بِسۡمِ ٱللَّهِ ٱلرَّحۡمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ |
Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers! |
ٱقۡتَرَبَ لِلنَّاسِ حِسَابُهُمۡ |
I11 Genaht ist den Menschen ihre Abrechnung, |
وَهُمۡ فِی غَفۡلَةٍۢ مُّعۡرِضُونَ |
doch sind sie dem in Ahnungslosigkeit abgewandt. |
مَا يَأۡتِيهِم مِّن ذِكۡرٍۢ مِّن رَّبِّهِم مُّحۡدَثٍ |
22 Es kam zu ihnen keine neue Mahnung von ihrem Herrn, |
إِلَّا ٱسۡتَمَعُوهُ |
ohne dass sie sich, als sie diese hörten, in spielerischer Ignoranz übten, |
إِلَّا ٱسۡتَمَعُوهُ |
in spielerischer Ignoranz übten, |
لَاهِيَةًۭ قُلُوبُهُمۡۗ |
33 und ihre Herzen abwendeten. |
وَأَسَرُّوا۟ ٱلنَّجۡوَى ٱلَّذِينَ ظَلَمُوا۟ |
Und diejenigen, die frevlerisch handeln, flüstern in geheimer Zwiesprache: |
هَلۡ هَٰذَآ إِلَّا بَشَرٌۭ مِّثۡلُكُمۡ |
„Ist das nicht nur ein Mensch wie ihr? |
أَفَتَأۡتُونَ ٱلسِّحۡرَ وَأَنتُمۡ تُبۡصِرُونَ |
Wollt ihr euch wider eure Einsicht auf Zauber einlassen?“ |
قَالَ رَبِّی يَعۡلَمُ ٱلۡقَوۡلَ فِی ٱلسَّمَآءِ وَٱلۡأَرۡضِۖ |
4 Sprich [qul]: „Mein Herr weiß um das Gesagte im Himmel und auf Erden. |
وَهُوَ ٱلسَّمِيعُ ٱلۡعَلِيمُ |
Er ist der Hörende und Wissende.“ |
بَلۡ قَالُوٓا۟ أَضۡغَٰثُ أَحۡلَٰمٍۭ |
5 Aber nein, sie sprechen: „Wirre Träume! |
بَلِ ٱفۡتَرَىٰهُ |
Nein, er hat sich ihn ersonnen! |
بَلۡ هُوَ شَاعِرٌۭ |
Nein, er ist ein Dichter! |
فَلۡيَأۡتِنَا بِـَٔايَةٍۢ |
Bring uns ein Zeichen, |
كَمَآ أُرۡسِلَ ٱلۡأَوَّلُونَ |
so wie die Altvorderen entsendet wurden!“ |
مَآ ءَامَنَتۡ قَبۡلَهُم مِّن قَرۡيَةٍ أَهۡلَكۡنَٰهَآۖ |
46 Keine Stadt, die wir vernichtet haben, hat vor ihnen geglaubt. |
أَفَهُمۡ يُؤۡمِنُونَ |
Ja, wollen sie nun glauben? |
وَمَآ أَرۡسَلۡنَا قَبۡلَكَ إِلَّا رِجَالًۭا نُّوحِیٓ إِلَيۡهِمۡۖ |
57 Keine Männer entsandten wir vor dir, denen wir nicht eingaben. |
فَسۡـَٔلُوٓا۟ أَهۡلَ ٱلذِّكۡرِ |
Fragt doch die Leute der Ermahnung, |
إِن كُنتُمۡ لَا تَعۡلَمُونَ |
wenn ihr nicht kundig seid! |
وَمَا جَعَلۡنَٰهُمۡ جَسَدًۭا |
68 Und wir machten sie nicht zu Körpern, |
لَّا يَأۡكُلُونَ ٱلطَّعَامَ |
die keine Speise zu sich nahmen; |
وَمَا كَانُوا۟ خَٰلِدِينَ |
und sie waren nicht unsterblich! |
ثُمَّ صَدَقۡنَٰهُمُ ٱلۡوَعۡدَ |
79 Sodann erfüllten wir die Verheißung an Ihnen, |
فَأَنجَيۡنَٰهُمۡ وَمَن نَّشَآءُ |
sodass wir sie und - wen wir wollten - erretteten, |
وَأَهۡلَكۡنَا ٱلۡمُسۡرِفِينَ |
und wir vernichteten die Maßlosen. |
لَقَدۡ أَنزَلۡنَآ إِلَيۡكُمۡ كِتَٰبًۭا فِيهِ ذِكۡرُكُمۡۖ |
810 Wir sandten euch eine Schrift herab, worin für euch Mahnung ist. |
أَفَلَا تَعۡقِلُونَ |
Wollt ihr denn nicht verständig sein? |
وَكَمۡ قَصَمۡنَا مِن قَرۡيَةٍۢ كَانَتۡ ظَالِمَةًۭ |
911 So manche frevlerische Stadt vernichteten wir, |
وَأَنشَأۡنَا بَعۡدَهَا قَوۡمًا ءَاخَرِينَ |
und ließen nach ihr ein neues Volk entstehen. |
فَلَمَّآ أَحَسُّوا۟ بَأۡسَنَآ |
12 Als sie unsere Macht spürten, |
إِذَا هُم مِّنۡهَا يَرۡكُضُونَ |
da liefen sie rasch von ihr, |
لَا تَرۡكُضُوا۟ وَٱرۡجِعُوٓا۟ إِلَىٰ مَآ أُتۡرِفۡتُمۡ فِيهِ وَمَسَٰكِنِكُمۡ |
13 „Lauft nicht weg! Kehrt dorthin zurück, wo ihr ein bequemes Leben hattet und in eure Häuser, |
لَعَلَّكُمۡ تُسۡـَٔلُونَ |
auf dass ihr befragt werdet!“ |
قَالُوا۟ يَٰوَيۡلَنَآ إِنَّا كُنَّا ظَٰلِمِينَ |
14 Sie sprachen: „Wehe uns! Wir waren Frevler!“ |
فَمَا زَالَت تِّلۡكَ دَعۡوَىٰهُمۡ |
15 Diese Wehklage ihrerseits hörte nicht auf, |
حَتَّىٰ جَعَلۡنَٰهُمۡ حَصِيدًا خَٰمِدِينَ |
bis wir sie zu etwas Abgeerntetem und Erloschenem machten. |
وَمَا خَلَقۡنَا ٱلسَّمَآءَ وَٱلۡأَرۡضَ وَمَا بَيۡنَهُمَا لَٰعِبِينَ |
1016 Wir schufen nicht den Himmel und die Erde und was zwischen ihnen ist, in spielerischer Kurzweil. |
لَوۡ أَرَدۡنَآ أَن نَّتَّخِذَ لَهۡوًۭا |
17 Hätten wir uns etwas als Kurzweil nehmen wollen, |
لَّٱتَّخَذۡنَٰهُ مِن لَّدُنَّآ إِن كُنَّا فَٰعِلِينَ |
Hätten wir es von uns selbst genommen - wenn wir es denn hätten tun wollen. |
بَلۡ نَقۡذِفُ بِٱلۡحَقِّ عَلَى ٱلۡبَٰطِلِ |
18 Aber nein, wir schleudern die Wahrheit gegen den Trug, |
فَيَدۡمَغُهُۥ فَإِذَا هُوَ زَاهِقٌۭۚ |
sodass sie ihn zerschmettert. Und siehe da, er ist verschwunden. |
وَلَكُمُ ٱلۡوَيۡلُ مِمَّا تَصِفُونَ |
Wehe über euch, wegen dem, was ihr da beschreibt! |
وَلَهُۥ مَن فِی ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضِۚ |
1119 Ihm sind alle, die in den Himmeln und auf Erden sind, untertan. |
وَمَنۡ عِندَهُۥ لَا يَسۡتَكۡبِرُونَ عَنۡ عِبَادَتِهِۦ |
Und die bei ihm sind, sind nicht zu hochmütig, ihm zu dienen, |
وَلَا يَسۡتَحۡسِرُونَ |
und sie werden nicht müde dabei. |
يُسَبِّحُونَ ٱلَّيۡلَ وَٱلنَّهَارَ لَا يَفۡتُرُونَ |
20 Sie preisen unentwegt, am Tage und in der Nacht. |
أَمِ ٱتَّخَذُوٓا۟ ءَالِهَةًۭ مِّنَ ٱلۡأَرۡضِ هُمۡ يُنشِرُونَ |
1221 Oder haben sie sich Götter von der Erde genommen, die auferwecken? |
لَوۡ كَانَ فِيهِمَآ ءَالِهَةٌ إِلَّا ٱللَّهُ لَفَسَدَتَاۚ |
22 Gäbe es in beiden Götter außer Gott, dann würden beide in Chaos verfallen. |
فَسُبۡحَٰنَ ٱللَّهِ رَبِّ ٱلۡعَرۡشِ عَمَّا يَصِفُونَ |
Lobpreis sei Gott, dem Herrn des Thrones! Entgegen dem, was sie behaupten. |
لَا يُسۡـَٔلُ عَمَّا يَفۡعَلُ وَهُمۡ يُسۡـَٔلُونَ |
23 Er wird nicht befragt, über das, was er tut; sie aber werden befragt werden! |
أَمِ ٱتَّخَذُوا۟ مِن دُونِهِۦٓ ءَالِهَةًۭۖ |
1324 Oder haben sie sich neben ihm Götter genommen? |
قُلۡ هَاتُوا۟ بُرۡهَٰنَكُمۡۖ |
Sag: „Her mit eurem Beweis! |
هَٰذَا ذِكۡرُ مَن مَّعِیَ وَذِكۡرُ مَن قَبۡلِیۗ |
Das ist die Ermahnung derer, die mit mir leben und die vor mir lebten.“ |
بَلۡ أَكۡثَرُهُمۡ لَا يَعۡلَمُونَ ٱلۡحَقَّ |
Aber nein, die meisten von ihnen kennen die Wahrheit nicht, |
فَهُم مُّعۡرِضُونَ |
und sind ihr abgewandt. |
وَمَآ أَرۡسَلۡنَا مِن قَبۡلِكَ مِن رَّسُولٍ |
1425 Und wir sandten vor dir keinen Gesandten, |
إِلَّا نُوحِیٓ إِلَيۡهِ |
dem wir nicht eingaben: |
أَنَّهُۥ لَآ إِلَٰهَ إِلَّآ أَنَا۠ فَٱعۡبُدُونِ |
„Kein Gott ist außer mir! So dienet mir!“ |
وَقَالُوا۟ ٱتَّخَذَ ٱلرَّحۡمَٰنُ وَلَدًۭا |
26 Und sie sprechen: „Der Barmherzige hat sich Kinder genommen“. |
سُبۡحَٰنَهُۥۖ بَلۡ عِبَادٌۭ مُّكۡرَمُونَ |
Gepriesen sei er! Es sind vielmehr geehrte Diener! |
لَا يَسۡبِقُونَهُۥ بِٱلۡقَوۡلِ |
27 Sie greifen ihm in der Rede nicht vor, |
وَهُم بِأَمۡرِهِۦ يَعۡمَلُونَ |
und handeln nur auf sein Geheiß. |
يَعۡلَمُ مَا بَيۡنَ أَيۡدِيهِمۡ وَمَا خَلۡفَهُمۡ |
28 Er weiß, was vor und hinter ihnen ist. |
وَلَا يَشۡفَعُونَ |
Und sie legen nur für denjenigen Fürsprache ein, |
إِلَّا لِمَنِ ٱرۡتَضَىٰ |
28 für den er es billigt. |
وَهُم مِّنۡ خَشۡيَتِهِۦ مُشۡفِقُونَ |
Und hüten sich dabei in Furcht vor ihm. |
وَمَن يَقُلۡ مِنۡهُمۡ إِنِّیٓ إِلَٰهٌۭ مِّن دُونِهِۦ |
29 Und wer von ihnen spricht: „Ich bin Gott neben ihm!“ |
فَذَٰلِكَ نَجۡزِيهِ جَهَنَّمَۚ |
Dem vergelten wir mit der Hölle, |
كَذَٰلِكَ نَجۡزِی ٱلظَّٰلِمِينَ |
Derart vergelten wir den Frevlern. |
أَوَلَمۡ يَرَ ٱلَّذِينَ كَفَرُوٓا۟ |
1530 Haben denn diejenigen, die ungläubig sind, nicht gesehen, |
أَنَّ ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضَ كَانَتَا رَتۡقًۭا |
dass die Himmel und die Erde zusammengefaltet waren? |
فَفَتَقۡنَٰهُمَاۖ وَجَعَلۡنَا مِنَ ٱلۡمَآءِ كُلَّ شَىۡءٍ حَىٍّۖ |
Da trennten wir beide und machten aus dem Wasser alles Lebende. |
أَفَلَا يُؤۡمِنُونَ |
Ja wollen sie denn nicht glauben? |
وَجَعَلۡنَا فِی ٱلۡأَرۡضِ رَوَٰسِیَ أَن تَمِيدَ بِهِمۡ |
31 Und wir machten auf der Erde festgegründete Berge, damit sie nicht mit ihnen schwanke. |
وَجَعَلۡنَا فِيهَا فِجَاجًۭا سُبُلًۭا |
Und wir machten auf ihr Pfade zu Wegen, |
لَّعَلَّهُمۡ يَهۡتَدُونَ |
sodass sie womöglich Rechtleitung finden. |
وَجَعَلۡنَا ٱلسَّمَآءَ سَقۡفًۭا مَّحۡفُوظًۭاۖ |
32 Und wir machten den Himmel zu einem geschützten Dach. |
وَهُمۡ عَنۡ ءَايَٰتِهَا مُعۡرِضُونَ |
Und doch sind sie ihren Zeichen abgewandt. |
وَهُوَ ٱلَّذِی خَلَقَ ٱلَّيۡلَ وَٱلنَّهَارَ |
33 Und er ist es, der die Nacht, den Tag |
وَٱلشَّمۡسَ وَٱلۡقَمَرَۖ |
die Sonne und den Mond geschaffen hat. |
كُلٌّۭ فِی فَلَكٍۢ يَسۡبَحُونَ |
Ein jedes schwebt auf eine Bahn. |
وَمَا جَعَلۡنَا لِبَشَرٍۢ مِّن قَبۡلِكَ ٱلۡخُلۡدَۖ |
1634 Und wir haben keinen Menschen vor dir Unsterblichkeit gewährt. |
أَفَإِي۟ن مِّتَّ فَهُمُ ٱلۡخَٰلِدُونَ |
Wenn du nun stirbst, leben sie dann etwa ewig? |
كُلُّ نَفۡسٍۢ ذَآئِقَةُ ٱلۡمَوۡتِۗ |
35 Jede Seele bekommt den Tod zu schmecken. |
وَنَبۡلُوكُم بِٱلشَّرِّ وَٱلۡخَيۡرِ فِتۡنَةًۭۖ |
Wir bringen euch mit Schlechtem und mit Gutem in Versuchung, |
وَإِلَيۡنَا تُرۡجَعُونَ |
und zu uns werdet ihr zurückgebracht. |
وَإِذَا رَءَاكَ ٱلَّذِينَ كَفَرُوٓا۟ |
1736 Wenn dich diejenigen, die ungläubig sind, sehen, |
إِن يَتَّخِذُونَكَ إِلَّا هُزُوًا |
dann machen sie dich nur zum Gespött: |
أَهَٰذَا ٱلَّذِی يَذۡكُرُ ءَالِهَتَكُمۡ |
„Ist das etwa derjenige, der bezüglich eurer Götter warnt?“ |
وَهُم بِذِكۡرِ ٱلرَّحۡمَٰنِ هُمۡ كَٰفِرُونَ |
Doch glauben sie nicht der Mahnung des Barmherzigen! |
خُلِقَ ٱلۡإِنسَٰنُ مِنۡ عَجَلٍۢۚ |
1837 Der Mensch wurde aus Hast erschaffen. |
سَأُو۟رِيكُمۡ ءَايَٰتِی |
„Ich werde euch noch meine Zeichen zeigen, |
فَلَا تَسۡتَعۡجِلُونِ |
doch veranlasst mich nicht zur Hast!“ |
وَيَقُولُونَ مَتَىٰ هَٰذَا ٱلۡوَعۡدُ |
38 Sie sprechen: „Wann erfüllt sich diese Verheißung, |
إِن كُنتُمۡ صَٰدِقِينَ |
wenn ihr wahrhaftig seid?“ |
لَوۡ يَعۡلَمُ ٱلَّذِينَ كَفَرُوا۟ حِينَ |
39 Wenn diejenigen, die ungläubig sind, doch nur um die Zeit wüssten, |
لَا يَكُفُّونَ عَن وُجُوهِهِمُ ٱلنَّارَ |
da sie vom Feuer weder ihr Gesicht, |
وَلَا عَن ظُهُورِهِمۡ |
noch ihren Rücken werden abwenden können! |
وَلَا هُمۡ يُنصَرُونَ |
Und ihnen wird nicht geholfen! |
بَلۡ تَأۡتِيهِم بَغۡتَةًۭ فَتَبۡهَتُهُمۡ |
40 Aber nein, ganz plötzlich kommt sie über sie und überrascht sie, |
فَلَا يَسۡتَطِيعُونَ رَدَّهَا |
doch sie können sie nicht abwenden! |
وَلَا هُمۡ يُنظَرُونَ |
Und ihnen wird kein Aufschub gewährt! |
وَلَقَدِ ٱسۡتُهۡزِئَ بِرُسُلٍۢ مِّن قَبۡلِكَ |
1941 Schon vor dir wurden die Gesandten verspottet, |
فَحَاقَ بِٱلَّذِينَ سَخِرُوا۟ مِنۡهُم |
doch erfasste diejenigen von Ihnen, die spotteten, |
مَّا كَانُوا۟ بِهِۦ يَسۡتَهۡزِءُونَ |
das, worüber sie stets spotteten. |
قُلۡ مَن يَكۡلَؤُكُم بِٱلَّيۡلِ وَٱلنَّهَارِ مِنَ ٱلرَّحۡمَٰنِۗ |
42 Sprich: „Wer wird euch in der Nacht und am Tag vom Barmherzigen schützen?“ |
بَلۡ هُمۡ عَن ذِكۡرِ رَبِّهِم مُّعۡرِضُونَ |
Aber nein, sie sind der Mahnung ihres Herrn abgewandt! |
أَمۡ لَهُمۡ ءَالِهَةٌۭ تَمۡنَعُهُم مِّن دُونِنَاۖ |
43 Oder haben sie etwa Götter, die sie vor uns schützen könnten? |
لَا يَسۡتَطِيعُونَ نَصۡرَ أَنفُسِهِمۡ |
Sie können sich nicht einmal selbst helfen! |
وَلَا هُم مِّنَّا يُصۡحَبُونَ |
Und gegen uns haben sie keine Begleiter! |
بَلۡ مَتَّعۡنَا هَٰٓؤُلَآءِ وَءَابَآءَهُمۡ |
2044 Aber nein, wir haben diese hier und ihre Väter genießen lassen, |
حَتَّىٰ طَالَ عَلَيۡهِمُ ٱلۡعُمُرُۗ |
bis sie ein hohes Alter erreichten. |
أَفَلَا يَرَوۡنَ أَنَّا نَأۡتِی ٱلۡأَرۡضَ |
Sehen sie denn nicht, dass wir das Land heimsuchen, |
نَنقُصُهَا مِنۡ أَطۡرَافِهَآۖ |
es von seinen Enden kürzend? |
أَفَهُمُ ٱلۡغَٰلِبُونَ |
Werden sie etwa die Oberhand behalten? |
قُلۡ إِنَّمَآ أُنذِرُكُم بِٱلۡوَحۡىِۖ |
45 Sprich: „Ich warne euch mit Eingebung!“ |
وَلَا يَسۡمَعُ ٱلصُّمُّ ٱلدُّعَآءَ إِذَا مَا يُنذَرُونَ |
Doch die Tauben hören den Ruf nicht, wenn sie gewarnt werden. |
وَلَىِٕن مَّسَّتۡهُمۡ نَفۡحَةٌۭ مِّنۡ عَذَابِ رَبِّكَ |
2146Doch wenn sie nur ein Hauch von der Strafe deines Herrn trifft, |
لَيَقُولُنَّ يَٰوَيۡلَنَآ إِنَّا كُنَّا ظَٰلِمِينَ |
dann sagen sie bestimmt: „Wehe uns, wir waren Frevler!“ |
وَنَضَعُ ٱلۡمَوَٰزِينَ ٱلۡقِسۡطَ لِيَوۡمِ ٱلۡقِيَٰمَةِ |
47 Waagen der Gerechtigkeit werden wir für den Jüngsten Tag aufstellen. |
فَلَا تُظۡلَمُ نَفۡسٌۭ شَيۡـًۭٔاۖ |
Keine Seele wird dann Unrecht erfahren! |
وَإِن كَانَ مِثۡقَالَ حَبَّةٍۢ مِّنۡ خَرۡدَلٍ |
Selbst wenn es das Gewicht eines Senfkorns ist, |
أَتَيۡنَا بِهَاۗ |
so vergelten wir es. |
وَكَفَىٰ بِنَا حَٰسِبِينَ |
Wir sind genug als Abrechner! |
وَلَقَدۡ ءَاتَيۡنَا مُوسَىٰ وَهَٰرُونَ ٱلۡفُرۡقَانَ |
II2248 Wir gaben Moses und Aaron die Rettung, |
وَضِيَآءًۭ وَذِكۡرًۭا لِّلۡمُتَّقِينَ |
Licht und Mahnung für die Gottesfürchtigen, |
ٱلَّذِينَ يَخۡشَوۡنَ رَبَّهُم بِٱلۡغَيۡبِ |
49 die ihren Herrn im Verborgenen fürchten, |
وَهُم مِّنَ ٱلسَّاعَةِ مُشۡفِقُونَ |
und in Sorge vor der Stunde sind. |
وَهَٰذَا ذِكۡرٌۭ مُّبَارَكٌ أَنزَلۡنَٰهُۖ |
50 Und dies ist eine gesegnete Mahnung, die wir hinabsandten. |
أَفَأَنتُمۡ لَهُۥ مُنكِرُونَ |
Wollt ihr sie etwa leugnen? |
وَلَقَدۡ ءَاتَيۡنَآ إِبۡرَٰهِيمَ رُشۡدَهُۥ مِن قَبۡلُ |
2351 Und wir gaben zuvor bereits Abraham seine Einsicht; |
وَكُنَّا بِهِۦ عَٰلِمِينَ |
wir kannten ihn. |
إِذۡ قَالَ لِأَبِيهِ وَقَوۡمِهِۦ |
52 Als er zu seinem Vater und zu seinem Volk sprach: |
مَا هَٰذِهِ ٱلتَّمَاثِيلُ ٱلَّتِیٓ أَنتُمۡ لَهَا عَٰكِفُونَ |
„Was sind das für Bildwerke, denen ihr euch hinwendet?“ |
قَالُوا۟ وَجَدۡنَآ ءَابَآءَنَا لَهَا عَٰبِدِينَ |
53 Sie sprachen: „Wir fanden unsere Väter so vor, dass sie ihnen dienten!“ |
قَالَ لَقَدۡ كُنتُمۡ أَنتُمۡ وَءَابَآؤُكُمۡ فِی ضَلَٰلٍۢ مُّبِينٍۢ |
54 Er sprach: „Ihr und eure Väter seid in klarem Irrtum!“ |
قَالُوٓا۟ أَجِئۡتَنَا بِٱلۡحَقِّ أَمۡ أَنتَ مِنَ ٱللَّٰعِبِينَ |
55 Sie sprachen: „Bringst du uns die Wahrheit oder bist du von den Gauklern?“ |
قَالَ بَل رَّبُّكُمۡ رَبُّ ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضِ |
56 Er sprach: „Aber nein, Euer Herr ist der Herr der Himmel und der Erde, |
ٱلَّذِی فَطَرَهُنَّ |
der sie erschuf. |
وَأَنَا۠ عَلَىٰ ذَٰلِكُم مِّنَ ٱلشَّٰهِدِينَ |
Ich bin euch ein Zeuge dafür! |
وَتَٱللَّهِ لَأَكِيدَنَّ أَصۡنَٰمَكُم |
57 Bei Gott, ich werde eure Götzen überlisten, |
بَعۡدَ أَن تُوَلُّوا۟ مُدۡبِرِينَ |
nachdem ihr den Rücken gekehrt habt!“ |
فَجَعَلَهُمۡ جُذَٰذًا إِلَّا كَبِيرًۭا لَّهُمۡ |
58 Und er schlug sie in Stücke, außer ihren Größten, |
لَعَلَّهُمۡ إِلَيۡهِ يَرۡجِعُونَ |
damit sie zu ihm allein zurückkehren. |
قَالُوا۟ مَن فَعَلَ هَٰذَا بِـَٔالِهَتِنَآ |
2459 Sie sprachen: „Wer hat das mit unseren Göttern getan? |
إِنَّهُۥ لَمِنَ ٱلظَّٰلِمِينَ |
Derjenige ist fürwahr von den Frevlern!“ |
قَالُوا۟ سَمِعۡنَا فَتًۭى يَذۡكُرُهُمۡ |
60 Sie sprachen: „Wir hörten einen jungen Mann über sie mahnend? |
يُقَالُ لَهُۥٓ إِبۡرَٰهِيمُ |
Man nennt ihn Abraham!“ |
قَالُوا۟ فَأۡتُوا۟ بِهِۦ عَلَىٰۤ أَعۡيُنِ ٱلنَّاسِ |
61 Sie sprachen: „So bringt ihn vor die Augen der Leute, |
لَعَلَّهُمۡ يَشۡهَدُونَ |
sodass sie Zeuge sind!“ |
قَالُوٓا۟ ءَأَنتَ فَعَلۡتَ هَٰذَا بِـَٔالِهَتِنَا يَٰٓإِبۡرَٰهِيمُ |
62 Sie sprachen: „Bist du es, o Abraham, der das mit unseren Göttern veranstaltet hat?“ |
قَالَ بَلۡ فَعَلَهُۥ كَبِيرُهُمۡ هَٰذَا |
63 Er sprach: „Aber nein, dieser hier, der Größte von ihnen tat es! |
فَسۡـَٔلُوهُمۡ إِن كَانُوا۟ يَنطِقُونَ |
So fragt sie doch, wenn sie sprechen können!“ |
فَرَجَعُوٓا۟ إِلَىٰۤ أَنفُسِهِمۡ |
64 Da besannen sie sich auf sich selbst, |
فَقَالُوٓا۟ إِنَّكُمۡ أَنتُمُ ٱلظَّٰلِمُونَ |
und sprachen: „Wahrlich, ihr seid die Frevler!“ |
ثُمَّ نُكِسُوا۟ عَلَىٰ رُءُوسِهِمۡ |
65 Dann erlitten sie doch einen Rückfall: |
لَقَدۡ عَلِمۡتَ مَا هَٰٓؤُلَآءِ يَنطِقُونَ |
„Du wusstest doch, dass diese nicht sprechen können!“ |
قَالَ أَفَتَعۡبُدُونَ مِن دُونِ ٱللَّهِ |
66 Er sprach: „Wollt ihr etwa außer Gott verehren, |
مَا لَا يَنفَعُكُمۡ شَيۡـًۭٔا وَلَا يَضُرُّكُمۡ |
was euch weder etwas nützt, noch schadet? |
أُفٍّ لَّكُمۡ وَلِمَا تَعۡبُدُونَ مِن دُونِ ٱللَّهِۖ |
67 Schande über euch und über das, was ihr außer Gott verehrt! |
أَفَلَا تَعۡقِلُونَ |
Wollte ihr nicht verständig sein?“ |
قَالُوا۟ حَرِّقُوهُ وَٱنصُرُوٓا۟ ءَالِهَتَكُمۡ |
68 Sie sprachen: „Verbrennt ihn und helft euren Göttern, |
إِن كُنتُمۡ فَٰعِلِينَ |
wenn ihr tatkräftig seid!“ |
قُلۡنَا يَٰنَارُ كُونِی بَرۡدًۭا وَسَلَٰمًا عَلَىٰۤ إِبۡرَٰهِيمَ |
69 Wir sprachen: „O Feuer, sei Kühlung und Sicherheit für Abraham!“ |
وَأَرَادُوا۟ بِهِۦ كَيۡدًۭا |
70 Und sie wollten einen listigen Anschlag auf ihn verüben, |
فَجَعَلۡنَٰهُمُ ٱلۡأَخۡسَرِينَ |
doch wir machten sie zu den größten Verlierern! |
وَنَجَّيۡنَٰهُ وَلُوطًا إِلَى ٱلۡأَرۡضِ |
2571 Und wir erretteten ihn und Lot in das Land, |
ٱلَّتِی بَٰرَكۡنَا فِيهَا لِلۡعَٰلَمِينَ |
das wir für die Weltenbewohner gesegnet haben. |
وَوَهَبۡنَا لَهُۥٓ إِسۡحَٰقَ وَيَعۡقُوبَ نَافِلَةًۭۖ |
72 Und wir schenkten ihm darüber hinaus Isaak und Jakob, |
وَكُلًّۭا جَعَلۡنَا صَٰلِحِينَ |
und machten ein jeden von ihnen zu Rechtschaffenen. |
وَجَعَلۡنَٰهُمۡ أَئِمَّةًۭ يَهۡدُونَ بِأَمۡرِنَا |
73 Und wir machten sie zu Vorbildern, die nach unserem Geheiß leiten, |
وَأَوۡحَيۡنَآ إِلَيۡهِمۡ فِعۡلَ ٱلۡخَيۡرَٰتِ |
Wir gaben ihnen ein, Gutes zu tun, |
وَإِقَامَ ٱلصَّلَوٰةِ وَإِيتَآءَ ٱلزَّكَوٰةِ |
das Gebet zu verrichten und die Almosensteuer zu entrichten. |
وَكَانُوا۟ لَنَا عَٰبِدِينَ |
Sie waren uns zu Diensten! |
وَلُوطًا ءَاتَيۡنَٰهُ حُكۡمًۭا وَعِلۡمًۭا |
2674 Und Lot gaben wir Weisheit und Wissen, |
وَنَجَّيۡنَٰهُ مِنَ ٱلۡقَرۡيَةِ |
und retteten ihn von der Stadt, |
ٱلَّتِی كَانَت تَّعۡمَلُ ٱلۡخَبَٰٓئِثَۗ |
die Widerwärtiges tat. |
إِنَّهُمۡ كَانُوا۟ قَوۡمَ سَوۡءٍۢ فَٰسِقِينَ |
Sie waren ein schändliches und abgeirrtes Volk! |
وَأَدۡخَلۡنَٰهُ فِی رَحۡمَتِنَآۖ |
75 Und wir ließen ihn in unsere Barmherzigkeit eingehen. |
إِنَّهُۥ مِنَ ٱلصَّٰلِحِينَ |
Er war einer der Rechtschaffenen! |
وَنُوحًا إِذۡ نَادَىٰ مِن قَبۡلُ |
2776 Und Noah, als er uns vormals anrief, |
فَٱسۡتَجَبۡنَا لَهُۥ |
da erhörten wir ihn, |
فَنَجَّيۡنَٰهُ وَأَهۡلَهُۥ مِنَ ٱلۡكَرۡبِ ٱلۡعَظِيمِ |
und retteten ihn und seine Familie von der gewaltigen Bedrängnis. |
وَنَصَرۡنَٰهُ مِنَ ٱلۡقَوۡمِ |
77 Und wir halfen ihm gegen das Volk, |
ٱلَّذِينَ كَذَّبُوا۟ بِـَٔايَٰتِنَآۚ |
das unsere Zeichen für Lüge erklärte. |
إِنَّهُمۡ كَانُوا۟ قَوۡمَ سَوۡءٍۢ |
Sie waren ein schändliches Volk, |
فَأَغۡرَقۡنَٰهُمۡ أَجۡمَعِينَ |
so ließen wir sie allesamt ertrinken. |
وَدَاوُۥدَ وَسُلَيۡمَٰنَ إِذۡ يَحۡكُمَانِ فِی ٱلۡحَرۡثِ |
2878 Und David und Salomo, als sie über den Acker richteten, |
إِذۡ نَفَشَتۡ فِيهِ غَنَمُ ٱلۡقَوۡمِ |
als Schafe fremder Leute darauf grasten. |
وَكُنَّا لِحُكۡمِهِمۡ شَٰهِدِينَ |
Wir waren Zeugen ihres Richterspruches! |
فَفَهَّمۡنَٰهَا سُلَيۡمَٰنَۚ |
79 Und Salomo gaben wir dazu Verständniskraft, |
وَكُلًّا ءَاتَيۡنَا حُكۡمًۭا وَعِلۡمًۭاۚ |
und einem Jeden gaben wir Befehlsgewalt und Wissen. |
وَسَخَّرۡنَا مَعَ دَاوُۥدَ ٱلۡجِبَالَ يُسَبِّحۡنَ |
Und wir machten mit David die Berge dienstbar, dass sie preisen, |
وَٱلطَّيۡرَۚ |
ebenso die Vögel. |
وَكُنَّا فَٰعِلِينَ |
Wahrlich, wir taten es! |
وَعَلَّمۡنَٰهُ صَنۡعَةَ لَبُوسٍۢ لَّكُمۡ |
80 Und wir lehrten ihn die Anfertigung von Panzern für euch, |
لِتُحۡصِنَكُم مِّنۢ بَأۡسِكُمۡۖ |
damit sie euch vor eurer Gewalt schützen. |
فَهَلۡ أَنتُمۡ شَٰكِرُونَ |
Seid ihr denn dankbar? |
وَلِسُلَيۡمَٰنَ ٱلرِّيحَ عَاصِفَةًۭ |
81 Und für Salomo: den heftigen Wind, |
تَجۡرِی بِأَمۡرِهِۦٓ إِلَى ٱلۡأَرۡضِ |
der auf seinen Befehl auf dem Land wehte, |
ٱلَّتِی بَٰرَكۡنَا فِيهَاۚ |
das wir gesegnet haben. |
وَكُنَّا بِكُلِّ شَىۡءٍ عَٰلِمِينَ |
Wir wussten um jede Sache. |
وَمِنَ ٱلشَّيَٰطِينِ مَن يَغُوصُونَ لَهُۥ |
82 Und einige Satane tauchten für ihn; |
وَيَعۡمَلُونَ عَمَلًۭا دُونَ ذَٰلِكَۖ |
und verrichteten noch weitere Arbeiten. |
وَكُنَّا لَهُمۡ حَٰفِظِينَ |
Wir waren Hüter über sie. |
وَأَيُّوبَ إِذۡ نَادَىٰ رَبَّهُۥٓ |
2983 Und Hiob, als er seinen Herrn anrief: |
أَنِّی مَسَّنِیَ ٱلضُّرُّ |
„Mich traf das Unglück, |
وَأَنتَ أَرۡحَمُ ٱلرَّٰحِمِينَ |
doch du bist der barmherzigste Erbarmer!“ |
فَٱسۡتَجَبۡنَا لَهُۥ فَكَشَفۡنَا مَا بِهِۦ مِن ضُرٍّ |
84 Da erhörten wir ihn und behoben das Unglück, das ihn getroffen hatte. |
وَءَاتَيۡنَٰهُ أَهۡلَهُۥ وَمِثۡلَهُم مَّعَهُمۡ |
Wir gaben ihm seine Familie und verdoppelten sie, |
رَحۡمَةًۭ مِّنۡ عِندِنَا وَذِكۡرَىٰ لِلۡعَٰبِدِينَ |
aus Barmherzigkeit von uns und als Mahnung für die Diener. |
وَإِسۡمَٰعِيلَ وَإِدۡرِيسَ وَذَا ٱلۡكِفۡلِۖ |
3085 Ebenso Ismael, ʾIdrīs und ḏu l-kifl, |
كُلٌّۭ مِّنَ ٱلصَّٰبِرِينَ |
Ein jeder von ihnen gehörte zu den Geduldigen“ |
وَأَدۡخَلۡنَٰهُمۡ فِی رَحۡمَتِنَآۖ |
86 Und wir ließen sie in unsere Barmherzigkeit eingehen, |
إِنَّهُم مِّنَ ٱلصَّٰلِحِينَ |
sie gehörten zu den Rechtschaffenen! |
وَذَا ٱلنُّونِ إِذ ذَّهَبَ مُغَٰضِبًۭا |
3187 Und den mit dem Fisch, als er verärgert wegging, |
فَظَنَّ أَن لَّن نَّقۡدِرَ عَلَيۡهِ |
und glaubte, dass wir keine Macht über ihn haben werden. |
فَنَادَىٰ فِی ٱلظُّلُمَٰتِ أَن لَّآ إِلَٰهَ إِلَّآ أَنتَ |
Doch rief er dann in der Finsternis: „Es gibt keinen Gott außer dir! |
سُبۡحَٰنَكَ إِنِّی كُنتُ مِنَ ٱلظَّٰلِمِينَ |
Gepriesen seist Du! Ich war tatsächlich einer der Frevler!“ |
فَٱسۡتَجَبۡنَا لَهُۥ وَنَجَّيۡنَٰهُ مِنَ ٱلۡغَمِّۚ |
88 Da erhörten wir ihn und retteten ihn aus der Agonie, |
وَكَذَٰلِكَ نُجِۨی ٱلۡمُؤۡمِنِينَ |
derart retten wir die Gläubigen. |
وَزَكَرِيَّآ إِذۡ نَادَىٰ رَبَّهُۥ |
3289 Und Zacharias, als er seinen Herrn anrief: |
رَبِّ لَا تَذَرۡنِی فَرۡدًۭا |
„Mein Herr, lass mich nicht allein! |
وَأَنتَ خَيۡرُ ٱلۡوَٰرِثِينَ |
Du bist der beste Erbe!“ |
فَٱسۡتَجَبۡنَا لَهُۥ وَوَهَبۡنَا لَهُۥ يَحۡيَىٰ |
90 Da erhörten wir ihn und schenkten ihm Johannes. |
وَأَصۡلَحۡنَا لَهُۥ زَوۡجَهُۥٓۚ |
Derart stellten wir ihm seine Frau wieder her. |
إِنَّهُمۡ كَانُوا۟ يُسَٰرِعُونَ فِی ٱلۡخَيۡرَٰتِ |
Sie eilten um die guten Taten, |
وَيَدۡعُونَنَا رَغَبًۭا وَرَهَبًۭاۖ |
und riefen zu uns in Furcht und in Verlangen. |
كَانُوا۟ لَنَا خَٰشِعِينَ |
Sie waren uns gegenüber demütig. |
وَٱلَّتِیٓ أَحۡصَنَتۡ فَرۡجَهَا |
3391 Und diejenige, die ihre Scham bewahrte; |
فَنَفَخۡنَا فِيهَا مِن رُّوحِنَا |
Wir hauchten ihr von unserem Geist ein, |
وَجَعَلۡنَٰهَا وَٱبۡنَهَآ ءَايَةًۭ لِّلۡعَٰلَمِينَ |
und machten sie und ihren Sohn zu einem Zeichen für die Weltenbewohner. |
إِنَّ هَٰذِهِۦٓ أُمَّتُكُمۡ أُمَّةًۭ وَٰحِدَةًۭ |
3492 Wahrlich, das ist eure Gemeinschaft, eine einzige Gemeinschaft, |
وَأَنَا۠ رَبُّكُمۡ فَٱعۡبُدُونِ |
und ich bin euer Herr, so dient mir! |
وَتَقَطَّعُوٓا۟ أَمۡرَهُم بَيۡنَهُمۡۖ |
93 Und doch brachen sie untereinander das Band in ihrer Angelegenheit. |
كُلٌّ إِلَيۡنَا رَٰجِعُونَ |
Jeder wird zu uns zurückkehren! |
فَمَن يَعۡمَلۡ مِنَ ٱلصَّٰلِحَٰتِ وَهُوَ مُؤۡمِنٌۭ |
94 Und wer gute Taten im Glauben vollzieht, |
فَلَا كُفۡرَانَ لِسَعۡيِهِۦ |
dessen Anstrengung erfährt keinen Undank. |
وَإِنَّا لَهُۥ كَٰتِبُونَ |
Wir schreiben es ihm auf! |
وَحَرَٰمٌ عَلَىٰ قَرۡيَةٍ أَهۡلَكۡنَٰهَآ |
95 Und verboten ist es einer Stadt, die wir zerstörten, |
أَنَّهُمۡ لَا يَرۡجِعُونَ |
dass sie je zurückkehren, |
حَتَّىٰۤ إِذَا فُتِحَتۡ يَأۡجُوجُ وَمَأۡجُوجُ |
96 bis das Gog und Magog losgelassen werden, |
وَهُم مِّن كُلِّ حَدَبٍۢ يَنسِلُونَ |
von allen Seiten herbeieilend. |
وَٱقۡتَرَبَ ٱلۡوَعۡدُ ٱلۡحَقُّ |
III3597 Und so ist die wahre Verheißung nahegerückt. |
فَإِذَا هِیَ شَٰخِصَةٌ أَبۡصَٰرُ ٱلَّذِينَ كَفَرُوا۟ |
Siehe da, starr sind die Blicke jener, die ungläubig waren: |
يَٰوَيۡلَنَا قَدۡ كُنَّا فِی غَفۡلَةٍۢ مِّنۡ هَٰذَا |
„Wehe uns, wir waren diesbezüglich in Achtlosigkeit, |
بَلۡ كُنَّا ظَٰلِمِينَ |
doch frevelten wir nur!“ |
إِنَّكُمۡ وَمَا تَعۡبُدُونَ مِن دُونِ ٱللَّهِ |
98 Ihr und das, was ihr außer Gott verehrt, |
حَصَبُ جَهَنَّمَ |
seid Brennstoff der Hölle. |
أَنتُمۡ لَهَا وَٰرِدُونَ |
In ihr werdet ihr hinabkommen! |
لَوۡ كَانَ هَٰٓؤُلَآءِ ءَالِهَةًۭ مَّا وَرَدُوهَاۖ |
99 Wären diese da tatsächlich Götter, dann müssten sie nicht zu ihr hinabsteigen! |
وَكُلٌّۭ فِيهَا خَٰلِدُونَ |
Ein Jeder wird dort ewig verweilen! |
لَهُمۡ فِيهَا زَفِيرٌۭ |
100 Dort gibt es für sie nur Stöhnen, |
وَهُمۡ فِيهَا لَا يَسۡمَعُونَ |
und dort hören sie nichts. |
إِنَّ ٱلَّذِينَ سَبَقَتۡ لَهُم مِّنَّا ٱلۡحُسۡنَىٰۤ |
101 Diejenigen, denen das Schönste von uns bestimmt ist, |
أُو۟لَٰٓئِكَ عَنۡهَا مُبۡعَدُونَ |
werden von ihr ferngehalten. |
لَا يَسۡمَعُونَ حَسِيسَهَاۖ |
102 Sie hören ihr Raunen nicht, |
وَهُمۡ فِی مَا ٱشۡتَهَتۡ أَنفُسُهُمۡ خَٰلِدُونَ |
und verweilen in Ewigkeit mit dem, was sie begehren. |
لَا يَحۡزُنُهُمُ ٱلۡفَزَعُ ٱلۡأَكۡبَرُ |
103 Kein noch so großes Schrecken macht sie traurig! |
وَتَتَلَقَّىٰهُمُ ٱلۡمَلَٰٓئِكَةُ |
Und die Engel werden sie empfangen: |
هَٰذَا يَوۡمُكُمُ ٱلَّذِی كُنتُمۡ تُوعَدُونَ |
„Das ist euer Tag, der euch versprochen wurde!“ |
يَوۡمَ نَطۡوِی ٱلسَّمَآءَ |
104 Der Tag, an dem wir den Himmel zusammenfalten, |
كَطَىِّ ٱلسِّجِلِّ لِلۡكُتُبِۚ |
wie man die Schriftrolle für das Schreiben/Geschriebene [li-l-kitābi] faltet; |
كَمَا بَدَأۡنَآ أَوَّلَ خَلۡقٍۢ |
so wie wir die erste Schöpfung begannen, |
نُّعِيدُهُۥۚ وَعۡدًا عَلَيۡنَآۚ |
wir wiederholen es gemäß dem uns obliegendem Versprechen. |
إِنَّا كُنَّا فَٰعِلِينَ |
Wahrlich, wir tun es! |
وَلَقَدۡ كَتَبۡنَا فِی ٱلزَّبُورِ مِنۢ بَعۡدِ ٱلذِّكۡرِ |
105 Wir schrieben im Psalter nach der Mahnung, |
أَنَّ ٱلۡأَرۡضَ يَرِثُهَا عِبَادِیَ ٱلصَّٰلِحُونَ |
dass meine rechtschaffenen Diener das Land erben werden. |
إِنَّ فِی هَٰذَا لَبَلَٰغًۭا لِّقَوۡمٍ عَٰبِدِينَ |
106 Hierin ist eine Mitteilung für ein Volk, das dient. |
وَمَآ أَرۡسَلۡنَٰكَ إِلَّا رَحۡمَةًۭ لِّلۡعَٰلَمِينَ |
107 Und wir haben dich nur aus Barmherzigkeit für die Weltenbewohner gesandt! |
قُلۡ إِنَّمَا يُوحَىٰۤ إِلَىَّ |
108 Sprich: „Mir wurde eingegeben, |
أَنَّمَآ إِلَٰهُكُمۡ إِلَٰهٌۭ وَٰحِدٌۭۖ |
dass euer Gott ein einziger Gott ist. |
فَهَلۡ أَنتُم مُّسۡلِمُونَ |
Wollt ihr nun Gottergeben sein? |
فَإِن تَوَلَّوۡا۟ فَقُلۡ ءَاذَنتُكُمۡ عَلَىٰ سَوَآءٍۢۖ |
109 Und wenn sie sich abwenden, dann sprich: „Ich habe euch - für alle gleich - kundgetan. |
وَإِنۡ أَدۡرِیٓ أَقَرِيبٌ أَم بَعِيدٌۭ مَّا تُوعَدُونَ |
Und ich weiß nicht, ob das, was euch verheißen wird, nah oder fern ist.“ |
إِنَّهُۥ يَعۡلَمُ ٱلۡجَهۡرَ مِنَ ٱلۡقَوۡلِ |
110 Er weiß von dem offenkundig Gesagten |
وَيَعۡلَمُ مَا تَكۡتُمُونَ |
und weiß, was ihr verbergt. |
وَإِنۡ أَدۡرِی لَعَلَّهُۥ فِتۡنَةٌۭ لَّكُمۡ |
111 Und ich weiß nicht, ob es eine Versuchung für euch ist, |
وَمَتَٰعٌ إِلَىٰ حِينٍۢ |
und eine Nutznießung für eine Weile. |
قَٰلَ رَبِّ ٱحۡكُم بِٱلۡحَقِّۗ |
112 Sprich [qul]: „Mein Herr, richte nach der Wahrheit! |
وَرَبُّنَا ٱلرَّحۡمَٰنُ ٱلۡمُسۡتَعَانُ |
Unser Herr ist der Barmherzige, dem um Hilfe gebeten wird, |
عَلَىٰ مَا تَصِفُونَ |
gegen das, was ihr beschreibt. |
Die Sure bildet mit dem durchgehenden Reim auf 2n/m eine Einheit. Einzig für die V. 3-5 lässt sich die Möglichkeit eines Einschubs erwägen. Streicht man die entsprechenden Verse, dann bilden die V. 2 und V. 6-8 eine jeweils durch die Verneinungspartikel mā eingeleitete Serie von universalen Aussagen über Gottes Zuwendung an die Menschen durch Gesandte und die menschliche Reaktion darauf. Die V. 3-5 sprengen durch ihre polemische Stoßrichtung die thetische Stringenz der mā-Serie. Bell erwägt, dass der ḥāl-Einsatz zu Beginn von V. 3 (lāhiyatan qulūbuhum) das ursprüngliche Ende von V. 2 markiert und dass der Rest von V. 3 bis V. 5 einen Einschub darstellt (vgl. Bell 1991, 541). Jedoch wird damit der durchgehende Reim auf 2n/m nicht mehr aufrechterhalten (qulūbuhum als neuer Versschluss). Ein möglicher Einschub muss also den ganzen V. 3 umfassen, wobei dann der ḥāl-Einsatz zu Beginn ein Enjambement darstellt.
Gegen einen Einschub spricht der Umstand, dass die Aussage von V. 2 sehr vage und unklar bleiben würde. Denn die V. 3-5 erklären erst, was unter yalʿabūn („spielend“) als Ablehnung der Mahnung zu verstehen ist: Die Zurückweisung der koranischen Verkündigung als Zauberei und Werk eines Dichters. In Q 54, die ebenso eschatologisch mit dem Verb iqtaraba einsetzt, ist der Vorwurf der Zauberei (siḥr) bereits als Ausdruck der ablehnenden Haltung (muʿriḍūn) der Menschen etabliert (Q 54:1-2). In den V. 3-4 von Q 21 wird nun der ganze Katalog der bis dato gemachten polemischen Vorwürfe (siḥr, šāʿir, bašar,ʾaḍġāṯu ʾaḥlāmin) genannt. Da im Verlauf der Q 21 wiederholt auf diese Polemik – und auch auf die in der mā-Serie formulierten Aussagen – Bezug genommen wird, wäre der antizipatorische Charakter des Surenanfangs bei einem Wegfall der V. 3-5 gestört. Des Weiteren bildet der erste Teil der Sure mit 48 Versen das numerische Gegenstück zum narrativen Mittelteil (48 Verse). Würde man die V. 3-5 als Einschub weglassen, dann ergäben der Anfangs- und Mittelteil keine symmetrische Proportion mehr.
Versabteilungsdifferenzen
In der Koranausgabe von Flügel wird in V. 28 nach yašfaʿūn ein Versschluss gesetzt (vgl. zu den Versabteilungsdifferenzen Neuwirth, SKMS, 42). Da auch sonst ʾillā-Teilsätze zur Bekräftigung der Ausnahme einen eigenen Vers bilden, ist auch in diesem Fall nach yašfaʿūn ein Versschluss zu setzen. Der durchgehend gleiche Reim der Sure wird dabei aufrechterhalten.
Von den traditionellen Verszählern setzt einzig Kufa in V. 66 bei wa-lā yaḍurrukum einen Versschluss. Dadurch wird der durchgehende Reim auf 2n/m unterbrochen. Da V. 66 gemeinsam mit V. 67 keinen überlangen Vers bildet, ist in Übereinstimmung mit der Mehrheit der traditionellen Verszähler erst mit V. 67 eine Abteilung zu setzen.
Literaturliste
In den Versen V. 4 und V. 112 ist die Lesart qul gegen qāla vorzuziehen. Durch qāla wird der paränetische Duktus von Rede und Gegenrede unterbrochen, der in diesem Passus vorauszusetzen ist. Dafür spricht auch, dass im abschließenden Teil der Sure in den Versen V. 108 und V. 109 ausschließlich die Lesart qul überliefert wird, wozu im Verlauf die Lesung qāla in V. 112 nicht passen würde. Eine in V. 4 durch qāla gegebene Wiedergabe eines Gesprächs würde auch den für die ein- und ausleitenden Teile einer Sure typischen Duktus der direkten Anrede an den Verkünder konterkarieren. Zudem wird mehrheitlich gegen ʿĀṣim nach Ḥafṣ die Lesart qul überliefert.
In V. 96 ist die Lesung yāǧūǧu wa-māǧūǧu ohne Hamza gegen ʿĀṣim nach Ḥafṣ (yaʾǧūǧu wa-maʾǧūǧu) vorzuziehen. Derart entspricht die Bezeichnung der Konvention koranischer Nomenklatur, die bei Lehnwörtern oftmals die Form fāʿūl voraussetzt: ṭālūt, ǧālūt, hārūt, mārūt etc. (vgl. Horovitz, KU, 81 f.). Während māǧūǧ das hebräische/syrische māgōg wiedergibt, wurde die Bezeichnung für Gog gemäß der Form von māǧūǧ angeglichen: yāǧūǧ (vgl. Horovitz, KU, 150 und Jeffery, FVQ, 288 f.). Diese Angleichung wurde wahrscheinlich dadurch vermittelt, dass es im Syrischen neben gōg auch die Form agōg gibt (vgl. ebd.). Eine mögliche Reminiszenz an letzterem ist die überlieferte Lesart āǧūg wa-māǧūǧ/maʾǧūǧ von al-ʿAǧǧāǧ und seinem Sohn Ruʾba, wobei auch der Name von al-ʿAǧǧāǧ bei der Aussprache von yāǧūǧ als āǧūg eine Rolle gespielt haben mag (vgl. al-Ḫaṭīb, Muʿǧam al-qirāʾāt, Band 6, 59).
Die hier präferierte Lesart yāǧūǧu wa-māǧūǧu ohne Hamza wird auch einheitlich von allen anderen kanonischen Lesern überliefert.
Zur vergleichenden Wendung (yauma naṭwi s-samāʾa ka-ṭaiyi s-siǧilli li-l-kutubi: „der Tag, an dem wir den Himmel zusammenfalten, wie man die Rolle zu Schriften faltet“) in V. 104 wird von der Mehrheit der kanonischen Leser neben der Lesung von ʿĀṣim nach Ḥafṣ (li-l-kutubi) auch der Singular li-l-kitābi überliefert. Die Präferenz für die jeweilige Lesart hängt von der Bedeutung und dem Verständnis des koranischen Hapaxlegomenon siǧill ab. Der etymologische Ursprung der arabischen Bezeichnung liegt im lateinischen sigillum, das einen Siegel bezeichnet, wobei mit der Zeit auch das besiegelte Medium damit gemeint werden konnte (vgl. De Blois, Art. Sidjill, EI2, 538. Im byzantinischem Griechisch (σιγίλλον) war der Begriff für ein Edikt üblich und hat dann wohl über das Syrische (sygylywn) auch Eingang in den Koran gefunden (vgl. ebd.). Hier meint er das Medium eines Siegels oder eines Edikts (Rolle, Schriftstück). Hält man an dieser Bedeutung fest, dann bergen beide Lesarten (li-l-kutubi/li-l-kitābi) das Problem, dass sie in dieser Wendung nicht klar und tautologisch sind: „wie man die Rolle/das Schriftstück zu Schriften/zur Schrift faltet“. Traditionelle Exegeten wie Rāzī und Ṭabarī versuchen die Konstruktion zu erklären, indem sie kitāb als Verbalsubstantiv ernst nehmen. Nach einer Lehrmeinung paraphrasiert Rāzī siǧill als ṭūmār (Schriftrolle) und weist darauf hin, dass es zur Funktion einer Rolle gehört, dass diese in zusammengefaltetem Zustand das Geschriebene (maktūb) oder das, was man schreibt (kitāb/kitāba), verbirgt (vgl. Rāzī, at-Tafsīr al-kabīr, Band 22, 228). Ṭabarī versteht das arabische siǧill als ṣaḥīfa und präferiert auch die Lesart des Verbalsubstantivs kitāb. Man müsse die Präposition li- im Sinne von ʿalā deuten, sodass hier das Zusammenfalten einer Rolle gemeint sei, auf der etwas Geschriebenes steht oder auf der man schreibt (ka-mā yuṭwā s-siǧillu ʿalā mā fīhi mina l-kitāb) (vgl. aṭ-Ṭabarī, Ǧāmiʿ al-bayān ʿan taʾwīl āy al-Qurʾān, Band 16, 425 f.). Tatsächlich gibt es bereits frühmekkanisch die Vorstellung von Schriftrollen (ṣuḥuf), die ausgebreitet und entrollt werden (našr) (vgl. Q 74:52; Q 81:10). Das Zusammenfalten/Zusammenrollen (ṭaiy) des Himmels bzw. der Schöpfung in V. 104 (für den Ursprung dieses Motives siehe Verskommentar) ist dann als Inversion der Ausrollung (našr) der Tatenregister des Menschen am Tag des Jüngsten Gerichts zu verstehen. In V. 104 wird ja erklärt, dass man mit dem Zusammenrollen der Himmel die erste Schöpfung (ʾawwalu ḫalqin) als Entfaltung von Himmel und Erde wiederholt, die im Anfangsteil der Sure auch beschrieben wird (Q 21:30). Der Zusammenfaltung (ṭaiy) der Schöpfung in der Endzeit korrespondiert also das Ausrollen (našr) der Tatenregister, die bis dato zusammengerollt waren. Gemäß der lectio difficilior potior ist die Lesart li-l-kitābi als etwas umständlicher Verweis auf die menschlichen Tatenregister und ihrer Funktion der Speicherung der protokollierten Taten vorzuziehen: „der Tag, an dem wir den Himmel zusammenfalten, wie man die Schriftrolle für das Schreiben/Geschriebene [für die Speicherung der geschriebenen Taten] faltet“. Die Lesart li-l-kitābi ist damit nicht tautologisch und ein wiederholter Verweis auf irgendeine Schrift, sondern als Spezifikation der eschatologischen Schriftrolle zu verstehen. Bell hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Lesart li-l-kutubi wie eine Paraphrase wirkt (vgl. Bell 1991, 559). Es ist möglich, dass das Hapaxlegomenon siǧill als unverständlicher Begriff durch die Lesart li-l-kutubi wieder verständlich gemacht wurde. Die Mehrheit der kanonischen Leser hat nichtsdestotrotz die ursprüngliche Lesung li-l-kitābi bewahrt.
Die sonst zu Q 21 überlieferten Lesarten sind explikativer Natur. Sie vertiefen oftmals durch Auslotung von grammatisch möglichen Lesarten den Sinn des Textes oder beseitigen eine vermeintliche Unklarheit.
Literaturliste
I A Einleitung: Gericht, Polemik und Verheißung | |
1 1 iqtaraba-Einleitung: Nahesein des Gerichts | |
1 2 Leugnung und Polemik gegen die Mahnung (ḏikr) | |
3 3-5 Exemplifizierung der Polemik | |
1 6 Fortsetzung der mā-Serie: ihlāk | |
1 7 Jedem vorherigem Gesandten wurde eingegeben | |
1 8 Die Gesandten haben sterbliche Körper | |
1 9 Erfüllung der Verheißung (waʿd): Rettung der Gesandten und Bestrafung der Maßlosen | |
B Polemik: Schöpfungsayāt, Mehrgottverehrung, Spott und Verheißung | |
1 10 Herabsendung der Schrift als Mahnung (ḏikr) | |
5 11-15 Zerstörung frevlerischer Städte (ihlāk), Gerichtszene | |
3 16-18 Erschaffung der Schöpfung nicht aus Kurzweil | |
2 19-20 Alle Wesen dienen unentwegt Gott | |
3 21-23 Mehrgottverehrung und Schöpfung | |
1 24 Herausforderung an Polytheisten | |
6 25-29 Eingebung des Monotheismus an Gesandten/ Polemik (28=2V.) | |
4 30-33 Schöpfungsayāt: ǧaʿala-Serie | |
2 34-35 Sterblichkeit des Propheten und der Menschen | |
C Polemik: Zusammenfassung, Prophetenzuspruch | |
1 36 Der Prophet als Gespött der Menschen | |
4 37-40 Zeitpunkt der Erfüllung der Verheißung/ Strafe | |
3 41-43 Verspottung vorheriger Gesandten und Strafe | |
2 44-45 Irdische Kurzweil und Strafe/ Renitenz der Ungläubigen | |
2 46-47 Umkehr der Ungläubigen, wenn es zu spät ist/ ḥisāb | |
II Narrative Kern: Rettung und Zuwendung (naǧāh, ʾītāʾ, istiǧāba) | |
3 48-50 Moses und Aaron: Rettung (furqān) und Rechtleitung | |
22 51-73 Abraham: Rettung und Zuwendung | |
51-58 Disputation I: Abrahams Rede gegen die Götzen/ Zerstörung | |
59-70 Disputation II: Suche nach dem Schuldigen/ naǧāh Abrahams | |
71-73 Rettung von Abraham und Lot (66/67=1V.) | |
2 74-75 Lot: Zuwendung und Rettung | |
2 76-77 Noah: Rettung und Zuwendung | |
5 78-82 David und Salomo: Zuwendung | |
2 83-84 Hiob: Zuwendung | |
2 85-86 Ismael, ʾIdrīs und ḏū l-kifl: Zuwendung | |
2 87-88 Jona: Rettung und Zuwendung | |
2 89-90 Zacharias: Zuwendung | |
1 91 Maria und Jesus: Zuwendung | |
2 92-93 Einheit der Gemeinschaft der Frommen und ihre Entzweiung | |
3 94-96 Gerechter ḥisāb / Gog und Magog | |
III Gericht, Polemik, Prophetenzuspruch | |
7 97-103 Nahesein des Endgerichts/ Doppelbild | |
3 104-106 Erfüllung der Verheißungen (Schöpfung und Erbe) | |
2 107-108 Muhammad aus Barmherzigkeit gesandt | |
4 109-112Zeitpunkt der Erfüllung der Verheißung als Versuchung |
Strukturformel/Proportionen:
Teil I: 48 Verse | Teil II: 48 Verse | Teil III: 16 Verse |
9 (1+1+3+1+1+1+1) + 27 (1+5+3+2+3+1+6+4+2) + 12 (2+3+3+2+2) | (3+22+2+2+5+2+2+2+2+1+2+3) | (7+3+2+4) |
Literaturliste
V. 1 iqtaraba li-n-nāsi ḥisābuhum wa-hum fī ġaflatin muʿriḍūn] Die Die Sure beginnt proklamatorisch mit dem Verweis auf das Nahesein der Abrechnung. Ḥisāb ist einer der pars-pro-toto-Begriffe für die eschatologische Endzeit: Gericht (dīn), Auferstehung (qiyāma) und Stunde (sāʿa) stehen jeweils prozessual und szenisch für die Endzeit. Dass diese Begriffe dieselbe eschatologische Verweisfunktion haben, zeigt sich anhand des ersten Verses der mittelmekkanischen Sure Q 54, die ebenso mit iqtaraba das Nahesein der Endzeit verkündigt. Jedoch ist es in diesem Fall nicht die Abrechnung (ḥisāb), die kurz bevorsteht, sondern die Stunde (sāʿa). Im Gegensatz zu den frühmekkanischen Suren, die noch projektiv und expressiv die eschatologischen Vorgänge und Szenerien ausmalen, zeugen der Beginn von Q 54 und Q 21 von einem neuen Duktus: Es wird nun assertorisch und im Perfekt bereits die Nähe der Endzeit konstatiert (vgl. Neuwirth, HKII/I, 114-117). Diese neue Ausdrucksweise lässt sich zwar als Indikator für eine imminente Eschatologie deuten, jedoch zeigt der jeweilige Surenverlauf von Q 54 und Q 21, dass man eher eine Änderung der Gesprächskonstellation und des Diskursrahmens annehmen muss. Für Q 54:1 ist es weniger relevant, ob tatsächlich eine Spaltung des Mondes / Mondfinsternis stattgefunden hat. Denn die Faktizität der eschatologischen Endzeit und ihre Abweisung wird sogleich im Fortgang der Sure der Leugnung (takḏīb) von Zeichen (ʾāyāt) und von Warnungen (nuḏur) gegenübergestellt (Q 54:2-5; Q 54:9; Q 54:18; Q 54:23; Q 54:33; Q 54:41). Frühmekkanisch werden bereits die Abrechnung (ḥisāb) und die Stunde (sāʿa) in ihrer eschatologischen Wirklichkeit bestritten (Q 79:42; Q 78:27; Q 69:20, Q 69:26). Ihre Leugnung stellt ebenso wie die Verkennung der göttlichen Zeichen (ʾāyāt) und der Mahnung (ḏikr) eine Haltung gegenüber zu verhandelnden Propositionen dar. Diese Gegenüberstellung zur vormaligen Leugnung von Zeichen und Warnungen verdeutlicht, dass es die Botschaft von der eschatologischen Endzeit ist, die schon zuvor bei anderen Völkern abgelehnt wurde und nicht die Realität ihres Beginns (auch in der syrisch-christlichen Tradition wird die Dringlichkeit und das Nahesein des Endgerichts betont, obwohl man eigentlich gar nicht weiß, wann der Zeitpunkt des Endgerichts sein wird, vgl. Sinai 2017, 237 f.). Rāzī spricht dann auch im Zusammenhang mit Q 54:1 von einem iqtirāb ʿaqlī, also einem gedanklichen oder propositionalen Nahesein der Stunde, das aufgrund der Überzeugung von seiner einstigen Realität jetzt schon im Perfekt als eingetroffen behauptet wird (vgl. Rāzī, at-Tafsīr al-kabīr, Band 29, 30 f.). Man könnte nun zu Recht überlegen, ob das Nahesein der Abrechnung in Q 21:1 und in Q 54:1konzeptionell als perfectum propheticum oder perfectum confidentiae zu verstehen ist. Zumindest für das perfectum propheticum scheint es nicht festzustehen, ob es tatsächlich ein grammatikalisches Phänomen bezeichnet (vgl. Klein 1990, 45-60), weshalb auch die nominelle Kennzeichnung des Perfekts in Q 21:1 / Q 54:1 weniger entscheidend ist. Im Vordergrund sollte der Sachverhalt stehen, dass im Vergleich zu den ʾiḏa-Serien der frühmekkanischen Suren formal eine Steigerung der Dringlichkeit der eschatologischen Endzeit festzustellen ist. Diese ist weniger dem Glauben an das tatsächlich bevorstehende Ende, sondern der argumentativen Ausweitung der Überzeugung geschuldet, dass die Erfüllung der eschatologischen Endzeit sicher ist und eingelöst wird. Diese Gewissheit wird so gesteigert, dass man bereits jetzt vom faktischen Nahesein sprechen kann. An die eigentliche Abrechnung (ḥisāb) bzw. Strafe wird im Surenverlauf dann auch grammatikalisch im Konjunktiv erinnert (Q 21:39f).
In Q 21:1 gibt es im Vergleich zu Q 54:1 und zu den frühmekkanischen Suren eine leichte Verschiebung des Akzentes. Die Spaltung des Mondes und die physische Beschreibung der eschatologischen Wehen in frühmekkanischen Suren sind Prozesse in räumlicher Dimension. Sie geben wieder, was es bedeutet, wenn diese Ereignisse räumlich eintreten und das Gericht kurz bevorsteht (iqtirāb makānī). Denn die Spaltung des Mondes und die sonstigen Zeichen sind transitiv Objekte der rationalen und empirischen Anschauung (raʾy, vgl. Q 54:2). In Q 21:1 wird das Nahesein der Abrechnung nun gänzlich in zeitlichen Kategorien fokussiert (iqtirāb zamānī). Der zentrale Topos von Q 21 ist das Verhältnis von Verheißung und Erfüllung. Das eschatologische Endgericht ist dabei eine Verheißung (waʿd), die sich neben anderen Verheißungen (Q 21:9, (Q 21:38, Q 21:97, Q 21:104) auch tatsächlich zeitlich einlösen wird.
Sowohl Q 54:1 also auch Q 21:1 erinnern in der Ermahnung zur Nähe der Endzeit an die basileia-Verkündigung der Evangelien, die u. a. den Charakter einer imminenten oder präsentischen Eschatologie hat. Das Reich Gottes ist nahe (vgl. Mt 3,2; 4,17; 10,7) oder bereits unter den Menschen (vgl. Lk 17,21). Womöglich ist das Bild vom „Nahesein“ sprachlich sogar über das Syrische vermittelt, das in der Peschitta zu Mt 3:2 dieselbe Wurzel wie das arabische iqtaraba hat (vgl. TUK, Nr. 1290). Jedoch ist die Wurzel q-r-b grundsätzlich in den semitischen Sprachen gut belegt (vgl. Zammit 2002, 335). Von Bedeutung ist hier auch eher das Motiv von der eschatologischen Nähe. Während in den Evangelien grundsätzlich Aussagen zur Präsenz des Gottesreiches auch Aussagen über das zukünftige Gottesreich gegenüberstehen und in der Exegese unterschiedlich vermittelt werden, kann man diesbezüglich koranisch nicht von derselben Ambivalenz sprechen. Aus der Beschreibung der eschatologischen Vorgänge folgt nicht die Erwartung ihres momentanen Hereinbrechens. Bereits frühmekkanisch wird die Frage nach dem Zeitpunkt der Stunde abgelehnt (Q 79:42-45). Wenn mit Q 54:1 und Q 21:1 die Präsenz der Endzeit als unmittelbar verkündigt wird, dann dient sie als Ausdruck der Gewissheit ihrer Erfüllung. Denn im Surenverlauf von Q 21:1 wird sogleich abgelehnt, dass der Prophet ein konkretes Datum für den Beginn der Endzeit nennen könnte: „Und wenn sie sich abwenden, dann sprich: ‚Ich habe euch - für alle gleich - kundgetan. Und ich weiß nicht, ob das, was euch verheißen wird, nah oder fern ist.‘“ (Q 21:109).
Die Mehrzahl der Übersetzer gibt den hāl-Satz in V. 1 (wa-hum fī ġaflatin muʿriḍūn) als aktive Handlung der Abwendung wieder (vgl. die Übersetzungen von Paret, Zirker, der Ahmadiyya etc.). Die argumentative Stoßrichtung legt aber nahe, dass man das Partizip muʿriḍūn - wie z.B. Bobzin - als einen Zustand wiedergibt: Die Leugner verhalten sich immer schon so, als ob es keine Abrechnung geben wird und sind deshalb abgewandt. Sie wenden sich also nicht aktiv ab, weil die Abrechnung bereits spürbar naht. Diese Ahnungs- und Sorglosigkeit vor dem naheliegenden Endgericht werden in ähnlicher Form auch in der syrisch-christlichen Predigtliteratur aus vorkoranischer Zeit angemahnt (vgl. Andrae 1926, 135-137; Sinai 2017, 258). So heißt es etwa bei Ephrem: „Aus der Lesung der Schriften * und aus der Erklärung ihrer Worte, aus den Zeiten und ihren Wechselfällen * (erhellt, daß) das Ende der Welt nahegekommen ist. Doch die Menschen kümmern sich nicht * um die Übung der Gerechtigkeit.“ (ESIII, II, Zeile 1-6).
V. 2-5 mā yaʾtīhim min ḏikrin min rabbihim muḥdaṯin ʾilla stamaʿūhu wa-hum yalʿabūn/ lāhiyatan qulūbuhum wa-ʾasarru n-naǧwa llaḏīna ẓalamū hal hāḏā ʾillā bašarun miṯlukum a-fa-taʾtūna s-siḥra wa-antum tubṣirūn/qul rabbī yaʿlamu l-qaula fi s-samāʾi wa-l-ʾarḍi wa-huwa s-samīʿu l-ʿalīm /bal qālū ʾaḍġāṯu ʾaḥlāmin bal iftarāhu bal huwa šāʿirun fa-l-yaʾtinā bi-ʾāyatin ka-mā ʾursila l-ʾawwalūn] Die V. 2-8 enthalten eine durch die Negativpartikel mā eingeleitete Serie an universalen Aussagen über Gottes Wirken in der Geschichte durch Gesandte und Propheten. Bis auf V. 2 bleiben die fast durchgehend in einer ʾillā-Konstruktion wiedergegebenen Stereotype der gottmenschlichen Interaktion sehr allgemein. Sie werden jedoch im Surenverlauf wortwörtlich, thematisch und stichwortartig wiederaufgenommen sowie entfaltet. Zusammen mit V. 9 kann man von dieser kaskadeartigen Verdichtung der menschlichen Reaktion auf das Gotteswort und die Natur der Gesandten auch in nuce als „Skelett“ der ganzen Sure sprechen. Die gewählte Konstruktion eines negativen Ausnahmesatzes dient dazu, die typologische Kontinuität der koranischen Verkündigung zur vormaligen Heilsgeschichte zum Ausdruck zu bringen.
V. 2 nimmt eine Wendung von Q 26:5 zur ablehnenden Haltung gegenüber der koranischen Ermahnung auf, wobei jetzt nicht mehr konkret von der Abwendung (muʿriḍūn) oder dem Spott (istihzāʾ) gegenüber der Verkündigung die Rede ist, sondern von der leichtfertigen und spielerischen Reaktion darauf (yalʿabūn). Was genau unter dieser „spielerischen Ignoranz“ zu verstehen ist, wird - durch ein Enjambement vermittelt (hāl-Konstruktion: lāhiyatan qulūbuhum) - in den V. 3-5 genauer ausgeführt. Es folgt eine kurze Inventarisierung der bis dato gemachten Anschuldigungen gegen den Verkünder und der Qualität der Verkündigung: Der koranischen Rede wird - wie den Wundern von Moses (Q 20:62 / Q 51:39) - eine zauberhafte und täuschende Wirkung vorgeworfen. Muhammad selbst sei nichts als ein Zauberer (sāḥir) (vgl. Neuwirth, KV). Die Gewöhnlichkeit des Verkünders als Mensch (bašar) steht im Kontrast zu der geforderten Fähigkeit zur Vollbringung von physischen Wundern (Q 26:186f / Q 17:90-94). Dieser Vorwurf der menschlichen Natur des Verkünders ist mittelmekkanisch als stereotype Entgegnung an Gesandte etabliert (Q 36:15), wobei Noah paradigmatisch als einer der Vorgänger Muhammads genannt wird, dem man seine gewöhnliche und nicht engelhafte Natur vorwirft (Q 23:24; Q 23:33). Als Dichter (šāʾir) wird der Prophet bereits in Frühmekka verunglimpft (Q 69:41 / Q 52:30). Im Hintergrund steht dabei die fragwürdige und unsichere Inspirationsquelle der Dichtung, die durch zweifelhafte Intervention durch den Teufel entstanden sein kann (Q 81:19-26). Die erstmalige Kennzeichnung der koranischen Rede als „wirre Träume“ (ʾaḍġāṯu ʾaḥlāmin) mag eine Anspielung auf die fragwürdige Dichter- oder auch Seherinspiration sein. Einzig im Zusammenhang von der Traumdeutung durch Josef wird diese Bezeichnung später nochmals gebraucht (Q 12:44).
Die Verspottung des Verkünders als sāḥir, šāʿir, bašar ließe sich, wie zuvor schon teilweise geschehen (mā ʾata llaḏīna min qablihim min rasūlin ʾillā qālū sāḥirun ʾau maǧnūnun, Q 51:52), im Sinne der mā-Serie jeweils thetisch als negativer Ausnahmesatz formulieren, jedoch sind diese polemischen Kennzeichnungen Explikation der bereits in V. 2 festgestellten spielerischen Ignoranz gegenüber der Ermahnung.
V. 6-8 mā ʾāmanat qablahum min qaryatin ʾahlaknāhā ʾa-fa-hum yuʾminūn/ wa-mā ʾarsalnā qablaka ʾillā riǧālan nūḥī ʾilaihim fa-sʾalū ʾahla ḏ-ḏikri ʾin kuntum lā taʿlamūn /wa-mā ǧaʿalnāhum ǧasadan lā yaʾkulūna ṭ-ṭaʿāma wa-mā kānū ḫālidīn] Die in V. 2 begonnene mā-Serie wird nun fortgesetzt, indem thetisch und allgemein auf Topoi der gottmenschlichen Interaktion verwiesen wird, die in Mittelmekka verhandelt werden: Die Suren dieser Phase enthalten im Mittelteil nun Strafberichte (ihlāk,ʿaḏāb), die gemäß dem Straflegendenmodell erinnert werden (Q 54:9-42; Q 15:49-84 etc.). Die Sterblichkeit und menschliche Natur der Gesandten wird der Forderung nach einem supranaturalen und engelhaften Wesen entgegengestellt (Q 23:24; Q 23:33; Q 17:90-94; Q 25:7). Und die Eingebung (waḥy) bezeichnet einen Modus der Vermittlung des Gotteswortes, der seit Frühmekka vorausgesetzt wird (vgl. zu waḥy und dem Verhältnis zu tanzīlNeuwirth, KTS, 120-137). Alle drei Elemente werden im Surenverlauf wiederholt aufgegriffen und spezifiziert: So etwa die Plötzlichkeit, mit der die Strafe (ihlāk) und das Gericht eilen (V. 11-15; V. 44-47). Ebenso wird die Eingebung im Kern als Verkündigung des Monotheismus ausformuliert (V. 25; V. 108) und die Absurdität der Unsterblichkeit Muhammads zurückgewiesen (V. 34-35). An Stelle der Unsterblichkeit Muhammads steht die Barmherzigkeit, die entscheidend mit seiner Sendung verknüpft ist (V. 107).
V. 9 ṯumma ṣadaqnāhumu l-waʿda fa-ʾanǧaināhum wa-man našāʾu wa-ʾahlakna l-musrifīn] Die mā-Serie kulminiert in V. 9 zu dem Versprechen oder der Verheißung (waʿd), dass Gott die Gesandten und Gläubigen gerettet (naǧāh) und ihre Peiniger bestraft (ihlāk) hat. Mit dem Begriff des waʿd ist der zentrale Topos der Sure angesprochen. Wörtlich ist insgesamt viermal in Q 21 von waʿd die Rede, wobei an den restlichen Stellen der waʿdu l-ḥisāb, also die Verheißung von der Abrechnung gemeint ist (V. 38; V. 97; V. 104), die in V. 1 ja bereits im Perfekt als nah beschrieben wurde. Die Gewissheit von der Erfüllung göttlicher Verheißung durchzieht insgesamt thematisch die ganze Sure. Im narrativen Mittelteil wird der hier in V. 9 zugesicherte waʿdu n-naǧāh exemplarisch anhand von Beispielen entfaltet. Doch auch die Verheißung von der Zuwendung und Barmherzigkeit Gottes (waʿdu l-istiǧāba/ waʿdu r-raḥma) werden im Mittelteil narrativ expliziert. So gesehen spiegelt die in V. 9 kulminierende mā-Serie in nuce die kompositorische Struktur der ganzen Sure wieder. Während die ein- und ausleitenden Teile der ganzen Sure u. a. den in der mā-Serie angesprochenen waʿdu l-ḥisāb und waʿdu l-ihlāk zum Gegenstand haben, wird der waʿdu n-naǧāh vor allem im narrativen Mittelteil entfaltet. Für die Gemeinde ist die koranische Betonung der Erfüllung göttlicher Verheißungen entscheidend für die eigene Situation. Typologisch wird sie die in V. 9 zugesicherte Erfüllung (taṣdīq) als perfectum confidentiae („Perfekt der Zuversicht“) (vgl. zum Begriff Waltke / O’Connor 1990, 489-490) verstanden haben: Auch gegenüber der Gemeinde und den Hörern der koranischen Verkündigung wird Gott seine Verheißungen erfüllen.
V. 10-15 la-qad ʾanzalnā ʾilaikum kitāban fīhi ḏikrukum ʾa-fa-lā taʿqilūn /wa-kam qaṣamnā min qaryatin kānat ẓālimatan wa-ʾanšaʾnā baʿdahā qauman ʾāḫarīn/ fa-lammā ʾaḥassū baʾsanā ʾiḏā hum minhā yarkuḍūn /lā tarkuḍū wa-irǧiʿū ʾilā mā ʾutriftum fīhi wa-masākinikum laʿallakum tusʾalūn/ qālū yā-wailanā ʾinnā kunnā ẓālimīn/ fa-mā zālat tilka daʿwāhum ḥattā gaʿalnāhum ḥaṣīdan ḫāmidīn] Die Bekräftigungspartikel la-qad indiziert, wie später auch im narrativen Mittelteil, den Wechsel eines Sinnabschnitts (V. 48). Während die mā-Serie zu Beginn noch proklamatorisch ist und sich auch direkt an den Verkünder wendet (V. 4; V. 7), richtet sich die koranische Rede nun an die gegnerischen Hörer. V. 10 nimmt den Beginn der mā-Serie in V. 2 auf und kontextualisiert die Herabsendung der Mahnung (ḏikr) an die Hörer der Verkündigung. Der Reihenfolge der mā-Serie folgend wird in V. 11 die Androhung des ihlāk wiederaufgenommen und nun mit der Einblende des Strafvorgangs weiter entfaltet (V. 12-15). Das Wohlleben der mutrafūn steht im Kontrast zur Plötzlichkeit und Unumkehrbarkeit der Bestrafung und der einstigen Abrechnung, wenn sie eintreffen. Diesbezüglich wird ja bereits in V. 1 bemerkt, dass die Leugner der Abrechnung in einem Zustand der Ahnungslosigkeit und Sorglosigkeit (ġafla) sind. Die hier angesprochenen mutrafūn stehen prototypisch für eine Gruppe von Menschen, die angesehen und wohlhabend an das bewährte Vermächtnis der Vorfahren festhält und die Faktizität der eschatologischen Botschaft grundsätzlich negiert (Q 43:23; Q 17:16; Q 23:64). Die frühmekkanisch herausgestellte Entfaltung des eschatologischen Wissens in der Endzeit wird hier in Form der Selbsterkenntnis der eigenen Ignoranz antizipiert: „Wehe uns! Wir waren Frevler!“. Diese Selbsterkenntnis wird nun nicht nur am Ende der Sure vor dem Hintergrund des Naheseins der Abrechnung wiederholt (V. 97), sondern auch von Jonas als Eingeständnis der eigenen Unwissenheit und Ignoranz konstatiert (V. 87). Die im ihlāk ereilte Strafe kulminiert in eine agonale Litanei, bis sie zum jähen Ende führt (ḫāmidīn) (Q 36:29).
V. 16-18 wa-mā ḫalaknā s-samāʾa wa-l-ʾarḍa wa-mā bainahumā lāʿibīn / lau ʾaradnā ʾan nattaḫiḏa lahwan la-ittaḫaḏnāhu min ladunnā ʾin kunnā fāʿilīn / bal naqḏifu bi-l-ḥaqqi ʿala l-bāṭili fa-yadmaġuhū fa-ʾiḏā huwa zāhiqun wa-lakumu l-wailu mimmā taṣifūn] Mit dem Negativpartikel mā und durch eine Stichwortverknüpfung (yalʿabūn/lāʿibīn) wird konjunktional an den Beginn der mā-Serie angeknüpft und ein weiteres Grundthema der Sure eingeführt. Die spielerische Ignoranz (yalʿabūn) gegenüber der Verkündigung wurde in den V. 3-5 als Spott und Hohn expliziert. Nun dient die Wurzel von yalʿabūn dazu, das Thema der Selbstgenügsamkeit Gottes und der abgelehnten Mehrgottverehrung einzuführen (zur Gottesvorstellung der vorislamischen Araber vgl. die umfassende Studie von Crone 2010): Die gesamte Schöpfung hat Gott nicht aus Kurzweil erschaffen (lāʿibīn). Er ist sich selbst genügsam, weshalb der Gedanke einer Vergöttlichung von etwas Kreatürlichem und Geschaffenem absurd wäre. In den anschließenden Versen und im Verlauf des ersten Abschnitts der Sure wird dann disjunktiv (ʾam) daran angeknüpft, warum jegliche Form der Beigesellung und Mehrgottverehrung absurd und gegen das Schöpfungsprinzip ist (V. 22f; V 24f; V. 43f). Dieser schöpfungstheologische Diskurs spiegelt die im narrativen Mittelteil von Abraham geführte Auseinandersetzung um die Mehrgottverehrung wieder. Abraham wird ja selbst bereits zuvor als jemand dargestellt, der auf der Grundlage einer schöpfungstheologischen Selbstreflexion zum Monotheismus findet (Q 37:83-100). Der Disput im Mittelteil erinnert auch durch eine Stichwortverknüpfung an den einleitenden Teil der Sure: Abraham wird von seinen Gegnern gefragt, ob er einer von den „Spieltreibenden“ ist (mina l-lāʿibīn) (V. 55).
V. 19-20 wa-lahū man fi s-samāwāti wa-l-ʾarḍi/ wa-man ʿindahū lā yastakbirūna ʿan ʿibādatihi wa-lā yastaḥsirūn/ yusabbiḥūna l-laila wa-n-nahāra lā yafturūn] Die in den Versen zuvor beschriebene Selbstgenügsamkeit Gottes bedingt auch, dass alle Wesen in Himmel und Erde in ihrer Kreatürlichkeit kategorial verschieden von Gott sind. Derart dürfen diese nicht angebetet werden, sondern beten selbst unentwegt Gott an. In späteren Formulierungen der spätmekkanischen Phase wird in derselben Wendung nochmals spezifiziert, dass hier zum Beispiel Engel und Tiere gemeint sind (Q 16:49), wobei diese Formulierung auch mit einem relativen mā statt man vorkommt, sodass auch nicht lebende Wesen gemeint sein können (Q 10:55; Q 2:116). Die Wendung selbst ist biblisch: ki khol ba-shamayim u-va-areṣ lekha, „denn dein ist alles im Himmel und auf Erden“ (vgl. 1 Chr 29,10-20), wobei es im Targum - wie an anderen Stellen im Koran - auch die Wendung mit dem relativen mā gibt (vgl. TUK, Nr. 0261). Die Debatte über intermediäre Gottheiten scheint mittelmekkanisch auch entscheidend durch die Stellung und Bedeutung von Jesus katalysiert worden zu sein. Es ist hier Neuwirth zu verdanken, dass sie die Einschübe und gegenseitige Fortschreibungen von Q 19 und Q 43 als Diskurs mit paganen Arabern aufzeigt, die in Jesus auch ein vergleichbares Zwischenwesen wie Engel und Töchter Gottes sehen, die man verehren kann (vgl. Neuwirth, KTS, 489-498). Kein Wesen, auch nicht Jesus (Q 4:172), hätte den Hochmut und die Arroganz (takabbur), Gott nicht zu dienen und stattdessen für sich selbst göttliche Souveränität zu beanspruchen.
V. 21-23 ʾam ittaḫaḏū ʾālihatan mina l-ʾarḍi hum yunširūn /lau kāna fīhimā ʾālihatun ʾilla llāhu la-fasadatā/ fa-subḥāna llāhi rabbi l-ʿarši ʿammā yaṣifūn / lā yusʾalu ʿammā yafʿalu wa-hum yusʾalūn] Die Existenz von mehreren Göttern wird schöpfungstheologisch ad absurdum geführt, indem darauf verwiesen wird, dass dadurch alles in Chaos geriete (fasād) (vgl. Q 19:90). Crone verweist diesbezüglich auf den Kirchenvater Lactantius (vgl. Crone 2010, 189 f.), der auch die Vorstellung von mehreren Göttern durch die Notwendigkeit einer einzigen ordnungspolitischen Instanz widerlegt. Es können nicht mehrere Könige in einem Bienenschwarm oder mehrere Leittiere in einer Herde sein, da sonst alles in Chaos versinken würde (vgl. Heck / Schickler 2001, 54 f.). Dagegen wird im Koran physikotheologisch das Bild des souveränen Gottes auf dem Thron gestellt (rabbu l-ʿarši), der im veritablen Sinne das Bestehen des Kosmos (gr. kósmos = „Ordnung“) gewährleistet. Es scheint hier vor allem das psalmistisch geprägte Bild vom thronenden Gott zu sein (vgl. Ps 11; 103), an dem hier angelehnt und Gott für seine Ordnung gewährleistende Souveränität gepriesen wird (fa-subḥāna llāhi rabbi l-ʿarši) (für weitere biblische Belegstellen zum göttlichen Thron siehe Speyer, BEQ, 21 f.).
Eine Pflicht zur eschatologischen Einlösung der Rechenschaft über die eigenen Taten besteht nur für den Menschen, nicht für Gott (V. 13).
V. 24 ʾam ittaḫaḏū min dūnihī ʾālihatan qul hātū burhānakum hāḏā ḏikru man maʿiya wa-ḏikru man qablī bal ʾakṯaruhum lā yaʿlamūna l-ḥaqqa fa-hum muʿriḍūn] Wie in V. 21 wird disjunktiv nach der Möglichkeit der Mehrgottverehrung gefragt. Der Verkünder soll die Gegner um einen Beweis (burhān) für die Existenz weiterer Götter herausfordern. Doch wird in einer Klausel festgestellt, dass sich die Leugner von der Wahrheit und der Ermahnung abwenden (V. 1f). Die Bezeichnung für den Beweis (burhān) stammt wahrscheinlich aus dem Äthiopischen, wo damit das Licht oder die Illumination bezeichnet wird (vgl. Jeffery, FVQ, 77 f.).
V. 25 wa-mā ʾarsalnā min qablika min rasūlin ʾillā nūḥī ʾilaihi ʾannahū lā ʾilāha ʾillā ʾana fa-ʿbudūn] Während in V. 7 allein die Faktizität der Eingebung an Gesandte konstatiert wurde, wird dieselbe Aussage nahezu wörtlich wiederaufgenommen und im Kontext des Diskurses um Beigesellung spezifiziert. Die zentrale Botschaft der Eingebung ist der Monotheismus.
V. 26-29 wa-qālū ittaḫaḏa r-raḥmānu waladan subḥānahū bal ʿibādun mukramūn /lā yasbiqūnahū bi-l-qauli wa-hum bi-ʾamrihī yaʿmalūn /yaʿlamu mā baina ʾaidīhim wa-mā ḫalfahum wa-lā yašfaʿūna ʾillā li-mani irtaḍā wa-hum min ḫašyatihī mušfiqūn/ wa-man yaqul minhum ʾinnī ʾilāhun min dūnihī fa-ḏālika naǧzīhi ǧahannama ka-ḏālika naǧzi ẓ-ẓālimīn] In den V. 19-25 wurde eine Steigerung aufgebaut: Allein der Gedanke an mehrere Götter sei schöpfungstheologisch absurd und die Existenz mehrerer Götter würde alles in Chaos stürzen. Noch gravierender ist nun die Vorstellung von biologischen Kindern Gottes, die frühmittelmekkanisch in Q 43 und Q 19 reziprok ins Spiel gebracht und abgelehnt wird (Q 19:88-93 / Q 43:81). Die Engel sind keine Töchter Gottes (Q 43:19), vielmehr hat Gott absolute Verfügung über ihr Handeln. Den blasphemischen Höhepunkt bildet die Angelotheose, also die Selbstvergöttlichung eines der Engel, die drastisch bestraft wird.
V. 30-33 ʾa-wa-lam yara llaḏīna kafarū ʾanna s-samāwāti wa l-ʾarḍa kānatā ratqan fa-fataqnāhumā wa-ǧaʿalnā mina l-māʾi kulla šaiʾin ḥaiyin ʾa-fa-lā yuʾminūn/ wa-ǧaʿalnā fi l-ʾarḍi rawāsiya ʾan tamīda bihim wa-ǧaʿalnā fīhā fiǧāǧan subulan laʿallahum yahtadūn/ wa-ǧaʿalna s-samāʾa saqfan maḥfūẓan wa-hum ʿan ʾāyātihā muʿriḍūn / wa-huwa llaḏī ḫalaqa l-laila wa-n-nahāra wa-š-šamsa wa-l-qamara kullun fī falakin yasbaḥūn] Zur Betonung der Autonomie Gottes folgen Schöpfungsayāt. V. 30 spielt auf den Beginn der Schöpfung an und setzt im Kern die priesterliche Schöpfungserzählung (vgl. Gen 1,1-2,4) voraus. Jedoch wird - wie etwa in 4 Esr 6,47-48 - davon ausgegangen, dass alles Lebende aus Wasser stammt (vgl. TUK, Nr. 1117). Speyer erkennt im Hintergrund der koranischen Darstellung den babylonischen Schöpfungsmythos, der auch die biblischen Schöpfungsvorstellungen geprägt hat (vgl. Speyer, BEQ, 4). Nun ist aber mit ratqan - wie Speyer in der Übersetzung voraussetzt - keine „feste Masse“ gemeint, die „gespalten“ wird. Sowohl das Substantiv (ratq) als auch das Verb (fataqa) kommen koranisch nur ein einziges Mal in diesem Vers vor. Es dürfte kein Zufall sein, dass bei beiden Begriffen der zweite und dritte Wurzelradikal derselbe ist (r-t-q / f-t-q). In einem paronomastischen Wortspiel wird hier ein reziproker und umkehrbarer Vorgang beschrieben. Was genau gemeint ist, wird erst durch V. 104 deutlich. Denn dort wird auf den Schöpfungsanfang (ʾawwala ḫalqin) zurückverwiesen, der dem Zusammenrollen der Himmel (naṭwi s-samāʾa) in der Endzeit entspricht, das auch anhand eines Hapaxlegomenons mit einem siǧill, einer Schriftrolle, verglichen wird (ka-ṭaiyi s-siǧilli li-l-kutubi). Gemeint ist hier die eschatologische Schriftrolle, dessen Entfaltung in der Endzeit komplementär zum Zusammenrollen der Schöpfung ist. Rataqa und fataqa bezeichnen also jeweils das Zusammen- und Auseinanderrollen. Auch muslimische Exegeten haben unter ratqan etwas Zusammenhaftendes verstanden (vgl. aṬ-Ṭabarī, Ǧāmiʿ al-bayān ʿan taʾwīl āy al-Qurʾān, Band 16, 254 ff.).
Ratq und fataqa scheinen im vorkoranischen Arabisch nicht belegt zu sein (vgl. Arazi/Masalha, SEAP). Sie sind koranische Hapaxlegomena, die sich an den hebräischen und syrischen Sprachgebrauch anlehnen und koranisch ein neues Bild von der eschatologischen und schöpfungstheologischen Komplementarität zum Ausdruck bringen (hebr. rātaq = „verbinden“; syr. und aramä. petaq und hebr. pātaq = „teilen, verteilen“, vgl. Zammit 2002, 188 u. 315).
Es folgen weitere Schöpfungsayāt, die Gottes Fürsorge verdeutlichen. Die formale Unterdrückung der Verneinung (wa-ǧaʿalnā fi l-ʾarḍi rawāsiya ʾan tamīda bihim, „Und wir machten auf der Erde festgegründete Berge, damit sie nicht mit ihnen schwanke.“) weist bereits auf einen feierlichen Ton hin, der auf einen prominenten Text oder Vorstellung im Hintergrund hinweist (Zur Unterdrückung der Verneinung siehe Reckendorf 1921, 52 f.). Psalmistische Schöpfungspreisungen werden spätestens seit Q 55 auch bei koranischen Schöpfungsayāt evoziert (vgl. Neuwirth, HKI, 613-618). Das Nichtschwanken der Erde erinnert im Arabischen (ʾan tamīda) an eine Formulierung in Psalm 104, in der im Hebräischen beschrieben wird, dass die Erde so festsitzt, dass sie nicht wankt (bal timmoṭ) (vgl. TUK, Nr. 1387). Insgesamt scheint dann auch die von der Fürsorge Gottes zeugende Schöpfung in den folgenden Versen an Bilder aus demselben Psalm 104 anzulehnen (der Himmel jeweils als schützende Dach oder Zeltdecke etc.). Der koranische Begriff für „festgegründet“ (rawāsin) ist auch in der altarabischen Dichtung belegt (vgl. TUK Nr. 1284).
V. 34-35 wa-mā ǧaʿalnā li-bašarin min qablika l-ḫulda ʾa-fa-ʾin mitta fa-humu l-ḫālidūn/ kullu nafsin ḏāʾiqatu l-mauti wa-nablūkum bi-š-šarri wa-l-ḫairi fitnatan wa-ʾilainā turǧaʿūn] Der zum Ende der mā-Serie formulierte Gedanke der Sterblichkeit der Gesandten in V. 8 wird nahezu wörtlich wiederaufgenommen und für den Verkünder und die Menschen insgesamt universalisiert. Mit dem Verweis auf die Faktizität des Todes ist hier auch die eschatologische Rechenschaft des Menschen impliziert. Denn der Mensch wird diesseitig insgesamt auf die Probe (fitna) gestellt. Die Wendung kullu nafsin ḏāʾiqatu l-mauti erinnert an dasselbe Bild vom Schmecken des Todes in den Evangelien, in denen es auch in einem eschatologischen Kontext steht (vgl. Mt 16,24-28, Mk 9,1) (vgl. TUK Nr. 0547; vgl. aber auch dasselbe Bild in der vorkoranischen Dichtung, TUK, Nr. 0817. Jedoch wird dort gerade behauptet, dass das Gottesreich naht und dass einige die Abrechnung bereits vor dem Tod erleben werden („Wahrlich, ich sage euch: Es sind einige von denen, die hier stehen, die werden den Tod keinesfalls schmecken, bis sie den Sohn des Menschen haben kommen sehen in seinem Reich“, Mt 16,28). Koranisch geschieht die endzeitliche Abrechnung gerade nicht innerweltlich durch eine besondere Figur des Richters, sondern post mortem. Am Beginn der Sure wird zwar die Naherwartung der Abrechnung wie in den Evangelien evoziert (V. 1), jedoch verdeutlicht hier die Betonung der Faktizität des Todes für jeden Menschen, dass sich die endzeitliche Abrechnung erst nach dem Tod ereignen und erfüllen wird.
V. 36 wa-ʾiḏā raʾāka llaḏīna kafarū ʾin yattaḫiḏūnaka ʾillā huzuwan ʾa-hāḏa llaḏī yaḏkuru ʾālihatakum wa-hum bi-ḏikri r-raḥmāni hum kāfirūn] Der erste Teil der Sure wird mit einem Prophetenzuspruch abgeschlossen (V. 36-47). Der vorangehende Vers wechselt bereits die Perspektive auf den Verkünder selbst, sodass nun der in der mā-Serie und in den darauffolgenden Versen explizierte Diskurs über ihlāk, Verheißung, Mehrgottverehrung etc. als direkte Polemik gegenüber seiner Person kontextualisiert wird. Auch der Verkünder wird - wie bereits zu Beginn der Sure in V. 2-5 allgemein proklamiert wurde - zum Gegenstand der Verhöhnung. In den mittelmekkanischen Suren wird der Spott gegenüber den Gesandten als charakteristisches Merkmal der koranischen Apostellehre hervorgehoben (istahzaʾa/ittaḫada huzuwan) (Q 15:11; Q 36:30; Q 18:106; Q 21:41; Q 25:41). Der Verkünder ist in derselben Situation wie Abraham, dem auch im narrativen Mittelteil der Sure vorgeworfen wird, dass er bezüglich ihrer Götter mahnt (ḏikr).
V. 37-40 ḫuliqa l-ʾinsānu min ʿaǧalin sa-ʾurīkum ʾāyātī fa-lā tastaʿǧilūn/ wa-yaqūlūna matā hāḏa l-waʿdu/ ʾin kuntum ṣādiqīn/ lau yaʿlamu llaḏīna kafarū ḥīna lā yakuffūna ʿan wuǧūhihimu n-nāra wa-lā ʿan ẓuhūrihim wa-lā hum yunṣarūn/ bal taʾtīhim baġtatan fa-tabhatuhum fa-lā yastaṭīʿūna raddahā wa-lā hum yunẓarūna] Gemäß der für die frühmekkanischen Suren typischen Form der Rüge des Menschen (Q 70:19; Q 80:17; Q 86:5) wird der Mensch für seine Hast und Eile gegeißelt. Diese Rüge steht im Zeichen der temporalen Frage nach der Erfüllung von göttlichen Verheißungen, die zentral für die ganze Sure ist. Denn auch der Verkünder wird gefragt, wann sich die Verheißung von der endzeitlichen Abrechnung (waʿd) erfüllen wird. Doch wenn die Strafe und die Abrechnung plötzlich vollzogen werden, dann wird eine Umkehr nicht mehr möglich sein. Das Subjekt in V. 40 ist wohl - wie Paret vermutet - die Stunde (sāʿa), die dereinst unvermittelt beginnen wird (vgl. Paret, KK, 342), wobei auch die Lesart yaʾtīhim überliefert wird, um den Vers auf waʿd zu beziehen.
V. 41-43 wa-la-qad istuhziʾa bi-rusulin min qablika fa-ḥāqa bi-llaḏīna saḫirū minhum mā kānū bihī yastahziʾūna/ qul man yaklaʾukum bi-l-laili wa-n-nahāri mina r-raḥmāni bal hum ʿan ḏikri rabbihim muʿriḍūn/ ʾam lahum ʾālihatun tamnaʿuhum min dūninā lā yastaṭīʿūna naṣra ʾanfusihim wa-lā hum minnā yuṣḥabūn] Dem Verkünder wird zugesprochen, dass die Gesandten vor ihm bereits verspottet wurden, jedoch hat auch sie die Strafe Gottes ereilt (ihlāk). Er solle doch seine Gegner fragen, wer sie vor Gott und seiner Strafe schützen kann. Die von ihnen verehrten Götter sind ohne jegliche Macht und hilflos. Letzteres wird im narrativen Mittelteil der Sure durch Abraham selbst demonstriert, indem er alle Götzen bis auf einen zerstört und den Verbliebenen als Verantwortlichen brandmarkt (V. 58-63).
V. 44-46 bal mattaʿnā hāʾulāʾi wa-ʾābāʾahum ḥattā ṭāla ʿalaihimu l-ʿumuru ʾa-fa-lā yarauna ʾannā naʾti l-ʾarḍa nanquṣuhā min ʾaṭrāfihā ʾa-fa-humu l-ġālibūn/ qul ʾinnamā ʾunḏirukum bi-l-waḥyi wa-lā yasmaʿu ṣ-ṣummu d-duʿāʾa ʾiḏā mā yunḏarūn/ wa-la-ʾin massathum nafḥatun min ʿaḏābi rabbika la-yaqūlunna yā-wailanā ʾinnā kunnā ẓālimīn] Auch die Gegner des Verkünders haben wie die zuvor allgemein als mutrafūn beschriebenen unbekümmert gelebt (V. 10-15). Doch wird auch ihnen der ihlāk bzw. ʿaḏāb unvermittelt ereilen und sie werden wie die mutrafūn ihre Schuld und Vergehen selbst eingestehen (vgl. V. 14). Gegenüber der Verkündigung durch Eingebung (bi-l-waḥyi) (vgl. V. 7; V. 25) sind sie resistent gewesen. Die etwas änigmatisch anmutende Formulierung (ʾannā naʾti l-ʾarḍa nanquṣuhā min ʾaṭrāfihā, „dass wir das Land heimsuchen, es von seinen Enden kürzend“) wurde von den Exegeten als Strafandrohung der militärischen und physischen Vertreibung gedeutet (vgl. aṭ-Ṭabarī, Ǧāmiʿ al-bayān ʿan taʾwīl āy al-Qurʾān, Band 16, 281 ff.). Wahrscheinlich ist die Kürzung der Erde von den Enden her (min ʾaṭrāfihā) als Entsprechung zu dem später in der Sure beschriebenen Einfall von Gog und Magog min kulli ḥadabin („von allen Seiten“) zu verstehen. Die innerweltliche Bestrafung Gottes (ihlāk) hat dieselbe Unmittelbarkeit und Omnipräsenz wie die Vorgänge zur eschatologischen Endzeit (ḥisāb/sāʿa). Gleichzeitig erinnert die Kürzung der Erde von den Enden her (min ʾaṭrāfihā) paronomastisch an die mutrafūn (t-r-f / ṭ-r-f), die wie die Gegner des Verkünders paradigmatisch für das frevelhafte Volk stehen, das im Schein der irdischen Reichtümer die einstige Abrechnung nicht erwartete. Das Schneiden der Erde von den Seiten her (min ʾaṭrāfihā) steht also metaphorisch und klanglich für das drakonische Bild des „Zerschneidens“ der mutrafūn, die samt ihrer materiellen Güter vergehen werden.
V. 47 wa-naḍaʿu l-mawāzīna l-qisṭa li-yaumi l-qiyāmati fa-lā tuẓlamu nafsun šaiʾan wa-ʾin kāna miṯqāla ḥabbatin min ḫardalin ʾatainā bihā wa-kafā binā ḥāsibīn] Zum Versprechen (waʿd) des ḥisāb gehört auch, dass die Gewichtung der menschlichen Taten absolut gerecht sein wird. Hier gibt es keine Toleranz für Ungenauigkeiten - nicht mal um das Gewicht eines Senfkorns (ḫardalin). Das Senfkorn als kleinste Maßeinheit für Glauben und Unglauben erinnert an die jesuanische Rede (ipsissima vox) in den Evangelien (vgl. etwa Mt 17,14-20). Ḫardal wird deshalb von Jeffery auch über die Peschitta als Lehnwort aus dem Syrischen abgeleitet (vgl. Jeffery, FVQ, 122). Jedoch bemerkt Jeffery selbst, dass der Begriff in der vorkoranischen Poesie belegt ist. Hier argumentiert David Kiltz überzeugend, dass ḫardal eher ein urverwandter Begriff zur aramäischen Bezeichnung ist (vgl. TUK, Nr. 0217).
V. 48-50 wa-la-qad ʾātainā mūsā wa-hārūna l-furqāna wa-ḍiyāʾan wa-ḏikran li-l-muttaqīn/ allaḏīna yaḫšauna rabbahum bi-l-ġaibi wa-hum mina s-sāʿati mušfiqūn/ wa-hāḏā ḏikrun mubārakun ʾanzalnāhu ʾa-fa-ʾantum lahū munkirūn] Im narrativen Mittelteil der Sure, der mit dem Bekräftigungspartikel wa-laqad auch formal als neuer Sinnabschnitt gekennzeichnet ist, wird nun die in V. 9 ausgesagte Erfüllung der Rettung (waʿdu n-naǧāh) der Gesandten anhand von Beispielen aus der biblischen Heilsgeschichte expliziert. Als das Beispiel schlechthin für die Intervention Gottes zugunsten seines Volkes oder seiner gläubigen Diener gilt der Exodus. Deshalb stehen hier an erster Stelle des narrativen Mittelteils Moses und Aaron. Ihnen wurde der furqān, das Licht und die Ermahnung zu Teil. Es scheint also der Bezug zum Exodus komplett zu fehlen. Dabei spiegelt der Exodus als eines der zentralen Ereignisse und Erfahrungen von Moses sowie dem israelitischen Volk seit frühmittelmekkanischer Phase auch typologisch die Situation der Gemeinde um Muhammad wieder (für die koranische Entwicklung von Moses siehe Neuwirth, KTS, 653-671). Tatsächlich wird der Exodus in dieser Sure als göttliche Rettung (furqān) bezeichnet. Die Bedeutung des Terminus furqān, der im Koran mehrmals und in unterschiedlichen Bedeutungsnuancen vorkommt (Q 2:53; Q 2:185; Q 3:4; Q 8:41; Q 8:29; Q 25:1) (vgl. Madigan 2001, 486-487), hat die traditionelle Exegese und die westliche Koranforschung vor hermeneutische und etymologische Herausforderungen gestellt. Die muslimischen Exegeten haben sich bei der Bedeutung von furqān an der arabischen Wurzel (f-r-q: „trennen, entscheiden“) orientiert, wobei je nach dem Kontext des Verses darunter ein offenbartes Buch als Entscheidung zwischen Wahrheit und Falschheit (also das Evangelium, die Tora und der Koran) oder ein Ereignis als Entscheidung und Rettung (naǧāh) durch Gott (Exodus, Schlacht von Badr) verstanden wurde (für eine gute Übersicht über die jeweiligen Deutungen der muslimischen Tradition siehe Donner, 2007, 281-286). Die westliche Koranforschung hat hier stattdessen ein Lehnwort aus dem Aramäischen bzw. Syrischen angenommen (purqānā = „Erlösung, Rettung“) (vgl. Jeffery, FVQ, 227 f.; Horovitz, KU, 76 f.), wobei diese Bedeutung nicht zu denjenigen Versen zu passen scheint, die unter furqān eine Art offenbartes Buch implizieren (Q 25:1; Q 2:53; Q 3:3). Man hat dann vermutet, dass furqān koranisch jeweils als Lehnwort und angelehnt an der arabischen Wurzel mehrdeutig ist und je nach Kontext des Verses die jeweilige Bedeutung vorzuziehen ist (vgl. Horovitz, KU, 77). Einen neueren Lösungsverschlag zum Verständnis von furqān hat Fred Donner gemacht (vgl. Donner 2007). An Stellen wie Q 8:41 („yauma l-furqāni“, „Tag der Rettung“) glaubt er, dass hier die syrische Bedeutung von purqānā vorauszusetzen ist, wobei er diesen Tag der Rettung nicht als Schlacht von Badr, sondern als Referenz auf den biblischen Exodus versteht, da ja bereits in Q 26:61 von zwei Parteien die Rede sei (Moses-Pharao), die aufeinandertrafen. An Stellen wie Q 2:53, Q 21:48, Q 3:3 sei dagegen das syrische puqdānā („Gebot“) der etymologische Ursprung der koranischen Bezeichnung. In der Peschitta bezeichne dieser Begriff die „Zehn Gebote“ und diese Bedeutung passe zu den Stellen, in denen von der Herabsendung eines Buches die Rede ist (vgl. ebd., 290 ff.). Die späteren Muslime hätten diese Stellen dann orthographisch falsch „abgeschrieben“, sodass dann „fuqdān“ irgendwann zu „furqān“ angeglichen wurde (vgl. ebd., 299). Diese Hypothese bringt Donner auch dazu, keine kontinuierlich mündliche Überlieferung des Korans anzunehmen, sondern am Anfang eher eine schriftliche Weitergabe des Korans zu postulieren.
Der neue Deutungsvorschlag von Donner ist mehr als problematisch. Denn er liest die entsprechenden koranischen Verse zu furqān nahezu isoliert und unabhängig von der Entwicklung der koranischen Verkündigung. Nur wenn man nicht verstanden hat, dass bereits in der mittelmekkanischen Phase der biblische Exodus von der Gemeinde typologisch als Zeugnis für die eigene Situation verstanden wird, kann man in Q 8:41 auf die Idee kommen, dass nicht die Schlacht von Badr, sondern exklusiv der biblische Exodus gemeint ist. Auch die Deutung von einigen Stellen mit furqān als Bezeichnung für die Zehn Gebote ist fraglich, auch wenn dieser Vorschlag Donners zunächst vielversprechend erscheint. Nur ist der Begriff kitāb als Oberbegriff für die Tora samt den Geboten bereits mittelmekkanisch etabliert (Q 17:2). Die mattan torah, also die Vergabe der Tora an Moses, ist in Q 17 das Vorbild für den Erhalt des koranischen Dekalogs in derselben Sure. Würde man etwa in Q 2:53 die Hypothese von Donner voraussetzen, dann hätte Moses „das Buch und die Gebote“ (al-kitāba wa-l-furqāna) bekommen, was angesichts der koranischen Nomenklatur tautologisch wäre. Kitāb und taurāt bezeichnen insgesamt die Tora mit den in ihr enthaltenen Geboten. Unabhängig davon sind die ganzen Prämissen dieser Neudeutung (rein schriftliche Überlieferung des Korans zu Beginn) sehr gewagt: In welchem Verhältnis steht diese Hypothese zum Entwicklungsstand der arabischen Sprache? Wer sollen die „Kopisten“ koranischer Handschriften gewesen sein? In welchem Verhältnis steht diese Hypothese zum Befund der früheren Handschriften? Ist dort wirklich ein System der Kopie von Kodizes etabliert? Welchen Sitz im Leben hatte der Koran nach dem Tod des Propheten, wenn dieser vor allem schriftlich weitergegeben wurde?
Ein Verständnis des koranischen furqān hat sich zunächst primär an die thematische Entwicklung der koranischen Verkündigung selbst zu orientieren: In Q 17 erlebt der Verkünder einen spirituellen Exodus (Q 17:1), wobei er ebenso in dieser Sure einen koranischen Dekalog erhält (Q 17:22-39). Damit hat Muhammad wie Moses das erhalten, was Gott im Prinzip jedem Gesandten (rasūl) und Propheten (nabīy) zuspricht. Gemäß der Entwicklung koranischer Prophetologie, rettet Gott seine Gesandten (Muhammad und Moses: jeweils ein Exodus), während die Propheten in besonderer Weise gewürdigt werden (Moses und Muhammad: Erhalt der Tora und des koranischen Dekalogs) (vgl. Ghaffar 2018, 176-226). Furqān wird nun in dieser Sure verwendet, um den biblischen Exodus als besondere ʾītāʾ an Moses zu „objektivieren“. Es ist die rettende und erlösende Erfahrung der naǧāh, die Gott seinen Gesandten immer schon versprochen hat und die in V. 9 der Sure als waʿd verheißen wird. Doch wieso wird der Exodus hier derart in Anlehnung an das syrische purqānā objektiviert? Das lässt sich nur vor dem Hintergrund der koranischen Abweisung einer soteriologischen Dimension des Leids der Gesandten verstehen. Q 36 enthält die Neudeutung des Weinberggleichnisses aus den Evangelien, um gerade eine erlösende Kraft des Leids der Gesandten abzulehnen (vgl. Neuwirth, KTS, 506 f.). In der - wie Q 21 - spätmittelmekkanischen Sure Q 25 wird diese Ablehnung einer soteriologischen Dimension des Leids der Gesandten (und von Jesus) auf eine neue diskursive Ebene gehoben. So heißt es dort, dass Gott auf seinen Diener Muhammad den furqān hinabgesandt hat. Normalerweise ist am Surenanfang von der Herabsendung (tanzīl) der Schrift die Rede. Was ist dann aber mit der Herabsendung des furqān gemeint? Hier ist natürlich an die christliche Tradition zu denken, nach der ein Erlöser oder Retter hinabgesandt wurde: Jesus. Das aramäische purqānā wird in der Peschitta verwendet, um das hebr. ješaʿ oder ješūʿā wiederzugeben (vgl. Horovitz, KU, 76). Der Koran konterkariert nun die christliche Vorstellung der Inkarnation, denn das rettende Handeln Gottes in der Geschichte wird nun analog zur Herabsendung der Schrift (tanzīl) konzeptualisiert. Es ist Gott, der in der Geschichte interveniert hat und Muhammad sowie Moses die Rettung (furqān) gibt, indem er sie real oder spirituell befreit hat. Derart wird die urmuslimische Gemeinde nicht nur in Mekka durch die Hinwendung nach Jerusalem und als neues Gottesvolk befreit, sondern erfährt in Medina auch eine reale Befreiung in der Schlacht von Badr (Q 8:41). Auch die restlichen koranischen Stellen werden durch die hier vorgeschlagene Deutung von furqān klarer. In Q 2:53 wird konstatiert, dass Moses das Buch (kitāb) und die Rettung (furqān) in Form des Exodus erhalten hat; die beiden zentralen Gunsterweise an Moses. Eine Qualität des Korans ist dann die Rettung (naǧāh), die Gott der urmuslimischen Gemeinde durch die Herabsendung des Korans selbst zugesichert hat (Q 2:285). Zusätzlich kann die Gemeinde kann auch das wiederholte Eingreifen Gottes in die Geschichte erbitten (Q 8:29).
Die Surenstruktur macht deutlich, dass Moses und Aaron nicht zufällig als erstes Beispiel für Gottes Verheißung der Rettung (waʿdu n-naǧāh) genannt werden und die hier in Form der Gabe des furqān als Exodus erinnert wird. Beide wurden - wie die biblischen Figuren in den folgenden Beispielen - von Gott gerettet. Des Weiteren werden illuminativ das Licht (ḍiyāʾ) als Rechtleitung und die Ermahnung (ḏikr) genannt, die Moses in Form der Thora erhalten hat. Jedoch wird letztere (ḏikr) - wie bereits in den ersten beiden Versen artikuliert - nur von denjenigen akzeptiert, die auch an die Erfüllung der Abrechnung oder der „Stunde“ glauben (V. 49).
In einer Klausel (V. 50) wird dann die koranische Verkündigung selbst als herabgesandte Mahnung bezeichnet.
V. 51-58 wa-la-qad ʾātainā ʾibrāhīma rušdahū min qablu wa-kunnā bihī ʿālimīn/ ʾiḏ qāla li-ʾabīhi wa-qaumihī mā hāḏihi t-tamāṯīlu llatī ʾantum lahā ʿākifūn / qālū waǧadnā ʾābāʾanā lahā ʿābidīn/ qāla la-qad kuntum ʾantum wa-ʾābāʾukum fī ḍalālin mubīn / qālū ʾa-ǧiʾtanā bi-l-ḥaqqi ʾam ʾanta mina l-lāʿibīn/ qāla bal rabbukum rabbu s-samāwāti wa-l-ʾarḍi llaḏī faṭarahunna wa-ʾana ʿalā ḏālikum mina š-šāhidīn/ wa-ta-llāhi la-ʾakīdanna ʾaṣnāmakum baʿda ʾan tuwallū mudbirīn/ fa-ǧaʿalahum ǧuḏāḏan ʾillā kabīran lahum laʿallahum ʾilaihi yarǧiʿūn] Abraham wird als nächstes Beispiel für die Erfüllung der Verheißung der naǧāh genannt. Es ist die Gabe (ʾītāʾ) der Einsicht (rušd), die ihn persönlich zur monotheistischen Gotteserkenntnis brachte und weshalb er seine Zeitgenossen sowie ihren Glauben an die Götzen herausgefordert hat. Damit bringt er sich selbst in Bedrängnis, sodass er von Gott gerettet wird.
Mekkanisch sind es vor allem die Verkündigung eines Sohnes / Bestrafung des Volkes der Lot (sogen. „tabšīr-Perikope“) und Abrahams Streit mit seinem Vater sowie seinen Zeitgenossen (sogen. „Streitperikope“), die wiederholt erinnert werden (für die koranische Entwicklung Abrahams siehe Sinai, 2009, 97-151). In Q 21 wird die Streitperikope weiter entfaltet. Das Bild von Abraham, der seinen Vater und seine Zeitgenossen vom Götzendienst abbringen will, wird vor allem in der nachbiblischen Tradition entwickelt und entfaltet (so etwa im Jubiläenbuch und in der Apokalypse Abrahams, vgl. TUK, Nr. 0673, TUK, Nr. 0456, TUK, Nr. 0660). Überhaupt ist die Figur des Abrahams, der durch eine physikotheologische Reflexion zur Gotteserkenntnis gelangt und derart demonstrativ die reine Gotteserkenntnis symbolisiert (Q 6:74), in der Antike und Spätantike weit verbreitet gewesen (etwa bei Flavius Josephus, Philo etc.) (vgl. TUK, Nr. 0659, TUK, Nr. 0674).
Abraham fragt seinen Vater und seine Zeitgenossen, warum sie Bildwerke oder Götzen (tamāṯīl) verehren (V. 52). Diese verweisen auf die Praxis der Vorfahren (V. 52) und nehmen die Anfrage von Abraham nicht ernst, indem sie seine Kritik als Scherz abtun („ʾam ʾanta mina l-lāʿibīn“, „Oder bist Du von den Scherztreibenden?“V. 55). Die Wurzel l-ʿ-b (lāʿibīn) verweist stichwortartig sowohl auf den Surenanfang (V. 2) als auch auf die Abweisung des Polytheismus durch den Hinweis auf Gottes Selbstgenügsamkeit (V. 16ff). Wie im einleitenden Teil der Sure argumentiert Abraham, dass Gott eigentlich der Schöpfer von Himmel und Erde und von all dem ist, was seine Zeitgenossen vergöttlichen (V. 56). Da jedoch Abrahams Ermahnung nicht ausreicht, zerstört er demonstrativ die Götzen bis auf den Größten von Ihnen (V. 57f).
V. 59-70 qālū man faʿala hāḏā bi-ʾālihatinā ʾinnahū la-mina ẓ-ẓālimīn/ qālū samiʿnā fatan yaḏkuruhum yuqālu lahū ʾibrāhīm/ qālū fa-ʾtū bihī ʿalā ʾaʿyuni n-nāsi laʿallahum yašhadūn/ qālū ʾa-ʾanta faʿalta hāḏā bi-ʾālihatinā yā-ʾibrāhīm/ qāla bal faʿalahū kabīruhum hāḏā fa-sʾalūhum ʾin kānū yanṭiqūn/ fa-raǧaʿū ʾilā ʾanfusihim fa-qālū ʾinnakum ʾantumu ẓ-ẓālimūn/ ṯumma nukisū ʿalā ruʾūsihim la-qad ʿalimta mā hāʾulāʾi yanṭiqūn/ qāla ʾa-fa-taʿbudūna min dūni llāhi mā lā yanfaʿukum šaiʾan wa-lā yaḍurrukum/ ʾuffin lakum wa-li-mā taʿbudūna min dūni llāhi ʾa-fa-lā taʿqilūn/ qālū ḥarriqūhu wa-nṣurū ʾālihatakum ʾin kuntum fāʿilīn/ qulnā yā-nāru kūnī bardan wa-salāman ʿalā ʾibrāhīm/ wa-ʾarādū bihī kaidan fa-ǧaʿalnāhumu l-ʾaḫsarīn] Die Zeitgenossen Abrahams entdecken, dass alle Götzen bis auf einen zerstört sind. Schnell wird Abraham als Verdächtiger identifiziert (V. 60f), wobei seine Beschreibung als jemand, der gegen die Götter gemahnt hat, denselben Vorwurf an den Verkünder im ersten Teil der Sure wiederholt (V. 36). Abraham verneint die Zerstörung der Götzen und verdächtigt den übrig gebliebenen Götzen, den sie befragen sollen (V. 63). Zunächst scheint es, als hätten die Zeitgenossen Abrahams ihre Naivität und ihren Frevel eingesehen, sodass sie, wie einst die Frevler in der eschatologischen Endzeit, bekennen (vgl. V. 14; V. 46), dass sie falsch lagen (V. 64). Jedoch hält dieser Moment der Verlegenheit nicht lange an, sodass sie ihm seine List vorwerfen (V. 65). Abraham weist analog zur schöpfungstheologischen Argumentation im ersten Teil der Sure darauf hin, dass die Götzen selbst hilf- und leblos sind (vgl. V. 43) und wie absurd deren Verehrung doch sei (V. 66f). Der Versuch, Abraham zu bestrafen und ihn zu verbrennen, scheitert durch die Intervention Gottes, der das Feuer kühl sein lässt (V. 68-70).
In der apokryphen Tradition und im jüdischen Midrasch wird beschrieben, wie Abrahams Vater Götzen verkaufte und dass Abraham dabei in einigen Situationen Götzen zerstört, um die Absurdität ihrer Anbetung zu demonstrieren (vgl. TUK, Nr. 0660). Der koranischen Darstellung kommt hier die Beschreibung in Genesis Rabba 38,19 sehr nah, wo Abraham aus Frust beim Verkauf von Götzen alle bis auf den Größten zerschlägt und den Stock als Tatwaffe beim übrig gebliebenen Götzen hinterlegt. Auf diesen verweist er dann, als sein Vater zurückkehrt und ihn nach den zerbrochenen Götzen fragt. Abrahams Vater weist auf die Leblosigkeit der Götzen hin, sodass ihn Abraham zur Erkenntnis der eigenen Frevelhaftigkeit mahnt. In der koranischen Darstellung wird diese Szene zwischen Vater und Sohn als Streitperikope zwischen Abraham und seinem ganzen Volk verallgemeinert.
Auch die Rettung Abrahams aus dem Feuer wird in der rabbinischen Tradition reflektiert, wobei etwa im babylonischen Talmud Abraham durch Nimrod im Feuerofen verbrannt werden soll (vgl. TUK, Nr. 0664) und der Engel Gabriel das Feuer kühlen möchte, um Abraham zu retten (vgl. Speyer, BEQ, 143 f.). Jedoch gibt es auch unterschiedliche Traditionen, nach denen die Engel miteinander streiten, um Abraham retten zu dürfen.
V. 71-73 wa-naǧǧaināhu wa-lūṭan ʾila l-ʾarḍi llatī bāraknā fīhā li-l-ʿālamīn/ wa-wahabnā lahū ʾisḥāqa wa-yaʿqūba nāfilatan wa-kullan ǧaʿalnā ṣāliḥīn/ wa-ǧaʿalnāhum ʾaʾimmatan yahdūna bi-ʾamrinā wa-ʾauḥainā ʾilaihim fiʿla l-ḫairāti wa-ʾiqāma ṣ-ṣalāti wa-ʾītāʾa z-zakāti wa-kānū lanā ʿābidīn] Es wird daran erinnert, dass Gott sowohl Abraham, als auch Lot gemäß seiner Verheißung gerettet und sie in das Heilige Land geführt hat (vgl. Gen 12,1-9). Gleichzeitig erfüllt Gott sein Versprechen, dass er sich seinen Dienern in Barmherzigkeit zuwendet (waʿdu l-istiǧāba): Deshalb hat Abraham auch eine fromme Nachkommenschaft erhalten, dessen Mitglieder Vorbilder (ʾaʾimma) sind. Hier ist koranisch noch nicht wie in Medina der Versuch zu erkennen, die Auszeichnung von Abrahams Nachkommen auf eine bestimmte Personengruppe einzugrenzen. Vielmehr liegt die Betonung auf Gottes Zuwendung an der Person Abrahams.
V. 74-75 wa-lūṭan ʾātaināhu ḥukman wa-ʿilman wa-naǧǧaināhu mina l-qaryati llatī kānat taʿmalu l-ḫabāʾiṯa ʾinnahum kānū qauma sauʾin fāsiqīn/ wa-ʾadḫalnāhu fī raḥmatinā ʾinnahū mina ṣ-ṣāliḥīn] Auch an die Rettung Lots vor den Sodomitern wird als Erfüllung der Verheißung (waʿd) Gottes erinnert, wobei sich Gott auch ihm in seiner Barmherzigkeit zugewendet hat (V. 75). Koranisch wird die Geschichte Lots, anders als in der Bibel, als Straflegende erzählt, nach der Lot die Sodomiter zur Umkehr aufrufen soll (Q 26:160-169).
V. 76-77 wa-nūḥan ʾiḏ nādā min qablu fa-staǧabnā lahū fa-naǧǧaināhu wa-ʾahlahū mina l-karbi l-ʿaẓīm / wa-naṣarnāhu mina l-qaumi llaḏīna kaḏḏabū bi-ʾāyātinā ʾinnahum kānū qauma sauʾin fa-ʾaġraqnāhum ʾaǧmaʿīn] In der früh- und mittelmekkanischen Phase markieren das Leben Noahs und die Sintflut nicht eine heilsgeschichtlich bedeutsame Wende (Q 53:53; Q 51:46; Q 50:12; Q 54:9-17; Q 71:1-28). Noah steht vielmehr paradigmatisch für den Warner, dessen Volk ihn verleumdet und deshalb bestraft wird. Entsprechend wird auch in diesen Versen seine Geschichte als Exempel für Gottes Rettung seiner Gesandten aufgezählt. Erst ab der spätmekkanischen Phase markiert das Wirken Noahs auch einen heilsgeschichtlichen und bundestheologischen Wendepunkt (Q 11:25-49) (für die koranische Entwicklung Noahs siehe Neuwirth, KTS, 623-632). Anders als in den Erzählungen zu Moses, Abraham und Lot zuvor ist die Rettung Noahs das Resultat eines Gebets, das Gott erhört (istiǧāba). In den folgenden Erzählungen wird die Zuwendung (istiǧāba) Gottes neben der Rettung (naǧāh) auch explizit im Sinne der Erfüllung einer Verheißung (waʿd) beschrieben.
V. 78-82 wa-dāwūda wa-sulaimāna ʾiḏ yaḥkumāni fi l-ḥarṯi ʾiḏ nafašat fīhi ġanamu l-qaumi wa-kunnā li-ḥukmihim šāhidīn/ fa-fahhamnāhā sulaimāna wa-kullan ʾātainā ḥukman wa-ʿilman wa-saḫḫarnā maʿa dāwūda l-ǧibāla yusabbiḥna wa-ṭ-ṭaira wa-kunnā fāʿilīn/ wa-ʿallamnāhu ṣanʿata labūsin lakum li-tuḥṣinakum min baʾsikum fa-hal ʾantum šākirūn/ wa-li-sulaimāna r-rīḥa ʿāṣifatan/ taǧrī bi-ʾamrihī ʾila l-ʾarḍi llatī bāraknā fīhā wa-kunnā bi-kulli šaiʾin ʿālimīn/ wa-mina š-šayāṭīni man yaġūṣūna lahū wa-yaʿmalūna ʿamalan dūna ḏālika wa-kunnā lahum ḥāfiẓīn] David und Salomo werden zum ersten Mal in der mittelmekkanischen Sure Q 38 (V. 17-40) als reumütige und bußfertige Gläubige eingeführt (ʾawwāb) (vgl. Neuwirth, HKI, 522-583; Ghaffar 2020, 57-74). Nicht zuletzt Busse hat darauf hingewiesen, dass beide Figuren als „Propheten-Könige“ in enger typologischer Verwandtschaft stehen (vgl. Busse 1979, 59-64). So werden beide zusammen als Richtende eingeführt, die ein Urteil im Fall von Schafen gefällt haben, die auf dem Acker von jemand anderem weideten (V. 78). Um welches Urteil es sich genau handelt, wird aus der koranischen Darstellung nicht ersichtlich. Speyer verweist hier auf den Midrasch Exodus Rabba 2,3 wo auch von einem Urteil Davids zu Schafen die Rede ist: „Es gibt zwei weltberühmte Menschen, die Gott mit einer kleinen Sache prüfte und die für treu befunden wurden und zu Größe gelangten. Er prüfte David mit den Schafen, und er führte sie nur in die Wüste (zum Weiden), um sie von Raub (auf fremden Weideplätzen) abzuhalten“ (zitiert nach Speyer, BEQ, 377; vgl. TUK, Nr. 1081). Grundsätzlich wird von der Richterfunktion Davids im Midrasch berichtet (vgl. Speyer, BEQ, 377). Sowohl David, als auch Salomo wird hier das Wissen (ʿilm) und die Weisheit (ḥukm) als Gabe (ʾītāʾ) Gottes zugesprochen. Beides entspricht der im vorherigen Surenverlauf beschriebenen ʾītāʾ von Einsicht an Abraham (V. 51) und von furqān an Moses (V. 48). Diese repräsentieren jeweils die Erfüllung von Gottes Verheißung seiner Zuwendung (istiǧāba). Salomo verkörpert bereits in der Bibel den weisen Richter par excellence (vgl. 1 Kön 3,16-28; 5,9-14; TUK, Nr. 1085; TUK Nr. 1086; TUK, Nr. 0324), wobei nach dem Koran seine Weisheit typologisch auf David als seinen Vorgänger abfärbt (vgl. Busse 1979, 62).
Dass David die Berge zum Lobpreis dienstbar sind (V. 79), ist vor dem Hintergrund seiner Verfasserschaft der Psalmen zu verstehen, wo auch Naturobjekte den Preis Gottes bezeugen (vgl. Ps. 98,8; Ps 148) (vgl. Speyer, BEQ, 381). Am Chor des Lobpreises beteiligen sich auch Vögel (V. 79). Da Salomo selbst biblisch über die Tiere spricht (vgl. 1 Kön 5,13) und in der syrischen Baruchapokalypse Vögel befehligt (vgl. ebd., 384), kann man hier auch von einer typologischen Projektion dieser Verfügungsgewalt Salomos auf seinen Vorgänger David sprechen.
Die Fähigkeit zur Anfertigung von Panzerungen (V. 80) ist koranisch der Ausdruck des besonderen Wissens (ʿilm), das Gott David verliehen hat. In der altarabischen Dichtung ist David bereits als Handwerker für Panzerhemden bekannt (vgl. Horovitz, KU, 109 f.). Derart ist auch der hier koranisch ein einziges Mal verwendete Begriff für Schutzpanzer (labūs) auch in der altarabischen Dichtung belegt (vgl. Arazi / Masalha, SEAP, 1005).
Für Salomo tauchen auch Geister und Dämonen (die Bezeichnung šayāṭīn ist nach Horovitz schon vorkoranisch bekannt und hier als ein Gattungsbegriff für Dämonen zu verstehen, vgl. Horovitz, KU, 120 f.). Das entspricht der apokryphen Tradition (Weisheit und Testament Salomos), nach der Salomo Dämonen und Geister bändigen kann und ihre Hilfe beim Tempelbau nutzt (vgl. Busch 2006; Speyer, BEQ, 386 f.). Die Verfügung über Wind (V. 78) ist ebenso Ausdruck der Bändigungskraft, die Gott Salomo verliehen hat.
Die Darstellung von David und Salomo soll die in der Sure versprochene Zuwendung (istiǧāba) Gottes an seine Gesandten exemplifizieren. Deshalb werden jeweils die gottgegebenen Tugenden und Fähigkeiten beider „Propheten-Könige“ in den Vordergrund gestellt. Dabei bleiben andere Charakteristika und Funktionen beider Figuren, die aus der biblischen Tradition bekannt sind, im Hintergrund (Tempelbau durch Salomo etc.). Letzteres ist aber nicht den kontingenten Umständen der koranischen Verkündigung geschuldet, sondern ein Zeugnis der negativen Intertextualität des Korans: Es werden nicht nur zentrale Theologumena und Motive der biblischen und postbiblischen Tradition privativ marginalisiert, sondern durch neue Aussagen und eine neue theologische Stoßrichtung ersetzt. Salomos Verfügungsgewalt über die Geister und Dämonen steht in einem engen Zusammenhang mit dem Tempelbau. So wird im babylonischen Talmud berichtet, dass seine Herrschaft die Erde und den Himmel umfasste (vgl. TUK, Nr. 1393) sowie, dass er listenreich Dämonen dazu gebracht hat, ihm beim Tempelbau zu helfen (vgl. TUK, Nr. 1090). In den apokryphen Traditionen wird diese Verfügungsgewalt über Dämonen noch ausführlicher beschrieben (vgl. Busch 2006). Dagegen wird im hier kommentierten Vers der Zusammenhang dieser Verfügungsgewalt zum Tempelbau nicht thematisiert. Der Grund für diese Negation liegt in der heilsgeschichtlichen Einordnung der Tempelzerstörung, wie sie koranisch in Q 17 vorgenommen wird (vgl. Ghaffar 2020, 15-26). Dort wird die zweimalige Tempelzerstörung als Erfüllung von zwei Verheißungen (waʿdān) beschrieben, die sich aufgrund des verschuldeten Unheils (ifsād) auf der Erde ereignen (Q 17:4-8). Angelika Neuwirth hat betont, dass insbesondere die erneute Zerstörung des Tempels im Koran nicht die heilsgeschichtliche Brisanz hat, wie sie etwa in der christlichen Rezeption als Strafe Gottes für die Tötung seines Sohnes wahrgenommen wurde (vgl. Kommentar zu Q 17:4-8). Man könnte hier tatsächlich versucht sein, von einer koranischen Konzeptualisierung beider Verheißungen (waʿdān) von der Zerstörung des Tempels als waʿdu l-ihlāk, also der Verheißung von der Bestrafung der Frevler, zu sprechen. Nur steht die zweimalige Tempelzerstörung nicht wie bei den Straflegenden für die Vernichtung eines ganzen Volkes. In Q 17:8 wird ja betont, dass Gott sich den Israeliten womöglich erbarmt. Bereits in der hebräischen Bibel wird die erste Tempelzerstörung ex eventu als Voraussage und Verheißung einer göttlichen Sanktion begriffen:
„Nachdem Salomo den Bau des Tempels und des königlichen Palastes vollendet und alle Pläne, die er auszuführen wünschte, verwirklicht hatte, erschien ihm der Herr […]. Er sprach zu ihm: Ich habe dein flehentliches Gebet, das du an mich gerichtet hast, gehört und dieses Haus, das du gebaut hast, geheiligt. Meinen Namen werde ich für immer hierher legen, meine Augen und mein Herz werden allezeit hier weilen. Wenn du mit ungeteiltem und aufrichtigem Herzen vor mir den Weg gehst, den dein Vater David gegangen ist, und wenn du alles tust, was ich dir befohlen habe, wenn du auf meine Gebote und Rechtsvorschriften achtest, dann werde ich deinen Königsthron auf ewig in Israel bestehen lassen, wie ich es deinem Vater David zugesichert habe, zu dem ich gesagt habe: Es soll dir nie an einem Nachkommen auf dem Thron Israels fehlen. Doch wenn ihr und eure Söhne euch von mir abwendet und die Gebote und Gesetze, die ich euch gegeben habe, übertretet, wenn ihr euch anschickt, andere Götter zu verehren und anzubeten, dann werde ich Israel in dem Land ausrotten, das ich ihm gegeben habe. Das Haus, das ich meinem Namen geweiht habe, werde ich aus meinem Angesicht wegschaffen, und Israel soll zum Gespött und zum Hohn unter allen Völkern werden. Dieses Haus wird zu einem Trümmerhaufen werden, und jeder, der vorübergeht, wird sich entsetzen und zischen. Man wird fragen: Warum hat der Herr diesem Land und diesem Haus das angetan?“ (1 Kön 9,1-8).
In Q 17 wird diese noch konditional formulierte Verheißung zur gewissen Zerstörung beider Tempel umformuliert. Diese Deutung der beiden Tempelzerstörungen als waʿda l-ihlāk ist vor dem Hintergrund der eschatologischen Erwartungen und Hoffnungen zu sehen, die man im siebten Jahrhundert bezüglich einer möglichen Wiedererrichtung des Tempels hatte. Chiliastische und jüdisch-christliche Vorstellungen von der Endzeit haben sich im siebten Jahrhundert verstärkt an der Frage des Tempelberges und einer möglichen Wiedererrichtung des Tempels orientiert:
„It is traditionally assumed that, by the fourth century, the chiliastic trends so prominent in the early stages of Christianity had more or less burnt themselves out, yet, they seem to reappear with renewed strength in the seventh century, with the same old scenario being played out in Jerusalem, in particular around the Temple Mount.“
(Stroumsa 2015, 168)Für die Juden markierte die mögliche Wiedererrichtung des Tempels den Beginn der Herrschaft des Messias, während man in christlicher Wahrnehmung darin ein Zeichen für die Herrschaft des Antichristen vor dem Wiedererscheinen von Jesus Christus gesehen hätte (vgl. ebd., 77). In Q 17 werden diese eschatologischen Erwartungen an einem Wiederaufbau des Tempels negiert (vgl. Ghaffar 2020, 15-26). Die Sure wurde - wie Q 21 - in einer Zeit verkündigt, in der die sassanidische Eroberung Jerusalems 614 diese eschatologischen Vorstellungen um den Tempelberg nochmals intensiviert hatte. Durch die veritable Bezeichnung der zweiten Tempelzerstörung als waʿdu l-ʾāḫira, also „letzte Verheißung“ (Q 17:7), wird jegliche Hoffnung auf einen Wiederaufbau des Tempels und somit auch die biblisch an David gerichtete Zusage vom Bestehen seines Königtums und des Tempels negiert. Denn die zweite Zerstörung ist die letzte Verheißung bezüglich des Tempels. Die Bezeichnung als waʿdu l-ʾāḫira dient zum Ende der Sure als terminologisches tertium comparationis, um dem waʿda l-ihlāk der Tempelzerstörungen die Verheißung von dem einstigen Endgericht gegenüberzustellen. Denn die Israeliten werden hier mit demselben Begriff der waʿdu l-ʾāḫira an die Rückkehr zu ihrem Herrn erinnert (Q 17:104). Hier bezeichnet die waʿdu l-ʾāḫira im übertragenen Sinne den waʿdu l-ḥisāb/ waʿdu s-sāʿa. In Q 17 wird also nicht nur ein möglicher Wiederaufbau des Tempels (waʿdu l-ʾāḫira im wörtlichen und numerischen Sinne als zweite und letzte Tempelzerstörung), sondern auch die eschatologische Verknüpfung des Tempelberges mit der Endzeit aufgehoben (waʿdu l-ʾāḫira im übertragenen Sinne als einstige Zeit des Endgerichts). Für die urmuslimische Gemeinde war klar, dass die kriegerischen Ereignisse um Jerusalem keine imminent eschatologische Bedeutung haben und dass die gemeindliche Orientierung zum Heiligen Land (Gebetsrichtung) kein ephemeres Phänomen ist. Auch wenn der Tempel nicht mehr physisch existiert, war die urmuslimische Gemeinde von der bleibenden Bedeutung Jerusalems als Epizentrum sakraler Topographie überzeugt. Dass die in diesem Vers beschriebene Verfügungsgewalt Salomos über Geister und Dämonen nichts mehr mit dem Tempel zu tun hat, ist vor dem Hintergrund dieser heilsgeschichtlichen Deutung der beiden Tempelzerstörungen als waʿda l-ihlāk zu sehen. An einem möglichen Wiederaufbau des Tempels soll gar nicht mehr gedacht werden. Es wird koranisch gar nicht davon berichtet, dass Salomo den Tempel erbaut hat. Seine Verfügungsgewalt gegenüber Geister und Dämonen exemplifiziert vielmehr die Verheißung von der Zuwendung Gottes an seine Diener (waʿdu l-istiǧāba), die nichts mehr mit der biblischen Verheißung und Zusage bezüglich des möglichen Bestehens des Tempels und des jüdischen Königtums zu tun hat (vgl. 1 Kön 9,1-8). Bei der erstmaligen Erwähnung von Salomo und David in Q 38 ist zwar noch die Bautätigkeit der Dämonen angedeutet (bannāʾin, „Baumeister“), jedoch steht diese in keinem Zusammenhang mit dem Bau des Tempels. Auch erbittet Salomo in Q 38:35 um ein nie dagewesenes Königtum, sodass die Bitte und prinzipielle Zusage in 1 Könige 9,1-8 hinsichtlich eines temporal fortbestehenden und ewigen Königtums in eine Bitte um ein komparativ bedeutsames und unvergleichliches Königtum umgewandelt wird. Salomo hatte das prächtigste Königtum und in Q 21 ist jedwede Möglichkeit der Verknüpfung Salomos mit dem Bau des Tempels gestrichen.
Auch die zuvor beschriebene typologische Angleichung von David und Salomo zeugt von einer negativen Intertextualität. Letztere soll nämlich die genealogische Relation beider Figuren relativieren, die eng mit einer Verheißung und dem Tempel verbunden ist. David begeht einen Ehebruch mit Batseba, der Ehefrau des Soldaten Urija (vgl. 2 Sam 11,1-27). Das erste Kind der beiden erkrankt und stirbt als Bestrafung Gottes, wobei Batseba danach Salomo gebärt (vgl. 2 Sam 12,1-25). Mit der Geburt Salomos ist auch die Erfüllung einer göttlichen Verheißung an David verknüpft:
„Wenn deine Tage erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern legst, werde ich deinen leiblichen Sohn als deinen Nachfolger einsetzen und seinem Königtum Bestand verleihen. Er wird für meinen Namen ein Haus bauen, und ich werde seinem Königsthron ewigen Bestand verleihen. […] Dein Haus und dein Königtum sollen durch mich auf ewig bestehen bleiben; dein Thron soll auf ewig Bestand haben.“ (2 Sam 7,12-16). Im Tempelweihgebet dankt Salomo Gott für die Erfüllung der Verheißung an seinem Vater: „Du hast das Versprechen gehalten, das du deinem Knecht, meinem Vater David, gegeben hast. Deine Hand hat heute erfüllt, was dein Mund versprochen hat. Und nun, Herr, Gott Israels, halte auch das andere Versprechen, das du deinem Knecht, meinem Vater David, gegeben hast, als du sagtest: Es soll dir nie an einem Nachkommen fehlen […]“ (1 Könige 8,24 f.)
Da man Q 21 auch als Sure der Verheißung (surat al-waʿd) bezeichnen kann, verwundert es, dass gerade die Verheißung an David bezüglich des Tempels, seines Königtums und seiner Nachkommen, hier fehlt. Genauso hätte die genealogische Verbindung zwischen David und Salomo als Erfüllung einer Verheißung bestens zu Q 19 gepasst, wo die Geburt von Johannes, Jesus und die Verheißung von Isaak als Exempla für Gottes spezielle Gunsterweise als Ersatz für verlorene genealogische Bindungen stehen (Salomo ist ja der „Ersatz“ für den Tod des ersten Kindes). Stattdessen werden David und Salomo in Q 38 eingeführt und die biblische Verheißung bezüglich des Tempels und seiner Nachkommen (vgl. 2 Sam 7,12-16) ist bereits dort durch eine neue Gunsterweisung Gottes ersetzt (Q 38:26). David steht als ḫalīfa paradigmatisch für den Herrscher par excellence, der mit seinem Königtum in besonderer Weise die gegebene Statthalterschaft an die Menschen (Q 27:62; später in Medina Q 2:30) erfüllt. Die Weissagung bezüglich des Tempels und Salomos wird dagegen verdrängt. Vielmehr stehen sich David und Salomo in ihren Rollen als Könige, weise Richter und den jeweiligen Tugenden und Fähigkeiten typologisch nahe. Diese neue Verhältnisbestimmung dient koranisch vor allem zur Abweisung von David als messianischem König, dessen Königtum dereinst wieder restituiert wird. In der jüdischen Tradition ist in Anlehnung an biblischen Stellen wie Hos 3,5 und Jes 11, 1-16 etc. die Erwartung eines zweiten Davids, der als Messias das Königtum wieder errichtet, stets präsent geblieben (vgl. Thoma, Art. David II, TRE8, 386). Bis heute ist diese messianische Hoffnung, als Bitte um Etablierung der Herrschaft Davids, auch im zentralen Gebet des jüdischen Gottesdienstes, der Amida, präsent (vgl. Elbogen 1913, 52-54). Dass diese Erwartung an einem David redivivus sehr alt ist, zeigt sich in der Tendenz der Evangelien und der paulinischen Briefe, Jesus genealogisch und typologisch als zweiten David darzustellen (vgl. Mt 1,1-7; Lk 3,23-38; 2 Tim 2,8; Heb 7,17). Im siebten Jahrhundert waren auf jüdischer Seite die eschatologischen Erwartungen an einen davidischen Messias und an der Wiedererrichtung des Tempels besonders prävalent (vgl. Stroumsa 2015, 82 ff.). Es ist deshalb auch nicht weiter verwunderlich, dass Quellen aus der ersten Hälfte des siebten Jahrhunderts (etwa Doctrina Jacobi, jüdische Apokalpyse des Rabbi Schimon ben Jochai etc.) die expandierenden Muslime als möglicherweise messianische Bewegung betrachtet haben und Muhammad jeweils als falschen Messias, falschen Propheten oder Verkünder des Messias bewerten (vgl. ebd., 73-85). Gegen die Vorstellung von der Wiederkehr eines zweiten Davids und der eschatologischen Errichtung des Tempels richtet sich die koranische Bezeichnung der zweiten Tempelzerstörung als waʿdu l-ʾāḫira (diese letzte Verheißung hat sich durch die zweite Tempelzerstörung erfüllt) und die typologische Angleichung von David und Salomo. Der Tempel wurde zerstört und wird nicht wiedererrichtet. Diesbezüglich gibt es keine weitere Verheißung. Auch wird Salomo im Koran nicht mehr mit dem Tempelbau assoziiert, denn die salomonische Errichtung des Tempels ist biblisch verknüpft mit der Verheißung des ewigen Bestehens desselben bzw. des Königtums und nährt später die Hoffnung von seiner eschatologischen Wiedererrichtung. Für die urmuslimische Gemeinde hat der Zeitpunkt der Erfüllung des waʿdu l-ḥisāb nichts mit dem Tempel und seines Wiederaufbaus zu tun.
V. 83-84 wa-ʾaiyūba ʾiḏ nādā rabbahū ʾannī massaniya ḍ-ḍurru wa-ʾanta ʾarḥamu r-rāḥimīn/ fa-staǧabnā lahū fa-kašafnā mā bihī min ḍurrin wa-ʾātaināhu ʾahlahū wa-miṯlahum maʿahum raḥmatan min ʿindinā wa-ḏikrā li-l-ʿābidīn] Hiobs Lebensgeschichte wird im Koran lediglich im Kern als Ausdruck von Standhaftigkeit, Bewährung und göttlicher Belohnung erzählt (Q 38:41-44). Er selbst betet um die Befreiung von seinem Unheil und appelliert dabei in besonderer Weise an die Barmherzigkeit Gottes: Durch den Elativ (ʾarḥamu r-rāḥimīn) wird die unüberbietbare Barmherzigkeit Gottes hervorgehoben, die hier wohl auch bewusst gegen die von Gott in der Bibel zugelassene Prüfung Hiobs durch Satan gestellt werden soll (vgl. Hi 1,6-22). Denn letzteres widerspricht der Zusage Gottes an die Gemeinde in Q 15:39-42, dass er seine gläubigen Diener vor Satans Versuchungen und Drangsal bewahren wird. Gott erhört in seiner Barmherzigkeit das Gebet von Hiob und vermehrt gar sein Familienreichtum im Vergleich zur Situation vor seiner Drangsal (vgl. Hi 42,12-13).
V. 85-86 wa-ʾismāʿīla wa-ʾidrīsa wa-ḏa l-kifli kullun mina ṣ-ṣābirīn/ wa-ʾadḫalnāhum fī raḥmatinā ʾinnahum mina ṣ-ṣāliḥīn] Es werden mit Ismael, ʾIdrīs und ḏū l-kifl enumerativ weitere Figuren genannt, die sich wie Hiob durch eine besondere Geduld (ʾinnahum mina ṣ-ṣāliḥīn) ausgezeichnet haben und denen sich Gott in seiner Barmherzigkeit zugewandt hat. ʾIdrīs wird in der muslimischen Tradition vor allem mit Henoch identifiziert (vgl. Erder 2002, 484-486), der entrückt wurde (vgl. Gen 5,18-24), wobei die genaue Etymologie von ʾIdrīs schwierig bleibt (vgl. Horovitz, KU, 88 f.). Die Identifikation von ḏū l-kifl ist noch problematischer (vgl. ebd., 113). Die muslimischen Exegeten versuchen aus dem Bedeutungsspektrum der Wurzel k-f-l die Identität dieser Person abzuleiten (vgl. Busse 2001, 527-529). Eine überzeugende und eindeutige Identifikation ist hier noch nicht möglich.
V. 87-88 wa-ḏa n-nūni ʾiḏ ḏahaba muġāḍiban fa-ẓanna ʾan lan naqdira ʿalaihi fa-nādā fi ẓ-ẓulumāti ʾan lā ʾilāha ʾillā ʾanta subḥānaka ʾinnī kuntu mina ẓ-ẓālimīn/ fa-staǧabnā lahū wa-naǧǧaināhu mina l-ġammi wa-ka-ḏālika nunǧi l-muʾminīn] Mit ḏa n-nūni („den mit dem Fisch“) wird Jonas wie bereits bei seiner erstmaligen Nennung (ṣāḥibu l-ḥūt, „der mit dem Fisch“) nur indirekt angesprochen (für die Entlehnung von ḏa n-nūni aus dem Aramäischen siehe Horovitz, KU, 155.). In dem Vers wird gar nicht der biblische Grund für Jonas erzürnten Weggang genannt (er weigert sich zu warnen, vgl. Jon 1,1-3). Stattdessen wird zugleich an die Situation von Jona im Bauch des Fisches und seine Reue und Bitte um Rettung erinnert (V. 87). Auch ihm ist die Verheißung von Gottes Zuwendung und Rettung sicher (waʿdu l-istiǧāba/waʿdu n-naǧāh) (V. 88). Interessant ist die Einsicht vom eigenen Frevel (ʾinnī kuntu mina ẓ-ẓālimīn), die eigentlich - wie zuvor im Surenverlauf beschrieben - die verspätete Einsicht der Frevler in der Endzeit nahezu wörtlich wiederholt (V. 14; V. 46). Doch in dieser Welt erhört Gott den Bußfertigen. Da koranisch vor allem dieses Bild vom bußfertigen Jona erinnert wird, wundert es auch nicht weiter, dass er mit einer pars-pro-toto-Bezeichnung für sein ganzes Leben (nūn, ḥūt) angesprochen wird.
V. 89-90 wa-zakarīyā ʾiḏ nādā rabbahū rabbi lā taḏarnī fardan wa-ʾanta ḫairu l-wāriṯīn/ fa-staǧabnā lahū wa-wahabnā lahū yaḥyā wa-ʾaṣlaḥnā lahū zauǧahū ʾinnahum kānū yusāriʿūna fi l-ḫairāti wa-yadʿūnanā raġaban wa-rahaban ʾinnahum kānū lanā ḫāšiʿīn] Von Zacharias wird in der mittelmekkanischen Sure Maryam das erste Mal erzählt (Q 19:1-15). Auch dort betet er trotz fortgeschrittenen Alters und der Unfruchtbarkeit seiner Frau um einen Erben (wāriṯ) (vgl. Q 19:6), der sein priesterliches Amt im Tempel fortführt. In Q 19 erhört Gott das Gebet von Zacharias und verkündigt sowie schenkt (wahaba) ihm Johannes als Zeichen seiner Barmherzigkeit. Eben daran wird jetzt auch in Q 21 erinnert: Gegenüber Zacharias hat Gott seine Versprechen der Zuwendung (istiǧāba) erfüllt, sodass er und seine Frau ein demütiges Leben führten.
V. 91 wa-llatī ʾaḥṣanat farǧahā fa-nafaḫnā fīhā min rūḥinā wa-ǧaʿalnāhā wa-bnahā ʾāyatan li-l-ʿālamīn] Wie in Q 19 folgt nach der Erzählung von der Verkündigung der Geburt von Johannes die Geburtsgeschichte von Jesus. Hier wird jedoch nur in einem Vers daran erinnert. Maria wird dabei nicht namentlich genannt, sondern durch ihr Epitheton der Jungfrau (wa-llatī ʾaḥṣanat farǧahā) angesprochen. Sie und Jesus sind selbst Zeichen (ʾāya) der Barmherzigkeit und Zuwendung Gottes für die Weltenbewohner.
V. 92-94 ʾinna hāḏihī ʾummatukum ʾummatan wāḥidatan wa-ʾana rabbukum fa-ʿbudūn/wa-taqaṭṭaʿū ʾamrahum bainahum kullun ʾilainā rāǧiʿūn/ fa-man yaʿmal mina ṣ-ṣāliḥāti wa-huwa muʾminun fa-lā kufrāna li-saʿyihī wa-ʾinnā lahū kātibūn] Die im narrativen Mittelteil genannten biblischen Figuren aus der christlichen und jüdischen Tradition werden als eine einzige monotheistische Gemeinschaft betrachtet (ʾummatan wāḥidatan) (V. 92). Erst mit der Zeit wurden daraus unterschiedliche Konfessionen (V. 93). Während mittelmekkanisch noch die Vision der Einheit des biblisch-monotheistischen Glaubens besteht, wird medinensisch der Tatsache Rechnung getragen, dass Gott in der Geschichte mehrere Bünde mit Gläubigen geschlossen hat (Q 2:253; Q 33:7), die aber einem primordialen Bund Gottes mit der Menschheit insgesamt entsprechen (Q 7:172).
Trotz der konfessionellen Zerstrittenheit wird daran erinnert, dass sich diese Spaltung eschatologisch auflösen wird. Für alle ist die Rückkehr zu Gott bestimmt. Dort erwartet jeden Einzelnen die gerechte Abrechnung der eigenen Taten.
V. 95-96 wa-ḥarāmun ʿalā qaryatin ʾahlaknāhā ʾannahum lā yarǧiʿūn / ḥattā ʾiḏā futiḥat yāǧūǧu wa-maǧūǧu wa-hum min kulli ḥadabin yansilūn] Der Mittelteil der Sure endet auch mit einem Narrativ, das jedoch eschatologisch ist. Kein Bewohner der Städte, die nach Gottes Verheißung zerstört wurden (waʿdu l-ihlāk), wird auferstehen, solange nicht Gog und Magog freigelassen und in ihrer Durchschlagskraft omnipräsent (min kulli ḥadabin) sein werden. Zur koranischen Nomenklatur von Gog und Magog siehe die Textkritik zu dieser Sure. Einer der Enkel Noahs wird im 1. Buch Mose als Magog bezeichnet (vgl. Gen 10,2). Dabei soll der Stammbaum Noahs im Kontext des zehnten Kapitels als Ätiologie für die geographische Verteilung der Völker auf der Erde dienen. Der Ursprung aller späteren Erzählungen zu Gog und Magog findet sich bei Hesekiel 38 und 39, wo Gog aus Magog das einstige göttliche Gericht gegen sie prophezeit wird. In der rabbinischen und apokalyptischen Tradition bezeichnen Gog und Magog jeweils zwei Völker oder Personen, die als Gegenspieler des Messias auftreten (vgl. Gog and Magog, EJ7, 683 f.). Entscheidend für die koranische Rezeption ist, dass sich der Überlieferungsstoff zu Gog und Magog mit den Legenden zum Wirken Alexanders verbindet, der in der syrischen Überlieferung als gläubiger Monotheist eine Schranke oder ein Tor errichtet, um das Einfallen der Völker Gog und Magog zu verhindern, die als Horden beschrieben werden (vgl. Donzel / Schmidt 2009, 17 ff.): So etwa in der syrischen Alexanderlegende und in dem Jakob von Sarug zugeschriebenen Alexanderlied. Diese Schriften werden nicht zufällig in die erste Hälfte des siebten nachchristlichen Jahrhunderts datiert (vgl. ebd., 15-31). Zur Zeit der koranischen Verkündigung war dieser Erzählstoff um Gog/Magog und Alexander weit verbreitet (vgl. Ghaffar 2020, 156-166). Im größeren Zusammenhang wird dieser Erzählstoff auch in Q 18 verarbeitet (vgl. ebd., 111-156). In Q 21 treten nominal nur Gog und Magog auf. Ihre durch Alexander vorgenommene Zurückweisung hinter eine Schranke bis zur eschatologischen Endzeit erfüllt zum Ende des Mittelteils zwei Funktionen: Zum einen ist die Zurückhaltung von Gog und Magog ein Beispiel für Gottes Verheißung seiner Zuwendung und Rettung an die gläubigen Menschen (waʿdu n-naǧāh/ waʿdu l-istiǧāba). Gott hat die Menschen seit der Zeit Alexanders vor Gog und Magog gerettet und bewahrt. Gleichzeitig markiert die einstige Öffnung der Schranke den Übergang zum Anfangs- und Endteil der Sure, die vor allem den waʿdu l-ḥisāb thematisieren, also das Endgericht. Die Losbindung von Gog und Magog, die hier in der Omnipräsenz ihres Einfalls für die unabwendbare Erfassung der ganzen Menschheit und Erde stehen, wird den Beginn der Stunde oder Abrechnung markieren.
Neben dieser Verquickung beider Formen der Verheißung (waʿdu n-naǧāh /waʿdu l-ḥisāb) anhand des Beispiels von Gog und Magog steht das Leben Alexanders selbst, der hier namentlich nicht genannt wird, für sämtliche Formen der Verheißungen (wuʿūd), die Gott seinen auserwählten Dienern erteilt: Alexander hat auch eine besondere Verfügungsgewalt über die Menschen, die ihn als Gabe Gottes (waʿdu l-ʾītāʾ) zugesichert ist. Diese zeigt sich in der syrischen Alexanderlegende und im Alexanderlied in der Art und Weise, wie er unzählige Menschen (als Schmied etc.) für seine Ziele zusammenbekommt und über welche Macht er verfügt. In Q 18 drückt sich diese Macht auch in der ihm von Gott zugestandenen Funktion als Richter aus (Q 18:86). Auch wird Alexander in denselben Quellen im Grenzgebiet des persischen Reiches zu den Völkern von Gog und Magog vom persischen König angegriffen. Er wird von einem Engel gewarnt, woraufhin er seine Truppen auffordert Gott um seine Hilfe zu bitten und schließlich siegt (waʿdu l-istiǧāba/waʿdu l-ihlāk) (vgl. Reinink, AL, 80 ff.). Nach dem Bau des Tores gegen Gog und Magog veranstaltet Alexander ein Dankfest für Gottes Rettung von ihnen, der seiner Truppen und der Menschen (waʿdu n-naǧāh):
„Es ziemt sich, dass wir an diesem Ort ein grosses Fest veranstalten, da der Herr uns zu Hilfe gekommen ist und unsere Feinde vertilgt hat und er uns geholfen und schnell dieses Bauwerk vollendet hat und er es ist, der die Magogiten abgehalten und zum Schweigen gebracht hat, so dass sie diese ganze Zeit hindurch nicht durch die Strasse ausgezogen sind.“
(Reinink, AL, 98)Das Leben Alexanders exemplifiziert also sämtliche Elemente, der in Q 21 thematisierten Verheißungen Gottes und ihrer Erfüllung. Schließlich wird das von ihm erbaute Tor zur eschatologischen Endzeit wieder durchbrochen (waʿdu l-ḥisāb) (vgl. ebd., 104-154).
V. 97-104 wa-iqtaraba l-waʿdu l-ḥaqqu fa-ʾiḏā hiya šāḫiṣatun ʾabṣāru llaḏīna kafarū yā-wailanā qad kunnā fī ġaflatin min hāḏā bal kunnā ẓālimīn/ ʾinnakum wa-mā taʿbudūna min dūni llāhi ḥaṣabu ǧahannama antum lahā wāridūn/ lau kāna hāʾulāʾi ʾālihatan mā waradūhā wa-kullun fīhā ḫālidūn/ lahum fīhā zafīrun wa-hum fīhā lā yasmaʿūn/ inna llaḏīna sabaqat lahum minna l-ḥusnā ʾulāʾika ʿanhā mubʿadūn / lā yasmaʿūna ḥasīsahā wa-hum fī ma ištahat ʾanfusuhum ḫālidūn/lā yaḥzunuhumu l-fazaʿu l-ʾakbaru wa-tatalaqqāhumu l-malāʾikatu hāḏā yaumukumu llaḏī kuntum tūʿadūn/ yauma naṭwi s-samāʾa ka-ṭaiyi s-siǧilli li-l-kutubi ka-mā badaʾnā ʾauwala ḫalqin nuʿīduhū waʿdan ʿalainā ʾinnā kunnā fāʿilīn] Einige Übersetzer verbinden den Beginn von V. 97 aufgrund der Konjunktion wa mit dem vorherigen Vers, der vom Einfall von Gog und Magog berichtet (vgl. die Übersetzungen von Hartmut Bobzin und Rudi Paret). Jedoch indiziert die Konjunktion zusammen mit der Bekräftigungspartikel la-qad analog zum Surenbeginn und zum Beginn des Mittelteils (V. 1; V. 48) den Wechsel zum letzten Teil der Sure, der jetzt auch für sich nochmal den Beginn der eschatologischen Abrechnung ausmalt. Die Abrechnung (ḥisāb) wird jetzt auch selbst als waʿd bezeichnet. Bei der Erfüllung der eschatologischen Endzeit wird die in der Sure bereits formulierte eschatologische Selbsterkenntnis der Frevler (V. 14; V. 46) zu spät sein (V. 97). In einem Doppelbild wird zunächst beschrieben, wie die Frevler und die von ihnen verehrten Götter in der Hölle brennen werden (V. 98f). Dieses Bild der brennenden Götzen ist die eschatologische Umkehrung der schöpfungstheologischen Argumentation im ersten Teil der Sure (V. 43) und aus der Erzählung von Abraham (vgl. V. 66), wo die Götzen als hilflos beschrieben werden. So werden diese auch in der Endzeit nichts tun können (V. 99). Dagegen verweilen die Gläubigen an diesem Tag in absoluter Ruhe (V. 100-102). Damit erfüllt sich das Versprechen (waʿd) der Abrechnung und der Umkehrung des Schöpfungsprozesses, bei dem die ganze Welt zusammengefaltet wird, während die eschatologischen Schriftrollen für die Abrechnung ausgerollt werden (vgl. Textkritik). Der Beginn der Schöpfung wird nun zum Ende hin invertiert. Das Motiv vom Zusammenrollen des Himmels in der Endzeit geht zurück auf Jesaja 34,4. Im Kontext eines eschatologischen Diskurses findet es insbesondere bei Ephrem Anwendung (vgl. OʼShaughnessy 1986, 40; Sinai 2017, 259). So spricht Ephrem davon, dass der Himmel „wie eine Buchrolle zusammengerollt (metkarkin ak karṭisā)“ (ESIII, II, Zeile 270) wird (vgl. ESIII, I, Zeile 349).
V. 105 wa-la-qad katabnā fi z-zabūri min baʿdi ḏ-ḏikri ʾanna l-ʾarḍa yariṯuhā ʿibādiya ṣ-ṣālihūn] Gemäß dem zentralen Topos der Sure wird nun auch an die Verheißung vom Erbe des Landes durch die Rechtschaffenen erinnert (waʿdu l-wirāṯa), die im zabūr, also im Psalter, gemacht wird. Tatsächlich wird hier auf die Verheißung in Ps 37:29 angespielt, in dem es heißt: „Die Gerechten werden das Land besitzen und für immer darin wohnen.“. Für die urmuslimische Gemeinde ist diese Zusicherung angesichts ihrer unterdrückten Lage in Mekka von besonderer Bedeutung. Im narrativen Mittelteil entspricht die Geburt von Johannes der Erfüllung der waʿdu l-wirāṯa (vgl. V. 89f, wo Gott als ḫairu l-wāriṯīn bezeichnet wird).
V. 106-108 ʾinna fī hāḏā la-balāġan li-qaumin ʿābidīn / wa-mā ʾarsalnāka ʾillā raḥmatan li-l-ʿālamīn/ qul ʾinnamā yūḥā ʾilaiya ʾannamā ʾilāhukum ʾilāhun wāḥidun fa-hal ʾantum muslimūn] Auf die thetischen Aussagen zu Beginn der Sure bezugnehmend (V. 7, V. 25, V. 45), soll auch der Verkünder selbst explizieren, dass ihm die monotheistische Botschaft eingegeben wurde und dass er nur aus Barmherzigkeit für die Weltenbewohner entsandt wurde. In diesem Vers deutet sich bereits eine Art Bekenntnis zu Muhammad und der Einheit Gottes an, das die Grundlage für die šahāda sein wird.
V. 109-111 fa-ʾin tawallau fa-qul ʾāḏantukum ʿalā sawāʾin wa-ʾin ʾadrī ʾa-qarībun ʾam baʿīdun mā tūʿadūn/ ʾinnahū yaʿlamu l-ǧahra mina l-qauli wa-yaʿlamu mā taktumūn / wa-ʾin ʾadrī laʿallahū fitnatun lakum wa-matāʿun ʾilā ḥīn] Der Verkünder selbst kann aber kein Datum für die Einlösung der Verheißung von der Endzeit nennen (V. 109). Die diesbezügliche Unwissenheit der Menschen ist auch eine Versuchung (fitnatun) für sie (vgl. V. 35, wo das Leben als Ganzes eine Versuchung darstellt).
V. 112 qul rabbī uḥkum bi-l-ḥaqqi wa-rabbuna r-raḥmānu l-mustaʿānu ʿalā mā taṣifūn] Die Sure endet mit der Aufforderung zum Gebet, dass Gott in Wahrheit richtet. Nur der Barmherzige kann in seiner Autorität und Macht um Hilfe gebeten werden.
Literaturliste
Q 21 knüpft an die frühmittelmekkanische Sure Q 54 an und greift die Frage nach dem Nahesein der Stunde (sāʿa) wieder auf. Anders als in Q 54 steht diese nicht im Kontext der Ablehnung (takḏīb) von Zeichen und Warnungen der Gesandten. Denn in Q 21 wird die Frage nach dem Eintreffen der Stunde erweitert und im Rahmen der grundsätzlichen Erfüllung von göttlichen Verheißungen unterschiedlichster Art kontextualisiert (wuʿūd). Im narrativen Mittelteil werden deshalb in Mittelmekka bereits bekannte Figuren (aus Q 38, Q 19, Q 20, Q 21 etc.) wiederaufgenommen und als Beispiele für die Erfüllung göttlicher Verheißungen an seine Gläubigen und Gesandten expliziert. Die im einleitenden Teil zusammengefasste Polemik gegen den Propheten Muhammad (V. 3-5) zeugt von einem fortgeschrittenen Entwicklungsprozess der Gemeinde, die sich in kontinuierlicher Interaktion mit ihrer Umgebung befindet.
Die Sure behält die für die mittelmekkanischen Suren typische dreigliedrige Form bei, wobei sie jedoch nicht mit einer Offenbarungsbestätigung, sondern in Anlehnung an Q 54 proklamatorisch mit der Verkündigung des Naheseins der Abrechnung beginnt. Die Gesamtkomposition der Sure verkörpert auch den zentralen Topos der Sure: Die Erfüllung göttlicher Verheißungen. Denn sie weist eine Art konzentrische Entfaltung von Kernaussagen aus, die wiederholt aufgegriffen, erweitert und konkretisiert werden, und damit die Erfüllung göttlicher Verheißung auch formal zum Ausdruck bringen. Die ersten neun Verse enthalten mit der mā-Serie die Kernaussagen zur typischen Reaktion auf die Verkündigung des Gotteswortes und der Erfüllung göttlicher Verheißungen. Dieser Nukleus von Aussagen wird allein im ersten dreigliedrigen Teil der Sure (I A,B,C) konzentrisch und in fast derselben Reihenfolge wörtlich, stichwortartig und thematisch aufgenommen. Das Verhältnis zwischen den V. 1-8 und der Verheißung von der Rettung in V. 9 spiegelt sich kompositorisch in der Relation zwischen I A,B,C und dem zweiten Teil (II) wieder. Denn letzterer demonstriert erst durch die beschriebene Narrative, wie Gott in der Geschichte seine Verheißungen konkret erfüllt.
Der Aufbau von Q 21 sticht durch eine weitere Einzigartigkeit heraus: Der erste (I) und zweite (II) Teil der Sure sind von der Verszahl her numerisch identisch, was mittelmekkanisch sonst gar nicht vorkommt. Der erste Teil stellt sich damit als eine Sure in der Sure heraus, die eine Art Metakommentar zum narrativen Teil bietet. Die Erweiterung von I B durch einen polemischen Diskurs über die Mehrgottverehrung entspricht der Erzählung Abrahams im Mittelteil (II), der die Mehrgottverehrung seiner Zeitgenossen ad absurdum führt.
Auch im letzten Surenteil (III) werden nahezu sämtliche Themen aus IA wiederaufgenommen.
Die Sure beginnt proklamatorisch mit dem Verweis auf das Nahesein der Abrechnung (ḥisāb) und konstatiert damit - wie in Q 54:1 - eine Unmittelbarkeit des eschatologischen Endgerichts. Diese instantane Steigerung der Dringlichkeit drückt die Gewissheit von der Erfüllung der eschatologischen Verheißung (waʿd) aus. Auch wenn der Verkünder selbst nicht wirklich weiß, wann genau die Stunde (sāʿa) beginnt und wann die Menschen für die Abrechnung ihrer Taten vor ihrem Herrn treten (V. 37f; V. 109f), so gibt es keinen Zweifel über ihre Faktizität. Deshalb kann er bereits ihr Nahesein proklamieren (V. 1). Diese unter dem zeitlichen Aspekt gefasste lineare Logik göttlicher Verheißungen erfüllt sich - wie im Verlauf der Sure anhand von mehreren Beispielen exemplifiziert wird - für jegliche Zusage Gottes. Dieser Konstanz im göttlichen Handeln wird in den folgenden Versen die Renitenz der menschlichen Reaktion auf Gottes Interaktion mit den Menschen gegenübergestellt: Die Menschen haben sich immer über die göttliche Ermahnung (ḏikr) mokiert und diese als Zauberei (siḥr) und als das Werk eines Dichters (šāʿir) verunglimpft (V. 2-5). Ebenso sind alle Bewohner von göttlich bestraften Städten ungläubig gewesen (V. 6). Gott hat jedoch mit derselben Konstanz seine Gesandten geschickt und ihnen eingegeben (V. 7). Auch die ihnen von Gott verliehene Kreatürlichkeit als normale Menschen, die essen und sterblich sind, beansprucht vor dem Hintergrund der Polemik gegen die menschliche Natur (bašar) der Gesandten die Vorsehung göttlicher Bestimmung (V. 8). Formal wird diese sunna gottmenschlicher Interaktion mit einer Serie an negativen Ausnahmesätzen zum Ausdruck gebracht (V. 2, V. 6ff) und kulminiert in der Verheißung Gottes, dass er die Gläubigen sowohl gerettet hat als auch retten wird und ebenso die Ungläubigen bestraft hat und bestrafen wird (V. 9).
Die einleitenden Verse der Gesamtsure (V. 1-9) bilden mit ihrer kaskadeartigen Verdichtung der Logik gottmenschlicher Interaktion und mit dem Versprechen der Erfüllung göttlicher Verheißungen den Nukleus der Gesamtsure. In den nächsten beiden Verskomplexen (I B und I C) werden die Aussagen zur gottmenschlichen Interaktion thematisch und stichwortartig in Bezug auf die Situation der Verkündigung konkretisiert und spezifiziert.
Gemäß der Reihenfolge der mā-Serie wird die Ablehnung der Ermahnung (ḏikr) (V. 2) nun in Bezug auf die Gegner des Verkünders kontextualisiert: Sie werden an das Schicksal vormaliger Städte erinnert, die sich hartnäckig der göttlichen Botschaft verweigert haben. Doch als ihre Strafe eintrat, war jegliche Einsicht bereits zu spät (V. 10-15).
Eine Stichwortverknüpfung zu V. 2 (yalʿabūn) leitet zu einem zentralen Gegenstand der Verkündigung über: Dem Polytheismus. Die Schöpfung Gottes wurde nicht aus Kurzweil (lāʿibīn) erschaffen (V. 16f); vielmehr ist ihr eine schöpfungstheologische Ordnung inhärent, die die Annahme des Polytheismus ad absurdum führt: Würde man tatsächlich andere Götter auf der Welt annehmen, dann geriete alles in Chaos (fasād) (V. 21f). Als zentrale Botschaft an die Gesandten wird deshalb in Anlehnung an V. 7 konkretisiert, dass das Bekenntnis zum Monotheismus jedem Gesandten eingegeben wurde (V. 25). Dagegen sind sämtliche Wesen, die als Kinder (walad) Gottes angenommen werden, seine Diener (V. 26f). Würde einer von ihnen seine Verehrung beanspruchen, dann würde er bestraft (V. 29).
Mehrere Schöpfungs ayāt verdeutlichen die ordnungschaffende Macht Gottes, die allein seiner Hoheit über alles Geschaffenem geschuldet ist. Der feierliche Ton und die verwendeten Bilder erinnern dabei an das Inventar psalmistischer Rede (V. 31ff).
Die hier beschriebene Polemik gegen die Mehrgottverehrung und der schöpfungstheologische Diskurs um die Absurdität des Polytheismus (I B) stellen einen Metakommentar zur Erzählung von Abraham im narrativen Mittelteil dar, dessen Handeln in der Auseinandersetzung mit den Götzendienern seiner Zeit ihre schöpfungstheologische Ignoranz demonstrieren soll.
Wie die mā-Serie aus dem einleitenden Teil der Sure (V. 8) endet der Verskomplex (I B) mit der Feststellung der Sterblichkeit des Gesandten, wobei diese Aussage für alle Menschen konstatiert wird und mit dem Bild vom „Schmecken des Todes“ nicht nur die jesuanische Rede aus den Evangelien adaptiert, sondern auch den dortigen Sinn des präsentischen Eintretens des Gottesreiches zu Lebzeiten Jesu negiert. Denn jeder Mensch wird den Tod schmecken: Es gibt keine Durchlässigkeit zwischen der Jetztzeit und dem Beginn des Gottesreiches, die etwa durch das Kommen des Menschensohnes indiziert wäre (vgl. kursorischer Verskommentar zu V. 35).
Im letzten Abschnitt des ersten Surenteils (I C) werden abermals die Themen und Motive aus dem einleitenden Teil (I A) wiederholt, wobei diese jetzt die Form eines Prophetenzuspruchs annehmen. Die Gegner des Verkünders kommen nun in direkter Rede zu Wort. Der Spott gegen Gesandte (V. 2ff) und die Frage nach der Verheißung des Endgerichts und der göttlichen Vergeltung (V. 1; V. 9) werden in direkter Rede an den Verkünder wiedergegeben (V. 36; V. 38). Doch auch ihnen wird entgegnet, dass sie bei Erfüllung der göttlichen Verheißungen ohnmächtig sein werden (V. 39f; V. 44). Dann wird jede Einsicht zu spät sein und auch die von ihnen verehrten Götzen werden ihnen dann nicht zu Hilfe eilen können (V. 42f). Der Verkünder selbst soll ihnen in Anlehnung an V. 7 und V. 25 in direkter Rede bekunden, dass er durch göttliche Eingebung mahnt (V. 45). Bei der endgültigen und gerechten Abrechnung Gottes (V. 47) werden auch die Gegner des Verkünders ihren Frevel eingestehen (V. 46; vgl. V. 14, V. 87, V. 97).
Im Mittelteil der Gesamtsure (II) wird die Erfüllung und Zusicherung göttlicher Verheißungen aus V. 9 narrativ entfaltet. Die jeweiligen Erzählungen greifen bereits eingeführte Personen biblischer Heilsgeschichte und lokalarabischer Erinnerung wieder auf und fokussieren jeweils ihre Rettung (naǧāh) und die besondere Zuwendung (ʾītāʾ) in Form ihrer Auszeichnung und Erhörung ihrer Gebete (istiǧāba).
Als das Beispiel der Befreiung schlechthin wird die Rettung (furqān; für den Begriff siehe kursorischen Verskommentar zu diesem Vers) von Moses und Aaron erinnert (V. 48). Seit der frühmittelmekkanischen Phase dient der Exodus wiederholt der typologischen Zusicherung und Vergewisserung der urmuslimischen Gemeinde (Q 20; Q 26). Der furqān als göttliche Intervention in der Geschichte wird in derselben Verkündigungsphase (Q 25) als Herabsendung (tanzīl) und Offenbarung Gottes konzeptualisiert. Eine elaborierte Darlegung des Exodus selbst ist nicht nötig. Dem Gottesfürchtigen, der auch an die Erfüllung der eschatologischen Verheißung glaubt, reicht dieser markante und konzise Hinweis auf den Exodus als mahnendes Beispiel für die Erfüllung göttlicher Verheißungen (V. 48f).
Am ausführlichsten wird die Erzählung zu Abraham entfaltet, die vor allem um die sogenannte „Streitperikope“ kreist. So erfüllt Gott seine Zuwendung an Abraham, indem er ihm in besonderer Weise Einsicht (rušd) eröffnet. Damit steht Abraham gemäß der postbiblischen Tradition (vgl. kursorischer Verskommentar zu diesen Versen) für den Monotheisten schlechthin, der selbst aus einer physikotheologischen Reflexion heraus zur Gotteserkenntnis erlangt und den Götzendienst seiner Zeitgenossen bekämpft. Abraham demonstriert in dieser „Streitperikope“ durch seine Handlungen die schöpfungstheologische Argumentation gegen den Polytheismus aus dem ersten Surenteil (auch eine Stichwortverknüpfung stellt diesen Beziehungszusammenhang her: Die Zeitgenossen fragen Abraham, ob er aufgrund seiner Götzenkritik von den Scherztreibenden, den lāʿibīn, sei. Die Wurzel l-ʿ-b verweist sowohl auf den Surenanfang (V. 2), als auch auf die Abweisung des Polytheismus durch den Hinweis auf Gottes Selbstgenügsamkeit (V. 16ff). Er zerstört die Götzen seiner Zeitgenossen, bis auf einen und beschuldigt den übrig gebliebenen Götzen dieser Tat (V. 58). Damit führt er seinen Zeitgenossen die Ohnmacht der von ihnen verehrten Götzen vor Augen. Analog zur schöpfungstheologischen Argumentation im ersten Teil der Sure weist er darauf hin, dass die Götzen selbst hilf- und leblos sind (V. 43) und wie absurd deren Verehrung doch sei (V. 66f). Auch wenn es zunächst so scheint, als hätten Abrahams Zeitgenossen in Scham ihren Frevel erkannt (V. 64), erweist sich ihr Glaube an die Götzen so tief verwurzelt, dass sie beschließen, ihn zu verbrennen (V. 65-68). Doch im entscheidenden Moment erfüllt Gott seine Verheißung von der Rettung (waʿdu n-naǧāh) an Abraham und beschützt ihn vom Feuer (V. 69f). Ebenso wird Lot vor den Sodomitern gerettet (V. 71; V. 74f) und sie werden beide in das Heilige Land geführt (vgl. Gen 12:1-9) (V. 71). Die fromme und vorbildhafte Nachkommenschaft, die Abraham erhält (V. 72f), steht zudem für die göttliche Erfüllung der Gebete seiner Gesandten und Diener (waʿdu l-istiǧāba).
In der Erzählung über Noah verknüpft sich nun explizit seine Rettung (naǧāh) vor der Sintflut mit der Erfüllung seines Gebets. Gott erhört ihn (istiǧāba) und schützt ihm vor der Gewalt seiner Zeitgenossen. Die Sintflut markiert hier also keine heilsgeschichtliche Wende, sondern ist im Sinne der Straflegenden als ihlāk konzeptualisiert. Noah erscheint nämlich in den früh- und mittelmekkanischen Suren vor allem als der Idealtypus eines Warners (naḏīr).
An David und Salomo wird die besondere Gabe (ʾītāʾ) Gottes an seine gläubigen Diener exemplifiziert: Sie erhalten beide Wissen (ʿilm) und Befehls-/Verfügungsgewalt (ḥukm), die sie zu weisen Richter werden lässt (V. 79). Ebenso konnten sie die ganze Schöpfung für Gottes Lobpreis und zur Ausführung unterschiedlicher Aufgaben dienstbar machen (V. 79ff). Aus der biblischen und postbiblischen Tradition sind die Könige David und Salomo jeweils als Verfasser der Psalmen und als weise Richter bekannt. Jedoch werden koranisch beide in ihrer jeweiligen Funktion typologisch angeglichen: Beide Könige sind Richter und Herrschende mit einer besonderen Verfügungsgewalt über die Schöpfung (vgl. Busse 1979, 59-64). Diese typologische Angleichung ist Ausdruck einer negativen Intertextualität. Biblisch sind David und Salomo durch mehrere Verheißungen verknüpft. David werden ein ewiges Königtum und Salomo als Nachkomme sowie Erbauer des Tempels verheißen (vgl. 2 Sam 7,12-16). Salomo erfüllt auch mit dem Bau des Tempels diese Verheißungen (vgl. 1 Kön 8,24 f.). Da man Q 21 auch als Sure der Verheißungen (surat al-wuʿūd) bezeichnen kann, verwundert es, dass gerade die Verheißung an David bezüglich des Tempels, seines Königtums und seiner Nachkommen hier fehlt. Im weiteren Surenverlauf dient ja der Gunsterweis von Nachkommen an Zacharias und Maria jeweils als Beispiel für die Erfüllung von Gottes Versprechen seiner Zuwendung. Die typologische Angleichung von David und Salomo ist als Surrogat für die genealogische Beziehung zwischen beiden Figuren zu sehen, die insbesondere mit der Verheißung zum ewigen Bestehen des davidischen Königtums und des Tempels verknüpft ist. In der spätmittelmekkanischen Sure Q 17 wird die zweite Tempelzerstörung als letzte Verheißung bezeichnet (waʿdu l-ʾāḫira, Q 17:7) und somit die eschatologische Hoffnung auf eine Wiedererrichtung des Tempels als dritte Verheißung negiert. Zur Zeit der Verkündigung des Korans waren die messianischen Hoffnungen in Bezug auf Jerusalem wieder prävalent (vgl. Stroumsa 2015, 168). Auch wenn die urmuslimische Gemeinde sich in der mittelmekkanischen Periode spirituell in Richtung des Heiligen Landes orientiert, so hegt sie keine messianischen Hoffnungen auf einen Wiederaufbau des Tempels. Deshalb wird Salomo auch gar nicht mehr mit dem Tempelbau in Verbindung gebracht und David wird koranisch gar nicht ein ewiges Königreich zugesprochen. Beide Figuren stehen exemplarisch für die Auszeichnung und Gabe (ʾītāʾ) Gottes zu weisen Königen mit besonderen Fertigkeiten.
Die Trias von Hiob, Jona und Zacharias dient sodann in kurzen Rückblenden als weiterer Beleg dafür, dass Gott das Gebet seiner Diener erhört. Hiob und Jonas bitten Gott um ihre Rettung aus einer Notlage (V. 83; V. 87), während Zacharias im hohen Alter um einen Nachkommen bittet (V. 89), der sein Priesteramt fortführt. Die jeweiligen Gebete werden von Gott im Sinne seiner Verheißung der Zuwendung (waʿdu l-istiǧāba) erfüllt. Während Hiobs Erzählung auch als Motivgeber für die enumerative Aufzählung von Figuren dient, die sich als besonders geduldig ausgezeichnet haben (Ismael, ʾIdrīs und ḏu l-kifl; für eine mögliche Identifikation der letzteren siehe Verskommentar zu V. 85f), wird in Anschluss an die Erzählung von Zacharias durch das Epitheton der Jungfrau (wa-llatī ʾaḥṣanat farǧahā) an Maria erinnert (V. 91). In der frühmittelmekkanischen Sure Maryam (Q 19) wurden zuvor die jeweiligen Geburtsgeschichten von Johannes und Jesus als besondere Gunsterweise Gottes narrativ entfaltet.
Zum Ende des narrativen Teils wird die Einheit aller monotheistischen Gläubigen festgestellt (V. 92). Auch wenn die Menschen selbst entzweit sind, so wird ihre Einheit eschatologisch wiederhergestellt (V. 93). In den mekkanischen Suren besteht noch die Vision der Einheit aller Rechtgläubigen. Erst in den frühen medinensischen Suren wird eine bundestheologische Schärfung der Frage nach Gottes Erwählung von bestimmten Menschengruppen vorgenommen (vgl. etwa Q 2:253).
Abgeschlossen wird der narrative Erzählteil durch die Festlegung, dass keiner der Bewohner einer Stadt, die für ihre Feindseligkeit gegen die Gottesgesandten bestraft wurden (waʿdu l-ihlāk), auferweckt werden, bis mit dem Hereinbrechen von Gog und Magog die eschatologische Endzeit beginnt (V. 95). Diese Referenz hat zweierlei Funktion: Zum einen hat sich bis zur Zeit der koranischen Verkündigung der Erzählstoff um Gog und Magog mit der Legende von Alexander vermischt. Die Zurückweisung beider Entitäten durch Alexander hinter einer Schranke, stellt einen Gunsterweis Gottes für die Menschen dar, um den ja der ganze Mittelteil der Sure kreist (waʿdu n-naǧāh/ waʿdu l-istiǧāba). Zum anderen wird diese Schranke gemäß der göttlichen Verheißung in der eschatologischen Endzeit aufgebrochen und leitet zum abschließenden Teil der Sure über, der auch über die Erfüllung der Verheißung der eschatologischen Abrechnung (waʿdu l-ḥisāb) handelt (siehe kursorischer Verskommentar zu V. 95f). Durch Gog und Magog und ihrer Präsenz hinter einer Schranke ist hier auch Alexander als Protagonist um diesen Erzählstoff präsent, dessen Leben exemplarisch für sämtliche Verheißungen Gottes steht, die in Q 21 versprochen werden.
Wie der erste Vers der Gesamtsure beginnt der letzte Surenteil (III) mit der Feststellung vom Nahesein der Abrechnung (V. 97). Die diesbezügliche Verheißung (waʿd) sei nun nahegerückt. Daran anschließend werden zentrale Gedankengänge und Motive aus dem ersten Teil der Sure (I A, B, C) wiederholt: Mit dem Beginn des eschatologischen Endgerichts werden auch die Frevler ihre einstige Ignoranz und Verweigerungshaltung eingestehen (V. 97). In einem Doppelbild werden zunächst die Frevler selbst und die von ihnen verehrten Götzen als Brennstoff der Hölle eingeblendet (V. 98f). Das akustische Erschallen ihres Stöhnens als Zeichen des Leids steht im Gegensatz zur Ruhe, mit denen die Seligen den ihnen verheißenen Lohn von Engeln verkündet bekommen (V. 102f). Zur eschatologischen Endzeit werden die Prozesse des schöpfungstheologischen Anfangs invertiert: Die Welt wird wie eine Schriftrolle zusammengefaltet (V. 104). Der Verheißung von der Vernichtung der Feinde Gottes (waʿdu l-ihlāk) wird nun positiv in Anlehnung an einen Vers aus den Psalmen (vgl. Ps 37,29) die Verheißung vom Erbe des Landes, in dem die gläubigen Diener verfolgt wurden, gegenübergestellt (waʿdu l-wirāṯa) (V. 105). Als eingegebenes Bekenntnis soll der Verkünder - wie die Gesandten zuvor (V. 7; V. 25) - den Monotheismus verkünden. Seine Sendung ist ein Barmherzigkeitserweis Gottes (V. 107f).
Auch wenn die Faktizität des eschatologischen Endgerichts durch sein Nahesein verkündet wird, so besitzt der Verkünder selbst keine Kenntnis über den Zeitpunkt seiner Erfüllung (V. 109f; vgl. V. 37f). Darin ist eine Versuchung für die Ungläubigen enthalten (V. 111). Und doch ist das gerechte Gericht Gottes gewiss (V. 112). Gott steht über jede Verleumdung gegen sein verkündigtes Wort.
Insgesamt weist die Sure al-ʾanbiyāʾ eine besondere Korrespondenz zwischen Form und Inhalt auf: Der konzentrische Aufbau der Gesamtsure entspricht dem zentralen Topos der Verheißungen (wuʿūd), die Gott gegenüber den Menschen erfüllt und erfüllen wird.
Durch diesen Surenschwerpunkt auf die Versprechen und Voraussagen Gottes (waʿdu l-ḥisāb, waʿdu n-naǧāh, waʿdu l-ihlāk, waʿdu l-istiǧāba, waʿdu l-wirāṯa) wird zum einen der urmuslimischen Gemeinde in besonderer Weise Trost zugesprochen: Auch sie werden von Gott vor ihren Peinigern gerettet, auch sie können nicht vertrieben werden, auch ihre Gegner werden von Gott bestraft werden und auch sie können sich auf die Erfüllung ihrer Gebete verlassen. Zum anderen dient diese Verdichtung göttlicher Verheißungen als Argument gegen die Ungläubigen, die eben ein anderes Zeit- und Lebensverständnis haben: Sie glauben nicht gemäß den beiden schöpfungstheologischen und eschatologischen Achsen an ihre Wiederauferstehung. Sie glauben nicht an einem telos ihres Daseins, der auf ein Leben nach dem Tod verweist. Gegen diese gleichgültige Haltung richtet sich die Sure mit ihrer Fokussierung auf die Erfüllung und auf die lineare Logik göttlicher Zusagen. Dabei werden insgesamt zentrale Topoi der mittelmekkanischen Periode verhandelt (Mehrgottverehrung, Spott und Verfolgung der Gesandten und ihrer Anhänger etc.). Entscheidend für die koranische Perspektive bleibt dabei, dass eine für die Zeit der Verkündigung erwartbare apokalyptische Verheißung über den genauen Zeitpunkt und Umfang der eschatologischen Endzeit ausbleibt: Für den eschatologisch aufgeklärten Menschen spielen derartige Spekulationen keine Rolle. Denn für die Lebensweise des gläubigen Menschen leitet sich daraus keine neue Erkenntnis oder Konsequenz ab.
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Die Gegner des Verkünders kommen im Surenverlauf mehrmals in direkter Rede zu Wort: Sie verunglimpfen die Verkündigung selbst (V. 5), behaupten die Existenz von Gotteskindern (V. 26) und fragen nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der göttlichen Verheißung vom Endgericht (V. 38). Demgegenüber wird der Verkünder selbst mehrmals aufgefordert der Polemik seiner Gegner argumentativ zu entgegen (V. 42, V. 45, V. 108, V. 112). Im narrativen Mittelteil verweist das Verhalten der Gegner vormaliger Gesandten und Diener Gottes typologisch auf die Gesprächspartner des Verkünders selbst. So wird das Bekenntnis der Zeitgenossen Abrahams, dass sie mit ihrem Götzendienst die Tradition ihrer Vorfahren fortführen (V. 53), auch als Überzeugung und Diktum der Gegner des Verkünders wiedergegeben (Q 43:22; Q 31:21).
Die Vehemenz, mit der in der Sure die Erfüllung göttlicher Verheißungen konstatiert wird, stellt eine eminente Zusicherung an die urmuslimische Gemeinde dar und ist diskursiv gegen die Ablehnung und Indifferenz der ungläubigen Zeitgenossen des Verkünders gegenüber den göttlichen Zu- und Voraussagen gerichtet.