَةٌۭ وَٰحِدَةٌۭ |
ich aber besitze nur ein Schaf. |
فَقَالَ أَكۡفِلۡنِيهَا وَعَزَّنِی فِی ٱلۡخِطَابِ |
Da sagte er: ‚Vertraue es mir an!’ und drang in mich.“ |
قَالَ لَقَدۡ ظَلَمَكَ بِسُؤَالِ نَعۡجَتِكَ إِلَىٰ نِعَاجِهِۦ ۖ |
24 Er sagte: „Er hat dir Unrecht getan, indem er zu seinen Schafen noch dein Schaf hinzuverlangte.“ |
وَإِنَّ كَثِيرًۭا مِّنَ ٱلۡخُلَطَآءِ لَيَبۡغِی بَعۡضُهُمۡ عَلَىٰ بَعۡضٍ |
Viele Teilhaber fügen einander Unrecht zu, |
إِلَّا ٱلَّذِينَ ءَامَنُوا۟ وَعَمِلُوا۟ ٱلصَّٰلِحَٰتِ |
außer diejenigen, die glauben und gute Werke tun, |
وَقَلِيلٌۭ مَّا هُمۡ ۗ |
doch sie sind nur wenige. |
وَظَنَّ دَاوُۥدُ أَنَّمَا فَتَنَّٰهُ |
David ahnte, dass wir ihn auf die Probe stellten. |
فَٱسۡتَغۡفَرَ رَبَّهُۥ وَخَرَّ رَاكِعًۭا وَأَنَابَ |
Da bat er seinen Herrn um Vergebung, warf sich zum Gebet nieder und wandte sich Gott wieder zu. |
فَغَفَرۡنَا لَهُۥ ذَٰلِكَ ۖ |
25 Da vergaben wir ihm dies; |
وَإِنَّ لَهُۥ عِندَنَا لَزُلۡفَىٰ وَحُسۡنَ مَـَٔابٍۢ |
ihm kommen bei uns Nähe und schöne Heimkehr zu. |
يَٰدَاوُۥدُ |
926 „O David! |
إِنَّا جَعَلۡنَٰكَ خَلِيفَةًۭ فِی ٱلۡأَرۡضِ |
Wir haben dich zum Stellvertreter auf Erden gemacht. |
فَٱحۡكُم بَيۡنَ ٱلنَّاسِ بِٱلۡحَقِّ |
So urteile gerecht zwischen den Menschen |
وَلَا تَتَّبِعِ ٱلۡهَوَىٰ |
und folge nicht der Neigung, |
فَيُضِلَّكَ عَن سَبِيلِ ٱللَّهِ ۖ |
damit sie dich nicht vom Weg Gottes abirren lässt! |
إِنَّ ٱلَّذِينَ يَضِلُّونَ عَن سَبِيلِ ٱللَّهِ لَهُمۡ عَذَابٌۭ شَدِيدٌۢ |
Die vom Weg Gottes abirren haben eine heftige Strafe zu gewärtigen, |
بِمَا نَسُوا۟ يَوۡمَ ٱلۡحِسَابِ |
weil sie den Tag der Abrechnung vergessen haben. |
وَمَا خَلَقۡنَا ٱلسَّمَآءَ وَٱلۡأَرۡضَ وَمَا بَيۡنَهُمَا بَٰطِلًۭا ۚ |
1027 Wir haben den Himmel und die Erde und das, was dazwischen ist, nicht umsonst geschaffen. |
ذَٰلِكَ ظَنُّ ٱلَّذِينَ كَفَرُوا۟ ۖ |
Das ist die Meinung derer, die ungläubig sind. |
فَوَيۡلٌۭ لِّلَّذِينَ كَفَرُوا۟ مِنَ ٱلنَّارِ |
Wehe denenen, die ungläubig sind, wegen des Feuers! |
أَمۡ نَجۡعَلُ ٱلَّذِينَ ءَامَنُوا۟ وَعَمِلُوا۟ ٱلصَّٰلِحَٰتِ كَٱلۡمُفۡسِدِينَ فِی ٱلۡأَرۡضِ |
28 Oder sollen wir die, die glauben und gute Werke tun, denen gleich machen, die Unheil auf der Erde anrichten? |
أَمۡ نَجۡعَلُ ٱلۡمُتَّقِينَ كَٱلۡفُجَّارِ |
Oder sollen wir die Gottesfürchtigen den Sündern gleichmachen? |
كِتَٰبٌ أَنزَلۡنَٰهُ إِلَيۡكَ مُبَٰرَكٌۭ |
29 Eine Schrift, welche wir gesegnet auf dich herabgesandt haben, |
لِّيَدَّبَّرُوٓا۟ ءَايَٰتِهِۦ |
damit sie über ihre Zeichen nachdenken |
وَلِيَتَذَكَّرَ أُو۟لُوا۟ ٱلۡأَلۡبَٰبِ |
und damit die Verständigen sich mahnen lassen. |
وَوَهَبۡنَا لِدَاوُۥدَ سُلَيۡمَٰنَ ۚ |
1130 Wir haben David den Salomo geschenkt – |
نِعۡمَ ٱلۡعَبۡدُ ۖ إِنَّهُۥٓ أَوَّابٌ |
welch ein vortrefflicher Diener! Er war bereit umzukehren. |
إِذۡ عُرِضَ عَلَيۡهِ بِٱلۡعَشِیِّ ٱلصَّٰفِنَٰتُ ٱلۡجِيَادُ |
31 Als ihm abends die leichtfüßigen und schnellen Pferde vorgeführt wurden. |
فَقَالَ |
32 Da sprach er: |
إِنِّیٓ أَحۡبَبۡتُ حُبَّ ٱلۡخَيۡرِ عَن ذِكۡرِ رَبِّیۖ |
„Ich habe die Liebe zum Besitz der Anrufung meines Herrn vorgezogen, |
حَتَّىٰ تَوَارَتۡ بِٱلۡحِجَابِ |
bis die Sonne sich hinter dem Vorhang verbarg. |
رُدُّوهَا عَلَىَّ ۖ |
33 Bringt sie mir zurück!“ |
فَطَفِقَ مَسۡحًۢا بِٱلسُّوقِ وَٱلۡأَعۡنَاقِ |
Da begann er, sie über Schenkel und Hälse zu streicheln. |
وَلَقَدۡ فَتَنَّا سُلَيۡمَٰنَ |
34 Wir stellten Salomo auf die Probe |
وَأَلۡقَيۡنَا عَلَىٰ كُرۡسِيِّهِۦ جَسَدًۭا ثُمَّ أَنَابَ |
und setzten einen Körper auf seinen Thron; da wandte er sich Gott wieder zu. |
قَالَ رَبِّ ٱغۡفِرۡ لِی |
35 Er sprach: „Herr! Vergib mir |
وَهَبۡ لِی مُلۡكًۭا |
und schenke mir Herrschaft, |
لَّا يَنۢبَغِی لِأَحَدٍۢ مِّنۢ بَعۡدِیٓ ۖ |
wie sie niemandem nach mir ziemt! |
إِنَّكَ أَنتَ ٱلۡوَهَّابُ |
Du bist der Freigiebige!“ |
فَسَخَّرۡنَا لَهُ ٱلرِّيحَ |
36 Da machten wir ihm den Wind dienstbar, |
تَجۡرِی بِأَمۡرِهِۦ رُخَآءً حَيۡثُ أَصَابَ |
dass er auf seinen Befehl sanft wehte, wohin er wollte, |
وَٱلشَّيَٰطِينَ كُلَّ بَنَّآءٍۢ وَغَوَّاصٍۢ |
37 und die Satane, lauter Baumeister und Taucher, |
وَءَاخَرِينَ مُقَرَّنِينَ فِی ٱلۡأَصۡفَادِ |
38 und andere, die in Ketten lagen. |
هَٰذَا عَطَآؤُنَا |
39 „Das ist unser Geschenk! |
فَٱمۡنُنۡ أَوۡ أَمۡسِكۡ بِغَيۡرِ حِسَابٍۢ |
Spende Wohltaten damit oder halte es zurück! Du musst darüber keine Rechenschaft ablegen. |
وَإِنَّ لَهُۥ عِندَنَا لَزُلۡفَىٰ وَحُسۡنَ مَـَٔابٍۢ |
40 Ihm kommen bei uns Nähe und schöne Einkehr zu. |
وَٱذۡكُرۡ عَبۡدَنَآ أَيُّوبَ |
1241 Und gedenke unseres Dieners Hiob! |
إِذۡ نَادَىٰ رَبَّهُۥٓ |
Als er seinen Herrn anrief: |
أَنِّی مَسَّنِیَ ٱلشَّيۡطَٰنُ بِنُصۡبٍۢ وَعَذَابٍ |
„Der Satan hat Mühsal und Strafe über mich kommen lassen.“ |
ٱرۡكُضۡ بِرِجۡلِكَ ۖ |
42 „Stampfe mit dem Fuß! |
هَٰذَا مُغۡتَسَلٌۢ بَارِدٌۭ وَشَرَابٌۭ |
Dies ist kühles Wasser zum Waschen und Trinken.“ |
وَوَهَبۡنَا لَهُۥٓ أَهۡلَهُۥ وَمِثۡلَهُم مَّعَهُمۡ |
43 Wir schenkten ihm seine Angehörigen und noch einmal Gleiches dazu, |
رَحۡمَةًۭ مِّنَّا وَذِكۡرَىٰ لِأُو۟لِی ٱلۡأَلۡبَٰبِ |
aus Barmherzigkeit und als Ermahnung für alle Verständigen. |
وَخُذۡ بِيَدِكَ ضِغۡثًۭا |
44 „So ergreife mit deiner Hand ein Bündel |
فَٱضۡرِب بِّهِۦ |
und schlage damit zu! |
وَلَا تَحۡنَثۡ ۗ |
Und sei nicht eidbrüchig!“ |
إِنَّا وَجَدۡنَٰهُ صَابِرًۭا ۚ |
Wir fanden ihn geduldig. |
نِّعۡمَ ٱلۡعَبۡدُ ۖ إِنَّهُۥٓ أَوَّابٌۭ |
Welch ein vortrefflicher Diener! Er war bereit umzukehren. |
وَٱذۡكُرۡ عِبَٰدَنَآ إِبۡرَٰهِيمَ وَإِسۡحَٰقَ وَيَعۡقُوبَ |
1345 Und gedenke unserer Diener Abraham, Isaak und Jakob, |
أُو۟لِی ٱلۡأَيۡدِی وَٱلۡأَبۡصَٰرِ |
der Kraftvollen und Einsichtigen! |
إِنَّآ أَخۡلَصۡنَٰهُم بِخَالِصَةٍۢ ذِكۡرَى ٱلدَّارِ |
46 Wir haben sie mit einer besonderen Eigenschaft ausgezeichnet, der Mahnung bezüglich der jenseitigen Behausung. |
وَإِنَّهُمۡ عِندَنَا لَمِنَ ٱلۡمُصۡطَفَيۡنَ ٱلۡأَخۡيَارِ |
47 Sie gehören bei uns zu den Auserwählten und Guten. |
وَٱذۡكُرۡ إِسۡمَٰعِيلَ وَٱلۡيَسَعَ وَذَا ٱلۡكِفۡلِ ۖ |
1448 Und gedenke des Ismael, des Elischa und des Ḏū l-Kifl; |
وَكُلٌّۭ مِّنَ ٱلۡأَخۡيَارِ |
sie alle gehören zu den Guten. |
هَٰذَا ذِكۡرٌۭ ۚ |
1549 Dies ist eine Mahnung. |
وَإِنَّ لِلۡمُتَّقِينَ لَحُسۡنَ مَـَٔابٍۢ |
Den Gottesfürchtigen kommt schöne Einkehr zu: |
جَنَّٰتِ عَدۡنٍۢ |
1650 Die Gärten Edens, |
مُّفَتَّحَةًۭ لَّهُمُ ٱلۡأَبۡوَٰبُ |
deren Tore ihnen offen stehen |
مُتَّكِـِٔينَ فِيهَا |
51 und in denen sie ruhen |
يَدۡعُونَ فِيهَا بِفَٰكِهَةٍۢ كَثِيرَةٍۢ وَشَرَابٍۢ |
und nach vielen Früchten und nach Trinken verlangen. |
وَعِندَهُمۡ قَٰصِرَٰتُ ٱلطَّرۡفِ أَتۡرَابٌ |
52 Bei ihnen sind Frauen mit keusch niedergeschlagenem Blick von gleichem Alter. |
هَٰذَا مَا تُوعَدُونَ لِيَوۡمِ ٱلۡحِسَابِ |
53 Das ist es, was euch für den Tag der Abrechnung verheißen ist! |
إِنَّ هَٰذَا لَرِزۡقُنَا |
54 Das ist unser täglicher Unterhalt; |
مَا لَهُۥ مِن نَّفَادٍ |
er hat kein Ende. |
هَٰذَا ۚ وَإِنَّ لِلطَّٰغِينَ لَشَرَّ مَـَٔابٍۢ |
1755 So verhält sich dies! Den Aufsässigen aber kommt eine schlechte Einkehr zu: |
جَهَنَّمَ يَصۡلَوۡنَهَا |
56 die Hölle, in der sie schmoren – |
فَبِئۡسَ ٱلۡمِهَادُ |
welch schlechte Lagerstätte! |
هَٰذَا فَلۡيَذُوقُوهُ حَمِيمٌۭ وَغَسَّاقٌۭ |
57 So verhält sich dies! Sie bekommen heißes Wasser und Eiter zu kosten. |
وَءَاخَرُ مِن شَكۡلِهِۦٓ أَزۡوَٰجٌ |
58 und anderes dergleichen, verschiedene Arten. |
هَٰذَا فَوۡجٌۭ مُّقۡتَحِمٌۭ مَّعَكُمۡ ۖ |
59 „Da ist eine Schar, die mit euch hineindrängt.“ |
لَا مَرۡحَبًۢا بِهِمۡ ۚ |
„Ihnen gilt kein Willkommensgruß. |
إِنَّهُمۡ صَالُوا۟ ٱلنَّارِ |
Sie schmoren im Feuer.“ |
قَالُوا۟ بَلۡ أَنتُمۡ لَا مَرۡحَبًۢا بِكُمۡ ۖ |
1860 Sie sagen: „Nein, ihr seid es, denen kein Willkommensgruß gilt – |
أَنتُمۡ قَدَّمۡتُمُوهُ لَنَا ۖ |
ihr habt es uns angerichtet! |
فَبِئۡسَ ٱلۡقَرَارُ |
Welch schlechte Bleibe!“ |
قَالُوا۟ رَبَّنَا مَن قَدَّمَ لَنَا هَٰذَا |
61 Sie sagen: „Unser Herr! Lass dem, der uns dies angerichtet hat |
فَزِدۡهُ عَذَابًۭا ضِعۡفًۭا فِی ٱلنَّارِ |
eine doppelte Strafe im Feuer zuteil werden.“ |
وَقَالُوا۟ مَا لَنَا لَا نَرَىٰ رِجَالًۭا |
62 Sie sagen: „Warum sehen wir denn keine Männer, |
كُنَّا نَعُدُّهُم مِّنَ ٱلۡأَشۡرَارِ |
die wir zu den Bösen zu zählen pflegten? |
أَتَّخَذۡنَٰهُمۡ سِخۡرِيًّا |
63 Haben wir nur Spott mit ihnen getrieben, |
أَمۡ زَاغَتۡ عَنۡهُمُ ٱلۡأَبۡصَٰرُ |
oder hat sie unser Blick übersehen?“ |
إِنَّ ذَٰلِكَ لَحَقٌّۭ |
64 Das ist die Wahrheit: |
تَخَاصُمُ أَهۡلِ ٱلنَّارِ |
der Streit zwischen den Leuten des Feuers. |
قُلۡ إِنَّمَآ أَنَا۠ مُنذِرٌۭ ۖ |
III1965 Sprich: „Ich bin nur ein Warner, |
وَمَا مِنۡ إِلَٰهٍ إِلَّا ٱللَّهُ ٱلۡوَٰحِدُ ٱلۡقَهَّارُ |
und es gibt keinen Gott außer Gott, dem Einzigen und dem Bezwinger, |
رَبُّ ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضِ وَمَا بَيۡنَهُمَا |
2066 der Gott der Himmel und der Erde und was zwischen ihnen ist, |
ٱلۡعَزِيزُ ٱلۡغَفَّٰرُ |
der Mächtige und Vergebende.“ |
قُلۡ هُوَ نَبَؤٌا۟ عَظِيمٌ |
2167 Sprich: „Es ist eine gewaltige Kunde, |
أَنتُمۡ عَنۡهُ مُعۡرِضُونَ |
68 von der ihr euch abwendet. |
مَا كَانَ لِیَ مِنۡ عِلۡمٍۭ |
69 Ich hatte kein Wissen |
بِٱلۡمَلَإِ ٱلۡأَعۡلَىٰۤ إِذۡ يَخۡتَصِمُونَ |
über die Hohe Ratsversammlung, als sie miteinander stritten. |
إِن يُوحَىٰۤ إِلَىَّ |
70 Mir wird nur eingegeben, |
إِلَّآ أَنَّمَآ أَنَا۠ نَذِيرٌۭ مُّبِينٌ |
dass ich ein klarer Warner bin. |
إِذۡ قَالَ رَبُّكَ لِلۡمَلَٰٓئِكَةِ |
2271 Als dein Herr zu den Engeln sprach: |
إِنِّی خَٰلِقٌۢ بَشَرًۭا مِّن طِينٍۢ |
„Ich will einen Menschen aus Ton schaffen. |
فَإِذَا سَوَّيۡتُهُۥ |
72 Wenn ich ihn geformt habe |
وَنَفَخۡتُ فِيهِ مِن رُّوحِی |
und ihm meinem Geist eingehaucht habe, |
فَقَعُوا۟ لَهُۥ سَٰجِدِينَ |
so werft euch vor ihm nieder!“ |
فَسَجَدَ ٱلۡمَلَٰٓئِكَةُ كُلُّهُمۡ أَجۡمَعُونَ |
73 Da warfen sich alle Engel nieder, |
إِلَّآ إِبۡلِيسَ ٱسۡتَكۡبَرَ وَكَانَ مِنَ ٱلۡكَٰفِرِينَ |
74 außer Iblīs; der war hochmütig und gehörte zu den Ungläubigen. |
قَالَ يَٰٓإِبۡلِيسُ |
75 Er sagte: „O Iblīs! |
مَا مَنَعَكَ أَن تَسۡجُدَ لِمَا خَلَقۡتُ بِيَدَىَّ ۖ |
Was hat dich davon abgehalten, dich vor dem niederzuwerfen, was ich mit meinen Händen geschaffen habe. |
أَسۡتَكۡبَرۡتَ أَمۡ كُنتَ مِنَ ٱلۡعَالِينَ |
Bist du etwa hochmütig oder gehörst du zu den Überheblichen?“ |
قَالَ أَنَا۠ خَيۡرٌۭ مِّنۡهُ ۖ |
76 Er sagte: „Ich bin besser als er. |
خَلَقۡتَنِی مِن نَّارٍۢ وَخَلَقۡتَهُۥ مِن طِينٍۢ |
Mich hast du aus Feuer geschaffen und ihn aus Ton.“ |
قَالَ فَٱخۡرُجۡ مِنۡهَا |
77 Da sagte Gott: „Verlass das Paradies! |
فَإِنَّكَ رَجِيمٌۭ |
Du sollst schmählich davongejagt werden, |
وَإِنَّ عَلَيۡكَ لَعۡنَتِیٓ إِلَىٰ يَوۡمِ ٱلدِّينِ |
78 und mein Fluch liegt auf dir bis zum Tag des Gerichts!“ |
قَالَ رَبِّ فَأَنظِرۡنِیٓ إِلَىٰ يَوۡمِ يُبۡعَثُونَ |
79 Er sagte: „Mein Herr! Gewähre mir Aufschub, bis zu dem Tag, an dem sie auferweckt werden!“ |
قَالَ فَإِنَّكَ مِنَ ٱلۡمُنظَرِينَ |
80 Gott sagte: „Dir wird Aufschub gewährt |
إِلَىٰ يَوۡمِ ٱلۡوَقۡتِ ٱلۡمَعۡلُومِ |
81 bis zum Tag des festgesetzten Zeitpunkts.“ |
قَالَ فَبِعِزَّتِكَ لَأُغۡوِيَنَّهُمۡ أَجۡمَعِينَ |
82 Er sagte: „Bei deiner Macht! Ich will sie allesamt fehlgehen lassen, |
إِلَّا عِبَادَكَ مِنۡهُمُ ٱلۡمُخۡلَصِينَ |
83 außer diejenigen unter ihnen, die deine besonders ausgezeichneten Diener sind. |
قَالَ فَٱلۡحَقُّ وَٱلۡحَقَّ أَقُولُ |
84 Gott sagte: „Die Wahrheit – ich sage die Wahrheit: |
لَأَمۡلَأَنَّ جَهَنَّمَ مِنكَ |
85 Ich werde die Hölle anfüllen mit dir |
وَمِمَّن تَبِعَكَ مِنۡهُمۡ أَجۡمَعِينَ |
und allen denen von ihnen, die dir nachfolgen!“ |
قُلۡ مَآ أَسۡـَٔلُكُمۡ عَلَيۡهِ مِنۡ أَجۡرٍۢ |
2386 Sprich: „Ich verlange keinen Lohn dafür von euch, |
وَمَآ أَنَا۠ مِنَ ٱلۡمُتَكَلِّفِينَ |
und ich gehöre nicht zu denen, die sich ungebeten irgendetwas aufladen. |
إِنۡ هُوَ إِلَّا ذِكۡرٌۭ لِّلۡعَٰلَمِينَ |
87 Es ist nur eine Mahnung für die Weltbewohner. |
وَلَتَعۡلَمُنَّ نَبَأَهُۥ بَعۡدَ حِينٍ |
88 Nach einer Weile werdet ihr schon erfahren, worin seine Kunde besteht! |
V. 27-29, ein Schöpfungspreis und eine Offenbarungsbestätigung, fallen aus dem Rahmen der für Erzählungen üblichen Struktur. Sie stehen in keiner direkten Beziehung zur David-Erzählung und unterbrechen mit ihrer Anrede an den Verkünder den Erzählzyklus. Wenn sie ursprünglich zur Sure gehören, wogegen abgesehen von ihrer unmotivierten Stellung innerhalb des Erzählzyklus nichts spricht, so wäre am wahrscheinlichsten anzunehmen, dass sie als Offenbarungsbestätigung, eingeleitet durch den ḫalq bi-l-ḥaqq-Topos („Sinnhaftigkeit/Rechtsmäßigkeit der Schöpfung“), den Anfang eines ursprünglichen Schlußteils darstellten. Die Salomo-Geschichte wäre dann erst nachträglich an die David-Geschichte angehängt worden. Schlußteile werden häufig durch das Motiv der Offenbarungsbstätigung eröffnet; die Motivfolge ḫalq bi-l-ḥaqq → Offenbarungsbestätigung im Schlußteil, d.h. nach den Erzählungen, begegnet auch in Q 50:36-45 und Q 29:44-52. Die Verse wären also dann nach dem – den Erzählzyklus beschließenden – Doppelbild und vor den (einen zweiten Schlußteil bildeneden) Neueinsatz V. 67ff. zu plazieren (siehe SKMS, S. 282). – Die überlieferte Textanordnung läßt sich nur bei der Annahme halten, dass die einmal eingeführten Kompositionsschemata im Laufe der Entwicklung erodierten; dann könnte Gottes Selbstverpflichtung, gerecht zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen zu unterscheiden (V. 27), als Bestätigung des Auftrags an David, rechtens zu urteilen, verstanden werden. Es läge dann mit dem eigentlich Erzählteile abschließenden Motiv der Offenbarungsbestätigung ein ungewöhnlich stark betonter Erzählschluß der David-Geschichte vor. In Transkription und Überzeugung werden beide Optionen abgebildet.
Karl-Friedrich Pohlmanns (2013) Hypothese einer späteren Hinzufügung der Iblīs-Episode (V. 71-88) ist angesichts seiner gänzlichen Ausblendung der Komposition und seiner Verkennung des Genres „Sure“ nicht überzeugend.
Verszählungsdifferenzen
Die Sure besteht aus quantitativ und strukturell uneinheitlichen Versen. Dennoch bietet die Tradition nur fünf Abweichungen gegenüber der kufischen Versabteilung. In V. 1 wird – in Einklang mit der kufischen Tradition – die Kombination von Buchstabensnamen nicht als eigener Vers gezählt, da sie keinen Reim zum Suren-Corpus aufweist. Auch muss mit Kufa gegen die gesamte Tradition an der Ansetzung des Versende nach ḏikr in V. 1 trotz fehlendem Reim festgehalten werden, da ein Schwur stets durch ein Versende von der Schwuraussage getrennt ist. An dem Versende von V. 84aqūl ist trotz des nur annähernden Reims festzuhalten; SKMS, S. 46 ist zu korrigieren.
Literaturliste
I A Einleitung: Schwur und Offenbarungsbestätigung | |
1 1 1a Buchstabennamen-Folge / 1b Schwur bei der Lesung | |
1 2 Tadelnder Ausruf über Selbstherrlichkeit der Ungläubigen | |
B Polemik | |
1 3 Früherer Unglaube und Vernichtungsakte | |
5 4-8 Wiedergabe von polemischen Stellungnahmen der Ungläubigen zur Natur des Propheten und zum Eingottglauben | |
3 9-11 Polemische Fragen in Entgegnung | |
5 12-16 Straflegendenliste, Ankündigung eschatologischer Szenerie | |
II A „Lesung“: Prophetenerzählungen | |
4 17-20 David | |
5 21-25 Davids Richtspruch, Refrain: Auszeichnung Davids | |
1 26 Anrede Davids | |
1 27 ḫalq bi-l-ḥaqq („Sinnhaftigkeit der Schöpfung“), Gerichtsdrohung | |
1 28 Ungleichheit von Gläubigen und Frevlern | |
1 29 Offenbarungsbestätigung | |
11 30-40 Salomo, Refrain | |
4 41-44 Hiob, seine Belohnung | |
3 45-47 Weitere Frommen: Abraham, Isaak, Jakob | |
1 48 Ismael, Elisa, Ḏū l-Kifl | |
1 49 Zusammenfassung; Auszeichnung für Gottesfürchtige | |
B Doppelbild | |
5 50-54 ǧanna | |
4 55-58 ǧahannam | |
6 59-64 Streitgespräch in ǧahannam | |
III A Offenbarungsbestätigung, Zuspruch | |
3 [27-29 (?) Schöpfung in Gerechtigkeit (ḫalq bi-l-ḥaqq), Ungleichheit von Gläubigen und Frevlern, Offenbarungsbestätigung (vielleicht verschoben)] | |
1 65 Zuspruch | |
1 66 Lobprädikation Gottes | |
B Offenbarungsbestätigung, Iblīs-Episode, Schluß | |
4 67-70 Offenbarungsbestätigung, Zuspruch | |
14 71-85 Iblīs-Episode | |
3 86-88 Empfohlener Kommentar, Drohung |
Strukturformel/Proportionen
Teil I: 16 Verse | Teil II: 45 Verse | Teil III: 26 Verse |
2 (1 + 1) + 14 (1 + 5 + 3 + 5) | 10 (4 + 5 + 1) ‚+ 3‘ + 20 (11 + 4 + 3 + 1 + 1) + 15 (5 + 4 + 6) | 5 ([3 +] 1 + 1) + 22 (4 + 15+ 3) bei vorausgesetzter Verschiebung von V. 27-29 in Teil III |
Literaturliste
V. 1 ṣ(ād) wa-l-qurʾāni ḏī ḏ-ḏikr] Zu den sureneröffnenden Buchstabennamen, denen stets eine Offenbarungsbestätigung folgt, siehe den Kommentar zu Q 15:1 und Stewart 2011. Die wie auch sonst folgende Erwähnung der Offenbarung ist hier wie in Q 50:1 in einen Schwur bei der Lesung gekleidet, hier erweitert durch die Nennung der Mahnfunktion der Lesung. Zur Entwicklung der sureneröffnenden Schwüre siehe Neuwirth 1991.
V. 2 bali llaḏīna kafarū fī ʿizzatin wa-šiqāq] Die Situation der Leugner ist geprägt von Arroganz, aber auch Zerstrittenheit, vgl. dazu ihre Unentschiedenheit in Q 50:5: fa-hum fī ʾamrin marīǧ („Sie befinden sich nun gänzlich in Verwirrung„). Die gesamte Sure ist beherrscht vom Thema der angemaßten Überlegenheit (ʿizza), des Streites (ḪṢM) und der Uneinigkeit, d.h. der Existenz von „Parteien“ (ʾaḥzāb), denen positiv Träger der Tugenden der Introspektion und Bußfertigkeit (ʾauwāb, V. 17, V. 30, V. 44) und des gerechten Urteils (fa-ḥkum ‚…‘ bi-l-ḥaqq, V. 26) gegenüberstehen.
V. 3kam ʾahlaknā min qablihim min qarnin fa-nādau wa-lāta ḥīna manāṣ] Wie in Q 50:12-14 folgt eine summarische Rückschau auf frühere Vernichtungsakte Gottes (siehe dazu KU, S. 10-32), hier mit Hinweis auf die Vergeblichkeit der Suche nach Hilfe und Ausflucht. Anderswo wird auf die besondere Stärke der vernichteten Völkerschaften abgehoben (siehe Q 50:36). Der ʾumam ḫāliya-Topos ist die koranische Wendung der melancholischen Klage des altarabischen Dichters an den zerfallenden Lagerstätten (siehe KTS, S. 430). – Lāta („nicht sein“) ist im Koran Hapaxlegomenon. Das seltene, stets im Kontext von Zeitangaben gebrauchte Verb wird von den Grammatikern verschieden erklärt und mit verschiedenen Rektionen verbunden (siehe dazu ausführlich Bergsträsser 1914:20 f.). Hier dient es der Hervorhebung.
V. 4-5wa-ʿaǧibū ʾan ǧāʾahum munḏirun minhum wa-qāla l-kāfirūna hāḏā sāḥirun kaḏḏāb / a-ǧaʿala l-ʾālihata ʾilāhan wāḥidan ʾinna hāḏā la-šaiʾun ʿuǧāb] Die Gegner zeigen spöttische Verwunderung wie in Q 50:2 (dort über die Auferstehungsverheißung); hier gilt sie der Berufung eines einfachen Mannes zum Propheten. Die Unterstellung der Zauberei wird anderswo, insbesondere in Q 54:2, deutlicher ausgedrückt: Es geht um den ‚Zauber des Wortes’, mit dem es dem Verkünder gelingt, die empirische Welt in eine eschatologisch bestimmte zu ‚verzaubern’. Es ist die transzendente Einbettung der Wirklichkeit durch die Orientierung an dem einen Gott, die die Verzauberung bewirkt. – Die Wahrnehmung der von ihnen verehrten Wesen als Götter (ʾāliha) findet sich bei den Gegnern in Mittelmekka noch häufig, daneben stehen aber bereits Wahrnehmungen der Götter als Engel, die dadurch in den Hofstaat des einen Gottes eingegliedert und dem Verkünder akzeptabel gemacht werden sollen; so etwa im Zusatz Q 53:26-32, wo auf die kurz vorher bei Namen genannten Göttinnen Allāt, ʿUzza und Manāt mit „Engel“ rekurriert wird (siehe HK 1, S. 659-661). In der koranischen Polemik werden die von den Gegnern verehrten Nebengötter oft mit ʾal-ġāwūn bezeichnet, insofern sie als „irregehend“ den im Ersten Henochbuch thematisierten gefallenen Engeln nahestehen (siehe dazu Crone 2011 und 2013 und Burge 2012).
V. 6 wa-nṭalaqa l-malaʾu minhum ʾani mšū wa-ṣbirū ʿalā ālihatikum ʾinna hāḏā la-šaiʾun yurād] Aufruf der Ratsversammlung zum Festhalten an Göttern; ähnlich ‚reaktionär’ hatten sich die Opponenten Noahs in Q 71:23 verhalten: wa-qālū lā taḏarunna ʾālihatakum wa-lā taḏarunna waddan wa-lā suwāʿan wa-lā yaġūṯa wa-yaʿūqa wa-nasran („und sprachen: ‚Verlaßt nur ja nicht eure Götter, verlaßt nicht Wadd, Suwāʿ und Yaġūṯ nicht und Yaʿūq und Nasr.’“). Der negativ konnotierten lokalen Ratsversammlung im irdischen Milieu der Propheten entspricht positiv eine himmlische Ratsversammlung (vgl. Q 37:8), die aber ihrerseits in einen Disput verwickelt ist (siehe unten V. 69).
V. 7mā samiʿnā bi-hāḏā fī l-millati l-ʾāḫirati ʾin hāḏā ʾillā ḫtilāq] Die Gegner berufen sich für ihre Zurückweisung der Eingottverehrung auf fehlende Vorbilder in der „letzten Glaubensgemeinschaft“. Diese wird von einigen Erklärern allgemein im Sinne von „welche Religion auch immer“ (Bell 1939:451) gedeutet, von anderen (Andrae 1932:98) auf das Christentum bezogen. milla begegnet hier erstmals.
milla wird etymologisch unterschiedlich erklärt (siehe Jeffery, FVQ, S. 268 und Ambros 2004:259, die sich auf das aramäische mellṯā, „Wort“, berufen). Plausibler erscheint mir aber die Ableitung aus hebräisch milah („[Bund aus der] Beschneidung“), da milla (später) am häufigsten zusammen mit Abraham erwähnt wird, dessen Religion auf den Gottesbund aus der Beschneidung (berīt milah) gegründet ist (siehe dazu KTS, S. 646-649). milla wird erst in Q 12:37-38 wieder erwähnt, dort spezifiziert als millat ʾibrāhīma wa-ʾisḥāqa wa-yaʿqūba („Glaubensgemeinschaft Abrahams, Isaaks und Jakobs“). Später, in Medina, begegnet die Formulierung millat ibrāhīm für den neuen, von seiner israelitischen Genealogie gelösten spezifisch auf Abraham zurückgehenden Eingottglauben (siehe Neuwirth 2016). Die Bezeichnung wird in Q 38:7 als bereits geläufig vorausgesetzt; sie sollte daher unabhängig von der koranischen Abraham-Geschichte, mit der sie erstmals in Q 12:37-38 verbunden wird, in Umlauf gewesen sein. Der „Bund aus der Beschneidung“ wird im Koran als Ereignis nicht berichtet; da aber der Beschneidungsritus bereits vorislamisch ist, könnte milla schon früh aus dem Abrahamsbund abgeleitet worden sein.
V. 8 ʾa-ʾunzila ʿalaihi ḏ-ḏikru min baininā bal hum fī šakkin min ḏikrī bal lammā yaḏūqū ʿaḏāb] Hauptanlaß des Zweifels ist die Person des Verkünders, der einer aus ihren Reihen ist (so auch in Q 50:2 und Q 54:25). Die Haltung des Zweifels ist charakteristisch für die empirisch ausgerichteten Paganen/Synkretisten, die allem Übernatürlichen skeptisch gegenüberstehen (siehe Q 50:15: bal hum fī labsin min ḫalqin ǧadīd, „Und doch zweifeln sie an einer neuen Schöpfung“).
V. 9-10 ʾam ʿindahum ḫazāʾinu raḥmati rabbika l-ʿazīzi l-wahhāb / ʾam lahum mulku s-samāwāti wa-l-ʾarḍi wa-mā bainahumā fa-l-yartaqū fi l-ʾasbāb] Herausfordernde Fragen nach ihrer Autorisierung durch gottgegebene Schätze bzw. Verfügung über kosmische Macht. Diese Macht manifestiert sich mit Gottes emotionaler Zuwendung, raḥma. Wären diese Ansprüche real, so könnten sie selbst zum Himmel aufsteigen (vgl. Q 15:14-15, siehe zu diesem Gedanken und dem dafür vorausgesetzen Bild des Kosmos van Bladel 2007). – Mit dem Wort mulk wird hier bereits ein Schlüsselbegriff der Sure eingespielt, der zum narrativen Nukleus des Erzählzyklus um David und Salomo wird, mit denen zwei Propheten-Könige eingeführt werden.
V. 11ǧundun mā hunālika mahzūmun mina l-ʾaḥzāb] Etwas rätselhafter Schlußgedanke: Es ist bereits ein Heer von Ungläubigen – offenbar auf Grund ihrer angemaßten Autorität – besiegt worden. ǧund, das sonst für die eschatologischen Heere steht, gibt hier offenbar die Masse der in der Geschichte Besiegten an, eine Projektion des Geschehens in die eschatologische Zeit ist aber auch nicht ausgeschlossen: „ein ganzes Heer von Leugnerparteien ist dort schon besiegt“. Die Bezeichnung ʾaḥzāb wird im folgenden entschlüsselt, es handelt sich um Gruppen von Verweigerern des Eingottglaubens. Die Übersetzung – inspiriert von Hans Zirkers Wiedergabe „prophetenfeindliche Parteien“ (Zirker 2003:11) – spezifiziert sie als „Leugnerparteien“.
V. 12-13kaḏḏabat qablahum qaumu nūḥin wa-ʿādun wa-firʿaunu ḏū l-ʾautād / wa-ṯamūdu wa-qaumu lūṭin wa-ʾaṣḥābu ‚l-ʾaikati‘ (Laikata) ʾulāʾika l-ʾaḥzāb] Die Polemik wird beschlossen mit einer Liste von sechs der Vernichtung anheimgefallenen Völkern; ähnliche Listen mit leicht differierender Besetzung fanden sich in Q 50:12-14 (vgl. auch Q 53:50-51 und 44:37). Sie werden hier explizit als ʾaḥzāb („Parteien“) identifiziert. Angesichts ihrer Gegnerschaft zu der einen Wahrheit – sie „leugnen“ – sind sie Häresien vergleichbar, Abtrünnigen vom rechten Glauben. In diesem Sinn wird ʾaḥzāb wenig später (in Q 43:65) von den Zeitgenossen Jesu bzw. den unmittelbar auf Jesus folgenden Generationen gebraucht, die für die Uneinigkeit unter den Christen verantwortlich gemacht werden. Diese Uneinigkeit ist historisch Fakten gegründet, vor ihr warnt schon Paulus (1 Kor 1,10; Phil 1,2). Die vernichteten alten Völkerschaften, hier noch ganz isoliert von der mit der Person Jesu verbundenen Häresienproblematik erwähnt, sind gewissermaßen dem Typus nach Vorgänger dieser Häresien, insofern sie die von den Propheten wiederherzustellende Übereinkunft der Menschen über die Einzigkeit Gottes unterminieren. Siehe die Diskussion sämtlicher koranischer Vorkommen von ʾaḥzāb bei Paret (KKK, S. 233).
Die übliche Folge Noah, ʿād, ṯamūd wird hier durch die Erwähnung Pharaos gesprengt. Zu seiner Beschreibung als ḏū l-ʾautād siehe Busse 1979:69 f. und Silverstein 2011. Pharao, der bisher nur als Widersacher des zu ihm gesandten Gottesboten auftrat, wird in Q 38 erstmals mit Elementen eines Bauwerks, „Pfählen“ oder „Pflöcken“ (ʾautād), verbunden. Der Bau wird später (Q 40:36-37 und Q 28:38) als ṣarḥ, „Palast“, konkretisiert. In Q 38 ist er noch auf die Grundstrukturen begrenzt. Wie Silverstein zeigt, ist Pharao Gegenfigur zu Salomo, dessen ṣarḥ (Q 27:44) Symbol der Weisheit ist. Pharao scheitert dagegen mit seinem entsprechenden Bauvorhaben. Die aṣḥāb laika begegneten bereits in Q 15:78-79, Q 26:176 und Q 50:14. Sie werden später mit den Midianitern (Madyan) gleichgesetzt. – Die beiden Gerechten Noah und Lot werden schon im 2. Petrusbrief (2 Petr 2,4-11) zusammen als einzige vor der Katastrophe ihrer frevelnden Völkerschaften Bewahrte genannt (siehe TUK, Nr. 0091).
V. 14 ʾin kullun ʾillā kaḏḏaba r-rusula fa-ḥaqqa ʿiqāb] Das Vergehen ist nicht mehr die Verwerfung der Botschaft, sondern die Ablehnung der Boten selbst. Sie alle ereilte die verdiente göttliche Strafe. ḥaqqa („wirklich werden“) ist mit dem Gedanken des Rechts, der in dieser Sure an zentraler Stelle, im Auftrag an David (V. 26), evoziert wird, verbunden.
V. 15-16 wa-mā yanẓuru hāʾulāʾi ʾillā ṣaiḥatan wāḥidatan mā lahā min fawāq / wa-qālū rabbanā ʿaǧǧil lanā qiṭṭanā qabla yaumi l-ḥisāb] Auch die Ungläubigen aus den eigenen Reihen haben nichts anderes zu erwarten als den einen Erweckungsschrei; ihre Herausforderung, ihren Anteil an der Strafe beschleunigt zu bekommen, ist nur als zynisch zu verstehen. Zu ṣaiḥa wāḥida vgl. Jakob von Sarug (1910:853 f.), wo die endzeitlichen Ereignisse durch einen einzigen Ruf be-ḥad qālā eingeleitet werden (siehe TUK, Nr. 0533 und weiterhin TUK, Nr. 0124, TUK, Nr. 0125, TUK, Nr. 0127, TUK, Nr. 0130 und TUK, Nr. 0151). – Die Liste wird mit einer polemischen Bemerkung zu den Ungläubigen beschlossen, die aber anders als im Falle der früheren Völker keine innerweltliche, sondern eine eschatologische Strafe zu erwarten haben.
In SKMS, S. 281 f. wurden die Verse V. 12-16, die eine Liste von Prophetengeschichten bieten, bereits zum Mittelteil gerechnet. Damit würde aber das gewöhnlich für die Mittelteile der mittelmekkanischen Suren zu erwartende Schema einer oder mehrerer zumeist biblischer Geschichten gesprengt, insofern die Liste in eine Polemik einmündet. Auch spricht die Auflösung des Enigmas ʾaḥzāb am Ende von V. 13 für die Zusammengehörigkeit der Liste + Polemik mit der vorausgehenden Polemik, die den Begriff ʾaḥzāb in die Diskussion einführte.
V. 17 ʾiṣbir ʿalā mā yaqūlūna wa-ḏkur ʿabdanā Dāwūda ḏā l-ʾaidi ʾinnahu ʾauwāb] Die David-Erzählung wird durch eine Prophetentrostformel eingeleitet, wie sie sonst in den Anfangs- und Schlußteilen üblich war (vgl. Q 73:10, Q 50:39, Q 20:130, siehe KTS, S. 398-402). Offenbar soll die Lesung nicht nur der Belehrung und Identitätsfindung der Hörer dienen, sondern auch den Verkünder selbst aufrichten; dazu werden jetzt neue Beispielfiguren eingeführt. Der zweite Einleitungsimperativ wa-ḏkur („gedenke“), der in V. 41, V. 45, und V. 48 wiederholt wird, hat eine Parallele in der wenig späteren ‚Lesungseinleitung’ in Q 19:2: ḏikru raḥmati rabbika ʿabdahu Zakarīyā („Gedacht sei deines Herrn Barmherzigkeit an seinem Diener Zacharias“), die in Q 19:16, Q 19:41, Q 19:51, Q 19:54 und Q 19:56 wiederaufgenommen wird. David wird in Q 38 erstmals erwähnt. Seine Auszeichnung als bußfertig (ʾauwāb) wird durch die im Anschluß erzählte Begegnung mit den Prozeßgegnern begründet; das Prädikat begegnet noch in V. 19 (Vögel, die den Bußritus David, das morgendliche und das abendliche Gotteslob, orchestrieren), V. 30 (Salomo) und V. 44 (Hiob). Etymologisch liegt ʾWB („zurückkehren“) zugrunde, es wird in Q 38 aber durchweg figurativ gebraucht (siehe unten zu V. 19) und daher auch im Falle der Vögel (V. 19) mit „bußfertig“ übersetzt. Zugrunde liegt der Gedanke der Introspektion, wie er auch in den Nachbarkulturen mit der Umkehr in Zusammenhang gebracht wird, siehe hebr. teshuva und griech. metanoia. – Zum Ausdruck ḏū l-ʾaidi, abgeleitet von ʾYD, nicht von yad, siehe KKK, S. 420; das Prädikat „kraftvoll“ könnte David nach Paret seinem Sieg über Goliath verdanken, von dem – allerdings erst in Medina – in Q 2:251 berichtet wird. Doch teilt er das Prädikat mit dem ihm typologisch verwandten Salomo (vgl. Q 38:45, siehe zu ihrer Beziehung Busse 1979:61).
V. 18-19ʾinnā saḫḫarnā l-ǧibāla maʿahu yusabbiḥna bi-l-ʿašiyi wa-l-ʾišrāq / wa-ṭ-ṭaira maḥšūratan kullun lahu ʾauwāb] Die für David bewirkte Unterwerfung der Natur und der Tierwelt, repräsentiert durch die Vögel, läßt ihn als eine Art Orpheus-Figur erkennen, ein Gedanke, der in der christlichen Tradition und Ikonographie (siehe etwa die Abbildung aus dem byzantinischen, allerdings erst auf das zehnte Jahrhundert zurückgehenden Pariser Psalter bei Kugel 2007:458) breit entfaltet wird. Der nach Orpheus modellierte David kann hier – in Anlehnung an seine biblische Vorgeschichte und an Ps 23,1 – als Hirte und – in Anlehnung an Ps 23,4 – als Überwinder der Totenwelt Christus präfigurieren. Was beide Manifestationen zusammenbindet, ist die biblisch bezeugte Neigung Davids zu Harfenspiel und Gesang (1 Chr 23,6; 2 Chr 7,6) – er gilt in 2 Sam 23,1 als neʿim zemirot Yisraʾel (der „stimmschöne Sänger Israels“). Eine daraus abgeleitete Verbindung Davids zu Orpheus reflektiert sich bereits in der frühen jüdischen Kunst seit dem dritten Jahrhundert (siehe Hachlili 1988:247-249). Auch die frühe islamische Tradition, z.B. Ibn Isḥāq, zeichnet ein orpheusähnliches Bild von David, der bei der Psalmrezitation von wilden Tieren umgeben ist (siehe Newby 1989:159). Für das koranische David-Bild kommen aber auch andere Modelle in Frage: In Jer 27,6 werden bereits Nebukadnezar die wilden Tiere zu seinem Dienst unterworfen – eine Stelle, die auch in der Legendenliteratur um Salomo wiederbegegnet (siehe Lassner 1993:18-21). Vor allem ist aber – ohne Referenz auf David – in Ps 98,8 von der Aufforderung an Flüsse und Berge die Rede, die das Kommen YHWHs begrüßen sollen; in Ps 148,7-10 sind es Landschaftsformationen wie auch Tiere, darunter Vögel, die Gott preisen sollen: „Berge und alle Hügel, Fruchtbäume und alle Zedern, Wildtiere und alles Vieh, Kriechtiere und geflügelte Vögel ‚…‘. Lobpreisen sollen sie den Namen YHWHs, denn erhaben ist sein Name allein.“ In Ps 148,11 werden auch Könige zum Gotteslob aufgerufen. Insofern die Psalmen, wie in der Spätantike üblich, auch der Gemeinde als Davids Schrift gelten (siehe Q 17:55; Q 4:16), könnten diese Aufforderungen als seine – von der Natur begleiteten – Akte der Frömmigkeit angesehen werden, die er – der Gebetspraxis der Gemeinde entsprechend – am Morgen und Abend ausübt, eine zeitliche Rahmengebung, die auch in den Psalmen selbst oftmals empfohlen wird, siehe z.B. Ps 50,1. Siehe zu weiteren biblischen Referenzen aus den prophetischen Büchern bei Speyer, BEQ, S. 381 f. Davids Gotteslob mit Psalmen spiegelt typologisch das Gotteslob der Gemeinde, das mit Koranrezitationen gefüllt vorzustellen ist. Siehe zu den koranischen Referenzen auf Morgen- und Abendlob – z.B. Ps 50:1mi-mizraḥ šemeš ʿad mevoʾo, „vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang“, dazu Neuwirth 2014:141-163. – Zieht man Ephrems Exegese (bei Hammer 1889) in Betracht, ergibt sich allerdings hinsichtlich seines Verhältnisses zur Natur ein anderes Bild: David erscheint als der große Büßer, dessen exzessive Trauer über sein Verhalten – die auch bei ʾIbn Isḥāq hyperbolisch beschrieben wird (siehe Newby 1989:160) – auch von den Vögeln geteilt wird, sie nehmen mit ihm an seinen Bußübungen teil.
V. 20 wa-šadadnā mulkahu wa-ʾātaināhu l-ḥikmata wa-faṣla l-ḫiṭāb] David wird als mächtiger König, als Weiser und als Richter eingeführt. Zu dem von ihm mit Salomo geteilten Rang als Prophet-König siehe Busse 1979. Während seine Richtsprüche in der nachbiblischen Tradition bezeugt sind – zu seiner Auszeichnung mit gerechtem Urteil siehe Deuteronomium Rabba 5,3 und 1,15 (zitiert bei Speyer, BEQ, S. 377) –, verdankt sich sein Status als Weiser nach Busse (1979:60) seiner typologischen Verwandtschaft mit Salomo, dem bereits biblisch (1 Kön 3,15) ausgewiesenen Weisen schlechthin. Es ist nicht zu verkennen, dass auch der koranische David in einem weisheitlichen Kontext steht. Er fällt durch seine Introspektion (V. 24) aus dem üblichen Rahmen der koranischen Prophetenfiguren, die keine Reflexion ihres eigenen Verhaltens kennen.
Bell (1939:452) möchte V. 20 mit V. 26 verbinden. Die dazwischengeschobene Gerichtsszene muß aber keineswegs eine spätere Einfügung sein. Sie belegt im Gegenteil Davids Funktion als Richter. Nicht einmal die Annahme einer Versversetzung wäre zwingend.
V. 21wa-hal ʾatāka nabaʾu l-ḫaṣmi ʾiḏ tasauwarū l-miḥrāb] Die Episode wird wie eine eigene Erzählung eingeführt, sie kreist wiederum um Streit (ḫaṣim). Zum formelhaften hal ʾatāka nabaʾu ‚…‘ („Kam zu dir die Kunde von ‚…‘„) siehe KU, S. 10ff. Sie dreht sich um zwei Prozeßgegner, die konspirativ in den Palast eindringen. Die Bezeichnung miḥrāb („Palast“) steht zwar auch für den Jerusalemer Tempel, der in seiner Funktion als Aufenthaltsort Zacharias’ in Q 19:11 und Marias in Q 3:37-39 so bezeichnet wird (vgl. Neuwirth 2014:359-384), doch dürfte das eine Kontextbedeutung sein, die zudem mit masǧid (siehe Q 17:1.) in Konkurrenz steht. Denn der Plural (maḥārib) ist für „überwölbter Bau“, „Palastanlage“ geläufig (siehe Fehérvári 1993). miḥrāb ist in profanem Kontext auch in vorislamischen jemenitischen Inschriften belegt, siehe Robin (1991:153), der das Wort in der Nāʿiṭ-Inschrift (siehe TUK, Nr. 1036) mit „salle d’audience“, in der Ẓafār-Inschrift, wo miḥrāb im Titel eines königlichen Beamten erscheint, mit „chancellerie“ übersetzt (vgl. TUK, Nr. 1040, TUK, Nr. 1041, TUK, Nr. 1042 und TUK, Nr. 1043). – Da David zudem im Koran sonst nicht mit dem Tempel assoziiert wird, ist hier von „Palast“ auszugehen. – Die zusammenfassende Bezeichnung ʾal-ḫaṣmu erinnert an das kollektive ʾaḍ-ḍaif in der Abraham-Geschichte in Q 51:24: hal ʾatāka ḥadīṯu ḍaifi ʾibrāhīm („Kam zu dir die Kunde von Abrahams Gästen?„) und Q 15:51; wie dort verweist sie auf eine Mehrzahl von übernatürlichen Personen. Das Kollektivum ḍaif begegnet allerdings auch in einer profanen Auseinandersetzung um Gäste in der Lot-Erzählung (Q 54:37; Q 15:68; Q 11:78).
V. 22ʾiḏ daḫalū ʿalā dāwūda fa-faziʿa minhum qālū lā taḫaf ḫaṣmāni baġā baʿḍunā ʿalā baʿḍin fa-ḥkum bainanā bi-l-ḥaqqi wa-lā tušṭiṭ wa-hdinā ʾilā sawāʾi ṣ-ṣirāṭ] Die beiden bei David eintretenden Personen geben sich selbst als Prozeßgegner (ḫaṣmān) aus – eine weitere explizite Erwähnung des der gesamten Sure unterliegenden Themas des Streits. – Davids Reaktion, ein Erschaudern, ähnelt der Abrahams im Angesicht der unbekannten Gäste: auch ihn überkommt Furcht, vielleicht in Vorahnung der nicht menschlichen Natur der beiden Eindringlinge, deren Casus er ja am Ende als eine göttliche Prüfung erkennt. In beiden Fällen wird der Heimgesuchte durch lā taḫaf bzw. lā tauǧal (Abraham Q 51:26) besänftigt, vgl. auch zu Mose Q 20:21 und Q 20:86. – Das Szenario des Eindringens zweier Männer in einen privaten Innenraum will Speyer (BEQ, S. 379) mit der Rahab-Episode (Jos 2,15) in Zusammenhang bringen.
V. 23ʾinna hāḏā ʾaḫī lahu tisʿun wa-tisʿūna naʿǧatan wa-liya naʿǧatun wāḥidatun fa-qāla ʾakfilnīhā wa-ʿazzanī fī l-ḫiṭāb] Der scheinbare Casus entspricht dem Gleichnis Natans aus 2 Sam 12,1-4, mit dem der Prophet dem König sein Vergehen des Ehebruchs mit der Gattin seines Feldherrn Uria vorhält: Ein reicher Mann, Besitzer großer Herden, bedient sich für sein Gastmahl nicht seiner eigenen Tiere, sondern vergreift sich am kargen Besitz seines armen Nachbarn, der nur ein einziges Schaf besitzt, das ihm dazu besonders lieb ist. Das Gleichnis wird in Q 38:22-23 aber nicht erzählt, sondern durch die beiden Streitenden inszeniert. Anstelle der im biblischen Bericht erwähnten „vielen Schafe und Rinder“ im Besitz des reichen Mannes ist dabei von 99 Schafen die Rede, eine rhetorische Zuspitzung, die nach Speyer (BEQ, S. 378 f.) eine Rezeption des Jesus-Gleichnisses in Mt 18,12 durchscheinen läßt. Im Evangeliengleichnis geht es jedoch ganz unabhängig von der David-Geschichte um den hohen Wert, den ein Schäfer – Besitzer von hundert Schafen – einem einzigen, verlorenen Schaf beimißt, so dass er sich unter Zurückstellung der gesamten Herde auf die Suche nach ihm macht. Das Tertium comparationis bei der Kontextualisierung beider Gleichnisse könnte der hohe emotionale Wert des jeweils einen Schafes sein, den es in den Augen seines Eigentümers besitzt. Während aber das Natan-Gleichnis eine Übersetzung von Davids Übergriff auf die eine Frau des Uria ist, bleibt im Koran offen, welches Vergehen David durch die Aufführung der Prozeßgegner ins Gedächtnis gerufen bekommt. Auf jeden Fall wird eine für David kompromittierende Frauengeschichte durch die Einkleidung des Plots in eine Tierhaltergeschichte entschärft. Die Betonung der durch Rhetorik erreichten Übervorteilung des einen Prozeßgegners stimmt zum Tenor der Gesamtsure, die auf „Streit“ und Ausspielung von Überlegenheit (ʿizza) ausgerichtet ist.
V. 24 qāla la-qad ẓalamaka bi-suʾāli naʿǧatika ʾilā niʿāǧihi wa-ʾinna kaṯīran mina l-ḫulaṭāʾi la-yabġī baʿḍuhum ʿalā baʿḍin ʾillā llaḏīna ʾāmanū wa-ʿamilū ṣ-ṣāliḥāti wa-qalīlun mā hum wa-ẓanna Dāwūdu ʾannamā fatannāhu fa-staġfara rabbahu wa-ḫarra rākiʿan wa-ʾanāb] David geht mit seinem Richtspruch auf den ihm vorgespielten Fall ein und spricht sein Urteil. Die folgende allgemeine Beobachtung zu Besitzpartnern – die nicht mehr von David ausgesprochen wird – ist eine moralische Schlußfolgerung, die sich direkt an die Hörer richten sollte (vgl. dazu die ebenso unvermittelte Schlußfolgerung aus der Erschaffung der himmlischen Waage für das Verhalten der Menschen in Q 55:7-8). Der Fortgang zeigt, dass David das Ereignis als ein inszeniertes Gleichnis versteht; er ahnt die hinter der vorgespielten Entscheidungssuche stehende göttliche Prüfung und wirft sich demütig nieder, um Vergebung zu erbitten. Vgl. dazu seine ähnliche Reaktion in bSanhedrin. 107a-b (siehe BEQ, S. 379); vgl weiterhin zu seiner Reumütigkeit, die ihm sogar die Zuschreibung eines bestimmten Psalms (Ps 51) eingetragen hat, Kugel 2007:490 f. Diese Reaktion Davids, seine Infragestellung des eigenen Verhaltens und damit seiner Beziehung zu Gott, nähert ihn der biblischen Figur des in die Weisheitsliteratur gehörigen Hiob an, wenn Davids innerer Konflikt auch nicht entfaltet wird.
Nach Busse (1979:59-61) ist Davids Furcht von den Eindringlingen nur „ein Nachklang von Natans Erscheinen vor dem König“; er nimmt an, David habe seine Verfehlung darin gesehen, dass „die beiden Prozeßgegner sich mit List Zutritt verschaffen müssen und offenbar Opfer eines Fehlurteils des Königs selbst oder eines seiner Richter geworden sind“. Doch ist die Episode eine geraffte Wiedergabe des Hergangs in 2 Sam 12,1-4 (siehe BEQ, S. 378-380); die rätselhaften Prozeßgegner erscheinen nicht zusätzlich zu Natan vor dem König, sondern inszenieren gewissermaßen für David den Akt der Übervorteilung. Sie rühren wie der Prophet Natan im biblischen Bericht Davids Gewissen auf.
Während im biblischen Text der Parabelerzählung Natans, die das schuldhafte Verhalten Davids gegenüber Uria in den Kontext der Übervorteilung eines Schafzüchters durch einen anderen übersetzt, eine narrative Entfaltung des Vergehens Davids vorausgeht, hat die koranische Prozeßepisode keinen klaren David-Bezug, denn die Ehebruchgeschichte ist nicht erzählt worden. Das Fehlen dieser David-Referenz muß jedoch nicht auf eine Unbekanntheit der Affäre Davids schließen lassen. Die Geschichte könnte, wie das etwa für die frühen – auf die elementarsten Details reduzierten – Pharao-Erzählungen angenommen wird, einfach vorausgesetzt sein, wobei auf ihre Entfaltung mit Rücksicht auf die darin verletzte Würde Davids, der sich ja nicht nur politisch, sondern auch moralisch schuldhaft verhält, verzichtet worden wäre. Die Geschichte von Davids Beziehung zu der verheirateten Batseba wird auch in der – auf ʾisrāʾīliyāt-Wissen gestützten – Exegese nicht entfaltet (siehe etwa Ibn Isḥāq bei aṭ-Ṭabarī, Newby 1989:159f., und siehe jetzt Lang 2015) – ein Sachverhalt, der darauf schließen läßt, dass anders als in der christlichen Tradition in den arabischen Überlieferungen an den skandalösen Aspekten der David-Vita kein Interesse bestand und es als hinreichend erachtet wurde, Davids Erschütterung auf sein Erkennen des Prüfungscharakters des Ereignisses zurückzuführen, in dem die Prozeßgegner einfach Stimmen göttlicher Zurechtweisung seiner Person darstellen. Da auf jeden Fall nicht bei allen Hörern eine Kenntnis der biblischen Geschichte vorauszusetzen ist, bleibt die koranische David-Figur geheimnisumwittert.
V. 25 fa-ġafarnā lahu ḏālika wa-ʾinna lahu ʿindanā la-zulfā wa-ḥusna maʾāb] Die Bitte um Vergebung wird angenommen, David wird Gottesnähe und „eine schöne Heimkehr“, wohl der Eintritt ins Paradies, verheißen. zulfā begegnet hier erstmals, dieselbe Verheißung wird auch Salomo zuteil (siehe V. 40); dagegen wird den Ungläubigen das Gegenteil, šarru l-maʾāb, eine schlimme Heimkehr, verheißen (V. 55). Mit maʾāb wird ein weiteres Derivat des Stammes ʾWB eingeführt, es wird refrainartig wiederholt in V. 40, V. 49, V. 55 und begegnet sonst im Koran nur noch dreimal. Es respondiert mit dem ebenfalls auf Q 38 konzentrierten ʾauwāb (V. 17, V. 19, V. 30, V. 41), das sonst nur noch zweimal vorkommt. Die Verheißung, dass den zur Umkehr Bereiten (ʾauwāb) eine schöne Heimkehr (maʾāb) erwartet, wird also bereits durch die arabische Sprache selbst untermauert. Der Vers könnte die Erzählung beschließen, wie mit dem fast identischen V. 40 die Salomo-Erzählung endet.
V. 26 yā Dāwūdu ʾinnā ǧaʿalnāka ḫalīfatan fī l-ʾarḍi fa-ḥkum baina n-nāsi bi-l-ḥaqqi wa-lā tattabiʿi l-hawā fa-yuḍillaka ʿan sabīli llāhi ʾinna llaḏīna yaḍillūna ʿan sabīli llāhi lahum ʿaḏābun šadīdun bi-mā nasū yauma l-ḥisāb] Es folgt jedoch noch eine direkte Anrede an David, sie fällt als Nachklapp auf, weswegen Bell (1939:450) den Vers für medinisch hält. Doch sind Anreden an biblische Protagonisten in Mittelmekka nicht selten, es begegnen allein in Q 20 neun Anreden an Mose, daneben Anreden an Zacharia, Q 19:7 und an Johannes, yā Yaḥyā, Q 19:12. Vor allem ist der Vers fest in mittelmekkanische Diskurse eingebettet; so stellt die gerechte Herrschaft (al-ḥukm bi-l-ḥaqq) ein zentrales Thema der gesamten Sure 38 dar, der Gedanke des Vergessens spielte bereits in Q 20:115 eine Rolle, wo Adam – ebenfalls ein zur Herrschaft bestimmter Prophet – sein Vergessen zur Last gelegt wurde, so dass kein Grund für eine spätere Datierung des Verses besteht.
David wird als Statthalter (Gottes) auf Erden anerkannt – ein Gedanke, der sich in dem medinischen Vers Q 2:30 mit Adam und damit der Menschheit insgesamt verbinden wird (siehe KTS, S. 607-612). Obwohl David im Koran nicht als messianischer König angesprochen ist, sondern als ein in seiner Zeit an bestimmte Vorschriften gebundener Herrscher, dürfte doch seine besondere Auszeichnung als ḫalīfa mit seiner Modellrolle zusammenhängen, die er in der jüdischen und der christlichen spätantiken Tradition als Typus des messianischen Königs innehat. bSanhedrin 38b geht sogar noch einen entscheidenden Schritt weiter und erhebt David zu göttlichen Ehren. Dort heißt es: „Ein (Thron) war für ihn (Gott) und der andere war für David. Es wird nämlich gelehrt: Einer war für ihn und der andere war für David – dies sind die Worte des Rabbi Aqiva“ (die Stelle wurde von Peter Schäfer bei seinem Vortrag „Zwei Götter im Himmel – Jüdische Antworten auf das Christenum in der Antike“, gehalten am 27.5. 2016 an der Freien Universität Berlin, zitiert) Siehe zu Davids Privilegierung als messianischer König (siehe dazu Fischer 2009 unter 5.2.): Mit David „verbindet sich die nachexilische Hoffnung, dass Gott einen Spross aus dem Haus Davids erwecken und als zukünftigen Herrscher einsetzen wird (Jes 11,1; Jer 23,5-6). Dieselbe Erwartung wird auch auf Bethlehem als de[n] Geburtsort Davids bezogen (Mi 5,1-3 vgl. Mt 2,6; ferner Num 24,17 vgl. Mt 2,2). Der ‚neue David’ soll über das wiedervereinigte Israel herrschen und wie der von Gott erwählte Knecht David für Recht und Ordnung sorgen (Ez 37,24-25). Dabei lässt sich beobachten, dass die mit dem David redivivus verbundenen politisch-konkreten Erwartungen zunehmend in den Hintergrund treten und seine Gestalt zum Symbol einer zukünftigen resp. messianischen Heilszeit wird ‚…‘.“
Die Bedeutung von ḫalīfa ist umstritten; während hier mit „Statthalter“ übersetzt wird, geben einige Übersetzer es mit „Nachfolger“ wieder (Bobzin 2010; Paret, KÜ) und nehmen damit Bezug auf die in der prädiluvialen Zeit auf Erden dominierenden Engel, die sich mit Menschentöchtern eingelassen haben und aus deren verderbter Nachkommenschaft die sündige Generation um Noah hervorgangen ist, deren Nachfolger also die (mit Noah geretteten) Menschen sind (siehe KKK, 16); in diesem Sinne begegnet der Plural ḫalāʾif mehrmals (vgl. Q 35:39 und öfter: huwa llaḏī ǧaʿalakum ḫalāʾifa fi l-ʾarḍi, „Er ist es, der euch zu Nachfolgern auf Erden eingesetzt hat“). Dieses Verständnis wird aber der – nur David und Adam zugestandenen – Identifizierung mit dem durch Singular hervorgehobenen individuellen ḫalīfa nicht gerecht. Die Anrede an ihn: fa-ḥkum baina n-nāsi bi-l-ḥaqqi reflektiert deutlich die an den König über Israel gestellten Ansprüche (siehe Ez 37,24-25: „‚…‘ David, mein Diener soll König über sie sein ‚…‘, und sie sollen meinen Gesetzen folgen ‚…‘“). Die Bezeichnung ḫalīfa kann im Falle Davids am ehesten aus seinem in den Nachbartraditionen behaupteten Status als Symbolfigur einer zukünftigen Heilszeit erklärt werden. Im Koran ist dieser Status jedoch auf denjenigen eines musterhaften Herrschers zurückgeschnitten (siehe Paret 1974, der ḫalīfa als „Nachfolger“ früherer Könige versteht). – Patricia Crone führt die arabische Formulierung ḫalīfa auf aramäische Ursprünge zurück und hält sie für samaritanisch vermittelt (siehe Crone, Cook 1977 und Crone, Hinds 1986). Die hier zugrunde liegende Wiedergabe von vicarius ist jedoch schwer zu verkennen, nach Niehoff-Panagiotidis (2015:117 f.) liegt hier eine Königtumsvorstellung zugrunde, die bereits in der byzantinischen politischen Theorie der nachkonstantinischen Zeit mit der Gottesstellvertreterschaft des Herrschers verbunden war. In dieser Theorie spielt auch David eine Modellrolle. An der Übersetzung von Zirker (2003), „Statthalter (Gottes)“, ist also festzuhalten. – Die Aufforderung, in die Rolle eines musterhaften Königs einzutreten, mündet ein in eine eschatologische Ermahnung.
V. 27wa-mā ḫalaqnā s-samāʾa wa-l-ʾarḍa wa-mā bainahumā bāṭilan ḏālika ẓannu llaḏīna kafarū fa-wailun li-llaḏīna kafarū mina n-nār] Der Topos des mit der Schöpfung verfolgten Ziels, die Wahrheit durchzusetzen, die Sinnhaftigkeit der Schöpfung, gehört ebenso wie die Offenbarungsbestätigung (V. 29) zu den Standardthemen von Surenschlußteilen (siehe etwa Q 50:38, Q 44:38-39, spätmekkanisch Q 29:61). Die Versgruppe V. 27-29 könnte daher den Schluß eines kurzen Erzählteils gebildet haben, zu dem erst später die weiteren Erzählungen ergänzt worden wären. Oder sie könnte versetzt sein, kompositorisch würde sie am ehesten hinter die Ausleitung des Erzählzyklus mit einem eschatologischen Doppelbild zwischen V. 66 und V. 67 passen. Für Möglichkeiten, die überlieferte Textanordnung zu rechtfertigen, siehe oben „Literarkritik“.
V. 28ʾam naǧʿalu llaḏīna ʾāmanū wa-ʿamilū ṣ-ṣāliḥāti ka-l-mufsidīna fi l-ʾarḍi ʾam naǧʿalu l-muttaqīna ka-l-fuǧǧār] In der Regel führt die Partikel ʾam eine vorausgehende Frage weiter, doch könnte hier die Zurückweisung der falschen Meinung der Ungläubigen über den Charakter der Schöpfung als rhetorische Frage vorauszusetzen sein im Sinne von „Haben wir etwa Himmel und Erde sinnlos erschaffen ‚…‘, oder stellen wir etwa die Gottesfürchtigen auf eine Stufe ‚…‘?“. Da die Schöpfung den Sinn des Wahrheitserweises hat, käme ein Ausbleiben des Jüngsten Gerichts der sinnwidrigen Gleichbehandlung der Gerechten und der Frevler gleich.
V. 29kitābun ʾanzalnāhu ʾilaika mubārakun li-yaddabbarū ʾāyātihi wa-li-yataḏakkara ʾulu l-ʾalbāb] Vgl. Q 38:43. Die Offenbarungsbestätigung folgt dem stereotypen Muster von Schlußteilen mittelmekkanischer Suren (siehe KTS, S. 321-324), sie zeichnet sich nur durch den Reim auf das seltene Schema -āb als zur Sure gehörig aus.
V. 30 wa-wahabnā li-dāwūda sulaimāna niʿma l-ʿabdu ʾinnahu ʾauwāb] Die Erzählung wird ohne neue Einleitung wiederaufgenommen. Die Eulogie niʿma l-ʿabdu ʾinnahu ʾauwāb ergeht auch auf David in V. 17 und wieder auf Hiob in V. 44. Busse (1991) betont, dass die beiden Propheten-Könige David und Salomo auch sonst durch typologische Gemeinsamkeiten verbunden sind.
V. 31-33 ʾiḏ ʿuriḍa ʿalaihi bi-l-ʿašīyi ṣ-ṣāfinātu l-ǧiyād / fa-qāla innī ʾaḥbabtu ḥubba l-ḫayri ʿan ḏikri rabbī ḥattā tawārat bi-l-ḥiǧāb / ruddūhā ʿalaiya fa-ṭafiqa masḥan bi-s-sūqi wa-l-aʿnāq] Erzählungseinleitung mit ʾiḏ. David verfügt über wertvolle Pferde (vgl. 1 Kön 5,6: „Salomo besaß 40000 Pferdeställe“). In der Sure scheinen es Zuchtpferde zu sein, charakterisiert durch ihre Haltung bei der Parade; sie stehen auf drei Beinen und halten das vierte angewinkelt (so die Lexika, siehe Ambros 2004: 162; Badawi, Abdel Haleem 2008: 529). Das Verb ist allerdings Hapaxlegomenon im Koran, die Bedeutung könnte aus dem Kontext erhoben sein, denn das Szenario von Salomos Umgang mit den ṣāfināt ist nicht eindeutig klar. Für sein reumütiges Eingeständnis, über den irdischen Gütern das Gotteslob zum Sonnenuntergang verpaßt zu haben, ist vorauszusetzen, dass er mit seiner Leidenschaft für Pferde einem ausdrücklichen Verbot israelitischer Könige zuwiderhandelt (siehe Dtn 17,16; vgl. auch Ps 147,10). In Exodus Rabba 6,2 ist das Verbot mit dem der Vielweiberei und der Ansammlung von Wertgegenständen verbunden. Ob sich Salomo tatsächlich schuldbewußt die schon weggeführten Pferde noch einmal holen läßt, um sie dann niederzumetzeln („über Beine und Hals zu streichen“, implizit: mit dem Schwert; so nach einigen traditionellen Exegeten Speyer, BEQ, S. 399-401 und Blachère 1977:485), ist in keiner Weise gesichert. Der sonst in der vorkoranischen Tradition nicht berichtete Akt wird in der islamischen Tradition als Buße verstanden, die Tötung der Pferde gilt als Salomons Sühnopfer (siehe Johns 1997). Die eklatant sinnlose Handlung steht und fällt aber mit der Annahme einer elliptischen Konstruktion „(mit dem Schwert) streichen“, ebenso könnte man den Ausdruck fa-ṭafiqa masḥan bi-s-sūqi wa-l-ʾaʿnāq mit Bell (1939) und Bobzin (2010) wörtlich als „er begann, über ihre Hälse und Beine zu streichen“ im Sinne eines zärtlichen Streichelns verstehen. Diese für die Übersetzung gewählte Deutung hat den Vorteil, näher am Text zu sein. Man wird die Szene aber gleichwohl als einen Abschied von den Pferden zu interpretieren haben.
Busse (1979) hält die koranische Hervorhebung der Leidenschaft für Pferde für eine euphemistische Umschreibung der im biblischen Text betonten Leidenschaft Salomos für Frauen (1 Kön 11,1-13) – eine Erklärung, die um so einleuchtender ist, als diese Vorliebe eine kompromittierende Schwäche darstellt, die ihm nicht nur in der christlichen Rezeption, sondern auch noch in der islamischen Tradition (siehe für Ibn Isḥāq Newby 1989:167-169) zum Vorwurf gemacht wird. Bermerkenswert ist die auch hier verfolgte Strategie der Umgehung der Frauenerwähnung: Schon in der David-Geschichte traten Tiere – Schafe – an die Stelle der nicht erwähnten Frauen, hier wären es Pferde. – Speyer (BEQ, S. 398 f.) will in der reumütigen Rede Salomos ʾinnī ʾaḥbabtu ḥubba l-ḫayri ʿan ḏikri rabbī ḥattā tawārat bi-l-ḥiǧāb („ich habe das Gut geliebt und versäumt, meies Herren zu gedenken, bis [die Sonne] hinter dem Vorhang verschwand“) einen Rekurs auf den Anfang des Koheletbuches erkennen, das in der jüdischen und christlichen Tradition Salomo zugeschrieben wird: „In ihm soll sich der Pessimismus des Königs ausdrücken, der alle Güter der Erde gekostet hat und die Eitelkeiten der Welt erkennt. Auch der regelmäßige Ablauf des Tages und der Nacht [an den ihn der Sonnenuntergang erinnert, siehe ḥattā tawārat bi-l-ḥiǧāb] bringen ihm die Überzeugung bei, dass die Welt im Grunde sich nie verändert habe“ (BEQ, S. 399). Diese Deutung würde derjenigen des David-Verses (V. 18) entsprechen, in dem eine Zusammenfassung wichtiger Gedanken aus dem David zugeschriebenen Psalter in eine Handlung David umgedeutet wird – wie nun auch Salomo eine Haltung zugeschrieben wird, die Gedanken des Buches Kohelet aufnimmt.
V. 34 wa-la-qad fatannā sulaimāna wa-ʾalqainā ʿalā kursīyihi ǧasadan ṯumma ʾanāb] Wie David wird auch Salomo geprüft. Die Sage von Salomos vorübergehendem Verlust seiner Königswürde – eine Verdinglichung seiner ihm von der Tradition als Folge seiner Vielweiberei zugeschriebenen zeitweise verlorenen Herrscherautorität – geht auf jüdische Überlieferung zurück (siehe Speyer, BEQ, S. 399-401, der bGiṭṭin 68b zitiert). Busse (1988:61 f.) stellt einen Zusammenhang zwischen Salomos Prüfung und der Episode vom Verzicht auf seine Pferde her: „Salomos Sünde bestand darin, dass er über seiner Liebe zu Pferden das Abendgebet vergaß. Darauf setzte Gott ein leibhaftiges Ebenbild auf den Thron, was wohl heißen soll, dass er ihm die Herrschaft zeitweise entzog.“
V. 35qāla rabbi ġfir lī wa-hab lī mulkan lā yanbaġī li-ʾaḥadin min baʿdī ʾinnaka ʾanta l-wahhāb] Salomos Vergebung, die er sich für sein tadelnswertes Verhalten wünscht, das im Text unerwähnt bleibt, erfolgt nicht wie bei David auf göttliche Initiative, sondern erst auf sein Gebet hin (siehe BEQ, S. 385). Die Verheißung einer beispiellos mächtigen Herrschaft ist biblisch (siehe 1 Kön 9,1-9).
V. 36-39fa-saḫḫarnā lahu r-rīḥa taǧrī bi-ʾamrihi ruḫāʾan ḥaiṯu ʾaṣāb / wa-š-šayāṭīna kulla bannāʾin wa-ġauwāṣ / wa-ʾāḫarīna muqarranīna fī l-ʾaṣfād / hāḏā ʿaṭāʾunā fa-mnun ʾau ʾamsik bi-ġairi ḥisāb] Das Gebet wird nicht im Sinne einer geographischen Expansion seines Reiches, sondern im Sinne einer zusätzlichen Herrschaft über die Dämonenwelt erhört. Zur ‚Beherrschung der Winde’ bringt Speyer entsprechende biblische Aussagen über Gott bei (BEQ, S. 385), ohne jedoch auf Ps 104,4: ʿoseh malʾakhaw ruḥot („Er macht die Winde zu seinen Boten“) hinzuweisen, einen Vers der angesichts der Bekanntheit der Psalmen als Bildgeber am wahrscheinlichsten ist; gerade Ps 104 reflektiert sich deutlich in Q 78, siehe HK 1: 469-473. Ob die in der islamischen Tradition, etwa bei Ibn Isḥāq (siehe Newby 1989:163), berichtete Fähigkeit, ganze Armeen auf einer Planke in Windeseile durch die Luft zu entfernten Orten zu transportieren, bereits vorislamisch ist, bleibt offen. Sie erinnert jedenfalls an Ps 104,3, wo es von Gott heißt: ha-mehallekh ʿal kanfe(y) ruaḥ („der auf den Flügeln des Windes wandelt“). Zu den nachbiblischen Traditionen über Salomo als Herrscher über die Dämonen, die insbesondere zum Tempelbau eingesetzt werden, siehe BEQ, S. 386 f. Die Rezeption Salomos als Herr über die Natur und Geisterwelt – eine Umdeutung des ihm biblisch zugeschriebenen Wissens über verschiedenste Naturphänomene (siehe 1 Kön 4,29-34) – überwiegt bei weiterem diejenige vom historischen König. Sie war auch in der paganen arabischen Gesellschaft bekannt; Speyer (BEQ, S. 386 f.) zitiert auch Nachweise von Salomos mit Dämonenhilfe errichteten Gebäuden aus der altarabischen und der mit dem Koran gleichzeitigen Poesie.
V. 40wa-ʾinna lahu ʿindanā la-zulfā wa-ḥusna maʾāb] Gleicher Schluß wie bei der David-Geschichte. Die beiden Propheten-Könige entsprechen einander typologisch.
V. 41wa-ḏkur ʿabdanā ʾaiyūba ʾiḏ nādā rabbahu ʾannī massaniya š-šaiṭānu bi-nuṣbin wa-ʿaḏāb] Die Figur Hiobs hat im Koran keine klar umrissene Geschichte, aus seinem Leben werden lediglich zwei Szenen eingeblendet, die von den Erklärern durch Ergänzung von teilweise aus dem Bibeltext bekannten Daten, sog. ʾisrāʾīliyāt-Wissensbeständen, verständlich gemacht werden (siehe dazu Johns 1999). Aus dem gesamten biblischen Hiobbuch, das um die Theodizeefrage kreist, werden lediglich Hiobs Leiden, seine Bewährung in Geduld und seine Wiederherstellung erwähnt. Navid Kermani (2004:165 f., zitiert bei Schreiner 2012:207) kommentiert: „Wo es keine Strafe ist, dient das Leid im Koran wie in der Sunna der Prüfung nicht anders als in den vorherrschenden Exegesen des Judentums und des Christentums.“ Zum islamischen Theodizeeproblem siehe Kermani 2004:171-217.
Hiobs Geschichte wird in der spätmekkanischen Sure Q 21:83-84 noch einmal kurz zusammengefaßt. In der ausführlicheren Version in Q 38 wird zunächst seine desolate Situation fokussiert, die eine Krankheit erahnen läßt, von der er sich durch ein reinigendes Bad heilen soll. Einen Hintergrundbericht liefert später Ibn Isḥāq (siehe Newby 1989:98), bei dem auch weite Teile des Hiobbuches in arabischer Übersetzung begegnen. – Speyer (BEQ, S. 411), der die nachbiblischen Vorgängertraditionen gesammelt hat, weist auf die auch im Koran hergestellte Verbindung zwischen Hiob und dem Satan hin: „Bemerkenswert ist, dass Hijob weiß, dass der Satan Schuld an seinem Unglück hat und diesen bei Allah verklagt.“ Nach den mit Iblīs getroffenen Vereinbarungen, dass die Gerechten von seinen Anschlägen verschont bleiben sollte, dürfte Hiob kein Schaden von Satan zugefügt worden sein, es sei denn, er hätte eine Verfehlung begangen und wäre dafür mit einer Krankheit heimgesucht worden. Dieses Verständnis scheint zugrunde zu liegen, so erklärt sich am ehesten seine ‚Bußfertigkeit’, mit der er bei Gott Zuflucht sucht. Im biblischen Bericht macht er sich erst nach den Schicksalsschlägen durch blasphemische Äußerungen schuldig, für die er um Vergebung bittet.
V. 42ʾurkuḍ bi-riǧlika hāḏā muġtasalun bāridun wa-šarāb] Die über den biblischen Bericht hinausgehende Anweisung, mit dem Fuß zu scharren, um Wasser zu finden, weckt Assoziationen an andere Akteure der Heilsgeschichte. Speyer (BEQ, S. 411) betont, dass die Haggada das Leben Hiobs in die Zeit Abrahams verlegt, so dass die Hagar-Geschichte (Gen 21,19) assoziiert werden kann; siehe Genesis Rabba 51: „In diese Zeit fällt aber auch Hagars Erlebnis, die, von Abraham vertrieben, in der Wüste zu verschmachten droht und sich am Wasser des Brunnens, der ihr von einem Engel gezeigt wird, labt“ (BEQ, S. 411). Speyer hört in der Anweisung an Hiob ein Echo der Anweisung an Hagar. Ob die bei Ibn Isḥāq überlieferte Episode der von Hiob vollzogenen Waschung nach seiner Heilung (siehe Newby 1989:89) bereits Teil der „interpreted Bible“ war, ist unsicher.
V. 43wa-wahabnā lahu ʾahlahu wa-miṯlahum ma ʿahum raḥmatan minnā wa-ḏikrā li-ʾulī l-ʾalbāb] Siehe Hi 42,12-13. Der Verlust der Familie wird erst aus ihrer Wiederherstellung und Vermehrung als göttliche Anerkennung erkennbar. Die Familie des Propheten wird also nicht nachhaltig angetastet.
V. 44 wa-ḫuḏ bi-yadika ḍiġṯan fa-ḍrib bihi wa-lā taḥnaṯ ʾinnā waǧadnāhu ṣābiran niʿma l-ʿabdu ʾinnahu auwāb] Auch der Schlußvers der Hiob-Episode bleibt ohne Beiziehung der biblischen Tradition rätselhaft, die Kommentatoren (referiert bei Johns 1999, vgl. auch für Ibn Isḥāq Newby 1989:98) ergänzen die Anordnung, mit einem Reiserbündel zuzuschlagen, um nicht eidbrüchig zu werden, zur Einlösung eines Gelübdes: Hiob hat gelobt, nach seiner Heilung seine Frau, die seinetwegen eine Vereinbarung mit dem Satan getroffen hatte, mit Schlägen zu bestrafen. Der Vers, der diese Handlung als Einlösung eines Versprechens präsentiert, läßt ein Happy end der Geschichte durchscheinen, das Schlagen ist ihr Abschlußakt.
Hiob ist bereits in der christlichen Tradition der Geduldige schlechthin (siehe Jak 5,10-11). Er fügt sich in Q 38 durch seine Tugend der Geduld, einer im Weisheitsdenken geforderten Konsequenz aus der Tatsache der sich oft verzögernden göttlichen Gerechtigkeit (siehe Kugel 2007:636), in die Reihe der beiden ebenfalls von Weisheitsmaximen geprägten Propheten David und Salomo ein. Zu Hiobs späteren zweiten Rolle als „der – gottesfürchtige – Rebell, dessen Auflehnung gegen Gott und Hadern mit Ihm (taẓallum ʿala r-rabb) zum Inbegriff des Ringens um die Theodizeefrage geworden ist, die im Islam nicht anders als im Judentum und Christentum zu allen Zeiten eine zentrale ethisch-theologische und philosophische Frage gewesen und geblieben ist“ (Schreiner 2012:209) und Johns (1999).
V. 45-47 wa-ḏkur ʿibādanā ibrāhīma wa-ʾisḥāqa wa-yaʿqūba ʾulī l-ʾaidī wa-l-ʾabṣār / ʾinnā ʾaḫlaṣnāhum bi-ḫāliṣatin ḏikrā d-dār / wa-ʾinnahum ʿindanā la-mina l-muṣṭafaina l-ʾaḫyār] Erste gemeinsame Erwähnung der drei Erzväter, die in den Nachbarreligionen als die Träger der monotheistischen Vätertradition schlechthin zusammengehören. Ihre Zusammenschau als Garanten der israelitischen Identität begegnet erst wieder in Q 12:37-38, wo Josef sich als der „Glaubensgemeinschaft (milla) Abrahams, Isaaks und Jakobs“ zugehörig bekennt. Sie werden in Q 38 charakterisiert als starke und umsichtige Persönlichkeiten, im besonderen ausgezeichnet mit der „mahnenden Erinnerung“ an die „ Heimstatt“ (ʾad-dār). dār ist am ehesten Abbreviatur für ʾad-dār ʾal-āḫira, „ die jeneseitige Heimstatt“, zu verstehen, das allerdings erst später (in Q 28:83 und Q 29:64) begegnet. In wa-ʾaḫlaṣnāhum bi-ḫāliṣatin ḍikrā d-dār ist ḍikrā d-dār als Apposition zu ḫāliṣatin zu verstehen: Die Erzväter sind mit einem besonderen Verhältnis zur „Heimatstatt“ ausgezeichnet. Wenn ʾad-dār hier auch am ehesten eschatologisch zu deuten ist. Klingt doch offenbar auch der Gedanke einer Landverheißung durch. Es fällt auf, dass alle drei – ohne Privilegierung des bereits aus mehreren Erzählungen bekannten Abraham – gleichermaßen als erwählt vorgestellt werden. Offenbar steht hier das Theologumenon der Erwählung Israels im Hintergrund, wenn diese vorher auch noch nicht zur Sprache kam. Diese Theologie gründet sich auf Dtn 7,6-8: „Denn du bist YHWH, deinem Gott, ein heiliges Volk. Dich hat YHWH, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. Nicht hat euch YHWH angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wärt als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern –, sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat.“ Die Erzväter sind die eigentlichen Garanten der Erwählung.
V. 48 wa-ḏkur ʾismāʿīla wa-l-yasaʿa wa-ḏā l-kifli wa-kullun mina l-ʾaḫyār] Hier wird wie in Q 37 Ismael (siehe Firestone 2002) nicht als Sohn, sondern isoliert von dem ebenfalls genannten Abraham erwähnt. Al-Yasaʿ, Elisa (siehe Horovitz 1964:13; Tottoli 2002) begegnet erstmals, er paßt chronologisch annähernd zu David, figuriert im 1. Königebuch. Zu Ḏū l-Kifl, dessen Identität ungeklärt ist, siehe Horovitz 1964:113 und Busse 2001. Es fällt auf, dass Mose – Protagonist wichtiger Erzählungen – in der Liste fehlt.
V. 49 hāḏā ḏikrun wa-ʾinna li-l-muttaqīna la-ḥusna maʾāb] Die Erzählungsreihe bzw. Liste wird mit der Qualifikation ḏikr (wie V. 1) beschlossen. Die den Gesandten immer wieder zugesprochene „schöne Heimkehr“ wird im folgenden als der Paradiesgarten enthüllt. Er ist den Gottesfürchtigen verheißen.
V. 50-54ǧannāti ʿadnin mufattaḥatan lahumu l-ʾabwāb / muttakiʾīna fīhā yadʿūna fīhā bi-fākihatin kaṯīratin wa-šarāb / wa-ʿindahum qāṣirātu ṭ-ṭarfi ʾatrāb / hāḏā mā tūʿadūna li-yaumi l-ḥisāb / ʾinna hāḏā la-rizqunā mā lahu min nafād] Die Gärten werden beschrieben als offenstehend, ausgestattet mit Liegebänken (wie in Q 88:13; Q 52:20; Q 37:45 und öfter), mit Früchten (wie in Q 77:42; Q 37:42) und kühlen Getränken (wie in Q 37:46). Entsprechend Q 55:56, Q 55:70 wird die Gesellschaft züchtiger junger Frauen zugesichert, deren Gleichaltrigkeit schon frühmekkanisch, in Q 78:33 und Q 56:37 zur Sprache kam.
V. 55-58 hāḏā wa-ʾinna li-ṭ-ṭāġīna la-šarra maʾāb / ǧahannama yaṣlawnahā fa-biʾsa l-mihād / hāḏā fa-l-yaḏūqūhu ḥamīmun wa-ġassāq / wa-ʾāḫaru min šaklihi ʾazwāǧ] Gehenna als Aufenthaltsort der Aufsässigen ist ein Gegenort zum Garten. Hier wird pervertierte Gastfreundschaft geboten, statt der kühlen Getränke erhalten die Verdammten kochendes Wasser und vielerlei Ekelerregendes. Von Geselligkeit ist keine Rede.
V. 59-61 hāḏā fauǧun muqtaḥimun maʿakum lā marḥaban bihim ʾinnahum ṣālū n-nār / qālū bal ʾantum lā marḥaban bikum ʾantum qaddamtumūhu lanā fa-biʾsa l-qarār / qālū rabbanā man qaddama lanā hāḏā fa-zidhu ʿaḏāban ḍiʿfan fi n-nār] Projektion der Verdammten auf dem Weg zum Höllenfeuer. Die direkt Angesprochenen sind die Gegner, denen nun ihre ebenfalls verdammten Götter zur Seite gestellt werden. Die Verurteilten verweigern ihnen den Gruß und erbitten für sie doppelte Strafe, da sie sie für ihr Unglück verantwortlich machen. Die Entscheidung bleibt offen. Siehe zu einem ähnlichen Szenario, wo Gott sich die Anklagen verbittet, Q 50:28: qāla lā taḫtaṣimū ladaiya („Gott spricht: Rechtet nicht vor mir!“).
V. 62-64wa-qālū mā lanā lā narā riǧālan kunnā naʿudduhum mina l-ʾašrār / ʾa-ttaḫaḏnāhum siḫriyan ʾam zāġat ʿanhumu l-ʾabṣār / ʾinna ḏālika la-ḥaqqun taḫāṣumu ʾahli n-nār] Die ehemaligen Gegner äußern sich über die Gerechten, die sie in der Strafsituation vermissen, und die sie offenbar unberechtigt verspottet hatten – eine neue Art der Rückblende in Form einer negativen Rechtfertigung der Gläubigen. Das Szenario wird als ‘Streit unter den Höllenbewohnern‚bezeichnet. Die von Hafṣ ʿan ʿĀsim vertretene Frage ʾa-ttaḫaḏnāhum sollte mit drei der sechs traditionellen Leser als Aussage: ʾittaḫaḏnāhum gelesen werden. Der kurze Satz ist dann als Parenthese zu verstehen. Auf die Notwendigkeit, eine andere Lesart zu Rate zu zeihen, hat schon Paret, KKK, S. 423 aufmerksam gemacht, siehe auch Bergsträser 1914: 102 und oben „Textkritik“.
V. 27-29wa-mā ḫalaqnā s-samāʾa wa-l-ʾarḍa wa-mā bainahumā bāṭilan ḏālika ẓannu llaḏīna kafarū fa-wailun li-llaḏīna kafarū mina n-nār / ʾam naǧʿalu llaḏīna ʾāmanū wa-ʿamilū ṣ-ṣāliḥāti ka-l-mufsidīna fi l-ʾarḍi ʾam naǧʿalu l-muttaqīna ka-l-fuǧǧār / kitābun ʾanzalnāhu ʾilaika mubārakun li-yaddabbarū ʾāyātihi wa-li-yataḏakkara ʾulū l-ʾalbāb ] Vers hierher versetzt, siehe oben zu V. 27-29.
V. 65-66qul ʾinnamā ʾanā munḏirun wa-mā min ʾilāhin ʾillā llāhu l-wāḥidu l-qahhār / rabbu s-samāwāti wa-l-ʾarḍi wa-mā bainahumā l-ʿazīzu l-ġaffār] Die Eingrenzung der Rolle des Verkünders ist eine typische Surenschlussformel. Die Textstrategie der „qul-Reden“, d.h. Aufforderungen an den Verkünder, eine bestimmte Aussage vorzutragen, setzt sich in Mittelmekka allmählich durch. Sie findet sich in dieser Funktion vor Q 38 bereits in Q 37:18, Q 26:216, Q 20:105, Q 20:114, Q 20:135 und Q 72:1, Q 72:20-21, Q 72:25. Der Verkünder wird damit ausdrücklich zu seiner Warnerrolle autorisiert, die am Surenanfang an ihm bemängelt worden war (V. 3). Den Abschluß bildet ein Einheitsbekenntnis, erweitert durch mehrere Attribute, unter denen die letzten (al-ʿazīzu l-ġaffār) die beiden göttlichen Eigenschaften der strafenden Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit, hebräisch middat ha-ḥesed und middat ha-din, reflektieren.
Eventuell wäre hier die Versgruppe V. 27-29 zu lokalisieren, die die für den Schlußteil zu erwartende Offenbarungsbestätigung beibringen würde (siehe oben zu V. 27-29 sowie „Textkritik“).
V. 67-70 qul huwa nabaʾun ʿaẓīm / ʾantum ʿanhu muʿriḍūn / mā kāna liya minʿilmin bi-l-malaʾi l-ʾaʿlā ʾiḏ yaḫtaṣimūn / ʾin yūḥā ʾilaiya ʾillā ʾannamā ʾanā naḏīrun mubīn] Über die ursprüngliche Zugehörigkeit des folgenden Teils (V. 67-88) zur Sure besteht Dissens. Reim und Rhythmus weichen vom Vorausgehenden ab. Die Diskursivität des Textes erscheint Pohlmann (2013:89 f.) als über dem gedanklichen Niveau der übrigen Sure liegend und daher für eine Ergänzung sprechend. Doch besteht kein Grund zur Annahme eines späteren Zusatzes; zum einen findet sich eine ähnliche Perikope zu Iblīs bereits in Q 20:115-124, wo sie ebenfalls aus dem Muster der Sure herausfällt, indem sie nach einem bereits erfolgten Surenschluß einen ‘zweiten Surenschluß‚ liefert. Surenschluß einen ‚zweiten Surenschluß’ liefert. Vor allem aber wirft der zweite Schlußteil in Q 38 exegetisch relevantes Licht auf die Sure als Ganze, so dass er als ein Schlüssel für den Gesamttext gelten kann. Denn wie im Kerntext der Sure geht es auch in diesem Schlußteil um den Antagonismus Streit (ḪṢM) und Kontrolle durch gerechte Herrschaft (ʾal-ḥukm bi-l-ḥaqq).
Der Einsatz des Schlußteils nimmt den Anfang von Q 78: ʿammā yatasāʾalūn / ʿani n-nabaʾi l-ʿaẓīm („Wonach fragen sie einander? Nach der gewaltigen Kunde“)wieder auf vgl. auch Q 75:13, Q 53:37. Mit nabaʾ wird zum einen auf die Erzählungen zurückgegriffen wie in Q 15:49-51: nabbiʾ ʿibādī ʾannī ʾanā l-ġafūru r-raḥīm / wa-ʾanna ʿaḏābī huwa l-ʿaḏābu l-ʾalīm / wa-nabbiʾhum ʿan ḍaifi ibrāhīm („Verkünde meinen Dienern, dass ich der Vergebende, der Barmherzige bin und dass meine Strafe eine schmerzliche Strafe ist und verkünde ihnen von den Gästen Abrahams“); nabaʿ bezeichnet darüber hinaus wie in Q 78:1 aber auch die Überbringung der Botschaft insgesamt. Der Schlußteil zeichnet sich durch kürzere Verse und damit einen schnelleren Rhythmus aus, eine Hervorhebung seines Charakters einer erhitzten Debatte. Die berichtete Episode wird dem Verkünder „eingegeben“, sie beruht nicht auf seiner Zeugenschaft. Die „höchste Ratsversammlung“ der Engel (siehe zu ihr den Kommentar zu Q 37:8) ist ein Gegenstück zur negativ konnotierten unteren malaʾ (V. 6) in der himmlischen Welt. In der oberen Ratsversammlung werden die göttlichen Beschlüsse verkündet – ein übernatürliches Wissen, zu dem die Dämonenwelt keinen Zugang hat (vgl. Q 37:8), aus dem aber die Propheten ihre Eingebungen erhalten. Doch befindet sich diese Ratsversammlung – offenbar hinsichtlich des Rangs des zu erschaffenden Menschen – in einem Disput.
V. 71-72 ʾiḏ qāla rabbuka li-l-malāʾikati ʾinnī ḫāliqun bašaran min ṭīn / fa-ʾiḏā sauwaituhu wa-nafaḫtu fīhi min rūḥī fa-qaʿū lahu sāǧidīn] Die im Koran neunmal erzählte Iblīs-Episode rangiert hier höher als die um das erste Menschenpaar kreisende Übertreutngsgeschichte (Gen 3,7-21), die nur dreimal erzählt wird. Diesen Vorrang als die eigentliche Menschenschöpfungsgeschichte verdankt sie vielleicht einer ›negativen Intertextualität‹, indem sich mit der Übertreutungsgeschichte ein koranisch abgelehntes christliches Dogma, die Erbsünde, verbindet. Siehe zur gesamten Episode Bodman 2011, Speyer, BEQ, S. 54-60 sowie Beck 1976. Eine Entwicklungsgeschichte der Episode durch ihre verschiedenen Versionen bietet Neuwirth (2001). Siehe auch den Kommentar zu Q 15. Die biblisch nicht bekannte Episode, eingeleitet durch die Voraussage der Menschenschöpfung an die Engel wie in Q 15:28-38, ist in der nachbiblischen Tradition tief verwurzelt. Eine ähnliche Darstellung findet sich in der christlichen apokryphen Schrift Die Schatzhöhle, einem syrischen Text aus dem sechsten Jahrhundert, wo der bereits geschaffene und zur Herrschaft über die Natur eingesetzte Adam im Zentrum steht (siehe Bezold 1883:3 f.). Weitere christliche Darstellungen referiert Speyer (BEQ, S. 56-58). Zugrunde liegt die jüdische Legende von der Verherrlichung der Klugheit des ersten Menschen (siehe BEQ, S. 56).
Substantiell unterscheidet sich die jüdische Tradition darin von der christlichen, dass sie den Auftrag an die Engel, sich vor Adam niederzuwerfen, nicht kennt. Er ist für die christliche Tradition bedeutend, da er die Gottebenbildlichkeit des Menschen primordial begründet. Dieses Menschenbild ist dem Koran fremd, so dass die Forderung Gottes nach der Verehrung Adams hier theologisch ein Problem aufwirft, das aber nicht der Koran, sondern erst die sufische Literatur aufgenommen und ausführlich diskutiert hat (siehe Awn 1983). Im koranischen Bericht verdankt sich die Auszeichnung des Menschen dem göttlichen Schöpfungshauch, der allein ihm, nicht anderen Wesen zuteil wird (siehe Kuschel 2007). V. 72 ist Wiederaufnahme von Q 15:29.
V. 73-74fa-saǧada l-malāʾikatu kulluhum ʾaǧmaʿūn / ʾillāʾIblīsa stakbara wa-kāna mina l-kāfirīn] Die Verse entsprechen Q 15:30-31. ʾIblīs macht in dieser Darstellung seinem Namen alle Ehre: „ʾIblīs“ ist abgeleitet von griechisch diabolos, wörtlich „Dazwischenwerfer“, „Hinderer“, siehe Jeffery, FVQ, S. 47f, das im Neuen Testament etwa gleich oft wie satanas, „Satan“ begegnet. ʾIblis ist die einzige koranische Figur, deren Name ursprünglich griechisch ist und daher auf eine letztlich hellenistische Herkunft verweist – eine Wortgeschichte, die der koranischen Gemeinde allerdings kaum bewusst gewesen sein dürfte. Man assoziiert die Figur des ʾIblīs aber später doch mit dem griechischen Erbe, indem man ihn zum Erfinder der Disputationskunst machte, (siehe McAuliffe 2003:445f.). Im Kontext der arabischen Etymologie bedeutet Iblīs dagegen „der in Verzweiflung Gestürzte“. – Er erscheint hier nicht nur als Verweigerer der mit dem Monotheismus unvereinbaren Proskynese wie in Q 15:33, sondern bereits als hochmütig und undankbar; seine Weigerung geht also auf niedere Beweggründe zurück.
V. 75 qāla ya ʾiblīsu mā manaʿaka ʾan tasǧuda li-mā ḫalaqtu bi-yadaiya ʾa-stakbarta ʾam kunta mina l-ʿālīn] Gottes Rechenschaftseinforderung von ʾIblīs wird nun bekräftigt durch seine Betonung der von ihm selbst erbrachten Leistung: Er hat sein Geschöpf mit eigener Hand geformt. Dieses in der Schatzhöhle, die den Fall Satans aus der Verweigerung der Anbetung Adams ableitet, betonte Detail ist hochbedeutend für das christliche Theologumenon der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Einzelne Forscher haben daraus ein Argument für die Akzeptanz dieser Lehrmeinung auch im Koran abgeleitet (siehe z.B. Reynolds 2010:50 und wieder Pohlmann 2013:170). Dieser Schluß ist jedoch unbegründet, das theologische Argument des Koran ist ein anderes: Gottes Rede soll ʾIblīs für die - durch Gottes Vorleistung untermauerten - Forderung der Unterwerfung unter Adam gewinnen; der koranische Text spricht die Gottebenbildlichkeit nicht einmal negierend an. Siehe dazu auch Beck 1976:209-213.
V. 76 qāla ʾana ḫairun minhu ḫalaqtanī min nārin wa-ḫalaqtahu min ṭīn] ʾIblīs tritt in ein Streitgespräch mit Gott ein, wobei er die Schöpfungsmaterie ins Spiel bringt, deren Verschiedenheit bei Menschen (Erde) und Dämonen (Feuer) bereits in Q 55:14-15 als maßgebliche Differenz zwischen beiden erwähnt wurde und in Q 15:28 noch einmal aufgegriffen worden war, ohne dass daraus aber explizit eine Wertstufung abgeleitet worden wäre. Wie in der Schatzhöhle (Bezold 1883:16) setzt ʾIblīs seine Herkunft aus Feuer als dem sublimeren Element als Argument ein. Er verweigert folgerichtig die Niederwerfung vor dem Menchen in Anbetracht von dessen niederer Herkunft aus Erde.
V. 77-81 qāla fa-ḫruǧ minhā fa-ʾinnaka raǧīm / wa-ʾinna ʿalaika laʿnatī ʾilā yaumi d-dīn / qāla rabbi fa-ʾanẓirnī ʾilā yaumi yubʿaṯūn / qāla fa-ʾinnaka mina l-munẓarīn / ʾilā yaumi l-waqti l-maʿlūm] Wie in Q 15:34-38 folgt ʾIblīs’ Verurteilung, woraufhin er wie in Q 15 einen Aufschub erbittet, der ihm gewährt wird.
V. 82-83 qāla fa-bi-ʿizzatika la-ʾuġwiyannahum ʾaǧmaʿīn / ʾillā ʿibādaka minhumu l-muḫlaṣīn] Die Antwort entspricht der in Q 15:39-40, sie ist jetzt jedoch, wie die emphatische Verbalform des Energicus zeigt, leidenschaftlicher. ʾIblīs beruft sich in seinem Schwur sogar auf Gottes Macht; ʿizza ist ein die Sure durchziehendes Schlüsselwort, es bezeichnet in V. 82 Gottes Macht wie auch in V. 2 die angemaßte Macht der Ungläubigen.
V. 84-85 qāla fa-l-ḥaqqu wa-l-ḥaqqa ʾaqūl / la-ʾamlaʾanna ǧahannama minka wa-mimman tabiʿaka minhum ʾaǧmaʿīn] Auch die Replik Gottes arbeitet mit Hervorhebung, die hier sowohl durch Wiederholung als auch durch eine emphatische Verbalform (Energicus) und eine Superlativform (ʾaǧmaʿīn) erreicht wird. – Die Höllendrohung, die hier ʾIblīs einschließt, erging in Q 15:43 nur an die Verführten.
V. 86-88 qul mā ʾasʾalukum ʿalaihi min ʾaǧrin wa-mā ʾanā mina l-mutakallifīn / ʾin huwa ʾillā ḏikrun li-l-ʿālamīn- / wa-la-taʿlamunna nabaʾahu baʿda ḥīn] Schlußtröstung in Form der Anweisung zu einer Aussage zur eigenen Rolle: Der Verkünder ist weder auf Lohn angewiesen, noch steht er bei seinen Hörern in der Schuld, seine Aufgabe ist die Ermahnung der Menschen. Der koranische Topos des Verzichts auf Lohn seitens der Propheten (siehe dazu Q 26:109, Q 26:127, Q 26:145, Q 26:165, Q 26:180) entspricht dem antiken Lehrerideal: Vertreter der Wahrheit werden nicht bezahlt; schon Sokrates nimmt diese Moral gegenüber den Sophisten in Anspruch. Der Prophet hatte sich bereits in Frühmekka durch seinen Verzicht auf Lohn von den Sehern abgegrenzt (siehe Q 68:46; Q 52:40). Spätere Propheten folgen derselben Maxime.
Die die Sure beschließende Drohrede nimmt die Emphase des Abtauschs zwischen Gott und ʾIblīs mit der morphologischen Form des Energicus noch einmal auf.
Literaturliste
Die Sure, die konventionell – als eine der letzten – mit einem Schwur beginnt und zunächst Polemik vorträgt, wird immer noch mit einer qurʾān-Referenz eingeleitet, noch nicht wie die späteren mit einem Verweis auf al-kitāb. Sie gehört zur Sequenz Q 50, Q 20, Q 26, Q 71, Q 44, setzt vor allem Q 50 und Q 71 voraus. Sie kann auch deswegen nicht früher positioniert werden, weil sie einen neuen Stand der koranischen Erzählung markiert: Mit ihr wird ein neuer Erzählzyklus, nun um die Propheten-Könige kreisend, eröffnet, der in späteren Suren (Q 21, Q27 und Q 34) weiter entfaltet wird. In drei ihrer Erzählungen geht es zudem um den neu fokussierten Gedanken der Introspektion. Obwohl die Forderung nach Introspektion bereits dem frühmekkanischen Koran unterliegt – man denke an Suren wie Q 80 Einzelverse wie Q 75:14-15. (bali l-ʾinsānu ʿalā nafsihi baṣīrah / wa-lau ʾalqā maʿāḏīrah, „Der Mensch ist gegen sich selbst Augenzeuge /mag er auch seine Entschuldigungen vortragen“ – wird Introspektion doch in Q 38 erstmalig an zentralen Prophetenfiguren exemplifiziert. Die Sure nimmt damit – ähnlich wie frühmekkanisch Q 55 (siehe HK 1, S. 605 f.) – als Eröffnung eines neuen Diskurses eine Sonderstellung ein.
Q 38 lehnt sich zwar im Anfangsteil eng an Q 50 an und rekurriert auch auf Q 71, doch bezieht sie in ihrem narrativen Mittelteil ganz neue Figuren der Heilsgeschichte ein: David, Salomo und, locker mit ihnen verbunden, Hiob. Auffallend ist auch, dass die Liste nach der Erwähnung der Erzväter noch Elisa (Al-Yasaʿ) und Ismael nennt, ohne dass deren Rolle aber entfaltet würde. Doch nicht nur der Horizont der biblischen Prosopographie hat sich erweitert, auch die Erzähltechnik ist eine neue geworden: Es wird mit einzelnen herausgehobenen Details auf biblische Hergänge nur angespielt, wobei ungewiß bleibt, ob die dahinterstehenden Erzählungen als bekannt evoziert werden sollen oder ob sie bewußt verschwiegen bleiben, weil es weniger auf ihren Plot als auf ihren tieferen Sinn ankommt. Die Sure folgt auch erstmals in Mittelmekka einem Schlüsselmotiv: dem Gedanken des Streits und des Streitens, dem das rechte Urteilen/Herrschen gegenübersteht. Vergleichbare Schlüsselmotive, eine ‚Bildmatrix’, waren für einzelne frühmekkanische Suren charakteristisch (vgl. den Kommentar zu Q 77, HK 1, S. 514-518).
Neu ist vor allem das Motiv der Introspektion bei den beiden Protagonisten der Erzählungen. David wird als Herrscher, jedoch vor allem über die Natur, und als Richter vorgestellt. Der biblisch als Gleichnis des Propheten Natan erzählte Streit zwischen den beiden Viehbesitzern wird in Q 38 ‚reifiziert’, nämlich durch zwei dem Anschein nach in der Frage nach dem Besitzrecht über ein Schaf vor dem König Recht Suchende inszeniert. Obwohl die Szene ohne eindeutige Referenz auf das von David zuvor begangene Unrecht auskommt, steigt diesem in der Begegnung mit den Männern doch eine Ahnung (ẓann) von seiner Schuld auf; denn den beiden Prozeßgegnern, die sich als Protagonisten einer Übervorteilungsgeschichte darstellen, eignet – angesichts ihrer typologischen Ähnlichkeit mit den Besuchern Abrahams in Q 51 (siehe dazu HK1, S. 541-546) – eine übernatürliche Aura. Sie sind die gottgesandten „Recht-Erweiser“ schlechthin, wie die Gäste Abrahams die prototypischen himmlischen „Verkündigungsüberbringer“ sind – in beiden Fällen steht dahinter die göttliche Stimme, die dem jeweiligen Propheten Respekt erzeigt und ihn durch eine Verheißung aufrichtet (wie in Q 51) oder ihn (wie in Q 38) zurechtweist. Diese typologische Nähe zu Abraham wird jedoch narrativ nicht weiter entfaltet, dessen einzige Erwähnung ist in die – in Q 38 ebenfalls neue – Trias der Erzväter eingebettet (V. 45). Neu ist auch Davids Rang als Statthalter (ḫalīfa), der sich aus der spätantiken Rezeption Davids als des dereinst wiedererstehenden messianischen Königs herleitet.
Auch mit Salomo verbindet sich das Motiv der Introspektion. Er erkennt die Fragwürdigkeit seines besonders engen Verhältnisses zu seinen Pferden, das im Koran vielleicht stellvertretend für seine sündhafte Abhängigkeit von seinen Frauen steht, und bittet um Vergebung. Ebenso wie David, der – eine durch Psalmverse inspirierte Aussage – über die Natur und besonders die Vögel gebietet, erhält auch Salomo übernatürliche Macht zugesprochen: Er herrscht über die Dämonen. Beide Könige sind also aus der israelitischen Geschichte, in der David als Reichseiniger und Salomo als Tempelerbauer hervorragen, herausgezogen und in eine Umwelt gestellt, in der es um übernatürliche Machtausübung geht.
Schließlich läßt sich auch mit Hiob das Motiv der Introspektion verbinden: Seine Klage darüber, dass er vom šaiṭān „berührt“ worden sei – was angesichts der göttlichen Abmachung mit Iblīs (Q 15:40) einem Gerechten gar nicht passieren dürfte –, läßt ahnen, dass auch er sich eine Übertretung zuschulden kommen ließ, deren Konsequenz, seine Krankheit, er geduldig trägt. Wenn seine Handlungen auch rätselhaft bleiben, so geht er doch ganz gemäß seinem biblischen Ruf als der Ausdauernde und Bußfertige schlechthin in die Prophetengeschichte ein. Alle heilsgeschichtlichen Figuren werden durch das gemeinsame Prädikat ʾauwāb („bußfertig“) zusammengehalten. An dieses Prädikat wird durch den im Koran seltenen Reim 3CCāb die ganze Sure hindurch – bis auf den Schluß der auf 2n reimenden Adam-Geschichte – immer wieder erinnert. Es ist eschatologisch konnotiert, denn das ebenfalls fast ganz auf Q 38 beschränkte weitere Derivat des Stammes ʾWB, maʾāb („[jenseitige] Heimstatt“) als Lohn für Gerechtigkeit, markiert ebenfalls einen prägnanten Reim, der zu ʾauwāb ein Echo bildet.
Noch an einer anderen Wurzel läßt sich ein Leitmotiv, nun für die gesamte Sure, festmachen: ḪṢM („Streit“, „Streiten“). Es wird im Eingangsteil vorweggenommen durch die polemische Feststellung der Uneinigkeit der Gegner (šiqāq, V. 2) und ihres angemaßten Machtanspruchs (ʿizza, V. 2) und schließlich durch das Resultat des Zwists, das Auftreten von Parteien (ḥizb/aḥzāb, V. 11-13). Streit bildet ein wichtiges Motiv des Mittelteils, in dem es um die Inszenierung eines Streitfalls geht, und beherrscht sogar noch die zum Höllenfeuer verdammten Gegner, die sich mit ihren falschen Göttern auseinandersetzen (V. 64).
Schließlich wird das Phänomen des Streits in die Präexistenz zurückverfolgt: Bereits ʾIblīs disputiert mit Gott (V. 76), er wird weiterhin Menschen zum Streit verführen (V. 82). – Die Geschichte vom Pakt zwischen Gott und ʾIblīs wurde zum ersten Mal in Q 15 erzählt. Die engen Parallelen zwischen den Versionen in Q 38 und in Q 15 machen die Unterschiede nur noch deutlicher. In einer Sure, die den Konflikt zwischen der Zurückweisung und der Verwirklichung der Wahrheit fokussiert und in der Debattieren ein zentrales Mittel der Verhandlung ist, erhebt sich die Frage nach der Zulässigkeit des Streitgesprächs. In diesem Kontext fungiert die Paktgeschichte als ein besonders wichtiges Zeugnis gegen destruktiven heftigen Disput, indem sie dessen Ursprung in die Vorzeit zurückverlegt, ihn mit einem schicksalhaften Ereignis noch vor der Erschaffung des Menschen verbindet, durch das Übel über die Menschen gekommen ist. Dazu wird die bereits aus Q 15 bekannte ʾIblīs-Episode theologisch zugespitzt: Während das Streitobjekt, Adam, nicht selbst Protagonist ist, sondern noch immer namenlos nur als ‚Sterblicher’ (bašar) figuriert, hat ʾIblīs nach Q 15 deutlich Gestalt angenommen als ein Prototyp der Ungläubigen (Q 38:74: ʾistakbara; Q 38:75: ʾa-stakbarta), der sich sogar gegen Gott selbst erhebt. Er hat in Q 38:82 die vorher in Q 15:29 und Q 15:36 und sogar noch in Q 38:79 gebrauchte intime Anrede rabbī („mein Herr“) aufgegeben und erhebt jetzt explizit Anspruch auf Überlegenheit gegenüber Gottes neu erschaffener Kreatur (Q 38:76: qāla ʾanā ḫairun minhu ḫalaqtanī min nārin wa-ḫalaqtahu min ṭīn, „Ich bin besser als er: Mich erschufst du aus Feuer, ihn erschufst du aus Lehm“). Seine stolz-prätentiöse Rede wird mit einem schwerwiegenden Gegenargument Gottes gekontert: Q 38:75: qāla yā ʾiblīsu mā manaʿaka ʾan tasǧuda li-mā ḫalaqtu bi-yadaiya, ʾa-stakbarta ʾam kunta min l-ʿālīn („Er sprach: ʾIblīs, was hat dich gehindert, vor dem niederzufallen, was ich mit meinen eigenen Händen erschaffen habe? Bist du voll Hochmut oder gehörst du zu denen von hohem Rang?“). Es schürt aber nur ʾIblīs’ Empörung über seine Hintanstellung und fordert ihn zu einer – wie die Verwendung des im Koran seltenen Energicus zeigt – besonders emphatischen Ankündigung heraus (Q 38:82: la-ʾuġwiyannahum, „Ich will sie allesamt verleiten“). Sie wird von Gott mit einer Gegenankündigung beantwortet, die sich derselbe Emphase bedient (Q 38:84-85: fa-l-ḥaqqu, wa-l-ḥaqqa ʾaqūl / la-ʾamlaʾanna ǧahannama minka wa-mimman tabiʿaka minhum ʾaǧmaʿīn – „Er sprach: Das ist die Wahrheit – ich sage die Wahrheit / Die Hölle will ich wahrhaft füllen mit dir und denen, die dir folgen“).
Obwohl beide Versionen fast identisch sind, verfolgt Q 38 eine andere Stoßrichtung. Die erste Paktgeschichte in Q 15 hatte die Erzählung ein für allemal mit dem Gedanken der bereits in die Präexistenz zurückreichenden Erwählung der Gemeinde verbunden, so dass die Geschichte besonders geeignet war, der belagerten Gemeinde Trost und Ermutigung zu spenden. Die deutlich apologetische Einleitung des Berichts in Q 38 (V. 69-70: mā kāna liya min ʿilmin ‚…‘ ʾin yūḥā ʾilaiya, „Ich hatte kein Wissen ‚…‘, mir wurde nur eingegeben“) deutet darauf hin, dass sich Fragen bezüglich der vorher erzählten Geschichte gestellt hatten, die vielleicht die Umstände der Verwirklichung von Adams Investitur in den Rang des von Gott privilegierten Geschöpfs betrafen. Diese Fragen werden jetzt abgewehrt mit dem einleitenden Hinweis auf die übernatürliche Quelle des Wissens, die dem Verkünder nur über Inspiration zugänglich ist. Die Nacherzählung der Geschichte legt weitere exegetische Perspektiven frei, die in Q 15 noch nicht erkundet worden waren. Die in ihrer moralischen Dimension zunächst komplexe Rolle des ʾIblīs, bei der die Frage nach seinem Motiv und damit die moralische Wertung seines Streitens mit Gott noch offen war, wird jetzt eindeutig gemacht: ʾIblīs wird gleich zu Anfang als der Prototyp für das arrogante Verhalten der Gegner eingeführt (Q 38:74: ʾistakbara; Q 38:75: ʾa-stakbarta ʾam kunta mina l-ʿālīn, „Bist du voll Hochmut - oder gehörst du zu denen von hohem Rang?“); er ist „einer von den Ungläubigen“ (Q 38:74: kāna mina l-kāfirīn). Dieser Status beruht bereits auf der Annäherung seiner Person an aš-šaiṭān, die sich in der zwischen Q 15 und Q 38 formulierten Darstellung von Q 20 vollzogen hatte. Daher konnte in der noch etwas späteren Sure Q 26 sogar von den satanischen Heerscharen des ʾIblīs die Rede sein.
Die Protagonisten sind also inzwischen zu theologisch klar bestimmten Gegnern geworden. Iblīs ist von Anfang an einer der Leugner (Q 38:74: kāna mina l-kāfirīn), Gott seinerseits tritt mit der Prärogative der Verkörperung der Wahrheit (Q 38:84: fa-l-ḥaqqu wa-l-ḥaqqa ʾaqūl, „Dies ist die Wahrheit, die Wahrheit spreche ich!“) auf. Die Deutung der Geschichte ist damit nicht länger den Hörern überlassen, sondern wird als gegeben vorausgesetzt; denn die Figuren sind nun ‚kodiert’, ʾIblīs ist als Leugner stigmatisiert, Gott erscheint nicht länger in seiner primordialen Funktion als Herr aller Geschöpfe, sondern in seiner historischen Rolle als allwissender Richter. Die Kodierung der Berichte als – theologisch relevante – biblisch inspirierte Geschichte ist fortgeschritten; die Gemeinde eignet sich nun eine einzige – ›einzig richtige‹ – Lesart an. Ein neuer ›paränetischer Pakt‹ hat den narrativen Pakt ersetzt und damit die Bewertung der Geschichte vorbestimmt, er bezeugt deutlich einen Fortschritt im ›kanonischen Prozeß‹.
Literaturliste
Die Sure beginnt mit einem Schwur, der den zu rezitierenden Text als eine Ermahnung (wa-l-qurʾāni ḏī ḏ-ḏikr) identifiziert. Eine daran anschließende Polemik (V. 2-16) prangert die Überheblichkeit (ʿizza) und die Uneinigkeit (šiqāq) an, die unter den Gegnern herrschen. Unterstellungen gegen den Verkünder, vor allem aber Machtanmaßungen seitens der Gegner werden beklagt. Dem Königtum Gottes (mulk) wird in ironischen Fragen die nur angemaßte Herrschaft der uneinigen Gegner entgegengehalten. Die Rede mündet in eine Klage über frühere Gruppen von Leugnern des Eingottglaubens ein. Damit sind bereits zwei Beispiele für die in Q 38 zentral wichtige Demonstration von Streit/Uneinigkeit benannt: Die realen Gegner befinden sich in zwietracht, sie gleichen darin den früheren Völkerschaften, die sich auch bereits als aḥzāb, als Gruppen von Wahrheitsleugnern, als ‚Häresien’, erwiesen hatten.
Ein Aufruf zur Geduld und eine Anweisung zum Vortrag leiten den Mittelteil ein, d.h. die ‚Lesung’, die mit einer Folge von Erzählungen positive Gegenbeispiele präsentiert. Am ausführlichsten wird die David-Salomo-Sequenz entfaltet; beide Propheten-Könige werden in Q 38 erstmals erwähnt: zu David (V. 17-29) siehe BEQ, S. 375-382 und Busse 1979:59-64, zu Salomo (V. 30-40) siehe BEQ, S. 382-402, Busse 1979:62-68 und Johns 1997. Beide werden einprägsam mit besonderen Erfahrungen verbunden: Bei David besteht sie in der verschlüsselten Aufforderung zur Buße für ein von ihm begangenes, aber im Text nicht offengelegtes Unrecht, das ihm durch einen szenisch vorgespielten Rechtsfall zu Bewußtsein gebracht wird und ihn zur Buße veranlaßt. Der narrativ-bildhaft dargestellte Rechtsfall stellt im Mittelteil der Sure das Thema ‚Streit’ ein drittes Mal heraus.
Salomo wird seine Verfehlung, die wiederum nicht enthüllt wird, durch seinen vorübergehenden Machtverlust zu Bewußtsein gebracht. Im Verständnis von Teilen der islamischen Tradition führt diese Einsicht zu einer besonders drastischen Reuebezeugung, der Niedermetzelung seiner von ihm hochgeschätzten Pferde. Er hatte den weltlichen Gütern vor dem Gottesdienst den Vorrang gegeben. Es ist aber unklar, ob es wirklich um eine Opferung der Pferde geht oder nicht einfach um eine Bekundung der Freude an ihnen; denn ebensogut könnte das Verhältnis zu den Tieren – wie in der David-Geschichte das Verhältnis der Viehbesitzer zu den Schafen – stellvertretend für das Verhältnis des Königs zu den im koranischen Bericht verschwiegenen Frauen stehen. Wichtig ist der neue Charakterzug der Könige, die nun reumütig und bußfertig sind.
Unklar ist, ob die Hörer dieser beiden Geschichten auf die etwas enigmatischen Darstellungen angewiesen waren oder ob ihnen eine ausführlichere Version aus der jüdisch-christlichen Tradition bekannt war, wie sie die exegetische Isrā’īliyāt-Literatur in Ausführlichkeit darbietet, (siehe dazu Lang 2015). Auf jeden Fall vermitteln selbst die auf Andeutungen beschränkten Geschichten das Bild von komplizierten Persönlichkeiten, die durch ihre Introspektion, die eigene Erahnung einer Verfehlung, zur Bußfertigkeit gelangen. Da auch die anschließende Einblendung von Hiob andeutungsweise von einer Schuld – der „Berührung“ durch Satan – spricht, die ihn seine Zuflucht bei Gott suchen läßt, hat man bei den drei Geschichten wohl von der Spiegelung eines älteren weisheitlichen Erzählzyklus auszugehen. Selbst das für Hiob charakteristische Theodizeeproblem wird – allerdings im Kontext des Engelsturzes, der Verbannung ʾIblīs’ – am Surenschluß gestreift. Auch Anspielungen auf bestimmte weisheitliche Schriften fehlen nicht: So gibt es im Fall Davids Reminiszenzen an – ihm als Schrift zugeschriebenen – Psalmen wie der Aufruf zum Gotteslob an Landschaftsformen sowie an Tiere, die in der Sure allerdings wörtlich, als seine tatsächliche Handlung, verstanden werden. Salomos Eingeständnis seines Vergehens wird begleitet von Worten über die Nichtigkeit irdischer Güter, die auf die Maxime des Buches Kohelet zu verweisen scheinen, das in der Tradition als Salomos Werk gilt. Es folgt die nur fragmentarisch ausgestaltete Hiob-Episode (V. 41-44, siehe Johns 1999), auch er wird durch seine Bereitwilligkeit, sein – offenbar einer Verfehlung verdanktes – Leiden auf sich zu nehmen, als ʾauwāb („bußfertig“) qualifiziert. – Es folgt noch eine Liste von nicht narrativ besprochenen Prophetenfiguren (V. 45-48), die demselben Tugendschema zugeordnet werden.
An die neu eingeführten Prophetengeschichten schließen wieder bekannte Motive an: eine Jenseitsverheißung, die beides, den Garten (V. 49-50) und Gehenna (V. 51-66), ins Bild bringt. Die Höllenbeschreibung verdankt ihre unverhältnismäßige Länge einem weiteren, vierten Streitfall: der Auseinandersetzung zwischen den Verdammten und ihren Verführern, ihren früher als Gottheiten verehrten Nebengöttern.
Die Sure würde mit dem eschatologischen Teil als einem gewohnten Schlußmotiv enden, käme nicht, eingeführt durch eine neue Einleitungsformel: qul huwa nabaʾun ʿaẓīm (V. 67, ganz analog zu Q 20) noch eine Erzählung dazu, die einen neuen Erzählteil eröffnet: den Bericht über die Erschaffung Adams und die Intervention des ʾIblīs (V. 69-88). Diese Perikope, die sich in Rhythmus und Reim deutlich vom Rest der Sure abhebt, bildet eine Art Kommentar zur Sure. Im Kontext der Sure fungiert die Paktgeschichte zwischen Gott und ʾIblīs als ein besonders wichtiges Zeugnis gegen den destruktiven heftigen Disput; denn sie demonstriert, dass der erste Disput überhaupt, ʾIblīs’ Rechten mit Gott, bereits primordial die schicksalhafte Abspaltung ʾIblīs’ von der gottgefälligen Engelwelt und damit seine Berufung zum Verführer der Menschen herbeigeführt hat. In der Streitgeschichte ist der individuelle ʾIblīs noch nicht vollständig zu aš-šaiṭān, Satan, der Symbolfigur des Bösen schlechthin, verblaßt, obwohl die Identifikation zwischen beiden in Q 20 bereits angedeutet worden war und ʾIblīs auch in Q 26 schon über Heerscharen von Verführern verfügte. Noch ist ʾIblīs ein Gesprächspartner Gottes, der diesen Rang erst mit seiner definitiven Fusion mit aš-šaiṭān, der – wie Q 20 zeigt – nicht spricht, sondern konspirativ flüstert, verliert.
Die ʾIblīs-Episode unterstreicht die zentrale Idee der Sure: die ambivalente Aktivität des Argumentierens (ḫaṣm). Angesichts der eingangs beklagten Uneinigkeit (šiqāq, V. 2) unter den Leugnern, die sich in ihrem Streit in Gehenna (V. 64) ein weiteres Mal manifestiert, überrascht es nicht, dass der Wortstamm ḪṢM („Streit, Argumentation“) 18mal in der Sure vorkommt und somit gewissermaßen ihren musikalischen Schlüssel liefert.
Denn selbst die himmlische Ratsversammlung befindet sich in einem Streitgespräch (V. 69: mā kāna liya min ʿilmin bi-l-malaʾi l-ʾaʾlā iḏ yaḫtaṣimūn, „Ich hatte kein Wissen von der höchsten Ratsversammlung, als sie miteinander stritten“) – wahrscheinlich eine Andeutung der Mißbilligung der Erwählung Adams seitens der Engel, der nun ein Recht auf die Verehrung durch die himmlischen Heerscharen hat (siehe später Q 2:28-30). Alle geben aber schließlich bei, nur ʾIblīs widersetzt sich aus Stolz (Q 38:74) und besteht auf seiner Überlegenheit, unbeeindruckt von Gottes Versicherung, er habe den Menschen mit eigener Hand erschaffen (Reynolds 2010:50; Pohlmann 2013:117). Obwohl er ein sachliches Argument für seine Weigerung anführt, seine Schöpfungsmaterie Feuer, die gegenüber derjenigen des neuen Geschöpfs, Erde, sublimer ist, wird er verflucht und aus dem Garten vertrieben.
Die bereits in Q 15 von ihm selbst als angesichts seiner Herkunft unberechtigt erkannte Benachteiligung seiner Person führt jedoch nicht zu einer Theodizeedebatte wie im Buch Hiob, an dessen ‚Prolog im Himmel’ die Investitur ʾIblīs’ in die Verführerrolle ja typologisch angelehnt ist. Dort gelingt es Hiob, Gott zu einer Erklärung des unbegründet erlittenen Übels zu bewegen, die freilich nicht die erhoffte Selbstrechtfertigung Gottes, sondern eher eine Belehrung über Gottes Allmacht erbringt. In der koranischen Rezeption findet eine solche Auseinandersetzung mit Gott nicht statt. Immerhin bleibt Hiob aber auch hier ein Gesprächspartner Gottes.
ʾIblīs dagegen hat nach Q 38 keine weitere Rede an Gott zu richten, der ihn verflucht und verstoßen hat. Dies ist eine neue Entwicklung gegenüber der Version Q 15, die – so bedrohlich das Auskommen für ʾIblīs und seine Anhänger auch sein mochte – doch mit einer Abmachung, die beiden Parteien annehmbar war, geendet hatte (Q 15:41: hāḏā ṣirāṭun ʿalaiya mustaqīm, „Das ist mir ein gerader Weg“). Die Geschichte in Q 38 wird beherrscht von der heftigen Empörung seitens ʾIblīs’ und der Weigerung Gottes, auf dessen Forderung nach Rechtfertigung seines Urteils einzugehen.
Literaturliste
Die Sure wendet sich, insofern Gegner als abwesend behandelt werden, an gläubige Hörer, spricht aber über die Gegner, deren Einwände gegen die Verkündigung und den Verkünder sogar zitiert werden. Während die den ersten (Polemik-)Teil zusammenfassende Liste von früheren Ablehnungen der Botschaft noch Präzedenzfälle für das Verhalten der Gegner liefert, wendet sich die den Mittelteil füllende ‚Lesung’ mit der Exemplifizierung von Geduld und Bußfertigkeit anhand biblischer Erzählungen eindeutig den – in ihrer bedrängten Lage aufzurichtenden – Gläubigen zu. Der Ausklang der Lesung durch eine Projektion der eschatologischen Vergeltung spricht zunächst neutral von den Gesegneten und den Verdammten, blendet dann aber eine Szene ein, in der die gegenwärtigen Gegner – projiziert in die Situation ihrer jenseitigen Vergeltung und jetzt direkt als „ihr“ angesprochen – mit ihren Nebengöttern streiten, diese für ihr Unglück verantwortlich machen und für sie eine doppelte Bestrafung fordern. Damit wird der neuralgische Punkt – die Vielgötterei der ablehnenden Hörer, die eingangs nur abstrakt angesprochen worden war – dramatisch offengelegt.
Die Sure wendet sich, insofern Gegner als abwesend behandelt werden, an gläubige Hörer, spricht aber über die Gegner, deren Einwände gegen die Verkündigung und den Verkünder sogar zitiert werden. Während die den ersten (Polemik-)Teil zusammenfassende Liste von früheren Ablehnungen der Botschaft noch Präzedenzfälle für das Verhalten der Gegner liefert, wendet sich die den Mittelteil füllende ‚Lesung’ mit der Exemplifizierung von Geduld und Bußfertigkeit anhand biblischer Erzählungen eindeutig den – in ihrer bedrängten Lage aufzurichtenden – Gläubigen zu. Der Ausklang der Lesung durch eine Projektion der eschatologischen Vergeltung spricht zunächst neutral von den Gesegneten und den Verdammten, blendet dann aber eine Szene ein, in der die gegenwärtigen Gegner – projiziert in die Situation ihrer jenseitigen Vergeltung und jetzt direkt als „ihr“ angesprochen – mit ihren Nebengöttern streiten, diese für ihr Unglück verantwortlich machen und für sie eine doppelte Bestrafung fordern. Damit wird der neuralgische Punkt – die Vielgötterei der ablehnenden Hörer, die eingangs nur abstrakt angesprochen worden war – dramatisch offengelegt.
Zugleich geht es um Autorität, um die Verteidigung der gerechten Herrschaft/des gerechten Urteils (al-ḥukm bi-l-ḥaqq) gegen die Uneinigkeit und Streiterei der Irregeleiteten. Diese gerechte Herrschaft (al-ḥukm bi-l-ḥaqq, Q 38:26, Q 38:22, vgl. V. 84) ist ein Ideal, das sich in der späteren Version der ʾIblīs-Geschichte (Q 2:28-39) als die dem Menschen, Gottes erwähltem Geschöpf, aufgegebene Funktion erweisen wird. In Q 38 ist dieses Ideal noch in einem – historischen – Individuum verkörpert, der in der Sure zentralen Figur Davids, der in beiden Nachbartraditionen als der messianisch verehrte König für die Rolle einzig qualifiziert ist. Er wird – nicht anders als Adam in Q 2:28-39 – als Personifikation des göttlich bestimmten Stellvertreters Gottes auf Erden anerkannt (Q 38:26: yā dāwūdu ʾinnā ǧaʿalnāka ḫalīfatan fi l-ʾarḍi fa-ḥkum baina n-nāsi bi-l-ḥaqqi wa-lā tattabiʿi l-hawā fa-yuḍillaka ʿan sabīli ilāhi, „David, wir machen dich zu einem Statthalter auf Erden. So entscheide du zwischen den Menschen nach Recht und folge nicht der Willkür, denn das führt dich ab von Gottes Weg“). Der später geführte Diskurs um den Status des Menschen auf Erden, der in dem Begriff ḫalīfa („Stellvertreter“) eingefangen ist, wird hier schon einmal angedeutet.
Dennoch ist David in Q 38 in erster Linie Richter; er hat mit der Entscheidung eines Disputs zu tun. Die für David repräsentative Episode – eine geraffte Wiedergabe von 2 Sam 12,1-4 – führt zwei numinose Prozeßgegner ein, die vor ihm erscheinen, um symbolisch einen Prozeß vorzuspielen (Q 38:21-22), mit dem sie Davids Gewissen erschüttern (Q 38:24: fa-ẓanna Dāwūdu ʾannamā fatannāhu fa-staġfara rabbahu, „David ahnte, dass wir ihn prüfen wollten. Da bat er seinen Herren Vergebung“). Dabei geht es um einen Fall von mit rhetorischen Mitteln unterdrückter Wahrheit (V. 23: wa-ʿazzanī fi l-ḫiṭāb, „Er überwältigte mich in der Rede“) um einen unangemessenen Gebrauch von Disput. Die Kontroverse als Mittel, sich der Wahrheit zu entziehen, ist das Gegenmodell zu gerechter Herrschaft. Es wird denn auch von den zum Höllenfeuer Verdammten eingesetzt (V. 64: taḫāṣumu ahli n-nār, „der Zank der Leute des Feuers“). Sogar in der himmlischen Ratsversammlung (al-malaʾ al-ʾaʿla) gibt es Meinungsverschiedenheiten, offenbar besteht unter den Engeln Uneinigkeit über den Status Adams. Die einleitende Aussage zur ʾIblīs-Episode verbindet den Bericht mit den übrigen Fällen von Disput, die in der Sure zur Sprache kommen. Umgekehrt unterfüttert die ʾIblīs-Episode das Phänomen des Wortgefechts mit einer mythischen Dimension.
Die an den Schluß gestellte Perikope zur Entstehung des Übels, die Einsetzung ʾIblīs’ in die Rolle des Verführers, liefert den Hörern gewissermaßen die Erklärung für die vorher – im Polemikteil – beschriebenen Mißstände. Es geht um taḫāṣum, um heftige Auseinandersetzung als eine abzulehnende Betätigung. Die Episode, insbesondere ʾIblīs’ Verhalten, scheint die primordiale Basis zu legen für die später durchgedrungene, im Ḥadīth verankerte Meinung, die rhetorisch aufgeladene Auseinandersetzungen verurteilt: ʾinna abġaḍa n-nāsi ʾilā llāhi l-ʾaladdu l-ḫaṣimi („Gott am meisten verhaßt sind die am heftigsten Streitenden“; Burge 2012:9).
In der Sure werden Kontroverse und rhetorischer Abtausch von Argumenten mit Gott nicht konzediert. Die negative Bewertung von Disput als solchem wird unterfüttert mit der von den beiden Prozeßgegnern berichteten Auseinandersetzung, die zur Übervorteilung des einen geführt hatte, wie auch durch die Wortgefechte der Verdammten im Feuer. Streit herrscht auch unter und mit den ungläubigen Gegnern um den Verkünder. Er wird aber archetypisch verkörpert durch ʾIblīs, der Gott selbst widerspricht, eine verhängnisvolle Haltung, die sich in der Widersetzlichkeit der zeitgenössischen Gegnern reflektiert, die zwar nicht persönlich anwesend vorgestellt, aber in den wiederholten Streitgeschichten gespiegelt werden.