بِسۡمِ ٱللَّهِ ٱلرَّحۡمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ |
Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers! |
طه |
I11 Ṭā hā |
مَآ أَنزَلۡنَا عَلَيۡكَ ٱلۡقُرۡءَانَ لِتَشۡقَى |
2 Wir haben die Lesung nicht auf dich herabgesandt, damit du elend seiest, |
إِلَّا تَذۡكِرَةًۭ لِّمَن يَخۡشَىٰ |
3 sondern als Mahnung für den, der gottesfürchtig ist, |
تَنزِيلًۭا مِّمَّنۡ خَلَقَ ٱلۡأَرۡضَ وَٱلسَّمَٰوَٰتِ ٱلۡعُلَى |
4 als Herabsendung von dem, der die Erde und die hohen Himmel erschaffen hat. |
ٱلرَّحۡمَٰنُ عَلَى ٱلۡعَرۡشِ ٱسۡتَوَىٰ |
5 Der Barmherzige hat sich auf dem Thron niedergelassen; |
لَهُۥ مَا فِی ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَمَا فِی ٱلۡأَرۡضِ وَمَا بَيۡنَهُمَا وَمَا تَحۡتَ ٱلثَّرَىٰ |
6 ihm gehört, was in den Himmel und auf Erden ist und was dazwischen und unter dem Erdboden ist. |
وَإِن تَجۡهَرۡ بِٱلۡقَوۡلِ |
7 Wenn ihr öffentlich redet – |
فَإِنَّهُۥ يَعۡلَمُ ٱلسِّرَّ وَأَخۡفَى |
nun, er kennt das Geheime und was noch verborgener ist. |
ٱللَّهُ لَآ إِلَٰهَ إِلَّا هُوَ ۖ |
8 Gott – es gibt keinen Gott außer ihm; |
لَهُ ٱلۡأَسۡمَآءُ ٱلۡحُسۡنَىٰ |
ihm kommen die schönsten Namen zu. |
وَهَلۡ أَتَىٰكَ حَدِيثُ مُوسَىٰۤ |
II29 Ist die Kunde von Moses zu Dir gekommen? |
إِذۡ رَءَا نَارًۭ |
10 Als er ein Feuer sah |
فَقَالَ لِأَهۡلِهِ |
und zu den Seinen sprach: |
ٱمۡكُثُوٓا۟ إِنِّیٓ ءَانَسۡتُ نَارًۭا |
„Bleibt hier! Ich habe ein Feuer bemerkt; |
لَّعَلِّیٓ ءَاتِيكُم مِّنۡهَا بِقَبَسٍ |
vielleicht kann ich euch einen brennenden Scheit davon bringen |
أَوۡ أَجِدُ عَلَى ٱلنَّارِ هُدًۭى |
oder finde durch das Feuer Rechtleitung. |
فَلَمَّآ أَتَىٰهَا نُودِیَ يَٰمُوسَىٰۤ |
11 Als er zu ihm kam, wurde ihm zugerufen: „Moses!“ |
إِنِّیٓ أَنَا۠ رَبُّكَ |
12 Ich bin dein Herr! |
فَٱخۡلَعۡ نَعۡلَيۡكَ ۖ |
So ziehe deine Schuhe aus! |
إِنَّكَ بِٱلۡوَادِ ٱلۡمُقَدَّسِ طُوًۭى |
Du bist im heiligen Tal Ṭuwā. |
وَأَنَا ٱخۡتَرۡتُكَ |
13 Ich habe dich erwählt; |
فَٱسۡتَمِعۡ لِمَا يُوحَىٰۤ |
so höre auf das, was dir eingegeben wird! |
إِنَّنِیٓ أَنَا ٱللَّهُ |
14 Ich bin Gott, |
لَآ إِلَٰهَ إِلَّآ أَنَا۠ |
es gibt keinen Gott außer mir; |
فَٱعۡبُدۡنِی وَأَقِمِ ٱلصَّلَوٰةَ لِذِكۡرِیٓ |
so diene mir und verrichte das Gebet zum Gottesgedenken. |
ِنَّ ٱلسَّاعَةَ ءَاتِيَةٌ |
15 Die Stunde kommt |
أَكَادُ أُخۡفِيهَا |
– ich halte sie fast verborgen –, |
لِتُجۡزَىٰ كُلُّ نَفۡسٍۭ بِمَا تَسۡعَىٰ |
auf dass einem jeden gemäß seinem Streben vergolten werde. |
فَلَا يَصُدَّنَّكَ عَنۡهَا مَن لَّا يُؤۡمِنُ بِهَا وَٱتَّبَعَ هَوَىٰهُ فَتَرۡدَى |
16 Von ihr soll dich niemand abbringen, der nicht daran glaubt und seinen Neigungen folgt, sonst gehst du zugrunde. |
وَمَا تِلۡكَ بِيَمِينِكَ يَٰمُوسَىٰ |
317 Was ist das in deiner rechten Hand, Moses?“ |
قَالَ هِیَ عَصَاىَ |
18 Er sagte: „Das ist mein Stab; |
أَتَوَكَّؤُا۟ عَلَيۡهَا |
ich stütze mich darauf, |
وَأَهُشُّ بِهَا عَلَىٰ غَنَمِی |
schlage damit Laub für mein Vieh ab |
وَلِیَ فِيهَا مَـَٔارِبُ أُخۡرَىٰ |
und brauche es noch für andere Dinge.“ |
قَالَ أَلۡقِهَا يَٰمُوسَىٰ |
19 Er sprach: „Wirf ihn hin, Moses!“ |
فَأَلۡقَىٰهَا فَإِذَا هِیَ حَيَّةٌۭ تَسۡعَىٰ |
20 Er warf ihn hin, und siehe, da wurde er zu einer dahinkriechenden Schlange. |
قَالَ خُذۡهَا وَلَا تَخَفۡ ۖ |
21 Er sprach: „Nimm ihn und hab keine Angst! |
سَنُعِيدُهَا سِيرَتَهَا ٱلۡأُولَىٰ |
Wir werden ihn wieder in ihren früheren Zustand versetzen.“ |
وَٱضۡمُمۡ يَدَكَ إِلَىٰ جَنَاحِكَ |
22 Und drück deine Hand an deine Seite, |
تَخۡرُجۡ بَيۡضَآءَ مِنۡ غَيۡرِ سُوٓءٍ ءَايَةً أُخۡرَىٰ |
so dass sie weiß, doch ohne Schaden hervorkommt – als weiteres Zeichen, |
لِنُرِيَكَ مِنۡ ءَايَٰتِنَا ٱلۡكُبۡرَى |
23 um dich einige von unseren größten Zeichen sehen zu lassen! |
ٱذۡهَبۡ إِلَىٰ فِرۡعَوۡنَ إِنَّهُۥ طَغَىٰ |
24 Geh zu Pharao! Er ist aufsässig.“ |
قَالَ رَبِّ ٱشۡرَحۡ لِی صَدۡرِی |
425 Er sprach: „Mein Herr, weite mir meine Brust |
وَيَسِّرۡ لِیٓ أَمۡرِی |
26 mach mir meine Sache leicht |
وَٱحۡلُلۡ عُقۡدَةًۭ مِّن لِّسَانِی |
27 und löse den Knoten in meiner Zunge, |
يَفۡقَهُوا۟ قَوۡلِی |
28 damit sie meine Rede verstehen! |
وَٱجۡعَل لِّی وَزِيرًۭا مِّنۡ أَهۡلِی |
29 Und gib mir von meinen Leuten einen Helfer – |
هَٰرُونَ أَخِی |
30 Aaron, meinen Bruder. |
ٱشۡدُدۡ بِهِۦٓ أَزۡرِی |
31 Stärke mich durch ihn |
وَأَشۡرِكۡهُ فِیٓ أَمۡرِی |
32 und lass ihn an meiner Sache teilhaben, |
كَىۡ نُسَبِّحَكَ كَثِيرًۭا |
33 damit wir dich viel preisen |
وَنَذۡكُرَكَ كَثِيرًا |
34 und deiner viel gedenken! |
إِنَّكَ كُنتَ بِنَا بَصِيرًۭا |
35 Du siehst uns.“ |
قَالَ قَدۡ أُوتِيتَ سُؤۡلَكَ يَٰمُوسَىٰ |
36 Er sagte: „Deine Bitte ist dir gewährt, Moses!” |
وَلَقَدۡ مَنَنَّا عَلَيۡكَ مَرَّةً أُخۡرَىٰۤ |
537 Wir haben dir noch ein weiteres Mal Gnade erwiesen, |
إِذۡ أَوۡحَيۡنَآ إِلَىٰۤ أُمِّكَ مَا يُوحَىٰۤ |
38 als wir deiner Mutter eingaben: |
أَنِ ٱقۡذِفِيهِ فِی ٱلتَّابُوتِ |
39 ‚Leg ihn in den Kasten |
فَٱقۡذِفِيهِ فِی ٱلۡيَمِّ |
und setze ihn ins Meer; |
فَلۡيُلۡقِهِ ٱلۡيَمُّ بِٱلسَّاحِلِ |
das Meer wird ihn dann an den Strand werfen |
يَأۡخُذۡهُ عَدُوٌّۭ لِّی وَعَدُوٌّۭ لَّهُۥ ۚ |
und jemand, der mir und ihm feind ist, wird ihn aufnehmen.’ |
وَأَلۡقَيۡتُ عَلَيۡكَ مَحَبَّةًۭ مِّنِّی |
Ich habe meine Liebe über dich geworfen, |
وَلِتُصۡنَعَ عَلَىٰ عَيۡنِی |
und damit du unter meinen Augen aufgezogen würdest. |
إِذۡ تَمۡشِیٓ أُخۡتُكَ |
40 Als deine Schwester hinging |
فَتَقُولُ هَلۡ أَدُلُّكُمۡ عَلَىٰ مَن يَكۡفُلُهُۥ ۖ |
und sagte: „Soll ich euch jemanden zeigen, der für ihn sorgt?“ |
فَرَجَعۡنَٰكَ إِلَىٰۤ أُمِّكَ |
Da brachten wir dich zu deiner Mutter zurück, |
كَىۡ تَقَرَّ عَيۡنُهَا وَلَا تَحۡزَنَ ۚ |
damit sie frohen Mutes und nicht traurig sei. |
وَقَتَلۡتَ نَفۡسًۭا |
Du brachtest einen Menschen um; |
فَنَجَّيۡنَٰكَ مِنَ ٱلۡغَمِّ وَفَتَنَّٰكَ فُتُونًۭا ۚ |
da retteten wir dich aus der Not und prüften dich gründlich |
فَلَبِثۡتَ سِنِينَ فِیٓ أَهۡلِ مَدۡيَنَ |
Du verweiltest jahrelang bei den Bewohnern von Midian; |
ثُمَّ جِئۡتَ عَلَىٰ قَدَرٍۢ يَٰمُوسَىٰ |
dann kamst du zu festgesetzter Zeit, Moses! |
وَٱصۡطَنَعۡتُكَ لِنَفۡسِی |
41 Ich habe dich für mich selbst herangebildet. |
ٱذۡهَبۡ أَنتَ وَأَخُوكَ بِـَٔايَٰتِی |
642 Du und dein Bruder, geht mit meinen Zeichen |
وَلَا تَنِيَا فِی ذِكۡرِی |
und lasst nicht nach darin, meiner zu gedenken! |
قَالَا رَبَّنَآ |
43 Geht zu Pharao! Er ist aufsässig. |
فَقُولَا لَهُۥ قَوۡلًۭا لَّيِّنًۭا |
44 Und sprecht sanft mit ihm, |
لَّعَلَّهُۥ يَتَذَكَّرُ أَوۡ يَخۡشَىٰ |
damit er sich vielleicht mahnen lässt oder gottesfürchtig wird.“ |
قَالَا رَبَّنَآ |
45 Sie sprachen: „Unser Herr! |
إِنَّنَا نَخَافُ أَن يَفۡرُطَ عَلَيۡنَآ أَوۡ أَن يَطۡغَىٰ |
Wir fürchten, dass er uns etwas antut oder aufsässig handelt!“ |
قَالَ لَا تَخَافَآ ۖ |
46 Er sprach: „Fürchtet euch nicht! |
إِنَّنِی مَعَكُمَآ |
Ich bin bei euch, |
أَسۡمَعُ وَأَرَىٰ |
hörend und sehend. |
فَأۡتِيَاهُ فَقُولَآ |
47 So geht zu ihm und sprecht: |
إِنَّا رَسُولَا رَبِّكَ |
Wir sind Gesandte deines Herrn. |
أَرۡسِلۡ مَعَنَا بَنِیٓ إِسۡرَ ٰٓءِيلَ وَلَا تُعَذِّبۡهُمۡ ۖ |
Sende die Israeliten mit uns fort und strafe sie nicht. |
قَدۡ جِئۡنَٰكَ بِـَٔايَةٍۢ مِّن رَّبِّكَ ۖ |
Wir kommen mit einem Zeichen von deinem Herrn zu dir; |
وَٱلسَّلَٰمُ عَلَىٰ مَنِ ٱتَّبَعَ ٱلۡهُدَىٰۤ |
Friede über den, welcher der Rechtleitung folgt! |
إِنَّا قَدۡ أُوحِیَ إِلَيۡنَآ |
48 Uns wurde eingegeben, |
َنَّ ٱلۡعَذَابَ عَلَىٰ مَن كَذَّبَ وَتَوَلَّىٰ |
dass die Strafe den trifft, der leugnet und sich abwendet.’“ |
قَالَ فَمَن رَّبُّكُمَا يَٰمُوسَىٰ |
749 Er sprach: „Und wer ist euer Herr, Moses?“ |
قَالَ رَبُّنَا ٱلَّذِیٓ أَعۡطَىٰ كُلَّ شَىۡءٍ خَلۡقَهُۥ |
50 Er sagte: „Unser Herr ist der, welcher einer jeden Sache ihr Dasein verliehen hat |
قَالَ فَمَا بَالُ ٱلۡقُرُونِ ٱلۡأُولَىٰ |
51 Er sagte: „Und wie steht es mit den früheren Generationen?“ |
قَالَ عِلۡمُهَا عِندَ رَبِّی فِی كِتَٰبٍۢ ۖ |
52 Er sagte: „Das Wissen um sie ist bei meinem Herrn in einer Schrift niedergelegt; |
لَّا يَضِلُّ رَبِّی وَلَا يَنسَى |
mein Herr geht weder in die Irre noch vergisst er – |
ٱلَّذِی جَعَلَ لَكُمُ ٱلۡأَرۡضَ مَهۡدًۭ |
53 der euch die Erde zu einer ebenen Fläche gemacht hat, |
وَسَلَكَ لَكُمۡ فِيهَا سُبُلًۭا |
euch darauf Wege gebahnt hat |
وَأَنزَلَ مِنَ ٱلسَّمَآءِ مَآءًۭ |
und vom Himmel Wasser herabsendet.“ |
فَأَخۡرَجۡنَا بِهِۦٓ أَزۡوَٰجًۭا مِّن نَّبَاتٍۢ شَتَّىٰ |
Damit bringen wir dann verschiedene Arten von Pflanzen hervor. |
كُلُوا۟ وَٱرۡعَوۡا۟ أَنۡعَٰمَكُمۡ ۗ |
54 Esst und weidet euer Vieh – |
إِنَّ فِی ذَٰلِكَ لَٴَايَٰتٍۢ لِّأُو۟لِی ٱلنُّهَىٰ |
darin liegen Zeichen für die Verständigen. |
مِنۡهَا خَلَقۡنَٰكُمۡ |
55 Aus ihr haben wir euch geschaffen, |
َفِيهَا نُعِيدُكُمۡ |
in sie lassen wir euch zurückkehren |
وَمِنۡهَا نُخۡرِجُكُمۡ تَارَةً أُخۡرَىٰ |
und aus ihr bringen wir euch ein weiteres Mal hervor. |
وَلَقَدۡ أَرَيۡنَٰهُ ءَايَٰتِنَا كُلَّهَا |
56 Wir ließen Pharao alle unsere Zeichen sehen, |
فَكَذَّبَ وَأَبَىٰ |
doch er leugnete und weigerte sich. |
قَالَ أَجِئۡتَنَا لِتُخۡرِجَنَا مِنۡ أَرۡضِنَا بِسِحۡرِكَ يَٰمُوسَىٰ |
857 Er sprach: „Bist du zu uns gekommen, um uns mit deiner Zauberei aus unserem Land zu vertreiben, Moses? |
فَلَنَأۡتِيَنَّكَ بِسِحۡرٍۢ مِّثۡلِهِۦ |
58 Wir werden dir Zauberei gleicher Art beibringen. |
فَٱجۡعَلۡ بَيۡنَنَا وَبَيۡنَكَ مَوۡعِدًۭا |
Setze zwischen uns und dir einen Zeitpunkt fest, |
لَّا نُخۡلِفُهُۥ نَحۡنُ وَلَآ أَنتَ مَكَانًۭا سُوًۭى |
den weder wir brechen werden noch du, an einem Ort, der allen gleichermaßen recht ist. |
قَالَ مَوۡعِدُكُمۡ يَوۡمُ ٱلزِّينَةِ |
59 Er sprach: „Euer Zeitpunkt sei der Festtag; |
وَأَن يُحۡشَرَ ٱلنَّاسُ ضُحًۭى |
die Menschen sollen sich am hellen Morgen versammeln.“ |
فَتَوَلَّىٰ فِرۡعَوۡنُ فَجَمَعَ كَيۡدَهُۥ ثُمَّ أَتَىٰ |
60 Da wandte Pharao sich ab,nahm seine ganze List zusammen und kam herbei. |
قَالَ لَهُم مُّوسَىٰ وَيۡلَكُمۡ |
61 Moses sagte zu ihnen: „Wehe euch! |
لَا تَفۡتَرُوا۟ عَلَى ٱللَّهِ كَذِبًۭا |
Ersinnt keine Lügen gegen Gott, |
فَيُسۡحِتَكُم بِعَذَابٍۢ ۖ |
sonst rottet er euch durch eine Strafe aus! |
وَقَدۡ خَابَ مَنِ ٱفۡتَرَىٰ |
Wer Lügen ersinnt, der wird zuschanden. |
فَتَنَٰزَعُوٓا۟ أَمۡرَهُم بَيۡنَهُمۡ |
62 Sie stritten untereinander über ihre Sache |
وَأَسَرُّوا۟ ٱلنَّجۡوَىٰ |
und redeten insgeheim miteinander. |
قَالُوٓا۟ إِنۡ هَٰذَٰنِ لَسَٰحِرَٰنِ |
63 Sie sagten: „Diese beiden sind Zauberer, |
يُرِيدَانِ أَن يُخۡرِجَاكُم مِّنۡ أَرۡضِكُم بِسِحۡرِهِمَا |
die euch mit ihrer Zauberei aus ihrem Land vertreiben |
وَيَذۡهَبَا بِطَرِيقَتِكُمُ ٱلۡمُثۡلَىٰ |
und euren vorbildlichen Weg beseitigen wollen. |
فَأَجۡمِعُوا۟ كَيۡدَكُمۡ |
64 So nehmt eure List zusammen |
ثُمَّ ٱئۡتُوا۟ صَفًّۭا ۚ |
und kommt in Reih und Glied herbei! |
وَقَدۡ أَفۡلَحَ ٱلۡيَوۡمَ مَنِ ٱسۡتَعۡلَىٰ |
Heute gedeiht, wer die Oberhand behält. |
قَالُوا۟ يَٰمُوسَىٰۤ |
65 Sie sprachen: „Moses! |
إِمَّآ أَن تُلۡقِیَ وَإِمَّآ أَن نَّكُونَ أَوَّلَ مَنۡ أَلۡقَىٰ |
Entweder wirfst du oder wir werfen zuerst.“ |
قَالَ بَلۡ أَلۡقُوا۟ ۖ |
66 Er sagte: „Werft ihr!“ |
فَإِذَا حِبَالُهُمۡ وَعِصِيُّهُمۡ يُخَيَّلُ إِلَيۡهِ مِن سِحۡرِهِمۡ أَنَّهَا تَسۡعَىٰ |
Da kamen ihm ihre Stricke und Stöcke aufgrund ihrer Zauberei vor, als würden sie dahinkriechen. |
فَأَوۡجَسَ فِی نَفۡسِهِۦ خِيفَةًۭ مُّوسَىٰ |
67 Da bekam Moses innerlich Angst. |
قُلۡنَا لَا تَخَفۡ |
68 Wir sagten: „Fürchte dich nicht! |
إِنَّكَ أَنتَ ٱلۡأَعۡلَى |
Du bist es, der überlegen ist. |
وَأَلۡقِ مَا فِی يَمِينِكَ |
69 Wirf, was in deiner Rechten ist, |
تَلۡقَفۡ مَا صَنَعُوٓا۟ ۚ |
so dass es packt, was sie hervorgebracht haben; |
ِنَّمَا صَنَعُوا۟ كَيۡدُ سَٰحِرٍۢ ۖ |
sie haben nur die List eines Zauberers hervorgebracht, |
وَلَا يُفۡلِحُ ٱلسَّاحِرُ حَيۡثُ أَتَىٰ |
und ein Zauberer gedeiht nicht, wohin er auch kommt.“ |
فَأُلۡقِیَ ٱلسَّحَرَةُ سُجَّدًۭا |
970 Da wurden die Zauberer in Anbetung niedergeworfen. |
قَالُوٓا۟ ءَامَنَّا بِرَبِّ هَٰرُونَ وَمُوسَىٰ |
Sie sprachen: „Wir glauben an den Herrn von Aaron und Moses!“ |
قَالَ ءَامَنتُمۡ لَهُۥ قَبۡلَ أَنۡ ءَاذَنَ لَكُمۡ ۖ |
71 Er sagte: „Glaubt ihr an ihn, bevor ich es euch gestattet habe? |
إِنَّهُۥ لَكَبِيرُكُمُ ٱلَّذِی عَلَّمَكُمُ ٱلسِّحۡرَ ۖ |
Er ist euer Meister, der euch die Zauberei gelehrt hat. |
فَلَأُقَطِّعَنَّ أَيۡدِيَكُمۡ وَأَرۡجُلَكُم مِّنۡ خِلَٰفٍۢ |
Ich werde euch Hände und Füße wechselseitig abhacken lassen |
وَلَأُصَلِّبَنَّكُمۡ فِی جُذُوعِ ٱلنَّخۡلِ |
und euch an Palmstämmen kreuzigen; |
وَلَتَعۡلَمُنَّ أَيُّنَآ أَشَدُّ عَذَابًۭا وَأَبۡقَىٰ |
ihr werdet schon erfahren, wer von uns heftiger und beständiger zu strafen vermag!“ |
قَالُوا۟ لَن نُّؤۡثِرَكَ عَلَىٰ مَا جَآءَنَا مِنَ ٱلۡبَيِّنَٰتِ وَٱلَّذِی فَطَرَنَا ۖ |
72 Sie sagten: „Wir werden dich nicht dem, was an klaren Beweisen zu uns gekommen ist, und dem, der uns geschaffen hat, vorziehen. |
فَٱقۡضِ مَآ أَنتَ قَاضٍ |
Entscheide also, wie du willst; |
إِنَّمَا تَقۡضِی هَٰذِهِ ٱلۡحَيَوٰةَ ٱلدُّنۡيَآ |
Du entscheidest nur über das diesseitige Leben. |
إِنَّآ ءَامَنَّا بِرَبِّنَا |
73 Wir glauben an unsern Herrn, |
لِيَغۡفِرَ لَنَا خَطَٰيَٰنَا |
auf dass er uns unsere Sünden vergebe |
وَمَآ أَكۡرَهۡتَنَا عَلَيۡهِ مِنَ ٱلسِّحۡرِ ۗ |
und die Zauberei, zu der du uns gezwungen hast; |
وَٱللَّهُ خَيۡرٌۭ وَأَبۡقَىٰۤ |
Gott ist besser und beständiger.“ |
إِنَّهُۥ مَن يَأۡتِ رَبَّهُۥ مُجۡرِمًۭا |
1074 Wer als Übeltäter zu seinem Herrn kommt, |
فَإِنَّ لَهُۥ جَهَنَّمَ |
dem wird die Hölle zuteil, |
لَا يَمُوتُ فِيهَا وَلَا يَحۡيَىٰ |
in der er weder stirbt noch lebt. |
وَمَن يَأۡتِهِۦ مُؤۡمِنًۭا |
75 Wer aber als ein Glaubender zu ihm kommt, |
قَدۡ عَمِلَ ٱلصَّٰلِحَٰتِ |
der gute Werke getan hat, |
فَأُو۟لَٰٓئِكَ لَهُمُ ٱلدَّرَجَٰتُ ٱلۡعُلَىٰ |
denen werden die höchsten Rangstufen zuteil: |
جَنَّٰتُ عَدۡنٍۢ |
76 die Gärten von Eden, |
َجۡرِی مِن تَحۡتِهَا ٱلۡأَنۡهَٰرُ |
unterhalb derer Bäche fließen; |
خَٰلِدِينَ فِيهَا ۚ |
auf ewig verweilen sie dort. |
وَذَٰلِكَ جَزَآءُ مَن تَزَكَّىٰ |
So wird dem vergolten, der sich läutert! |
وَلَقَدۡ أَوۡحَيۡنَآ إِلَىٰ مُوسَىٰۤ |
1177 Wir gaben Moses ein: |
أَنۡ أَسۡرِ بِعِبَادِی |
„Ziehe nachts mit meinen Dienern fort |
فَٱضۡرِبۡ لَهُمۡ طَرِيقًۭا فِی ٱلۡبَحۡرِ يَبَسًۭا |
und bahne ihnen einen trockenen Weg durch das Meer; |
لَّا تَخَٰفُ دَرَكًۭا وَلَا تَخۡشَىٰ |
fürchtet euch nicht, eingeholt zu werden, und habt keine Angst!“ |
فَأَتۡبَعَهُمۡ فِرۡعَوۡنُ بِجُنُودِهِۦ |
78 Pharao folgte ihnen mit seinen Heerscharen; |
فَغَشِيَهُم مِّنَ ٱلۡيَمِّ مَا غَشِيَهُمۡ |
da bedeckte sie vom Meer, was sie bedeckte. |
وَأَضَلَّ فِرۡعَوۡنُ قَوۡمَهُۥ وَمَا هَدَى |
79 Pharao führte sein Volk in die Irre und nicht den rechten Weg. |
يَٰبَنِیٓ إِسۡرَٰٓءِيلَ |
80 „Ihr Israeliten, |
قَدۡ أَنجَيۡنَٰكُم مِّنۡ عَدُوِّكُمۡ |
wir haben euch vor eurem Feind errettet |
وَوَٰعَدۡنَٰكُمۡ جَانِبَ ٱلطُّورِ ٱلۡأَيۡمَنَ |
und uns mit euch auf der rechten Seite des Berges verabredet |
وَنَزَّلۡنَا عَلَيۡكُمُ ٱلۡمَنَّ وَٱلسَّلۡوَىٰ |
und Manna und Wachteln auf euch herabgesandt. |
كُلُوا۟ مِن طَيِّبَٰتِ مَا رَزَقۡنَٰكُمۡ |
81 Esst von den guten Dingen, mit denen wir euch versorgt haben |
وَلَا تَطۡغَوۡا۟ فِيهِ |
und seid nicht aufsässig dabei, |
فَيَحِلَّ عَلَيۡكُمۡ غَضَبِی ۖ |
sonst kommt mein Zorn über euch; |
وَمَن يَحۡلِلۡ عَلَيۡهِ غَضَبِی فَقَدۡ هَوَىٰ |
über wen mein Zorn kommt, der kommt zu Fall. |
وَإِنِّی لَغَفَّارٌۭ لِّمَن تَابَ وَءَامَنَ وَعَمِلَ صَٰلِحًۭا |
82 Ich bin voller Vergebung gegenüber dem, der umkehrt und glaubt, Gutes tut |
ثُمَّ ٱهۡتَدَىٰ |
und sich dann rechtleiten lässt. |
وَمَآ أَعۡجَلَكَ عَن قَوۡمِكَ يَٰمُوسَىٰ |
1283 „Was hat dich von deinem Volk forteilen lassen, Moses?“ |
قَالَ هُمۡ أُو۟لَآءِ عَلَىٰۤ أَثَرِی |
84 Er sagte: „Die dort sind mir auf der Spur; |
وَعَجِلۡتُ إِلَيۡكَ رَبِّ لِتَرۡضَىٰ |
ich bin zu dir geeilt, mein Herr, damit du zufrieden bist.“ |
قَالَ فَإِنَّا قَدۡ فَتَنَّا قَوۡمَكَ مِنۢ بَعۡدِكَ |
85 Er sagte: „Wir haben dein Volk auf die Probe gestellt, nachdem du weg warst, |
وَأَضَلَّهُمُ ٱلسَّامِرِیُّ |
und as-Sāmirī hat sie in die Irre geführt.“ |
فَرَجَعَ مُوسَىٰۤ إِلَىٰ قَوۡمِهِۦ غَضۡبَٰنَ أَسِفًۭا ۚ |
86 Da kehrte Moses zornig und bekümmert zu seinem Volk zurück. |
قَالَ يَٰقَوۡمِ |
Er sagte: „Mein Volk! |
أَلَمۡ يَعِدۡكُمۡ رَبُّكُمۡ وَعۡدًا حَسَنًا ۚ |
Hat euch euer Herr nicht ein schönes Versprechen gegeben? |
أَفَطَالَ عَلَيۡكُمُ ٱلۡعَهۡدُ |
Ist euch die Zeit zu lang geworden |
أَمۡ أَرَدتُّمۡ أَن يَحِلَّ عَلَيۡكُمۡ غَضَبٌۭ مِّن رَّبِّكُمۡ |
oder wolltet ihr, dass Zorn von eurem Herrn über euch kommt |
فَأَخۡلَفۡتُم مَّوۡعِدِی |
und habt deshalb die Verabredung mit mir gebrochen?“ |
قَالُوا۟ مَآ أَخۡلَفۡنَا مَوۡعِدَكَ بِمَلۡكِنَا |
87 Sie sagten: „Wir haben die Verabredung mit dir nicht eigenmächtig gebrochen, |
وَلَٰكِنَّا حُمِّلۡنَآ أَوۡزَارًۭا مِّن زِينَةِ ٱلۡقَوۡمِ |
sondern uns wurde der Schmuck des Volkes als Last aufgeladen. |
فَقَذَفۡنَٰهَا فَكَذَٰلِكَ أَلۡقَى ٱلسَّامِرِیُّ |
Den warfen wir dann hin, und desgleichen tat der Sāmirī.“ |
فَأَخۡرَجَ لَهُمۡ عِجۡلًۭا جَسَدًۭا لَّهُۥ خُوَارٌۭ |
88 Da brachte er ihnen ein leibhaftiges Kalb hervor, das blökte, |
فَقَالُوا۟ هَٰذَآ إِلَٰهُكُمۡ |
und sie sprachen: „Das ist euer Gott! |
وَإِلَٰهُ مُوسَىٰ فَنَسِیَ |
Der Gott Moses aber hat euch vergessen.“ |
أَفَلَا يَرَوۡنَ |
89 Sehen sie denn nicht, |
أَلَّا يَرۡجِعُ إِلَيۡهِمۡ قَوۡلًۭا |
dass es ihnen nichts erwidert |
وَلَا يَمۡلِكُ لَهُمۡ ضَرًّۭا وَلَا نَفۡعًۭا |
und ihnen weder zu schaden noch zu nützen vermag? |
وَلَقَدۡ قَالَ لَهُمۡ هَٰرُونُ مِن قَبۡلُ |
90 Aaron hatte schon zuvor zu ihnen gesagt: |
يَٰقَوۡمِ إِنَّمَا فُتِنتُم بِهِۦ ۖ |
„Mein Volk, ihr werdet damit nur auf die Probe gestellt. |
وَإِنَّ رَبَّكُمُ ٱلرَّحۡمَٰنُ |
Euer Herr ist der Barmherzige; |
فَٱتَّبِعُونِی وَأَطِيعُوٓا۟ أَمۡرِی |
So folgt mir und gehorcht meinem Befehl!“ |
قَالُوا۟ لَن نَّبۡرَحَ عَلَيۡهِ عَٰكِفِينَ |
91 Sie sprachen: „Wir werden nicht ablassen, es zu verehren, |
حَتَّىٰ يَرۡجِعَ إِلَيۡنَا مُوسَىٰ |
bis Moses zu uns zurückkehrt.“ |
قَالَ يَٰهَٰرُونُ |
92 Er sprach: „Aaron, |
مَا مَنَعَكَ إِذۡ رَأَيۡتَهُمۡ ضَلُّوٓا۟ |
was hat dich, als du sie in die Irre gehen sahst, gehindert, |
أَلَّا تَتَّبِعَنِ ۖ |
93 mir zu folgen? |
أَفَعَصَيۡتَ أَمۡرِی |
Hast du dich etwa meinem Befehl widersetzt?” |
قَالَ يَبۡنَؤُمَّ |
94 Er sagte: „Bruder, |
لَا تَأۡخُذۡ بِلِحۡيَتِی وَلَا بِرَأۡسِیٓ ۖ |
pack mich nicht an meinem Bart und Kopf! |
إِنِّی خَشِيتُ أَن تَقُولَ |
Ich hatte Angst, du würdest sagen: |
فَرَّقۡتَ بَيۡنَ بَنِیٓ إِسۡرٰٓءِيلَ |
‚Du hast die Israeliten gespalten |
وَلَمۡ تَرۡقُبۡ قَوۡلِی |
und mein Wort nicht beachtet.’“ |
قَالَ فَمَا خَطۡبُكَ يَٰسَٰمِرِیُّ |
95 Er sagte: „Und was ist mit dir, Sāmirī?“ |
قَالَ بَصُرۡتُ بِمَا لَمۡ يَبۡصُرُوا۟ بِهِۦ |
96 Er sagte: „Ich habe gesehen, was sie nicht gesehen haben; |
فَقَبَضۡتُ قَبۡضَةًۭ مِّنۡ أَثَرِ ٱلرَّسُولِ فَنَبَذۡتُهَا |
da habe ich eine Handvoll von der Spur des Gesandten genommen und sie geworfen; |
وَكَذَٰلِكَ سَوَّلَتۡ لِی نَفۡسِی |
dazu hat mich meine Seele verführt." |
قَالَ فَٱذۡهَبۡ |
97 Er sagte: „So geh fort! |
فَإِنَّ لَكَ فِی ٱلۡحَيَوٰةِ أَن تَقُولَ لَا مِسَاسَ ۖ |
Dir sei im Leben aufgegeben zu sagen: ‚Rührt mich nicht an!’ |
وَإِنَّ لَكَ مَوۡعِدًۭا لَّن تُخۡلَفَهُۥ ۖ |
Du hast eine Verabredung, die man dir nicht brechen wird. |
وَٱنظُرۡ إِلَىٰۤ إِلَٰهِكَ |
Schau auf deinen Gott, |
ٱلَّذِی ظَلۡتَ عَلَيۡهِ عَاكِفًۭا ۖ |
den du so inbrünstig verehrst! |
لَّنُحَرِّقَنَّهُۥ ثُمَّ لَنَنسِفَنَّهُۥ فِی ٱلۡيَمِّ نَسۡفًا |
Wir werden ihn verbrennen und dann seinen Staub im Meer zerstreuen. |
إِنَّمَآ إِلَٰهُكُمُ ٱللَّهُ |
98 Euer Gott ist nur Gott, |
ٱلَّذِی لَآ إِلَٰهَ إِلَّا هُوَ ۚ |
außer dem es keinen anderen gibt; |
وَسِعَ كُلَّ شَىۡءٍ عِلۡمًۭا |
alles umfasst er mit seinem Wissen.” |
كَذَٰلِكَ نَقُصُّ عَلَيۡكَ مِنۡ أَنۢبَآءِ مَا قَدۡ سَبَقَ ۚ |
99 So geben wir dir Kunde von dem, was früher geschehen ist |
وَقَدۡ ءَاتَيۡنَٰكَ مِن لَّدُنَّا ذِكۡرًۭا |
und haben dir von uns Ermahnung zuteil werden lassen. |
مَّنۡ أَعۡرَضَ عَنۡهُ |
II13100 Wer sich davon abwendet, |
فَإِنَّهُۥ يَحۡمِلُ يَوۡمَ ٱلۡقِيَٰمَةِ وِزۡرًا |
der wird am Tag der Auferstehung eine Bürde tragen, |
خَٰلِدِينَ فِيهِ ۖ |
101 an der man auf ewig zu tragen hat |
وَسَآءَ لَهُمۡ يَوۡمَ ٱلۡقِيَٰمَةِ حِمۡلًۭ |
– der Tag der Auferstehung hält schlimme Last für sie bereit! |
يَوۡمَ يُنفَخُ فِی ٱلصُّورِ ۚ |
102 Am Tag, da die Posaune geblasen wird |
وَنَحۡشُرُ ٱلۡمُجۡرِمِينَ يَوۡمَئِذٍۢ زُرۡقًۭا |
und wir die Übeltäter blauäugig versammeln. |
يَتَخَٰفَتُونَ بَيۡنَهُمۡ |
103 Sie flüstern einander zu: |
إِن لَّبِثۡتُمۡ إِلَّا عَشۡرًۭا |
„Ihr habt nur zehn Nächte verweilt!“ |
نَّحۡنُ أَعۡلَمُ بِمَا يَقُولُونَ |
104 Wir wissen am besten, was sie sagen, |
إِذۡ يَقُولُ أَمۡثَلُهُمۡ طَرِيقَةً |
wenn derjenige von ihnen, der dem vorbildlichsten Weg folgt, sagt: |
إِن لَّبِثۡتُمۡ إِلَّا يَوۡمًۭا |
„Ihr habt nur einen Tag verweilt!“ |
وَيَسۡـَٔلُونَكَ عَنِ ٱلۡجِبَالِ |
14105 Sie fragen dich nach den Bergen; |
فَقُلۡ يَنسِفُهَا رَبِّی نَسۡفًۭا |
so sprich: „Mein Herr zersprengt sie zu Staub |
فَيَذَرُهَا قَاعًۭا صَفۡصَفًۭا |
106 und macht sie dann zu einer ebenen Fläche; |
لَّا تَرَىٰ فِيهَا عِوَجًۭا وَلَآ أَمۡتًۭا |
107 du siehst an ihnen nichts Krummes und Unebenes mehr. |
يَوۡمَئِذٍۢ يَتَّبِعُونَ ٱلدَّاعِیَ |
15108 An jenem Tag folgen sie dem Rufer; |
لَا عِوَجَ لَهُۥ ۖ |
nichts Krummes ist an ihm. |
وَخَشَعَتِ ٱلۡأَصۡوَاتُ لِلرَّحۡمَٰنِ |
Die Stimmen senken sich demütig vor dem Barmherzigen |
فَلَا تَسۡمَعُ إِلَّا هَمۡسًۭا |
und du hörst nur ein Flüstern. |
يَوۡمَئِذٍۢ لَّا تَنفَعُ ٱلشَّفَٰعَةُ |
109 An jenem Tag nützt Fürsprache nichts, |
إِلَّا مَنۡ أَذِنَ لَهُ ٱلرَّحۡمَٰنُ وَرَضِیَ لَهُۥ قَوۡلًۭا |
mit Ausnahme dessen, dem der Barmherzige es gestattet und mit dessen Rede er zufrieden ist. |
يَعۡلَمُ مَا بَيۡنَ أَيۡدِيهِمۡ وَمَا خَلۡفَهُمۡ |
110 Er weiß um das, was vor ihnen und hinter ihnen ist; |
وَلَا يُحِيطُونَ بِهِۦ عِلۡمًۭا |
sie aber umfassen es nicht mit ihrem Wissen |
وَعَنَتِ ٱلۡوُجُوهُ لِلۡحَىِّ ٱلۡقَيُّومِ ۖ |
111 Die Gesichter senken sich vor dem Lebendigen und Beständigen. |
وَقَدۡ خَابَ مَنۡ حَمَلَ ظُلۡمًۭا |
Auf wem Unrecht lastet, der wird zuschanden; |
وَمَن يَعۡمَلۡ مِنَ ٱلصَّٰلِحَٰتِ |
112 wer aber gute Werk tut |
وَهُوَ مُؤۡمِنٌۭ |
und gläubig ist, |
فَلَا يَخَافُ ظُلۡمًۭا وَلَا هَضۡمًۭا |
der hat kein Unrecht und keine Schädigung zu befürchten. |
وَكَذَٰلِكَ أَنزَلۡنَٰهُ قُرۡءَانًا عَرَبِيًّۭا |
16113 So haben wir sie als arabische Lesung herabgesandt; |
وَصَرَّفۡنَا فِيهِ مِنَ ٱلۡوَعِيدِ |
wir haben darin auf verschiedene Weise Drohungen dargelegt, |
لَعَلَّهُمۡ يَتَّقُونَ |
auf dass sie gottesfürchtig würden |
أَوۡ يُحۡدِثُ لَهُمۡ ذِكۡرًۭا |
oder es ihnen Mahnung zuteil werden ließe. |
فَتَعَٰلَى ٱللَّهُ ٱلۡمَلِكُ ٱلۡحَقُّ ۗ |
114 Erhaben ist Gott, der wahre König! |
وَلَا تَعۡجَلۡ بِٱلۡقُرۡءَانِ مِن قَبۡلِ |
Übereile dich nicht mit der Lesung, |
أَن يُقۡضَىٰۤ إِلَيۡكَ وَحۡيُهُۥ ۖ |
bevor ihre Eingebung nicht vollendet ist, |
وَقُل رَّبِّ زِدۡنِی عِلۡمًۭا |
und sprich: „Mein Herr, mehre mein Wissen!“ |
وَلَقَدۡ عَهِدۡنَآ إِلَىٰۤ ءَادَمَ مِن قَبۡلُ فَنَسِیَ |
115 Schon zuvor haben wir Adam verpflichtet, doch er vergaß; |
وَلَمۡ نَجِدۡ لَهُۥ عَزۡمًۭا |
wir trafen bei ihm keine Entschlossenheit an. |
وَإِذۡ قُلۡنَا لِلۡمَلَٰٓئِكَةِ |
116 Und als wir zu den Engeln sagten: |
ٱسۡجُدُوا۟ لِٴَادَمَ |
„Werft euch vor Adam nieder!“ |
فَسَجَدُوٓا۟ |
Da warfen sie sich nieder, |
إِلَّآ إِبۡلِيسَ أَبَىٰ |
außer Iblīs; er weigerte sich. |
فَقُلۡنَا يَٰٓـَٔادَمُ |
117 Wir sprachen: „Adam, |
إِنَّ هَٰذَا عَدُوٌّۭ لَّكَ وَلِزَوۡجِكَ |
dieser ist dir und deiner Frau feind. |
فَلَا يُخۡرِجَنَّكُمَا مِنَ ٱلۡجَنَّةِ فَتَشۡقَىٰۤ |
Er möge euch nicht aus dem Garten vertreiben und dich ins Elend stürzen! |
إِنَّ لَكَ أَلَّا تَجُوعَ فِيهَا وَلَا تَعۡرَىٰ |
118 Ihr müsst darin weder hungern noch nackt sein, |
وَأَنَّكَ لَا تَظۡمَؤُا۟ فِيهَا وَلَا تَضۡحَىٰ |
119 weder dürsten noch Sonnenhitze zu leiden.“ |
فَوَسۡوَسَ إِلَيۡهِ ٱلشَّيۡطَٰنُ قَالَ يَٰٓـَٔادَمُ |
120 Doch der Satan flüsterte ihnen zu: „Adam, |
هَلۡ أَدُلُّكَ عَلَىٰ شَجَرَةِ ٱلۡخُلۡدِ وَمُلۡكٍۢ لَّا يَبۡلَىٰ |
soll ich dich zum Baum des ewigen Lebens weisen und zu unvergänglicher Herrschaft?“ |
فَأَكَلَا مِنۡهَا |
121 Da aßen sie von ihm |
فَبَدَتۡ لَهُمَا سَوۡءَٰتُهُمَا |
und es wurde ihnen ihre Blöße bewusst |
وَطَفِقَا يَخۡصِفَانِ عَلَيۡهِمَا مِن وَرَقِ ٱلۡجَنَّةِ ۚ |
und sie begannen, sich mit Blättern aus dem Garten zu bedecken. |
وَعَصَىٰۤ ءَادَمُ رَبَّهُۥ فَغَوَىٰ |
Adam widersetzte sich seinem Herrn und ging fehl. |
ثُمَّ ٱجۡتَبَٰهُ رَبُّهُۥ |
122 Dann erwählte ihn sein Herr, |
فَتَابَ عَلَيۡهِ وَهَدَىٰ |
wandte sich ihm wieder zu und leitete ihn. |
قَالَ ٱهۡبِطَا مِنۡهَا جَمِيعًۢا ۖ |
123 Er sprach: „Geht alle beide aus ihm hinab! |
بَعۡضُكُمۡ لِبَعۡضٍ عَدُوٌّۭ ۖ |
Ihr seid einander feind. |
فَإِمَّا يَأۡتِيَنَّكُم مِّنِّی هُدًۭى |
Wenn aber Rechtleitung von mir zu euch kommt, |
فَمَنِ ٱتَّبَعَ هُدَاىَ |
so wird der, der meiner Rechtleitung folgt, |
فَلَا يَضِلُّ وَلَا يَشۡقَىٰ |
nicht irre gehen und nicht elend sein. |
وَمَنۡ أَعۡرَضَ عَن ذِكۡرِی |
124 Wer sich aber von meiner Mahnung abkehrt, |
فَإِنَّ لَهُۥ مَعِيشَةًۭ ضَنكًۭا |
dem wird ein beengtes Leben zuteil |
وَنَحۡشُرُهُۥ يَوۡمَ ٱلۡقِيَٰمَةِ أَعۡمَىٰ |
und am Tag der Auferstehung lassen wir ihn blind zur Versammlung erscheinen.“ |
قَالَ رَبِّ |
125 Er sagt: „Mein Herr, |
لِمَ حَشَرۡتَنِیٓ أَعۡمَىٰ |
warum hast du mich blind zur Versammlung erscheinen lassen, |
وَقَدۡ كُنتُ بَصِيرًۭا |
wo ich doch sehend war?“ |
قَالَ كَذَٰلِكَ أَتَتۡكَ ءَايَٰتُنَا فَنَسِيتَهَا ۖ |
126 Er sagt: „So ist es! Unsere Zeichen sind zu dir gekommen und du hast sie vergessen, |
وَكَذَٰلِكَ ٱلۡيَوۡمَ تُنسَىٰ |
und so wirst auch du heute vergessen.“ |
وَكَذَٰلِكَ نَجۡزِی مَنۡ أَسۡرَفَ وَلَمۡ يُؤۡمِنۢ بِـَٔايَٰتِ رَبِّهِۦ ۚ |
127 So vergelten wir dem, der das rechte Maß überschreitet und nicht an die Zeichen seines Herrn glaubt; |
وَلَعَذَابُ ٱلۡٴَاخِرَةِ أَشَدُّ وَأَبۡقَىٰۤ |
die jenseitige Strafe ist am heftigsten und beständigsten. |
أَفَلَمۡ يَهۡدِ لَهُمۡ |
17128 Hat es ihnen nicht zur Rechtleitung gedient, |
كَمۡ أَهۡلَكۡنَا قَبۡلَهُم مِّنَ ٱلۡقُرُونِ |
wieviel Generationen wir vor ihnen zugrunde lassen haben, |
يَمۡشُونَ فِی مَسَٰكِنِهِمۡ ۗ |
in deren Wohnsitzen sie umhergehen? |
إِنَّ فِی ذَٰلِكَ لَٴَايَٰتٍۢ لِّأُو۟لِی ٱلنُّهَىٰ |
Darin liegen Zeichen für die Verständigen. |
وَلَوۡلَا كَلِمَةٌۭ سَبَقَتۡ مِن رَّبِّكَ |
129 Wäre da nicht ein bereits ergangenes Wort von deinem Herrn |
لَكَانَ لِزَامًۭا |
und ein bestimmter Termin, |
وَأَجَلٌۭ مُّسَمًّۭى |
so wäre es unvermeidlich. |
فَٱصۡبِرۡ عَلَىٰ مَا يَقُولُونَ |
18130 So ertrage geduldig, was sie sagen |
وَسَبِّحۡ بِحَمۡدِ رَبِّكَ |
und lobpreise deinen Herrn |
قَبۡلَ طُلُوعِ ٱلشَّمۡسِ وَقَبۡلَ غُرُوبِهَا ۖ |
bevor die Sonne aufgeht und bevor sie untergeht, |
وَمِنۡ ءَانَآئِ ٱلَّيۡلِ فَسَبِّحۡ وَأَطۡرَافَ ٱلنَّهَارِ |
und preise ihn zu bestimmten Zeiten der Nacht und an den Enden des Tages, |
لَعَلَّكَ تَرۡضَىٰ |
auf dass du zufrieden seiest! |
وَلَا تَمُدَّنَّ عَيۡنَيۡكَ إِلَىٰ مَا مَتَّعۡنَا بِهِۦٓ أَزۡوَٰجًۭا مِّنۡهُمۡ زَهۡرَةَ ٱلۡحَيَوٰةِ ٱلدُّنۡيَا |
131 Richte deine Augen nicht auf das, was wir einzelne von ihnen als Schmuck des diesseitigen Lebens genießen lassen, |
لِنَفۡتِنَهُمۡ فِيهِ ۚ |
um sie damit auf die Probe zu stellen! |
وَرِزۡقُ رَبِّكَ خَيۡرٌۭ وَأَبۡقَىٰ |
Der Unterhalt von deinem Herrn ist besser und beständiger. |
وَأۡمُرۡ أَهۡلَكَ بِٱلصَّلَوٰةِ |
132 Gebiete den Deinen das Gebet |
وَٱصۡطَبِرۡ عَلَيۡهَا ۖ |
und harre darin aus! |
لَا نَسۡـَٔلُكَ رِزۡقًۭا ۖ |
Wir fordern keinen Unterhalt von dir; |
نَّحۡنُ نَرۡزُقُكَ ۗ |
vielmehr versorgen wir dich mit Unterhalt. |
وَٱلۡعَٰقِبَةُ لِلتَّقۡوَىٰ |
Das Ende gehört der Gottesfurcht. |
وَقَالُوا۟ لَوۡلَا يَأۡتِينَا بِـَٔايَةٍۢ مِّن رَّبِّهِۦٓ ۚ |
19133 Sie sagen: „Warum bringt er uns nicht ein Zeichen von seinem Herrn?“ |
أَوَلَمۡ تَأۡتِهِم بَيِّنَةُ مَا فِی ٱلصُّحُفِ ٱلۡأُولَىٰ |
Ist denn nicht der klare Beweis dessen, was in den früheren Schriften steht, zu ihnen gekommen? |
وَلَوۡ أَنَّآ أَهۡلَكۡنَٰهُم بِعَذَابٍۢ مِّن قَبۡلِهِۦ |
134 Hätten wir sie davor durch eine Strafe zugrunde gehen lassen, |
لَقَالُوا۟ رَبَّنَا |
so hätten sie gesagt: „Unser Herr, |
لَوۡلَآ أَرۡسَلۡتَ إِلَيۡنَا رَسُولًۭا |
warum hast du uns keinen Gesandten geschickt, |
فَنَتَّبِعَ ءَايَٰتِكَ |
so dass wir seinen Zeichen folgen konnten, |
مِن قَبۡلِ أَن نَّذِلَّ وَنَخۡزَىٰ |
bevor wir gedemütigt und beschämt würden?“ |
قُلۡ كُلٌّۭ مُّتَرَبِّصٌۭ فَتَرَبَّصُوا۟ ۖ |
135 Sprich: „Ein jeder wartet ab; so wartet auch ihr ab! |
فَسَتَعۡلَمُونَ مَنۡ أَصۡحَٰبُ ٱلصِّرَٰطِ ٱلسَّوِیِّ |
Ihr werdet schon erfahren, wer auf dem geraden Weg ist |
وَمَنِ ٱهۡتَدَىٰ |
und wer rechtgeleitet ist!“ |
Die Sure ist Einheit, weist aber einen theologisch relevanten medinischen Zusatz auf. In ihrem Kerntext besteht sie aus drei Teilerzählungen: (a) der Berufung des Mose, in deren Verlauf Gott selbst seine vorausgehenden Wohltaten gegenüber Mose in Erinnerung bringt (V. 9-48), (b) Moses Auftreten bei Pharao, das zwar auftragsgemäß der Befreiung der Ísraeliten gilt, aber faktisch einen Wettstreit mit den Zauberern bei Hofe und deren Bekehrung und damit den Sieg über die Selbstvergottung Pharaos inszeniert (V. 49-76), (c) der Untreue der Israeliten, die das Goldene Kalb anbeten (V. 83-99). Die zuletzt erzählte Geschichte ist im Kerntext unverbunden mit der vorausgehenden – erst ein medinischer Nachtrag (V. 77-82) stellt theologisch einen Zusammenhang zwischen dem Ensemble her. Eine weitere Erzählung, die Übertretung des ersten Menschenpaares, schließt die Sure ab.
Bereits formal auffallend sind die V. 80-82, die aufgrund ihrer Anrede an die medinischen Juden – yā banī ʾisrāʾīl wendet sich nie an die ‚mosaischen Israeliten‘, sondern stets an Zeitgenossen des jeweiligen Sprechers (siehe KTS, S. 522, Anm. 30) – nicht zum Kerntext gehören können. Da sie aber argumentativ aus der vorausgehenden Versgruppe V. 77-79 entwickelt werden, sollte der gesamte Block V. 77-82 späterer Zusatz sein. Die V. 77-79 könnten angesichts der Ähnlichkeit zu dem Paralleltext Q 26:63-64 zwar noch mittelmekkanisch sein, doch werden sie durch V. 80 organisch fortgeführt, sie dürften daher ebenfalls späterer Zusatz des Verkünders sein. Denn der gesamte Block trägt – anders als der Kerntext nicht in erzählender, sondern resümierender Form – jene Ereignisse aus der Mose-Vita nach, die aus jüdischer Perspektive gerade die zentralen sind: die Durchquerung des Schilfmeers (V. 77-79) und den Bundesschluß (V. 80), siehe zu deren besonderer Bedeutung Boyarin 1990:534. Hinzu kommt die Ernährung durch Manna und Wachteln, die den Anknüpfungspunkt für die zentrale – mit „Ihr Israeliten!“ eingeleitete – Ermahnung gibt, im Umgang mit Speisegesetzen nicht zu übertreiben (V. 81). Diese Ermahnung als solche ergibt erst in nachmosaischer Zeit, wie eben im zeitgenössischen Medina, Sinn. Schon in V. 80 hatte die erste Anrede an die Israeliten an ihre Dankesschuld für die erwiesene Rettung appelliert. Der drohende Zusatz mit ihrer zweiten Anrede dürfte dennoch primär dazu eingefügt sein, um der unmittelbar folgenden – im Kerntext noch erbaulich erzählten – Geschichte von der Idolatrie um das Goldene Kalb nachträglich Gewicht zu geben. Erst der Zusatz verweist auf die ihr immanente theologische Dimension, ohne die sie in der Debatte mit den medinischen Juden nicht bestehen konnte, nämlich als locus classicus für den Ausbruch göttlichen Zorns. Intertexte zu V. 81-82 aus der Jom-Kippur-Liturgie verleihen dieser Hypothese weitere Plausibilität (siehe die Diskussion der Verse unten und in KTS, S. 518-527).
In V. 88 könnte fa-nasiya ein aus V. 115 nachgetragener Kommentar sein.
Versabteilungsdifferenzen
Die einleitende Buchstabennamengruppe bildet einen Reim und wird daher als Vers gezählt. Da die Sure in Verslänge und Struktur bereits heterogen ist und einzelne unpräzise Reime aufweist, verzeichnet die Verszählungtradition gegenüber Kufa 24 Differenzen. Von diesen sind zwei zu übernehmen: Der von nur zwei Zählern angesetzte Versschluß von V. 78 (im Zusatz) nach dem nicht reimenden ġašiyahum ist abzulehnen, ebenso die nicht reimende Form ḍallū als Schluß von V. 92 (mit sieben Zählern). Das annähernd reimende ʾasifā in V. 86 ist (mit drei Zählern) als Versschluss anzunehmen. Ebenso ist mūsā in V. 88 Versschluß. Das anschließende fa-nasiya dürfte nachträglich aus V. 115 eingefügt worden sein. Sonst ist die kufische Abteilung zu bestätigen (siehe zu den Kontroverspunkten im einzelnen SKMS, S. 40-42). Die Sure reimt im Allgemeinen auf 3(C)ā. Sie greift damit auf zwei frühmekkanische Suren zurück: Q 79, eine Mose-Sure, und Q 53, in der Moses Berufungserfahrung typologisch hinter derjenigen des Verkünders steht (siehe zu den Reimen SKMS, Liste nach S. 115). Lediglich die Rede des Mose (V. 25-32: Bitten) weicht mit dem Schema 3(C)Cī bzw. āCī ab; auch Moses Versprechen (V. 33-35) reimt auf 2rā. Während diese Reimwechsel noch funktional sind, reflektieren die weiteren Reimmodifikationen eher einen locker gewordenen Reimgebrauch: Drei 3(C)Cī-reimende Verse sind in die Geschichtserinnerung Gottes (V. 39, V. 41-42) eingestreut; die letzte Mose-Episode enthält mehrere 3(C)Cī-Reime (V. 90, V. 93, V. 94, V. 96) sowie einen 3(C)C3Cī-Reim (V. 86), ausgelöst durch das mehrfach (V. 85, V. 87, V. 95) am Versende stehende Sāmirī (āC3Cī). Daß auch noch der polemische Schlußteil einige Abweichungen (V. 106, V. 125) vom Schema 3(C)Cā aufweist, zeigt, daß Reimstrukturen ihre gliedernde Funktion verloren haben.
Literaturliste
I Einleitung | |
1 1 Semantisch leere Folge von Buchstabennamen | |
7 2-8 Prophetentrost: Die Lesung verbindet mit der höchsten Autorität; Lobpreis des Senders als Schöpfer, König, Allwissender, einziger Gott | |
II Erzählung: Mose | |
8 9-16 Moses Berufung | |
8 17-24 Moses Sendung | |
8 25-32 Bittgebet Moses und Aarons | |
4 33-36 Ihre Selbstverpflichtung zum Gotteslo; Erhörung | |
5 37-41 Frühere, Mose in Ägypten erwiesene Wohltaten | |
7 42-48 Moses Auftrag bei Pharao | |
8 49-56 Moses Disput mit Pharao | |
4 57-60 Verabredung mit Zauberern | |
8 61-68 Moses Rede an Zauberer, ihr erster Wurf | |
8 69-76 Moses Wurf und Bekehrung der Zauberer | |
Späterer Zusatz | |
5 [77-82] Späterer Zusatz: Auftrag zum Auszug, Anrede an Israeliten (V. 78 und V. 79 sind ein Vers) | |
Idolatrie ; Verführung durch den Sāmirī | |
9 83-91 Idolatrie; Verführung des Volkes durch as-Sāmirī (V. 86 = zwei Verse) | |
5 92-97 Selbstrechtfertigung Arons und des Sāmirī (V. 92 und 93 sind ein Vers) | |
1 98 Einheitsbekenntnis | |
1 99 Ausleitungsformel | |
III Polemik, Eschatologisches, Offenbarungsbestätigung, ʾIblīs-ʾĀdam, Polemik | |
8 100-107 Strafandrohung für Abwendung von offenbartem Wort | |
5 108-112 Eschatologische Szenerie und Vorgang | |
2 113-114 qurʾān-Bestätigung, Preis Gottes | |
5 115-119 Erschaffung Adams, seine Feindschaft zu ʾiblīs | |
8 120-127 Verführung Adams, Vertreibung, zwei Wege | |
2 128-129 Polemische Frage zu früheren Vernichtungsakten Gottes | |
3 130-132 Prophetenzuspruch, Aufforderung zum Gottesdienst | |
3 133-135 Disput um Zeichen; Drohung an Ungläubige |
Strukturformel/Proportionen
Teil I: 8 Verse | Teil II: 85 Verse | Teil III: 36 Verse |
8 | 40 (8 + 8 + 8 + 4 + 5 + 7) + 28 (8 + 4 + 8 + 8) [+5] + 17: ( 10 + 5 + 1 + 1) | (8 + 5 + 2) + (5 + 8) + (2 + 3 + 3) ohne die sechs Verse Zusatz in II |
V. 1-4ṭāʾ-hāʾ / mā ʾanzalnā ʿalaika l-qurʾāna li-tašqā / ʾillā taḏkiratan li-man yaḫšā / tanzīlan mimman ḫalaqa l-ʾarḍa wa-s-samāwāti l-ʿulā] Buchstabennamenfolge ohne semantische Bedeutung (vgl. Q 15:1 und KTS, S. 323, jetzt auch Stewart 2011), die wie üblich in eine Affirmation der transzendenten Herkunft der Botschaft, eine Offenbarungsbestätigung (vgl. KTS, S. 321 f.), einmündet.
Es folgt eine Prophetentröstung, die – wie schon in Q 15:97 (am Schluß): wa-la-qad naʿlamu ʾannaka yaḍīqu ṣadruka bi-mā yaqūlūn („Wir wissen, daß es dir eng ums Herz ist wegen dessen, was sie sprechen“) – auf eine bedrängte Situation des Verkünders verweist, vgl. etwas später Q 26:3 (am Anfang): laʿallaka bāḫiʿun nafsaka „…“ („Vielleicht quät es dich „…““). Die Situation des šiqāʾ (des Elendig-, Unglücklichseins) wird in der frühmekkanischen Sure Q 87:6-12 den Ablehnern der Verkündigung zugeschrieben (Q 87:11): sa-nuqriʾuka fa-lā tansā / ʾillā mā šāʾa llāhu ʾinnahū yaʿlamu l-ǧahra wa-mā yaḫfā / wa-nuyassiruka li-l-yusrā / fa-ḏakkir ʾin nafaʿati ḏ-ḏikrā / sa-yaḏḏakkaru man yaḫšā / wa-yataǧannabuha l-ʾašqā / allaḏī yaṣla n-nāra l-kubrā („Wir werden dich lesen lassen, und du wirst nichts vergessen, außer was Gott will, er kennt das Offene und das Verborgene. Und wir werden es dir leichtmachen zum Glücklichen. So mahne denn, wenn die Mahnung nützt! Beherzigen wird sie der Gottesfürchtige, umgehen wird sie aber der Elende, der im großen Feuer brennen wird“). In Q 20 wird der Seelenzustand der Verlorenheit vom Verkünder abgewehrt, der inzwischen nicht mehr nur wie in Q 87:9 das Mahneramt innehat, sondern als Empfänger von Prophetie an der hohen Autorität des göttlichen Senders teilhat (V. 3-4). Der stärkende Verweis auf den göttlichen Sender in V. 4 wird zum Einsatz eines Hymnus.
Der Surenanfang hebt noch nicht auf den Sprachdiskurs ab – die Lesung dient hier der moralischen Ermahnung; daß die Botschaft aber arabischsprachig ist, wird in V. 113-114, analog zu der etwas späteren Sure Q 26:195, explizit gemacht. Was schon am Surenanfang anklingt – daß die unverschuldet bedrängte Lage des Verkünders einer göttlichen Antwort bedarf –, wird im Schlußteil zum Ausgangspunkt einer Theodizeeargumentation.
V. 5-6ar-raḥmānu ʿala l-ʿarši stawā / lahū mā fi s-samāwāti wa-mā fi l-ʾarḍi wa-mā bainahumā wa-mā taḥta ṯ-ṯarā] Fortsetzung des Hymnus mit eingliedrigem Nominalsatz, überleitend in eine Bestätigung der Königswürde Gottes. Eine ähnlich emphatische Einleitung, ebenfalls zur Hervorhebung des Gottesnamens ar-raḥmān, begegnete bereits in Q 55:1. Gott als thronender Herrscher ist vor allem in der fātiḥa präsent: Q 1:4: māliki yaumi d-dīn („dem König des Gerichtstags“) und – vielleicht darauf rekurrierend – am Schluß von Q 54:55: fī maqʿadi ṣidqin ʿinda malīkin muqtadir („auf dem Sitz der Gerechten, bei einem allbestimmenden König“). Das Bild Gottes als König (siehe dazu Rippin 2006) wird im Schlußteil (V. 114) wiederaufgenommen, auch dort in Verbindung mit der Lesung.
Das Thronen Gottes wurde schon in der frühmekkanischen Visionserinnerung in Q 81:20: ḏī qūwwatinʿinda ḏī l-ʿarši makīn („voll Kraft und Ansehen beim Herrn des Throns“) thematisiert und in der Visionsbeschreibung Q 53:5-7 – in Anlehnung an Jesajas Thronvision (Jes 6,1-11) – wiederaufgenommen: ʿallamahū šadīdu l-quwā / ḏū mirratin fa-stawā / wa-huwa bi-l-ʾufuqi l-ʾaʿlā („die ihn einer lehrte, stark an Macht, groß an Ansehen, der hoch aufgerichtet thronte“); siehe dazu HK 1, S. 622-683 und den Kommentar zu Q 53. Der bei der Vision erfolgenden Eingebung an den Verkünder Q 53:8: ʾauḥā ʾilā ʿabdihī mā ʾauḥā entspricht die Eingebung an Mose, von der in V. 13 die Rede ist: fa-stamiʿ li-mā yūḥā. Zwei Gotteserfahrungen des Propheten – beide mit dem thronenden Gott verbunden – werden in die Einleitung der Mose-Geschichte eingeblendet und kündigen die ‚typologische‘, auf den Verkünder ausgerichtete Deutung der Mose-Vita bereits an. Der Hymnus endet mit einer Preisung von Gottes Allmacht, die hier neben Himmel und Erde auch das „unter der Erde“, wohl Verweis auf das Totenreich, einbegreift (siehe auch TUK, Nr. 0585 und TUK, Nr. 0607).
Die hymnische Formel erinnert an den Beginn des Schabbat-Morgengottesdienstes, wo die biblisch ubiquitäre Herrscherwürde Gottes hymnisch zum Ausdruck kommt: ha-melekh yošev ʿal kisseʾ, ram wa-nissaʾ šokhen ʿad, marom we qadoš šemo („Der König, er sitzt auf einem Thron, erhöht und erhaben, er wohnt in Ewigkeit, hoch und heilig ist sein Name“) – ebenfalls in eine Preisung des Namens einmündend.
V. 7-8wa-ʾin taǧhar bi-l-qauli fa-ʾinnahū yaʿlamu s-sirra wa-ʾaḫfā / ʾallāhu lā ʾilāha ʾillā huwa lahu l-ʾasmāʾu l-ḥusnā] Die Protasis ist elliptisch, der Sachverhalt ist aus dem redespezifischen Vers Q 87:7 (mittelmekkanischer Zusatz) bekannt: ʾillā mā šāʾa llāhu ʾinnahū yaʿlamu l-ǧahra wa-mā yaḫfā („außer was Gott will, er kennt das laut Ausgesprochene/ das Offene und das leise Gesagte/ Verborgene“). Der Stamm ḪFY verbindet sich im Koran ebenso wie ǦHR mit dem Sprechen, es geht also um das laut oder leise Gesagte. Wa-ʾaḫfā („und [noch] Verborgeneres“) sollte also bedeuten „und sei es noch so leise gesprochen“. – Die Bestätigung der mehreren – schönen – Gottesnamen steht im Zusammenhang mit dem neu eingeführten Gottesnamen ar-raḥmān, der in dem vorausgehenden hymnischen Vers genannt wurde. Die doppelte Gestaltungsmöglichkeit des Sprechens dürfte sich daher am ehesten auf liturgisches Sprechen beziehen, etwa im Sinne von: ‚Gleichgültig, ob man den neuen Namen öffentlich benutzt oder nicht, Gott weiß um die Anrufung, er hat mehr als einen akzeptierten Namen.‘ – Leise Rede zu Gott ist Kennzeichen der Frömmigkeit, wie die ebenfalls in die raḥmān-Periode gehörige Sure 19 (Q 19:3) bezeugt.
V. 9-10wa-hal ʾatāka ḥadīṯu mūsā / ʾiḏ raʾā nāran fa-qāla li-ʾahlihi mkuṯū ʾinnī ʾānastu nāran laʿallī ʾātīkum minhā bi-qabasin ʾau ʾaǧidu ʿala n-nāri hudā] Auf den kurzen paränetischen Eingang folgt sogleich der Lesungsteil, eine biblische Geschichte. Sie entfaltet – nach einer stereotyp gestalteten Einleitung (siehe KU, S. 7) – eine im gesamten Koran einmalig ausführliche Vita eines Propheten, Moses. Er war vorher in Q 79:15-17 bereits als Warnprediger bei Pharao mit ähnlicher Einleitung erwähnt worden: hal ʾatāka ḥadīṯu mūsā / ʾiḏ nādāhu rabbuhū bi-l-wādi l-muqaddasi ṭuwā / ʾiḏhab ʾilā firʿauna ʾinnahū ṭaġā („Ist zu dir gelangt die Geschichte von Mose? Als sein Herr ihn rief im heiligen Tal Ṭuwā: ‚Geh zu Pharao, er ist widerspenstig‘“). Sure Q 20 nimmt auch mit ihrem Reim 3CCā auf Q 79 Bezug.
Anders als in der biblischen Dornbuschvision (Ex 3, 1-6) besitzt das von Mose in der Ferne wahrgenommene Feuer – von einem Dornbusch ist keine Rede – keinen Wundercharakter, sondern erweckt Erwartungen auf pragmatische Nutzbarkeit – vielleicht eine Absage an die christliche Allegorie des Dornbusches als Verweis auf Christus und besonders die Jungfräulichkeit Marias (siehe z.B. Cyrill von Alexandrien, vgl. PG 76, Sp. 1130). Der Dornbusch in seiner symbolischen Funktion als Ort, aus dem die göttliche Stimme vernehmbar wird, ist jedoch in der frühmekkanischen Sure Q 53:13-16 reflektiert, wo die Vision des Verkünders ‚typologisch‘ der Mose-Berufung nachgestaltet ist: Dem Dornbusch (seneh) aus Ex 3,2, der die göttliche Präsenz manifest macht, entspricht dort ein Sisyphusbaum (sidra), aus dessen veränderter Gestalt der Verkünder die Präsenz Gottes erschließt: Q 53:16: ʾiḏ yaġšā s-sidrata mā yaġšā („Da bedeckte den Sisyphusbaum, was ihn bedeckte“). Der Dornbusch blieb auch ungenannt in der ersten Mose-Berufungserzählung im Koran (Q 79:15-26, siehe dazu jetzt Neuwirth 2016).
V. 11-14fa-lammā ʾatāhā nūdiya yā-mūsā / ʾinnī ʾana rabbuka fa-ḫlaʿ naʿlaika ʾinnaka bi-l-wādi l-muqaddasi ṭuwā / wa-ʾana ḫtartuka fa-stamiʿ li-mā yūḥā / ʾinnanī ʾana llāhu lā ʾilāha ʾillā ʾana fa-ʿbudnī wa-ʾaqimi ṣ-ṣalāta li-ḏikrī] Nach der Bestimmung von Moses Ausgangsposition als mit seinen Angehörigen unterwegs erfolgt seine Anrufung. Dieser Ruf Gottes, der sich selbst ausweist und auf die Heiligkeit des Ortes hinweist, nimmt den Eingang der frühesten Mose-Erzählung in Q 79:15-26 wieder auf. Die Heiligkeit des Ortes erfordert rituellen Respekt – fa-ḫlaʿ naʿlaika gibt Ex 3,5: halom šal neʿaleykha me-ʿal ragleykha („Löse deine Schuhe von deinen Füßen“) wieder. ṭuwā steht für den heiligen Berg Sinai oder Horeb (vgl. KU, S. 124 f.; FVQ, S. 206 f.; BEQ, S. 255 f.). Das Wort wurde lange für eine dem Reim geschuldete Umformung von aramäisch ṭūrā („der Berg“) gehalten, inzwischen hat aber Uri Rubin aufgrund rabbinischer Traditionen und in Übereinstimmung mit traditionellen Exegeten die Deutung von bi-l-wādi l-muqaddasi ṭuwā im Sinne von „im doppelt geheiligten Tal“ wahrscheinlich gemacht (siehe Rubin 2014). Der Sinai ist gewissermaßen das »zusammengefaltete Heilige Land« [ṬWY = »falten«].)
Gottes Selbstbenennung, die an den einleitend (V. 8) thematisierten Namensdiskurs anknüpft, weicht deutlich von der biblischen ab: Während sich Gott dort als der Gott der Erzväter zu erkennen gibt, spricht er im Koran selbst das – koranisch bereits eingeführte und in V. 8 zitierte – universale Einheitsbekenntnis, nun in der Ich-Form, aus – eine Absage an die Identität als Gott eines einzigen Volkes zugunsten eines universalen Gottes. Auch die Erwählung Moses analog zum Verkünder zu einem Empfänger von Inspiration (mā yūḥā, „dem, was eingegeben wird“) und seine Verpflichtung zum Gebet verlegen den biblischen Bericht in die Spätantike, wo Gott vermittels Inspiration spricht und wo der Fromme Gebete leistet; diese Details untermauern die typologische Beziehung zwischen Mose und dem Verkünder.
V. 15-16ʾinna s-sāʿata ʾātiyatun ʾakādu ʾuḫfīhā li-tuǧzā kullu nafsin bi-mā tasʿā / fa-lā yaṣuddannaka ʿanhā man lā yuʾminu bihā wa-ttabaʿa hawāhu fa-tardā] Der spätantike Eschatologiegedanke prägt auch den Fortgang. Ganz im Duktus der frühen vertraulichen Anreden an den Verkünder, etwa in Q 94, folgt die Ankündigung der eschatologischen Ereignisse und die – einzig in die Situation der Bedrängnis des Verkünders passende – Warnung davor, sich durch ungläubige Gegner verunsichern zu lassen. Die Rede an Mose ist offenbar von einer Rede an den Verkünder durchwirkt.
V. 17-24wa-mā tilka bi-yamīnika yā-mūsā / qāla hiya ʿaṣāya ʾatawakkaʾa ʿalaihā wa-ʾahuššu bihā ʿalā ġanamī wa-liya fīhā maʾāribu ʾuḫrā / qāla ʾalqihā yā-mūsā / fa-ʾalqāhā fa-ʾiḏā hiya ḥayyatun tasʿā / qāla ḫuḏhā wa-lā taḫaf sa-nuʿīduhā sīrataha l-ʾūlā / wa-ḍmum yadaka ʾilā ǧanāḥika taḫruǧ baiḍāʾa min ġairi sūʾin ʾāyatan ʾuḫrā / li-nuriyaka min ʾāyātina l-kubrā / iḏhab ʾilā firʿauna ʾinnahū ṭaġā] Die Erzählung fährt – einzigartig im Koran – mit Gott als in der ersten Person erzählendem Sprecher fort. Eine vergleichbare Gesprächssituation findet sich bereits im Jubiläenbuch, einem im Koran auch sonst viel rezipierten jüdischen Apokryphon des zweiten Jahrhunderts v. Chr. Sie versteht sich als Offenbarung der Geschichte Israels bis in die Zeit des Exodus, die Mose am Sinai von den himmlischen Tafeln diktiert wird. Auch hier wird Mose seine Lebensgeschichte – von dem Engel – in Du-Anrede in Erinnerung gebracht (siehe Stemberger 2016:9 und Najman 2010). – V. 17 gibt den biblischen Text wörtlich wieder: mah zeh be-yadekha (Ex 4,2). Im Koran wird die biblische Frage von Mose ausführlicher beantwortet; sie steht hier nicht im Kontext der Strategieentwicklung für die Konfrontation Pharaos, sondern ist Teil eines vertrauenstiftenden Gesprächs, in dem Mose sich als Hirte vorstellt, für den der Stab praktische Nützlichkeit besitzt. Speyer erwägt, daß die Fokussierung des Stabes eine Erinnerung an einen wunderbaren, von Adam im Paradies gebrochenen, später in den Besitz Abrahams und Jethros übergegangenen Stab reflektieren könnte (BEQ, S. 254 f.). Doch kommt der Stab in Q 20 ohne diese mythische Referenz aus, er ist vor allem Instrument eines gegenüber Mose demonstrierten göttlichen Wunders. Wie im biblischen Text führt Gott Mose in geradezu didaktischer Weise in zwei Wunder ein, ohne daß dabei aber – wie in Ex 4,2 ff. – die damit verbundene Absicht der Beeindruckung der Ägypter am Pharaonenhof von vornherein offengelegt worden wäre. Erst nach der Demonstration der Wunder wird Mose der Auftrag eröffnet, zu Pharao zu gehen. Die Gestaltung der didaktischen Einführung Moses in die Zeichen als eine Investitur Moses als Zauberers ist nur sinnvoll, wenn sie vor der Enthüllung der zweckgebundenen Bestimmung der Wunder präsentiert wird. Q 20 legt damit die Grundlage für die Mitteilung der Wunderaufführung in Q 26.
Die Spezifizierung V. 22: min ġairi sūʾin („doch ohne Schaden“) schließt die naheliegende und vom biblischen Text vertretene Deutung im Sinne eines Befalls mit Aussatz aus. – Die Demonstration des „größten Zeichens“ verweist auf Ex 3,12: we-zeh lekha ha-ʾot ki ʾanokhi šelaḥtikha („Das sei dir das Zeichen, daß ich dich geschickt habe“), eine Aussage, die im biblischen Bericht der Demonstration (Ex. 4, 6-7) vorausgeht.
V. 25-32qāla rabbi šraḥ lī ṣadrī / wa-yassir lī ʾamrī / wa-ḥlul ʿuqdatan min lisānī / yafqahū qaulī / wa-ǧʿal lī wazīran min ʾahlī / harūna ʾaḫī / šdud bihī ʾazrī / wa-ʾašrikhu fī ʾamrī] Der Bericht aus Ex 4,10-17 – Moses Versuch, die Berufung abzuwenden, und seine Bitte um Mitentsendung Aarons – wird als Gebet gestaltet; der rhythmisch bewegte Text aus sechs kürzesten Versen mit eigenem Reim ruft zunächst – durch lexikalische Referenzen eindeutig gemacht – diejenigen Dispositionen ab, die dem Verkünder selbst bei seiner Berufung zuteil wurden: die Freiheit von Angst (vgl. Q 94:1ʾa-lam našraḥ laka ṣadrak, „Haben wir dir nicht die Brust geweitet?“), die Leichtverständlichkeit der Botschaft (vgl. Q 54:17, V. 22, V. 32, V. 40: wa-la-qad yassarna l-qurʾāna li-ḏ-ḏikri fa-hal min muddakir, „Wir machten die Lesung leicht zur Mahnung: Doch ist da jemand, der sich mahnen läßt?“). Die in Frühmekka noch auf Funktionsanalogie basierende Ähnlichkeit zwischen Mose als einem früheren Gottgesandten und dem Verkünder (Q 73:15) wird hier, in Mittelmekka, zu einer Typologie ausgebaut, in der der Verkünder als Nachfolger ein Verhalten Moses reinszeniert bzw. Mose als Vorläufer ein später vom Verkünder vollzogenes Verhalten vorwegnimmt (siehe zu den Spielarten der koranischen Typologie die Einleitung). Erst dann geht der Bericht zu mosespezifischen Anliegen über. Aaron war bereits in dem kurzen Bericht in Q 37:114-122 in die Hergänge involviert. In Q 20 wird seine Partizipation nun begründet.
V. 33-35kai nusabbiḥaka kaṯīrā / wa-naḏkuraka kaṯīrā / ʾinnaka kunta binā baṣīrā] Durch einen neuen – über drei Verse durchgehaltenen – Reim wird das Gegenversprechen Moses markiert, es betrifft die Erfüllung des anfangs erteilten Auftrags, V. 14: fa-ʿbudnī wa-ʾaqimi ṣ-ṣalāta li-ḏikrī. Derselbe Auftrag wird am Surenschluß auch dem Verkünder erteilt, V. 130: wa-sabbiḥ bi-ḥamdi rabbika … – Das Gebet schließt mit einer Klausel, einem in Mittelmekka neu eingeführten Versschluß (siehe dazu KTS, S. 753-758). Die Klausel ʾinnaka kunta binā baṣīrā drückt eine andauernde Haltung Gottes aus; zum durativen Aspekt der Verbalform vgl. Reuschel 1968.
V. 36qāla qad ʾūtīta suʾlaka yā-mūsā] Mit der Erhörung der Bitte, die wieder den die Sure beherrschenden Reim annimmt, kehrt der Text von der Gebetsform zur Narration zurück.
V. 37-39wa-la-qad manannā ʿalaika marratan ʾuḫrā / ʾiḏ ʾauḥainā ʾilā ʾummika mā yūḥā / ʾani qḏifīhi fi t-tābūti fa-qḏifīhi fi l-yammi fa-l-yulqihi l-yammu bi-s-sāḥili yaʾḫuḏhu ʿadūwun lī wa-ʿadūwun lahū wa-ʾalqaitu ʿalaika maḥabbatan minnī wa-li-tuṣnaʿa ʿalā ʿainī] Die in Ex 1,8-2,10 (siehe BEQ, S. 241-245) erzählte Begebenheit wird koranisch zur Rückblende in der paränetischen Rede Gottes an Mose. Sie wird teleologisch auf Moses Erwählung hin gelesen. Die Weissagung an Moses Mutter, daß ein Feind – des Mose wie auch Gottes selbst – ihn aufnehmen werde, reflektiert nach Speyer (BEQ, S. 242) eine midraschische Deutung aus exodus rabba (1,31: „So zog die Tochter Pharaos den groß, der einst an ihrem Vater Rache nehmen sollte“). Der Begebenheit wird explizit eine göttliche Absicht, nämlich Mose zu seinem Erwählten zu machen, unterlegt.
V. 40-41ʾiḏ tamšī ʾuḫtuka fa-taqūlu hal ʾadullukum ʿalā man yakfuluhū fa-raǧaʿnāka ʾilā ʾummika kai taqarra ʿainuhā wa-lā taḥzana wa-qatalta nafsan fa-naǧǧaināka mina l-ġammi wa-fatannāka futūna fa-labiṯta sinīna fī ʾahli madyana ṯumma ǧiʾta ʿalā qadarin yā-mūsā / wa-ṣṭanaʿtuka li-nafsī] Die Zusammenfassung der Hergänge der Rettung Moses vor dem ägyptischen Kindermord (Ex 1,8-2,10), wieder zu einem Vers gerafft, erfolgt im Prosastil. Sie hebt ähnlich wie Midrasch exodus rabba 1,25 auf die emotionale Auswirkung des Geschehens auf die Mutter Moses ab; mit ähnlicher Berücksichtigung von Moses psychischer Verfassung wird die Rettung vor der Verfolgung nach dem Totschlag (Ex 2,11-15; BEQ, S. 246-248) in Erinnerung gebracht. Alles Geschehen steht im Dienst eines göttlichen Projekts. Moses Aufenthalt unter den Midianitern erscheint als Prüfung und Maßnahme seiner Erziehung zu einer für Gottes Heilsplan geeigneten Persönlichkeit (vgl. exodus rabba 1,32: „Er wuchs heran auf ungewöhnliche Art“).
V. 42-46ḏhab ʾanta wa-ʾaḫūka bi-ʾāyātī wa-lā taniyā fī ḏikrī / ḏhabā ʾilā firʿauna ʾinnahū ṭaġā / fa-qūlā lahū qaulan layyinan laʿallahū yataḏakkaru ʾau yaḫšā / qālā rabbanā ʾinnanā naḫāfu ʾan yafruṭa ʿalainā ʾau ʾan yaṭġā / qāla lā taḫāfā ʾinnanī maʿakumā ʾasmaʿu wa-ʾarā] Die Rückblende, die argumentativ das Vertrauen Moses in Gottes Vorsorge stärken sollte, hatte zugleich den Hörern wichtiges Wissen um die durchaus ambivalente Person des Mose eröffnet. Mit der Entsendung, die ausdrücklich mit dem Auftrag erfolgt, die Wunderzeichen zu demonstrieren und Pharao zur Gottesfurcht zu mahnen, werden die neu erlernten Wunder nun funktional. Moses Furcht vor einem Übergriff Pharaos wird beschwichtigt.
V. 47-48 fa- fa-ʾtiyāhu fa-qūlā ʾinnā rasūlā rabbika fa-ʾarsil maʿanā banī ʾisrāʾīla wa-lā tuʿaḏḏibhum qād ǧiʾnāka bi-ʾāyatin min rabbika wa-s-salāmu ʿalā mani ttabaʿa l-hudā / ʾinnā qad ʾūḥiya ʾilainā ʾanna l-ʿaḏāba ʿalā man kaḏḏaba wa-tauallā] Die Anrede an Pharao – wie später wieder in Q 26:16-17 und Q 44:17-18 – ist neu: Der Auftrag ist nunmehr nicht mehr allein die Rechtleitung Pharaos, sondern, wie ab jetzt üblich wird, die Freilassung der Israeliten zu erwirken, wenn dieser auch in der Erzählung von Q 20 noch hinter der Bekehrungsabsicht zurücktritt und erst durch einen Nachtrag (V. 78) wiederaufgenommen wird.
V. 49-52qāla fa-man rabbukumā yā-mūsā / qāla rabbuna llaḏī ʾaʿṭā kulla šaiʾin ḫalqahū ṯumma hadā / qāla fa-mā bālu l-qurūni l-ʾūlā / qāla ʿilmuhā ʿinda rabbī fī kitābin lā yaḍillu rabbī wa-lā yansā] Die im biblischen Bericht Ex 5,2 provokativ gestellte Frage mi YHWH ʾasher ʾeshmaʿ be-qolo, „Wer ist YHWH, daß ich auf seine Stimme hören sollte?“ (vgl. BEQ, S. 270), die dort eine Reihe von Gunstverweigerungen einleitet, wird in Q 20 (wie in Q 26:23-24) als Erkenntnisfrage gewertet, der Pharao noch weitere Nachfragen folgen läßt. Der Dialog zwischen Mose/Aaron und Pharao weist wie später wieder in Q 26:16-17 eine rhetorische Steigerung auf: Die Frage nach dem Charakter ihres Herrn wird zunächst schöpfungstheologisch beantwortet (V. 50, vgl. frühmekkanisch Q 87:1-3). Auf die weitere Nachfrage nach den (vergangenen) Generationen erfolgt – anders als in Q 26, wo Gott ohne eine explizite Nachfrage Pharaos als der Gott auch seiner Vorfahren hingestellt wird – der Verweis auf Gottes feststehendes, in einer Schrift verzeichnetes Wissen darüber. Die Frage nach den Früheren, das „ubi sunt“ (siehe KTS, S. 711-716), ist ein Anliegen der paganen Zeitgenossen des Verkünders. Ihre Aporie wird in V. 52 mit dem Hinweis auf die Schrift, in der die Taten der Menschen registriert sind (vgl. dazu Q 85:21), gelöst.
Für den Gedanken des Nichtvergessens Gottes, der angesichts der in der Sure mehrmals thematisierten menschlichen Neigung zur Vergeßlichkeit (V. 88, V. 115, V. 126 [2x]) für die Sure Schlüsselcharakter hat, siehe die in BEQ aufgeführten – zumeist auf Gottes Strafgedächtnis zielenden – Bibelstellen (Ps 9,13; Ps. 10,12; Ps. 74,23; Nah 1,2; Lk 16,6).
V. 53-55llaḏī ǧaʿala lakumu l-ʾarḍa mahdan wa-salaka lakum fīhā subulan wa-ʾanzala mina s-samāʾi māʾan fa-ʾaḫraǧnā bihī ʾazwāǧan min nabātin šattā / kulū wa-rʿau ʾanʿāmakum ʾinna fī ḏālika la-ʾāyātin li-ʾuli n-nuhā / minhā ḫalaqnākum wa-fīhā nuʿīdukum wa-minhā nuḫriǧukum tāratan ʾuḫrā] Es folgt ein Hymnus, vgl. zur Ausbreitung der Erde Q 78:6, Q 51:48, zur Ebnung von Wegen Q 79:21-22. Die Aufforderung zur Nutzung der Weiden wie auch die Affirmation der menschlichen Herkunft aus der Erde und seiner Rückkehr zu ihr läßt den Hymnus als universal intendierte, nicht mehr situationsgebundene Rede erkennen. Die Worte Moses und des Verkünders fließen zusammen.
V. 56-59wa-la-qad ʾaraināhu ʾāyātinā kullahā fa-kaḏḏaba wa-ʾabā / qāla ʾa-ǧiʾtanā li-tuḫriǧanā min ʾarḍinā bi-siḥrika yā-mūsā / fa-la-naʾtiyannaka bi-siḥrin miṯlihī fa-ǧʿal bainanā wa-bainaka mauʿidan lā nuḫlifuhū naḥnu wa-lā ʾanta makānan suwā / qāla mauʿidukum yaumu z-zīnati wa-ʾan yuḥšara n-nāsu ḍuḥā] Die Szene ist im biblischen Bericht Ex 7,8-12 auf die Zaubervorführung beschränkt; die koranische Version dramatisiert sie und bereitet die Klimax, eine Konversionsgeschichte, vor. Die Aussage von V. 56 nimmt das folgende Geschehen vorweg. Wie in Q 26:35 legt Pharao das letztendliche Ergebnis seiner Widerspenstigkeit, den Verlust des Landes (vgl. Q 26:58-59), einem von Mose intendierten Komplott zur Last. Ein zunächst fair erscheinender Wettstreit, der öffentlich ausgetragen werden soll, wird vorbereitet.
V. 60-64fa-tawallā firʿaunu fa-ǧamaʿa kaidahū ṯumma ʾatā / qāla lahum mūsā wailakum lā taftarū ʿala llāhi kaḏiban fa-yusḥitakum bi-ʿaḏābin wa-qad ḫāba mani ftarā / fa-tanāzaʿu ʾamrahum bainahum wa-ʾasarru n-naǧwā / qālū ʾin hāḏāni la-sāḥirāni yurīdāni ʾan yuḫriǧākum min ʾarḍikum bi-siḥrihimā wa-yaḏhabā bi-ṭarīqatikumu l-muṯlā / fa-ʾaǧmiʿū kaidakum ṯumma ʾtū ṣaffan wa-qad ʾaflaḥa l-yauma mani staʿlā] Eine – aus dem Text nicht ersichtliche – List wird vorbereitet. Ihre Thematisierung wie auch Moses Einwand und seine Drohung sowie die geheime Beratung der Leute Pharaos, die sich die Komplott-Theorie zu eigen gemacht haben, dienen der Verzögerung der entscheidenden Auseinandersetzung und damit der Erhöhung der Spannung.
V. 65-69qālū yā-mūsā ʾimmā ʾan tulqiya wa-ʾimmā ʾan nakūna ʾawwala man ʾalqā / qāla bal ʾalqū fa-ʾiḏā ḥibāluhum wa-ʿiṣīyuhum yuḫayyalu ʾilaihi min siḥrihim ʾannahā tasʿā / fa-ʾauǧasa fī nafsihī ḫīfatan mūsā / qulnā lā taḫaf ʾinnaka ʾanta l-ʾaʿlā / wa-ʾalqi mā fī yamīnika talqaf mā ṣanaʿū ʾinnamā ṣanaʿū kaidu sāḥirin wa-lā yufliḥu s-sāḥiru ḥaiṯu ʾatā] Die Szene wird in Q 26:43-46 nachgestaltet werden. Die Zauberer präsentieren denselben Trick wie Mose, so daß die Lage zunächst prekär erscheint, bis Gott durch ein Wunder die von den ägyptischen Zauberern produzierten Schlangen von derjenigen Moses verschlingen läßt. Jeder nicht von Gott bewirkte Zauber ist Frevel, der Vernichtung einbringt.
V. 70-71fa-ʾulqiya s-saḥaratu suǧǧadan qālū ʾāmannā bi-rabbi hārūna wa-mūsā / qāla ʾāmantum lahū qabla ʾan ʾāḏana lakum ʾinnahū la-kabīrukumu llaḏī ʿallamakumu s-siḥra fa-la-ʾuqaṭṭiʿanna ʾaidiyakum wa-ʾarǧulakum min ḫilāfin wa-la-ʾuṣallibannakum fī ǧuḏūʿi n-naḫli wa-la-taʿlamunna ʾayyunā ʾašaddu ʿaḏāban wa-ʾabqā] Aus dem Werfen von Zauberstricken wird das Sich-Niederwerfen der Zauberer selbst (vgl. Q 26:46), die ihren Glauben an den Gott Aarons und Moses bekennen. Die Reaktion Pharaos, der über alle Entscheidungen seiner Gefolgsleute verfügen will, verheißt Todesstrafe von besonders drastischer Art (wie in Q 26:49), die jedoch – wie eine sarkastische Voraussage bezeugt – gegenüber der göttlichen Strafe (für Pharao) geringfügig ist. Die drei drakonischen Strafmaßnahmen werden in der medinischen Sure Q 5:33 den militärischen Gegnern der Gemeinde angedroht, sie reflektieren offenbar tatsächlich praktizierte Strafen.
V. 72-73qālū lan nuʾṯiraka ʿalā mā ǧāʾanā mina l-bayyināti wa-llaḏī faṭaranā fa-qḍi mā ʾanta qāḍin ʾinnamā taqḍī hāḏihi l-ḥayāta d-dunyā / ʾinnā ʾāmannā bi-rabbinā li-yaġfira lanā ḫaṭāyānā wa-mā ʾakrahtanā ʿalaihi mina s-siḥri wa-llāhu ḫairun wa-ʾabqā] Konversionsszene wie später in Q 26:50-51. Die Zauberer schwören aufgrund der einleuchtenden Beweise (baiyinā) der Gefolgschaft Pharaos ab und geben dem Schöpfergott den Vorzug, sie fügen sich in ihr weltliches Los und erhoffen sich die Vergebung ihrer Sünden und dessen, wozu sie durch den Machthaber gezwungen worden sind – sie sind ein vorbildliches Beispiel für die Gemeinde, auf die ebenfalls Druck von außen ausgeübt wird. Die Bitte um Sündenvergebung vor dem gewaltsamen Tod ist ein Topos christlicher Märtyrergeschichten. Die gesamte Szene, die den Kontext des „antiken“ Ägypten verläßt, reflektiert die Vorstellung von chistlichen Martyrien.
Ḫaṭāyā (Singular ḫaṭīʾa) läßt noch einen syrischen Terminus technicus durchklingen, das Wort ist aber aus der arabischen Wurzel ḪTʿ („ein Ziel verfehlen“) ableitbar (siehe dazu FVQ, S. 123 f.). Der Gedanke der Sündenvergebung ist in der christlichen Liturgie – nicht nur durch das Vaterunser – prominent. Neben ḫaṭīʾa begegnet das genuin arabische ḏanb, ḏunūb.
V. 74-76ʾinnahū man yaʾti rabbahū muǧriman fa-ʾinna lahū ǧahannama lā yamūtu fīhā wa-lā yaḥyā / wa-man yaʾtihī muʾminan qad ʿamila ṣ-ṣāliḥāti fa-ʾulāʾika lahumu d-daraǧātu l-ʿulā / ǧannātu ʿadnin taǧrī min taḥtiha l-ʾanhāru ḫālidīna fīhā wa-ḏālika ǧazāʾu man tazakkā] Das Glaubenszeugnis geht über in eine Predigt – formal immer noch im Munde der Zauberer, der Sache nach aber Lehre des Verkünders – über die jenseitige Vergeltung an Frevlern und Gläubigen. Die Wendung „die höchsten Stufen“ verweisen vielleicht auf eine Vorrangstellung im Paradies, wie sie schon für die „Vorausgehenden“ (as-sābiqūn) in Q 56:10 reklamiert wurde. Die später stereotype Phrase ǧannātu ʿadnin taǧrī min taḥtiha l-ʾanhāru begegnet hier erstmals; siehe dazu Horovitz 1925:53-73, der bei ʿadn für ein Verständnis nicht im Sinne eines Eigennamens, sondern eines Appellativums, analog zum Hebräischen ʿeden („Wonne“), plädiert. Anders als in Genesis ist der Name im Koran für das eschatologische Paradies reserviert. – Die Episode des Mose-Auftritts vor Pharao ist damit abgeschlossen.
V. 77-79wa-la-qad ʾauḥainā ʾilā mūsā ʾan ʾasri bi-ʿibādī fa-ḍrib lahum ṭarīqan fi l-baḥri yabasan lā taḫāfu darakan wa-lā taḫšā / fa-ʾatbaʿahum firʿaunu bi-ǧunūdihī fa-ġašiyahum mina l-yammi mā ġašiyahum / wa-ʾaḍalla firʿaunu qaumahū wa-mā hadā] Was in Q 26:52-68 die Abschlußerzählung des zweiteiligen Mose-Zyklus sein wird, der Bericht über die erfolgreiche Flucht der Israeliten unter Moses Leitung vor Pharao, erweist sich in Q 20 innerhalb des narrativ ganz auf Mose ausgerichteten Zyklus wie ein Nachtrag. Sehr kurz wird der Aufbruch zum Exodus eingeblendet, angedeutet durch den aus der Fluchtsituation Lots (Q 15:65) bekannten Imperativ ʾasri bi- („Zieh aus mit …“). Als weitere Erzähldetails folgen die Teilung des Schilfmeers und die abschließende Verurteilung Pharaos. Der reine Fakten akkumulierende Bericht, der mit keinem Wort auf den gerade vorher berichteten Hochmut Pharaos und dessen Folgen Bezug nimmt, ist nicht narrative Fortsetzung, sondern ein Einschub, der von der porträtartigen Mose-Vita wegführt. Die bis dahin fast ganz in Dialogen gestaltete Geschichte geht damit in ein Kurzreferat über. Die Versgruppe V. 77-79 dürfte in Medina aus dem Paralleltext in Q 26 nachgetragen worden sein, um ein – für die jüdische Tradition (siehe Boyarin 1990:534) zentrales – mit Mose verbundenes Ereignis, seine Durchquerung des Schilfmeers, nicht zu übergehen. Die daraus resultierende Dankesschuld bietet den Anlaß zu der im nächsten Vers folgenden – nun eindeutig medinischen – Anrede an die Nachfahren der Israeliten, die Juden von Medina (siehe oben „Literarkritik“ und Neuwirth 2014). Die V. 78 und 79 sind zusammmenzuziehen, siehe oben „Versabteilungsdifferenzen“.
V. 80-82yā-banī ʾisrāʾīla qad ʾanǧainākum min ʿadūwikum wa-wāʿadnākum ǧāniba ṭ-ṭūri l-ʾaimana wa-nazzalnā ʿalaikumu l-manna wa-s-salwā / kulū min ṭayyibāti mā razaqnākum wa-lā taṭġau fīhi fa-yaḥilla ʿalaikum ġaḍabī wa-man yaḥlil ʿalaihi ġaḍabī fa-qad hauā / wa-ʾinnī la-ġaffārun li-man tāba wa-ʾāmana wa-ʿamila ṣāliḥan ṯumma htadā] Die drei Verse sind als medinischer Zusatz leicht erkennbar an der Anrede, die in der Erzählung selbst nicht begegnete. Denn obwohl in mekkanischen Erzählungen von den banū ʾisrāʾīl mehrfach die Rede ist, werden sie nur in medinischer Zeit (in Q 2:40, Q 2:47, Q 2:122 und Q 61:6) direkt angesprochen. Dies geschieht in keinem Fall durch Mose, der sie als ihr Führer nicht mit einer Fremdbezeichnung, sondern mit yā qaumi anspricht (siehe etwa V. 86). Übermittler der Rede an sie ist vielmehr in Q 2:40, Q 2:47 und Q 2:122 der Verkünder selbst, da die Angeredeten ermahnt werden, die koranische Botschaft anzuerkennen. Das heißt, daß mit yā banī ʾisrāʾīla nicht die historischen Israeliten, sondern die medinischen Juden angesprochen sind. In Q 61:6 und Q 5:72 erfolgt die Rede zwar in der Vergangenheit, doch ist Jesus der Sprecher. In Q 61 kündigt Jesus das Kommen des Verkünders an – ebenfalls eine Aktualisierung des historischen Kontexts.
Der Anredevers V. 80 trägt noch weitere für die jüdische Tradition zentrale Erzähldetails nach: den Bundesschluß am Sinai und die Speisung mit Manna und Wachteln. Aus der wunderbaren Speisung wird das – für die Zeit des historischen Exodus nicht zentrale, in Medina aber hoch relevante – Verbot der Übertreibung (wa-lā taṭġau fīhi) abgeleitet, das sich in Medina am ehesten auf eine exzessiv rigorose Observanz der Speisegebote beziehen dürfte, die Gottes Zorn erregen würde. Zwar wäre auch eine Verbindung der Drohung zum kontroversen Umgang der Israeliten mit ihrer Wüstenversorgung (Num 12,31-33), der auch koranisch (Q 7:160; Q 2:57) reflektiert ist, denkbar, doch spricht die Anredeform unverkennbar für einen medinischen Kontext der Verse. Speyer (BEQ, S. 294) geht – ohne den Zusatz als solchen zu identifizieren – ebenfalls von einer Beziehung auf die Juden aus. Zur Entwicklung einer ambivalenten Wahrnehmung der Speisegesetze im Koran siehe BEQ, S. 318-320 und zur Debatte um sie Zellentin 2013. Siehe zu dem gesamten Zusatz Neuwirth 2014.
Der Zusatz wird durch weitere Reflexionen über Gottes Zorn und sein Vergeben beschlossen. Die auffallende Drohung mit dem Zorn Gottes, der in den mekkanischen Suren noch kein Thema war, gehört in den Zusammenhang der erst folgenden Erzählung vom Goldenen Kalb (Ex 32,15-35), die den locus classicus für den jüdischen Zorn-Gottes-Diskurs markiert. Die beiden V. 81-82 erweisen sich bei näherem Hinschauen als Evokation eines für den Zorn-Diskurs besonders gewichtigen Schriftverses, der biblisch in den weiteren Kontext der Geschichte vom Goldenen Kalb gehört: Ex 34,6-7: die göttliche Selbstbeschreibung, die Mose offenbart wird, als er – nach dem Ereignis der Idolatrie des Goldenen Kalbs – die neuen Tafeln übergeben bekommt. Der V. 82 enthält die in der jüdischen Tradition so genannten „Dreizehn Attribute“ (šeloš ʿesreh ha-middot), die sämtlich um gerechten Zorn und Barmherzigkeit kreisen: „YHWH, YHWH, ein gnädiger und barmherziger Gott, langmütig und reich an Gnade und Treue, der Gnade bewahrt den Tausenden, Schuld, Frevel und Sünde vergibt, aber nicht ganz ungestraft läßt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Söhnen und Enkeln bis in das dritte und vierte Geschlecht.“ Diese Exodus-Verse, die sich in Q 20:81-82 reflektieren, dürften im Zuge der Debatten mit den medinischen Juden um den göttlichen Zorn diskutiert worden sein – nach rabbinischer Tradition soll die Rezitation der šelošh ʿesreh ha-middot ja gerade die Sündenvergebung herbeiführen, be-roʾš ha-šanah 17b (freundlicher Hinweis von Dirk Hartwig). Denn er ist nicht nur Schriftvers, er spielt auch außerbiblisch, in der um den Gedanken der Reue und Bußfertigkeit kreisenden Jom-Kippur-Liturgie, eine zentrale Rolle, d.h. für einen Feiertag, dessen Observanz und theologische Diskussion wir – angesichts des zeitweise auch von der Gemeinde des Verkünders praktizierten ʿĀšūrāʾ-(= Jom-Kippur-)Fastens (vgl. Goitein 1966, S. 90-100; Neuwirth 2004) – für die medinischen Juden voraussetzen dürfen. Siehe zu den Einzelheiten Neuwirth 2006 und KTS, S. 523-527.
V. 83-85wa-mā ʾaʿǧalaka ʿan qaumika yā-mūsā / qāla hum ʾulāʾi ʿalā ʾaṯarī wa-ʿaǧiltu ʾilāyka rabbi li-tarḍā / qāla fa-ʾinnā qad fatannā qaumaka min baʿdika wa-ʾaḍallahumu s-sāmirī] Die letzte Szene – wiederum ohne erzähllogische Verbindung zum Vorausgehenden – berichtet von der Idolatrie des Goldenen Kalbes (Ex 32,7-35). Die Anrede an Mose involviert das Volk, von dem vorher noch gar nicht die Rede war. Wieder wird Mose in freundlich-väterlichem Ton von Gott angesprochen, diesmal um zu erfahren, daß sein Volk einer Versuchung erlegen sei, die sogleich der – bis dahin unbekannten – Figur as-Sāmirī (siehe unten zu V. 87-88) zur Last gelegt wird (vgl. zur koranischen Erzählung Hawting 2001). Die von Gott selbst ausgesprochene Nachricht, die die biblisch berichtete Aufdeckung des gerade stattfindenden Götzendienstes ersetzt, transformiert die Handlung in eine Versuchungsgeschichte. Sie macht auch die biblische Szene der Zerschlagung der Tafeln überflüssig. Die einleitende Antwort Moses auf Gottes Frage reflektiert nach Speyer (BEQ, S. 324), der von einer Überlagerung der Mose-Erzählung durch die biblische Elia-Erzählung ausgeht, Elias Antwort auf eine ähnliche Frage, die er – ebenfalls von einem Berg herabsteigend (1 Kön 19,10.14) – gab. Speyer muß dazu allerdings eine bereits im Midrasch hergestellte Verbindung zwischen Mose und Elia, dem ersten und dem letzten Propheten, postulieren.
V. 86a, b fa-raǧaʿa mūsā ʾilā qaumihī ġaḍbāna ʾasifan qāla yā-qaumi ʾa-lam yaʿidkum rabbukum waʿdan ḥasanan ʾa-fa-ṭāla ʿalaikumu l-ʿahdu ʾam ʾaradtum ʾan yaḥilla ʿalaikum ġaḍabun min rabbikum fa-ʾaḫlaftum mauʿidī] Mose – obwohl zornig – erscheint bei seiner Rückkehr zu den Israeliten beherrscht, anders als im biblischen Bericht, wo er die von Gott beschriebenen Tafeln zu Boden wirft (vgl. Ex 32,11 ff.19.22). Im Koran entfällt nicht nur die Zerstörung der Tafeln, sondern es entfallen auch Gottes Vorwürfe, die er im biblischen Text vor Mose gegen das Volk erhebt, so daß Mose die Bestrafung des Volkes durch Fürsprache abwenden muß (Ex 32,8-14). An die Stelle dieser Abrechnung tritt zunächst eine Auseinandersetzung Moses mit seinem Volk. In hoch rhetorischer Rede droht er den Israeliten – eng angelehnt an den biblischen Wortlaut – den Zorn Gottes an (vgl. Ex 32,10: we-yiḥar ʾappi va-hem, „damit [nicht] mein Zorn gegen sie entbrenne“), hervorgerufen durch den Bruch der Abmachung mit ihm und damit des Gottesbundes. Sie weisen die Schuld jedoch von sich. Das für die biblische Idolatriegeschichte zentrale Moment des Zorns, das in der koranischen Kernerzählung nur durch ein einziges Mose-Wort (V. 86) aus Ex 32,10 gestreift wurde, kam dagegen explizit und ausführlich in dem gegen die zeitgenössischen Juden gerichteten Zusatz V. 81 zur Sprache. – Gottes Zorn betrifft, wenn man von dem Ausnahmefall der fātiḥa absieht (siehe den Kommentar zu Q 1), im weiteren Koran stets die Israeliten bzw. ihre medinischen Nachfahren – eine Stigmatisierung, die laut Hawting 2001 bereits auf die Rede des Stephanus (Apg 7,39-44.51-52) zurückgeführt werden kann. ġadab wird im Koran nicht zu einem universalen göttlichen Attribut; siehe zum Zorn Gottes im Koran auch Lawson 2008.
Der hier mit mauʿidī betonte Zeitfaktor – das Volk hat die Frist bis zur versprochenen Rückkehr Moses nicht durchhalten können – wird in der jüdischen Tradition (bShabbat 89a) als Grund für die Rebellion des Volkes angegeben (siehe Zornberg 2001:400-402). Stemberger (2016:178) konkretisiert: „In Ex 24,14 beauftragt Mose die Ältesten ohne Zeitangabe, bis zu seiner und Josuas Rückkehr zu warten. 32,1 schildert dann die Reaktion des Volkes, da Mose noch immer nicht zurückkommt. Warum aber haben die Israeliten überhaupt so lange zugewartet? Nach Meinung des rabbinischen Erzählers hat ihnen Mose gesagt, wie lange er ausbleiben werde, wie es ausdrücklich in bShab 89a heißt: ‚Als Mose in die Höhe aufstieg, sagte er den Israeliten: ‚Am Ende von vierzig Tagen, zu Beginn der sechsten Stunde, werde ich zurückkehren.‘ „…“ Erst bei Verstreichen des falsch verstandenen Termins wird das Volk irre und wendet sich an Aaron.“
V. 87-88qālū mā ʾaḫlafnā mauʿidaka bi-malkinā wa-lākinnā ḥummilnā ʾauzāran min zīnati l-qaumi fa-qaḏafnāhā fa-ka-ḏālika ʾalqa s-sāmirī / fa-ʾaḫraǧa lahum ʿiǧlan ǧasadan lahū ḫuwārun fa-qālū hāḏā ʾilāhukum wa-ʾilāhu mūsā fa-nasiya] Die Beschuldigten wälzen die Schuld – wieder konzentriert auf das Versäumnis, die Rückkehr Moses abgewartet zu haben – auf ihre Auftraggeber, vor allem as-Sāmirī, ab. Zu den in seiner Rede reflektierten magischen Prozeduren der Herstellung des Kalbes siehe BEQ, S. 331 f. und Hawting 2001:273-276. Sie verweisen auf exodus rabba 41,10, wo das „Herausbringen“ des Kalbes durch Wortmagie – analog zu derjenigen, die die Auffindung und das „Heraufholen“ des Josef-Sarges aus dem Nil ermöglichte – dargestellt wird.
Name und Figur des Sāmirī werden verschieden erklärt, die Figur wurde unter anderem mit Zimri ben Salu (syrisch Zamri) aus Num 25,14 identifiziert, der bei der Rebellion der Juden in der Wüste instrumental war und der in der christlichen Tradition – siehe Thomasakten (Hennecke 1904:267) – eine Verkörperung Satans war (siehe zum weiteren Kontext BEQ, S. 329-332). – Die gleichzeitige Assoziation mit der Volksgruppe der Samaritaner ist unüberhörbar: Die Zulassung des Stierkults im Nordreich, Samaria, wird traditionell für dessen Untergang verantwortlich gemacht (vgl. BEQ, S. 331; siehe auch unten zu V. 97).
Die Deutung von fa-nasiya ist schwierig. Es könnte ein Reflex der Rede des Volkes Ex 32,23 sein, wo es von Mose sagt: loʾ yadaʿnu ma hayah lo („Wir wissen nicht, was ihm ist“). Eher ist aber an eine resümierende Feststellung zu denken: „Er [as-Sāmirī] vergaß also [den mit Gott geschlossenen Bund, der ja durch das Idol pervertiert wird].“ In der Mose-Rede an Pharao (V. 52) war von Gottes Nichtvergessen die Rede. Vergessen ist dagegen das übliche Zeichen menschlicher Schwäche. fa-nasiya („doch er vergaß“) wird in V. 115 Adam als erstem Bundespartner Gottes zur Last gelegt werden. Da dessen Geschichte das verhängnisvolle Vergessen offenbar bereits für die primordialen Verhältnisse exemplifizieren soll, könnte mit fa-nasiya in V. 88 eine nachträgliche Eintragung des Gedankens in die Mose-Geschichte vorliegen.
V. 89-91ʾa-fa-lā yarauna ʾallā yarǧiʿu ʾilaihim qaulan wa-lā yamliku lahum ḍarran wa-lā nafʿa / wa-la-qad qāla lahum hārūnu min qablu yā-qaumi ʾinnamā futintum bihī wa-ʾinna rabbakumu r-raḥmānu fa-ttabiʿūnī wa-ʾaṭīʿū ʾamrī / qālū lan nabraḥa ʿalaihi ʿākifīna ḥattā yarǧiʿa ʾilainā mūsā] Paränetische Reflexion über die Situation des Volkes, das sich gegen die Vernunft – die Nutz- und Machtlosigkeit von Götzen, vgl. die ähnlichen Argumente Abrahams in Q 37:95-96 – und gegen den Aufruf Aarons zum Eingottglauben entscheidet. In der ihnen in den Mund gelegten Ablehnung wiederholen sie die aus der Rede anderer verstockter Völker bekannte Festhalteparole (vgl. Q 71:23). Aarons Aufruf zum Prophetengehorsam wird in Q 26 durch einen Refrain programmatisch ausgeweitet.
V. 92-94qāla yā-hārūnu mā manaʿaka ʾiḏ raʾaitahum ḍallū / ʾallā tattabiʿani ʾa-fa-ʿaṣaita ʾamrī / qāla ya-bna-ʾumma lā taʾḫuḏ bi-liḥyatī wa-lā bi-raʾsī ʾinnī ḫašītu ʾan taqūla farraqta baina banī ʾisrāʾīla wa-lam tarqub qaulī] Wechselrede zwischen Mose und Aaron. Das Am-Bart-Packen Aarons könnte ein – entmythisierend zu verstehender – Umgang mit dem in jüdischer und christlicher Tradition als Symbol der priesterlichen Würde geltenden Bart Aarons sein (siehe BEQ, S. 328). Aarons Argument, das Volk nicht spalten zu sollen, findet sich nicht in Ex 32,22-24, sondern erst in der rabbinischen Debatte (siehe BEQ, S. 328).
V. 95-96qāla fa-mā ḫaṭbuka yā-sāmirī / qāla baṣurtu bi-mā lam yabṣurū bihī fa-qabaḍtu qabḍatan min ʾaṯari r-rasūli fa-nabaḏtuhā wa-ka-ḏālika sauwalat lī nafsī] Wechselrede Moses mit as-Sāmirī, eingeleitet wie die Anrede Abrahams an seine unbekannten und ihm unheimlichen Gäste (Q 15:57). As-Sāmirī war bereits in der Gottesrede (V. 85) als Verführer gebrandmarkt worden. Seine Erklärung der konkreten Zauberpraktiken bei der Herstellung des Kalbes dürfte sich auf die in exodus rabba 41,10 erwähnte Schriftmagie beziehen (siehe BEQ, S. 324, gegen Paret [KKK, S. 336], der (Yahuda 1935:287 f. folgend) einen schwer datierbaren weiteren Midrasch heranzieht). Gerade die Kürze der Darstellung dieses Zaubers scheint aber seine geringe Relevanz für die koranische Erzählung zu bezeugen.
V. 97-98qāla fa-ḏhab fa-ʾinna laka fi l-ḥayāti ʾan taqūla lā misāsa wa-ʾinna laka mauʿidan lan tuḫlafahū wa-nẓur ʾilā ʾilāhika llaḏī ẓalta ʿalaihi ʿākifan la-nuḥariqannahū ṯumma la-nansifannahū fi l-yammi nasfā / ʾinnamā ʾilāhukumu llāhu llaḏī lā ʾilāha ʾillā huwa wasiʿa kulla šaiʾin ʿilmā] Verurteilung des Sāmirī, der zeitlebens aussätzig, also unrein sein wird; siehe zu dem Ausruf lā misāsaLev 13,45 (vgl. dazu KÜ, S. 114 f. und Yahuda 1935:287). Seine Vertreibung und Bedrohung mit eschatologischer Strafe erinnern deutlich an die Vertreibung des Iblīs, was bestätigt, daß as-Sāmirī im koranischen Bericht die Rolle des Satans innehat. Auch die rabbinische Tradition hatte den Satan in die Affäre involviert (siehe Stemberger 2016:178 f. zu bShabbat 89a).
Die im biblischen Text bereits bei Moses Eintreffen vorgenommene Zerstörung des Goldenen Kalbes (Ex 32,20) wird hier dem Sāmirī als die Zerstörung seines Gottes erst angekündigt und damit in ihrem Strafcharakter entschärft. Insofern die Erzählung versöhnlich mit einem erweiterten Einheitsbekenntnis schließt, transportiert sie in ihrem Kerntext wenig von der theologischen Dimension, die der Episode des Goldenen Kalbes in der jüdischen Tradition eignet. Es dürfte die im Kerntext noch mangelnde Wahrnehmung des schicksalhaften Zornes Gottes gewesen sein, die den Zusatz V. 81-82 erforderlich machte; siehe dazu Neuwirth 2014 und KTS, S. 523-527.
Diese Wendung der Erzählung von einem – biblischen – Katastrophenbericht zu einer im Koran versöhnlich endenden Geschichte, die Moses Fähigkeit zur Konfliktbewältigung unter Beweis stellt, verdankt sich einer typologischen Strategie: Die Vertreibung und Bedrohung des Sāmirī mit eschatologischer Strafe erinnert deutlich an die Vertreibung des Iblīs (siehe etwa Q 15); im koranischen Bericht hat der Lückenbüßer as-Sāmirī die Rolle des Satans inne und trägt so zu der für den versöhnlichen Schluß erforderlichen Exkulpierung der Israeliten bei.
V. 99ka-ḏālika naquṣṣu ʿalaika min ʾanbāʾi mā qad sabaqa wa-qad ʾātaināka min ladunnā ḏikrā] Reflexion über die Vermittlung biblischer Geschichten an den Verkünder; diese sind Teil einer der Jetztzeit sinnstiftend vorausgegangenen Vergangenheit, sie sind zugleich Ermahnungen seitens des transzendenten Senders. Solche Reflexionen am Schluß von Erzählungen werden später Topos (siehe Q 18:13; Q 11:120; Q 12:3 und Q 7:101). Die von Gott gewährte mahnende Erinnerung, ein Schutz vor dem Vergessen, wird tröstend, als Gegengewicht gegen die gegnerischen Angriffe, eingeführt.
V. 100-104man ʾaʿraḍa ʿanhu fa-ʾinnahū yaḥmilu yauma l-qiyāmati wizrā / ḫālidīna fīhi wa-sāʾa lahum yauma l-qiyāmati ḥimlā / yauma yunfaḫu fi ṣ-ṣūri wa-naḥšuru l-muǧrimīna yaumaʾiḏin zurqā / yataḫāfatūna bainahum ʾin labiṯtum ʾillā ʿašrā / naḥnu ʾaʿlamu bi-mā yaqūlūna ʾiḏ yaqūlu ʾamṯaluhum ṭarīqatan ʾin labiṯtum ʾillā yaumā] Es beginnt der abschließende dritte Teil der Sure. Die folgenden Texte setzen, insoweit sie nicht mehr narrativ sind, den gleichgebliebenen Reim 3CCā in einer neuen Weise ein: Während in der Erzählung oft Verben oder Namen im Reim begegneten, herrscht in der Polemik die Besetzung der Reimposition mit einem Verbalnomen (maṣdar) vor, was – wie später auch in Q 19 – einen besonders harten Tonfall erzeugt und oft die Hervorhebung des Gesagten ins Leidenschaftliche steigert. Der Schlußteil beginnt abrupt mit einem polemischen Gesätz, das die Abwendung von der Mahnung mit Strafe belegt. Als eschatologischer Vorgang, eingeleitet durch die Szenerie des Posaunenstoßes (vgl. Q 69:13), entsprechend Offb 8,6-11.19 und der Versammlung der Erweckten, wird hier ein lautes Wetteifern zwischen den Erweckten um die richtige Zahl der – im Grab verbrachten – Tage inszeniert. Die von der Plötzlichkeit der Auferweckung suggerierte Annahme, es sei nur ein einziger Tag/eine einzige Nacht gewesen, gibt die subjektive Wahrnehmung am besten wieder; sie wird hier von „dem Vorbildlichsten“ vertreten (anders KKK, S. 338).
V. 105-107wa-yasʾalūnaka ʿani l-ǧibāli fa-qul yansifuhā rabbī nasfā / fa-yaḏaruhā qāʿan ṣafṣafā / lā tarā fīhā ʿiwaǧan wa-lā ʾamtā] In V. 105 nimmt die maṣdar-Konstruktion die Form einer – emphatisierenden – Paronomasie an: yansifuhā „…“ nasfan. Die frühmekkanisch stets mit iḏā eingeleitete eschatologische Szenerie begegnet hier als assertorische Zukunftsaussage in Erwiderung einer Höreranfrage nach der eschatologischen Veränderung der Berge. Die Reduktion der Berge zu Staub ist seit Q 70:8-9: yauma „…“ / wa-takūnu l-ǧibālu ka-l-ʿihn („und [wenn] die Berge zu Flocken [werden]“) ein Topos. In der Darstellung der Welt nach Auflösung des Kosmos schwingt in V. 105-106 ein sarkastischer Ton mit. Krummheit (ʿiwaǧ) ist sonst ein Mangel, der der Schöpfung bestritten wird (vgl. Q 18:1), hier ist der nachapokalyptische Zustand in seiner totalen Einebnung aller Formen „ohne Krummheit“.
V. 108yaumaʾiḏin yattabiʿūna d-dāʿiya lā ʿiwaǧa lahū wa-ḫašaʿati l-ʾaṣwātu li-r-raḥmāni fa-lā tasmaʿu ʾillā hamsā] Eschatologischer Vorgang, siehe zur Textsorte SKMS, S. 191. Der Rufer – anderswo sind es Engel, die den Erweckungsschrei ausstoßen (vgl. Q 37:2) – begegnete bereits in Q 54:6 und in Q 50:41. Das Fehlen von Krummheit dürfte sich in seinem Fall auf die Zuverlässigkeit seines Auftretens beziehen, an dem ‚nicht zu rütteln‘ ist. Die erzwungene Lautlosigkeit invertiert die positive Lautlosigkeit des Gebets in V. 5; sie gehört zur Gerichtsszenerie wie in dem mittelmekkanischen Zusatz Q 78:38: yauma yaqūmu r-rūḥu wa-l-malāʾikatu ṣaffan lā yatakallamūna ʾillā man ʾaḏina lahu r-raḥmānu wa-qāla ṣawābā“ („Am Tage, da der Geist und die Engel in Reihen stehen, werden sie nicht sprechen, es sei denn, der Erbarmer erlaubte es einem und er spräche die Wahrheit“).
V. 109-110yaumaʾiḏin lā tanfaʿu š-šafāʿatu ʾillā man ʾaḏina lahu r-raḥmānu wa-raḍiya lahū qaulā / yaʿlamu mā baina ʾaidīhim wa-mā ḫalfahum wa-lā yuḥīṭūna bihī ʿilmā] Die Unzulässigkeit von Fürbitte begegnete bereits in dem Zusatz Q 53:26. Mit den ungenannten potentiellen, aber in ihre Grenzen verwiesenen Fürsprechern sind wie in Q 53:26 und wohl auch in Q 78:38 Engel gemeint.
V. 111-112wa-ʿanati l-wuǧūhu li-l-ḥayyi l-qayyūmi wa-qad ḫāba man ḥamala ẓulmā / wa-man yaʿmal mina ṣ-ṣāliḥāti wa-huwa muʾminun fa-lā yaḫāfu ẓulman wa-lā haḍmā] Al-ḥaiy al-qaiyūm geht zurück auf Dan 6,27 (vgl. Jeffery, FVQ, S. 244 f. und Horovitz 1925:219, der auf die Frequenz des hebräischen qaiyam in den Targumim und liturgischen Kontexten hinweist). Diese Gottesprädikation begegnet im Koran nur dreimal, außer in Q 3:2, wo die Geschichte der christlichen Gründerfamilie eingeführt wird, noch prominent im sog. Thronvers (Q 2:255), der eine christliche Vigil abzubilden scheint (siehe Neuwirth 2012). Zusammen mit der – hier freilich negierten – Fürbitte durch die Engel und der devoten Haltung der Gläubigen evoziert der Gedanke des lebendigen Beständigen auch in Q 20 am ehesten das Szenario einer Vigil, die ja die Situation am Jüngsten Tag vorwegnimmt.
V. 113wa-ka-ḏālika ʾanzalnāhu qurʾānan ʿarabiyyan wa-ṣarrafnā fīhi mina l-waʿīdi laʿallahum yattaqūna ʾau yuḥdiṯu lahum ḏikrā] Offenbarungsbestätigung, die erstmals den arabischen Sprachcharakter thematisiert und mit ihrer Betonung der sprachlichen Leichtzugänglichkeit auf die einleitende Offenbarungsbestätigung (V. 2-3) zurückverweist, in der die Lesung als Mahnung für die Gottesfürchtigen deklariert wurde.
V. 114fa-taʿāla llāhu l-maliku l-ḥaqqu wa-lā taʿǧal bi-l-qurʾāni min qabli ʾan yuqḍā ʾilaika waḥyuhū wa-qul rabbi zidnī ʿilmā] Die Doxologie auf Gott als Richter-König – ein Rückgriff auf V. 2 – ist parenthetischer Ausruf zum Ausdruck der hochrangigen Herkunft des Gotteswortes. Sie wird in der Schabbat- wie auch der Sonntagsliturgie häufig wiederholt. Daran schließt eine Ermahnung an, nicht zu rasch zu rezitieren, um der Eingebung nicht zuvorzukommen, und Belehrung zu erbitten. Die Warnung vor Übereilung im Rezitieren ist zugleich eine Mahnung vor oberflächlicher Diesseitsbezogenheit, vor Flüchtigkeit; beides wird zusammen thematisiert in Q 76:25-27, wo eine Aufforderung zur Rezitation mit ihrer Ablehnung durch die der „flüchtigen Welt“ Verfallenen verbunden wird: wa-ḏkuri sma rabbika „…“ / ʾinna hāʾulāʾi yuḥibbūna l-ʿāǧilata „…“ („Gedenke des Namens deines Herren / „…“ die dort lieben das Flüchtige“). – V. 114 mit seinen Imperativen entspricht formal Surenschlußversen wie Q 52:48, Q 69:52 und Q 50:40. Die Sure könnte also hier zu Ende sein. Doch folgt mit Neueinsatz wa-la-qad ein weiterer Schlußteil.
V. 115wa-la-qad ʿahidnā ʾilā ʾādama min qablu fa-nasiya wa-lam naǧid lahū ʿazmā] Unerwartet schließt sich nun noch eine Erzählung an, die durch den gemeinsamen Reim wie auch durch das Stichwort nasiya mit dem Vorausgehenden verbunden ist. Der hier erstmals erwähnte Adamsbund ist auch in der christlichen Tradition erster Gottesbund (siehe Samir 2008). Der Gedanke von „Adams Vergessen (des Bundes)“ wird später volksetymologisch zur Erklärung des Wortes ʾinsān (aus nasiya) herangezogen; die Assoziation ist vielleicht auch bereits im Koran impliziert.
V. 116wa-ʾiḏ qulnā li-l-malāʾikati sǧudū li-ʾādama fa-saǧadū ʾillā ʾiblīsa ʾabā] Evokation der Iblīs-Geschichte aus Q 15 (siehe den Kommentar), wobei nun der vorher anonyme „Sterbliche“ (bašar, Q 15:28) mit Adam identifiziert ist. Die vorher detailliert erzählte Geschichte von der Auseinandersetzung zwischen Gott und Iblīs (Q 15:27-42) wird damit auf den ‚Prolog im Himmel‘ verkürzt, dessen Ausgang – Gottes Entsendung des Iblīs als Prüfer, aber auch als Verführer der Menschen – aufgrund von Q 15 bereits vorausgesetzt werden kann.
V. 117fa-qulnā yā-ʾādamu ʾinna hāḏā ʿadūwun laka wa-li-zauǧika fa-lā yuḫriǧannakumā mina l-ǧannati fa-tašqā] Iblīs, in Q 15 noch ambivalente Figur, wird in Q 20 Adam bereits als Feind präsentiert, von dem eine besondere Bedrohung für Adam und seine Gattin ausgeht: ihre Vertreibung aus dem Paradiesgarten. Durch die vorweggenommene Enthüllung der konkreten Folgen der Interaktion mit Iblīs wird die Erzählung von Anfang an entdramatisiert. tašqā ist Rekurs auf V. 2: Auch für Adam geht es darum, nicht – durch Mißachtung des göttlichen Auftrags – in die Disposition des Elendigseins (šiqāʾ) zu verfallen.
V. 118-119ʾinna laka ʾallā taǧūʿa fīhā wa-lā taʿrā / wa-ʾannaka lā taẓmaʿū fīhā wa-lā taḍḥā] Wiederum mit der Wirkung einer Entdramatisierung wird die vollkommene Versorgung des Paares vor dem Sündenfall im Garten betont, die also keines weiteren Zutuns bedarf. Aus dieser Perspektive werden die beiden noch bevorstehenden Akte des Essens vom Baum der Erkenntnis und der Bedeckung des nackten Körpers auf rein physische Notwendigkeiten heruntergespielt, so als ginge es bei dem Fehltritt des Genusses vom verbotenen Baum nur um Hungerstillung und nicht um den Eintritt des Menschen in den Status einer Eigenständigkeit gegenüber Gott bzw. bei der Bedeckung des Körpers nur um Bekleidung und nicht um die neu entdeckte Sorge des Menschen um Verhüllung seiner Scham. Der biblischen Geschichte von der ersten Übertretung wird also von vornherein die ‚evolutionäre‘ Spitze abgebrochen. Diese spannungdämpfende und daher die Erzählung verflachende retrospektive Relecture gehört eigentlich zum paränetischen Inventar von Predigten, siehe z.B. die Diskussion der biblischen Geschichte bei Johannes Chrysostomus (gest. 407): „War es nicht genug für euch, euer Leben ohne Sorgen zu verbringen, gekleidet in einen Körper ohne körperliche Bedürfnisse? Alles zu genießen im Garten, außer dem einen Baum?“ (Chrysostomus 1913:113) Zu weiteren Parallelen siehe Beck 1976:237, Anm. 73.
V. 120-122fa-waswasa ʾilaihi š-šaiṭānu qāla ya-ʾādamu hal ʾadulluka ʿalā šaǧarati l-ḫuldi wa-mulkin lā yablā / fa-ʾakalā minhā fa-badat lahumā sauʾātuhumā wa-ṭafiqā yaḫṣifāni ʿalaihimā min waraqi l-ǧannati wa-ʿaṣā ʾādamu rabbahū fa-ġawā / ṯumma ǧtabāhu rabbuhū fa-tāba ʿalaihi wa-hadā] Iblīs, als Feind angekündigt, agiert nun unter dem Namen aš-šaiṭān. Er gilt nun nicht mehr als Engel, sondern als Dämon. Entsprechend spricht er nicht mehr offen und hörbar, sondern trägt seine Botschaft flüsternd, Zeugen ausschließend, vor. Damit tritt er in die Rolle der jüdisch-christlich als Personifikation des Bösen geltenden Figur ein, mit der die Schlange aus Gen 3 in der christlichen Exegese längst allegorisch identifiziert worden war (siehe BEQ, S. 68-71). Daß die Bezeichnung aš-šaiṭān (siehe KU, S. 120 f.) bereits in der altarabischen Dichtung – für Dämonen generell – geläufig war, mag den Verzicht auf die explizite Verkörperung in der Schlange erleichtert haben. Arabischsprachige Schöpfungsberichte, die gerade die Schlange, nicht den Satan, involvieren, waren aber bereits in der vorislamischen Dichtung bekannt (siehe Toral-Niehoff 2008). Die koranische Rede verhält sich gegenüber den mythischen Elementen der biblischen Geschichten zurückhaltend.
Iblīs/aš-Šaiṭān preist dem Paar den – vorher nicht erwähnten – Baum der Unsterblichkeit und der ewig währenden Macht (vgl. Gen 2,9) an. Seine von Gott gegebene Beschreibung ʿeṣ ha-daʿat ṭov we-raʿ („der Baum des Wissens um Gut und Böse“) wird also exegetisch umgedeutet, nicht ethische Mündigkeit, sondern Allmacht wird versprochen; auch die Schlange aus Gen 3,5 hatte dieses Wissen bereits als Gottgleichheit gedeutet.
Da den beiden ersten Menschen in einer spätmekkanischen Sure (Q 7:21) von ihrem Verführer der Status von Engeln (malakain) angeboten wird – plausibel angesichts der Präsenz von Engeln bei Adams Erschaffung –, ist erwogen worden, das Versprechen von mulk („Herrschaft“) in V. 120 als eine ungenaue Wiedergabe von der versprochenen Engelwerdung des Paares zu verstehen und damit Q 7 chronologisch vor Q 20 zu stellen. Dagegen spricht jedoch die spätere Zuschreibung von Herrschaft an Adam, stellvertretend für die Menschen in Q 2:30, wo ihm das entscheidende Privileg, Gottes Stellvertreter auf Erden (ḫalīfa fi l-ʾarḍ) zu sein, bestätigt wird. Ein ähnlicher Status, der letztlich Gen 1,28-30 reflektiert, wurde bereits in Mittelmekka David zugestanden (siehe Q 38:26 und den Kommentar zur Sure). Es besteht also kein Grund, das Versprechen von Herrschaft in ein Versprechen von der Erhebung in den Engelstatus umzudeuten und daraus für Q 20 eine im Vergleich zu Q 7 spätere Komposition abzuleiten. Beck (1976), der die Adam-Geschichte in Q 20 für später als die in Q 7 hält, ignoriert den Surenkontext. Grundsätzlich sollten chronologische Einordnungen nicht auf isolierte Einzelteile von Suren, sondern auf die jeweilige Gesamtkomposition basiert werden.
Nach dem Genuß der Frucht wird das Paar jedoch nur seiner Nacktheit gewahr, so daß sie wie in Gen 3,7 Blätter des Paradieses über sich zusammenheften. Die Vorstellung, daß sie mit ihrer Übertretung eine mythische Art von Bedeckung verloren haben, die man mit ihrer vorher besessenen Aura der Vollkommenheit identifizieren kann, wird auch in der jüdischen Tradition aufrechterhalten (siehe Speyer, BEQ, S. 46-49, der Philo und midraschische Texte zitiert). Sie ist aber vor allem in der christlichen Tradition prominent (siehe BEQ, S. 46-49 und Reynolds 2010:64-71). Im Korantext ist jedoch exklusiv von realer Nacktheit die Rede. Die Episode wird von Bounfour (1995) analysiert, in ihrer sexuellen Dimension aber überinterpretiert.
Eine Rechenschaftseinforderung erfolgt nicht, Adam werden lediglich Ungehorsam und Irrgang bescheinigt – ein Vergehen ohne Folgen, denn Gott erwählt Adam von neuem und leitet ihn recht. Dies steht im Gegensatz zur herrschenden christlichen Interpretation der Geschichte als des „Falls Adams“, der die Sünde in die Welt gebracht hat. Schon in Q 20 ist vielleicht die später explizierte Vorstellung von Adams Reue vorausgesetzt (siehe die Parallelen dazu in der jüdischen und christlichen Tradition in BEQ, S. 73-77).
V. 123-124qāla hbiṭā minhā ǧamīʿan baʿḍukum li-baʿḍin ʿadūwun fa-ʾimmā yaʾtiyannakum minnī hudan fa-mani ttabaʿa hudāyā fa-lā yaḍillu wa-lā yašqā / wa-man ʾaʿraḍa ʿan ḏikrī fa-ʾinna lahū maʿīšatan ḍankan wa-naḥšuruhū yauma l-qiyāmati ʾaʿmā] Nach der Vertreibung des Menschenpaares, das nunmehr in Gegnerschaft zum Satan leben wird, ergeht neuerliche Verheißung an die Menschen insgesamt, die der Rechtleitung folgen oder sich von ihr abwenden können. Die Abwendung hat Beschwernisse im diesseitigen Leben – ähnlich denen, die in Gen 3,17-19 im Zuge der Verfluchung der Erde dem Menschenpaar selbst vorausgesagt werden – zur Folge. Hinzu kommt die jenseitige Strafe: die Vorführung im Zustand der Blindheit bei Gericht. Letzteres Bild war bereits in V. 102 für die Frevler bei der Auferstehung gebraucht worden, wo sie statt explizit mit „blind“ bildlich als „mit blauen Augen“ bezeichnet wurden. Einen sich auf spätere Generationen ausweitenden Verlust erleiden die Menschen jedoch nicht; implizit wird so die Vorstellung von Erbsünde zurückgewiesen. Der Ausblick auf die weitere Menschheitsgeschichte mündet übergangslos in eine Polemik ein.
V. 125-127qāla rabbi li-ma ḥašartanī ʾaʿmā wa-qad kuntu baṣīrā / qāla ka-ḏālika ʾatatka ʾāyātunā fa-nasītahā wa-ka-ḏālika l-yauma tunsā / wa-ka-ḏālika naǧzī man ʾasrafa wa-lam yuʾmin bi-ʾāyāti rabbihī wa-la-ʿaḏābu l-ʾāḫirati ʾašaddu wa-ʾabqā] Fiktionale Wechselrede zwischen dem blind vorgeführten Frevler und Gott. Die Strafe wird mit dem Vergehen des Vergessens, das Adam bereits in V. 115 – wo er vielleicht für die Menschen insgesamt stand – zur Last gelegt worden war, begründet.
V. 128ʾa-fa-lam yahdi lahum kam ʾahlaknā qablahum mina l-qurūni yamšūna fī masākinihim ʾinna fī ḏālika la-ʾāyātin li-ʾuli n-nuhā] Der soeben vorgeführte Typus des Frevlers wird nun in die Geschichte zurückverfolgt. Die Erinnerung an die aufgrund ihres Unglaubens vernichteten Völker ist ein Topos der koranischen Polemik (vgl. KU, S. 10-21). Die hier abgerufene empirische Kenntnis der von ihnen hinterlassenen Ruinen bezieht sich im Allgemeinen auf Sodom und Gomorrha (siehe Q 37), wo explizit von einem Durchreisen an den Ruinenstätten die Rede ist. Sie kann sich aber auch auf die südlich gelegenen verfallenen Städte wie Laika/Leuke Kome, Heimat der aṣḥāb al-ʾaika/laika (siehe Q 15:78, Q 26:176, Q 50:14 und Q 38:13), und Egra (al-ḥiǧr, siehe Q 15:80) beziehen, die unweit von Mekka zu lokalisieren sind. Der Topos der ʾumam ḫāliya ist weniger heilsgeschichtlich als paränetisch relevant; denn die Vernichtung der Völker erfolgt für jedes einzelne isoliert, sie dient nicht dem Wohl eines einzigen, von diesen Völkern bedrohten „erwählten Volkes“ wie in der israelitischen Heilsgeschichte, sondern ist ein diskontinuierlich vollzogener Akt der göttlichen Gerechtigkeit, der vor allem der Mahnung dient.
V. 129wa-lau-lā kalimatun sabaqat min rabbika la-kāna lizāman wa-ʾaǧalun musammā] Die Gegner wären längst vernichtet, gäbe es nicht die Bestimmung einer ihnen gewährten Frist, in der sie wie der gleichfalls mit einer Frist abgefundene Iblīs (vgl. Q 15:39-41), der sie zu verführen ausgesandt ist, der Prüfung ausgesetzt sind; ʾaǧalun musamman ist also (mit KÜ, S. 224) als Ergänzung zu kalimatun zu lesen. ʾaǧal steht hier im Sinne eines kollektiv – nicht wie in der Dichtung individuell – relevanten Endzeitpunkts (siehe zur dichterischen Verwendung Tamer 2008:44 f., der Ḥātim aṭ-Ṭāʾī [1981:73, V. 8] zitiert: yasʿā l-fatā wa-ḥimāmu l-mauti yudrikuhū wa-kullu yaumin yudnī li-l-fatā l-ʾaǧalā, „Der junge Mann läuft [besser: müht sich], das Verhängnis des Todes ereilt ihn aber, jeder Tag bringt dem jungen Mann den Zeitpunkt seines Todes näher“; zu weiteren altarabischen Zeugnissen siehe Izutsu 2002:130-140, vgl. dazu auch Q 15:5).
V. 130fa-ṣbir ʿalā mā yaqūlūna wa-sabbiḥ bi-ḥamdi rabbika qabla ṭulūʿi š-šamsi wa-qabla ġurūbihā wa-min ʾānāʾi l-laili fa-sabbiḥ wa-ʾaṭrāfa n-nahāri laʿallaka tarḍā] Neuerlicher Prophetenzuspruch, zu dem seit frühmekkanischer Zeit gebrauchten Aufruf zur Geduld siehe Q 70:5. Es folgt eine Aufforderung zum Gotteslob wie bereits frühmekkanisch in Q 52:48-49: „…“ wa-sabbiḥ bi-ḥamdi rabbika ḥīna taqūm / wa-mina l-laili fa-sabbiḥhu wa-ʾidbāra n-nuǧūm („Lobpreise deinen Herrn, wenn du im Gebet stehst, und lobe ihn des Nachts und beim Weichen der Sterne“) – wobei wahrscheinlich an beiden Stellen an die Rezitation der fātiḥa im Kontext des Gebets zu denken ist, die ja mit dem Wort al-ḥamd beginnt, das auch konkurrierend zu al-fātiḥa als ihr Name bekannt ist. Dieses Gotteslob soll zu verschiedenen Tageszeiten erfolgen, d.h. Gebetszeiten, von denen die erste als faǧr, die zweite als maġrib zu identifizieren ist (siehe dazu Rubin 1987). Weiterhin werden Vigilien anempfohlen (vgl. dazu Q 73:2-10 und Q 74:2: qum fa-ʾanḏir, „Steh auf und warne!“). Paret (KKK, S. 339) hält ʾaṭrāfa n-nahāri für einen Nachtrag, der die ersten beiden Angaben noch einmal zusammenfaßt.
V. 131-132wa-lā tamuddanna ʿainaika ʾilā mā mattaʿnā bihī ʾazwāǧan minhum zahrata l-ḥayāti d-dunyā li-naftinahum fīhi wa-rizqu rabbika ḫairun wa-ʾabqā / wa-ʾmur ʾahlaka bi-ṣ-ṣalāti wa-ṣṭabir ʿalaihā lā nasʾaluka rizqan naḥnu narzuquka wa-l-ʿāqibatu li-t-taqwā] Trostrede wie wenig später in Q 26:214-219, wo die Unterprivilegiertheit der Gemeinde thematisiert wird. Die mit Q 26 stereotyp werdende Tröstung enthält ein Theodizeeargument: Das unverschuldete Leiden der belagerten Gemeinde ist besonders angesichts der sozialen Privilegiertheit der gottesfernen Gegner anstößig. Wie in Q 15:40-41 werden die sozialen Vorteile daher als Zeichen einer nicht bestandenen Prüfung gedeutet; sie sind also nur scheinbar Vorteile, auch sind sie weniger dauerhaft als die – eschatologische – göttliche Versorgung, die die Gerechten erwartet. Der letztendliche Sieg gehört der Gottesfurcht (taqwā). Diese Tugend, die mit der „Sorge um das Selbst“ (siehe zu dem Begriff Stroumsa 2011), d.h. mit der bewußten, auf die eschatologische Bestimmung hin ausgerichteten Lebensführung, eng verbunden ist, wird sich am Ende behaupten.
V. 133-134wa-qālū lau-lā yaʾtīnā bi-ʾāyatin min rabbihī ʾa-wa-lam taʾtihim bayyinatu mā fi ṣ-ṣuḥufi l-ʾūlā / wa-lau ʾannā ʾahlaknāhum bi-ʿaḏābin min qablihī la-qālū rabbanā lau-lā ʾarsalta ʾilainā rasūlan fa-nattabiʿa ʾāyātika min qabli ʾan naḏilla wa-naḫzā] Rhetorisch kunstvoller Austausch zwischen der göttlichen Stimme und abwesenden Gegnern. Auf eine von den Ungläubigen zitierte herausfordernde Frage betreffend den Verkünder läßt die göttliche Stimme als Erwiderung eine über ihren Kopf hinweg gesprochene rhetorische Frage folgen, die ihr Unwissen bloßstellt. Die anschließende hypothetische Rede der göttlichen Stimme zitiert wiederum eine hypothetische Behauptung der Ungläubigen. Es ist bemerkenswert, daß solche Gedankenfiguren weitgehend auf direkter Rede von Zeitgenossen aufbauen, die, auf diese Weise aus ihrem alltäglichen Kontext gelöst, auf ein höheres Niveau gehoben werden. – Das Argument des vorgeblichen Fehlens von Zeichen Gottes, verstanden als Wunder, wurde bereits in Q 54:2 zurückgewiesen. Die suḥuf al-ʾūlā wurden schon frühmekkanisch in Q 87:19 als Beglaubigungsinstanz für die Verkündigung eingeführt, dort waren sie mit Abraham und Mose in Verbindung gebracht worden.
V. 135qul kullun mutarabbiṣun fa-tarabbaṣū fa-sa-taʿlamūna man ʾaṣḥābu ṣ-ṣirāṭi s-sawīyi wa-mani htadā] Das Verbum tarabbaṣa verbindet sich in der Dichtung (siehe al-Kindy 1998: 49-57) mit dem Schicksal (ʾad-dahr, ʾal-manūn), mit dessen unberechenbaren Schlägen stets zu rechnen ist (vgl. Q 52:30-31: ʾam yaqūlūna šāʿirun natarabbaṣu bihī raiba l-manūn / qul tarabbaṣū fa-ʾinnī maʿakum mina l-mutarabbiṣīn, „Oder sagen sie: ‚Ein Dichter – laßt uns abwarten, was die Schicksalsmächte mit ihm tun!‘ / Sprich: Wartet nur ab, ich warte mit euch ab!“), siehe dazu HK 1, S. 685-709. Die Rolle des Schicksals ist im Koran auf Gott übergegangen. Die ungläubigen Hörer, die noch im alten Denken verharren, warten auf die Schicksalsschläge; die Hörer werden eingeladen, auf das Eintreffen des ihnen verheißenen eschatologischen Geschicks zu warten (vgl. Q 52:31).
Literaturliste
Q 20 ist die Mose-Sure schlechthin. Die Mose-Geschichte war in Frühmekka auf die Auseinandersetzung mit Pharao begrenzt gewesen, das maßgebliche Wissen über Mose wird nun mit Q 20 in einem einzigen Text voll entfaltet. Die ‚Lesung‘ über ihn nimmt den weitaus größten Teil des Textes ein. Ihr geht ein Eingangstext voraus, der eine typologische Verbindung zwischen Mose und dem Verkünder herstellt. Wie Gott sich in der biblischen Dornbuschepisode Mose namentlich offenbart, so gibt er sich in Q 20 auch gegenüber dem Verkünder zu erkennen: nun als Schöpfer und im Himmel thronender König. Analog zur Dornbuschepisode geht es auch hier um Namen, aber gerade nicht um den einen, sondern um mehrere, nebeneinander zugelassene – ein Reflex der Debatte um den in dieser Zeit neu eingeführten Gottesnamen ar-raḥmān.
Die folgende Erzählung ist die detaillierteste Darstellung Moses im Koran. Sie bezieht sich bereits durch die Einleitungsformel hal ʾatāka hadīṯu mūsā und ihren Reim auf 3(C)Cā zurück auf die früheste Mose-Geschichte (Q 79:15-26). Die dort in einem eschatologischen Diskurs stehende Mosefigur wird in Q 20 in ihre neue Funktion überführt, nämlich den nun zentral gewordenen Typus des Propheten zu repräsentieren. Die Mose-Erzählung, die die frühere Version voll entfaltet, hebt mehrmals auf das bereits frühmekkanisch oft reflektierte Thema der Transzendenzerfahrung ab. Gott spricht hörbar zu Mose (nādā) und gibt sich selbst als sein Herr zu erkennen – ähnlich erfuhr der Verkünder in Q 53 seine Gottesbegegnung in einer Vision. Gott verweist Mose auf die Aura des Heiligen, die ihrer beider Aufenthaltsort umgibt – die Vision des Verkünders fand gleichfalls an einem herausgehobenen Ort (Q 53:14-15: ʿinda sidrati l-muntahā / ʿindahā ǧannatu l-maʾwā, „Beim Sisyphusbaum an der Grenze, / wo sich der Garten der Zuflucht erstreckt“) statt –, und belehrt ihn über die am heiligen Ort geforderten rituellen Vorkehrungen (V. 12: fa-ḫlaʿ naʿlaika). Er verkündet ihm seine Erwählung und fordert ihn zu aufmerksamem Zuhören auf, denn er soll eine Eingebung erfahren (V. 13: fa-stamiʿ li-mā yūḥā) – ähnlich wie der Verkünder während seiner Vision eine göttliche Rede empfangen hatte (Q 53:10: fa-ʾauḥā ʾilā ʿabdihī mā ʾauḥā, „Da gab er seinem Diener ein, was er ihm eingab“). Sie besteht in der Affirmation der Einheit Gottes und der Aufforderung, ihm zu dienen und das Gebet zu halten (V. 14: ʾaqimi ṣ-ṣalāta li-ḏikrī, „Halte das Gebet mir zum Gedenken“), ähnlich wie der Text über die Visionsberichte Muhammads mit einer Aufforderung zum Gebetsritus endete (Q 53:62: fa-sǧudū li-llāhi wa-ʿbudūh, „Fallt nieder vor Gott und betet ihn an“).
Es ist allerdings Moses exklusives Privileg, von Gott eine väterlich-freundschaftliche Einweisung in sein Prophetenwunder, die Verwandlung seines Stabes und seiner Hand, zu erhalten, das wie die Vision Muhammads „das größte Zeichen“ und damit eine überzeugende Autorisierung für seine Botschaftsüberbringung darstellt. Eine solche Einführung erhält Mose in der sonst eng verwandten Sure Q 26 nicht mehr, sie wird dort offenbar bereits vorausgesetzt. In Q 20 wird mit der Einweisung in die Zeichen eine Spannung aufgebaut, die sich in der öffentlichen Vorführung der Zeichen in Q 20:65-70 entladen wird. Damit wird die Mose-Erzählung auf ein narratives Niveau gehoben, das in Q 26, wo paränetische Anliegen im Vordergrund stehen, nicht mehr angestrebt ist.
Moses innere Bewegung läßt sich aus der Form seiner Antwort ablesen: Er erwidert mit einer poetischen Replik, einem Litaneigebet (V. 25-32), das durch besonderen Reim und Rhythmus auffällt. Das an früheste Suren erinnernde Gebet reflektiert zudem eine Tröstung des Verkünders, wenn Mose darin die Befreiung von Angst und Beklemmung erbittet, Zuständen, die der Annahme eines so großen Auftrags offenbar vorangehen: V. 25: rabbī šraḥ lī ṣadrī, vgl. dazu an den Verkünder gerichtet Q 94:1: ʾa-lam našraḥ laka ṣadrak („Haben wir dir nicht die Brust geweitet?“). Das Gebet mündet ein in das – rhythmisch langsamere und durch neuen Reim abgehobene – Versprechen einer gottesdienstlichen Preisung, auch dies im Stil der frühmekkanischen liturgischen Praxis.
Im folgenden deutet Gott Mose seine gesamte Lebensgeschichte im Sinne einer kontinuierlichen göttlichen Leitung, die in seiner Erwählung gipfelt – eine beispiellos intensive und emotionsgetragene Zuwendung Gottes, die sich nur mit der Prophetentröstung in Q 94 vergleichen läßt. Gott verspricht weiterhin fortdauernde Nähe (V. 46: lā taḫāfā ʾinnanī maʿakumā ʾasmaʿu wa-ʾarā), wie sie auch dem Verkünder in seinen Tröstungen am Ende eines qurʾān-Vortrags oft versprochen wird. Die Erzählung zeigt die Entwicklung Moses als eine Bewältigung von offenbar mit dem Prophetentypus generell verbundenen Schwierigkeiten. Indem sie durch intertextuelle Verweise für die beiden Gesandten eine in vielen Zügen verwandte Transzendenzerfahrung bezeugt, läßt sie Mose, der seine historische Aufgabe bereits bestanden hat, zu einem stärkenden Vorbild für Muhammad im Prophetenamt werden. Durch weitere Rückbezüge – die Erinnerung an den thronenden Gott, der bereits dem Verkünder seine Offenbarung eingegeben hatte (vgl. Q 53:6: fa-stawā, „er thronte hoch augerichtet“, und Q 53:10: fa-ʾauḥā ʾilā ʿabdihī mā ʾauḥā, „und da gab er seinem Diener ein, was er ihm eingab“, mit V. 5: ʿala l-ʿarši stawā, V. 13: fa-stamiʿ li-mā yūḥā), und die Betonung der nötigen Stärkung der psychischen Disposition (vgl. Q 94:1: ʾa-lam našraḥ, „Haben wir nicht geweitet?“, mit V. 25: ʾišraḥ) – etabliert sie eine maximal enge, ‚typologische‘ Beziehung zwischen den beiden Propheten, die für alle weiteren Mose-Geschichten vorausgesetzt werden kann. Auch wenn die beiden Prophetenerfahrungen nicht, wie in der christlichen Typologie vorherrschend, im Verhältnis ‚Verheißung – Erfüllung‘ zueinander stehen, ist der Anspruch auf identische psychologische Erfahrungen doch auffallend. Es geht nicht um den erst mit der Verkündigung offenbar werdenden tieferen Sinn der mit Mose verbundenen Erfahrungen, sondern um den neu etablierten Typus des Propheten als des einzig legitimen Mittlers zwischen Gott und Menschen. Es ist daher nur konsequent, daß Mose Predigtelemente der koranischen Botschaft in den Mund gelegt werden.
Die Sure spricht in der Einleitung zwei Diskurse an: die dem Propheten zuteil werdende Stärkung durch Gottes Allmacht (V. 4-6), und die Möglichkeit der Anrufung Gottes unter verschiedenen Namen (V. 7-8). Diese beiden den Verkünder aufrichtenden Zusicherungen sind in Q 20 funktionale Elemente der Prophetentröstung, anders als in der eng verwandten und ebenfalls in großen Teilen Mose gewidmeten Sure Q 26, in der die Tröstung apologetisch formuliert ist (Q 26:5-8) bzw. auf Drohargumente (Q 26:4) basiert wird. In Q 20 wird die knappe Formel ʾiḏ nādāhu rabbuhu bi-l-wādi l-muqaddasi ṭuwā („als sein Herr ihn rief im zweifach heiligen Tal Ṭuwā“) aus Q 79:16 erstmals zu einer Berufungserzählung entfaltet (V. 9 ff.), die dann in die – auch biblisch berichtete – Einführung Moses in die Verwandlungszeichen einmündet.
Wie in der Einleitung angekündigt, spielt weiterhin der Name Gottes, seine Selbstdarstellung im Einheitsbekenntnis, eine wichtige Rolle: Das in V. 8 zitierte Einheitsbekenntnis wird in V. 14, in der Erwählungsszene Moses, in göttlicher Ich-Rede wiederholt. Zugleich wird – programmatisch für die raḥmān-Suren – die Austauschbarkeit der Gottesnamen legitimiert.
Narrativ spricht also vieles für die Priorität von Q 20 gegenüber der sicher zeitlich benachbarten Sure Q 26. Q 20 liefert mit der Initiation Moses in die Wunderzeichen die Verstehensgrundlage für dessen Auftreten am Pharaonenhof. Sie kontextualisiert Moses Bluttat mit seinem dennoch göttlich geleiteten Geschick, so daß die Wiedererwähnung des Aktes im Vorwurf Pharaos in Q 26 keinen Anstoß mehr bietet.
Anders als Q 26 ist Q 20 aber vor allem von einer empathischen Haltung gegenüber Mose getragen. Sogar die vielleicht problematischste Begebenheit in der Karriere Moses, der Bruch des Gottesbundes seitens seines Volkes, wird ihm nicht als Versagen angelastet, sondern positiv zu einem Exempel seiner erfolgreichen Konfliktbewältigung herabgemildert. Die Sicht wird erst in Medina, angesichts der ganz anderen jüdischen Deutung der Begebenheit, theologisch revidiert.
Q 20 präsentiert die Vita Moses also, wie an der kontinuierlichen Bekundung göttlichen Interesses an seinem Geschick deutlich wird, als Teil eines göttlichen Heilsplans. Zumeist ist es Gott selbst, der in Form einer Erinnerung die Sequenz der Ereignisse vorträgt: Berufung, Einweisung in die Zeichen, Akzeptanz der Berufung, Auftritt vor Pharao, Sieg Moses über die Zauberer, Niederlage des Tyrannen und eschatologische Vergeltung.
An dem – im biblischen Kontext zentralen – Exodus hat der ganz auf die Person Moses fokussierte Text trotz der in V. 47 ergangenen Aufforderung an Pharao, die Israeliten ziehen zu lassen, wenig Interesse; die Exodusereignisse werden später in einem Kurzbericht nachgetragen – wohl um in Medina die Erwartungen eines an diesem Gegenstand interessierten jüdischen Publikums zu erfüllen. – Die mekkanische Kerngeschichte wird fortgesetzt mit der Episode vom Goldenen Kalb. Sie wird – dem mosefreundlichen Gesamtduktus der Sure entsprechend – nachsichtig, als bedauerliche Folge einer Verführung, erzählt, bei der sich Mose als Streitschlichter und Richter bewährt. Sie endet also nicht mit göttlicher Strafe, sondern wird versöhnlich durch das Einheitsbekenntnis beschlossen.
Die mosespezifischen Teile des Kerntextes basieren auf früheren Suren, vor allem Q 79, Q 81, Q 53 und Q 15, der Zusatz auf Q 26. Nicht zuletzt sind auch Echos der fātiḥa vernehmbar, auf die vor allem in der Aufforderung zur Liturgie am Surenende (V. 132) rekurriert wird.
Dagegen bietet die einer Mehrzahl von Propheten gewidmete Sure Q 26 ein eher nüchternes, emotionsfreies Bild Moses. Im Zentrum der dortigen Mose-Geschichte steht die Auseinandersetzung mit den Zauberern, wobei die Zauberkunststücke als von Mose bereits beherrscht vorausgesetzt werden gemäß Ex 4,2-7. Um deren Wert als eine von Gott dem Mose erteilte Lehre, die sich erst im Nachhinein bei Pharao bewährt (siehe Ex 7,8-12), zu erkennen, ist Sure 20 vor Sure 26 zu lesen. Der Zauberwettstreit mündet in eine – von der Person Moses ablenkende – ausführliche Konversionsgeschichte der Zauberer ein. Ihr folgen die Episoden des Auszugs der Israeliten und der Vernichtung der Leute des Pharao. Insofern Q 26 auf Wissensbestände aus Q 20 angewiesen ist, umgekehrt aber die Exodus-Episode in Q 20:77-78 aus Q 26:52-64 nachgetragen worden ist, haben wir mit Q 20 und Q 26 zwei miteiander verschränkte Suren vor uns.
In ihren übrigen Teilen weisen die beiden Suren 20 und 26 keine auffallenden Gemeinsamkeiten mehr auf. Während Q 26 unmittelbar mit weiteren Prophetengeschichten fortfährt, Mose also als ein prominentes Beispiel unter vielen für den neuen Prophetentypus naḏīr, rasūl, behandelt, schließt der Erzählteil in Q 20 mit einer predigtartigen Polemik (V. 101), die mit aktuellen Fragen in die Jetztzeit zurückführt, schließlich aber in eine Einblendung des Jüngsten Tages überleitet. Er ist charakterisiert durch die Unterdrückung von Rede (V. 109), selbst leisester Äußerungen (V. 108). Eine – sonst gewöhnlich den Schlußteil einleitende – Offenbarungsbestätigung (V. 113) hebt selbstsreferentiell auf die arabische Sprache der Lesung und die Diversität ihrer Drohverheißungen ab und endet mit einer Besinnung auf den angemessen langsamen Vortrag der Lesung. Die Erwartung eines Surenschlusses könnte damit erfüllt sein.
Doch folgt gegen die Konvention der mekkanischen Surenkompositionen mit dem Bericht über die – erstmals erzählte – Übertretung des ersten Menschenpaares noch eine weitere Erzählung. Sie knüpft an die Geschichte von der Einsetzung des Iblīs zu einem Prüfer der Menschen (Q 15:39-40) an und exemplifiziert die Aktivität ʾIblīs’ nun an seiner Rolle des Verführers. Die in Q 20 nicht mehr – wie noch in Q 15 – ambivalente, sondern rein negative Wertung der Figur dokumentiert eine Entwicklung. Mit dem Eintritt aš-Šaiṭāns, des Alter ego des ʾIblīs, in die Geschichte der ersten Menschen in V. 120 wird – unter Umgehung der biblischen Schlange – eine dem christlichen Satan entsprechende Personifikation des Bösen etabliert (siehe Neuwirth 2001 und Bodman 2011:18-20). Zwar wird auch Adam als schwache Figur dargestellt, unfähig, den mit ihm geschlossenen Bund zu halten, doch wird die Schuld des Verstoßes gegen die göttlichen Weisungen nicht primär ihm angelastet, vielmehr sind er und seine Gattin Opfer eines Betrugs, eines falschen Versprechens seitens aš-Šaiṭāns geworden.
Die Erzählung ist gänzlich frei von geschichtsrelevanten Implikationen: Trotz der festgestellten Schwäche Adams, die zu seinem Bundesbruch geführt hat, wird dieses Versagen nicht für die Menschheit insgesamt folgenschwer. Aber sein Ungehorsam hat ihm auch keinen bleibenden Erkenntnisgewinn eingebracht. Zwar trägt er der Notwendigkeit Rechnung, seine Nacktheit zu verhüllen, doch erfahren wir nichts über sein neues Verhältnis zur Welt. Seine keiner Nowendigkeit geschuldete Übertretung – da alle Bedürfnisse bereits befriedigt waren – schließt, gewiß nicht ohne entmythisierende Absicht, jedwede symbolische Sinngebung der Handlung aus.
Obwohl die Geschichte als eine zweite narrative Perikope innerhalb der Sure gelesen werden kann, die mit der Mose-Erzählung durch das Delikt des Vergessens eines Gottesbundes (V. 88) verbunden ist, hebt sich die Erzählung doch als eine neue Entwicklung ab: Durch seine neue Kodierung als exklusiv negative Figur steigt der in Q 15 noch ambivalente ʾIblīs nun aus der Textwelt des kitāb in die Realwelt der Hörer herab und wird zum Prototyp der feindlichen Mächte in ihrer Umwelt; das Böse nimmt wie in der christlichen Tradition die Gestalt einer Person an. Aus dem irenischen Ausgang der Geschichte ist jedoch zu erschließen, daß sie nicht im Sinne der christlichen Lehre von der Erbsünde gelesen werden soll. Die erste Verfehlung des Menschenpaares bleibt Episode, sie zieht weder theologisch – Adam ist nicht der Antitypus Christi, des „ersten Adams“, dessen Handeln durch den „zweiten Adam“ gutgemacht werden muß – noch anthropologisch – es beginnt kein neuer Abschnitt der Menschheitsgeschichte – Konsequenzen nach sich. Das mythische Potential der Akte des Kostens von der verbotenen Frucht wie auch der Annahme der Sitte, sich zu bekleiden, wird damit stillgestellt.
Dieser Zug scheint auf eine Entwicklung der Hörer zu deuten, die bereits eine theologisch eindeutige Position zu Werten wie Gehorsam und Bundestreue bezogen haben, Werten, die von der Figur ʾIblīs’/aš-Šaiṭāns, der die Israeliten (in Gestalt des Sāmirī) wie auch Adam zu Übertretungen verführt, verletzt worden sind. Die Adam-Geschichte aus sūrat ṭāhā demonstriert zugleich, daß Erzählungen aus dem kitāb, der himmlischen Schrift, nach sūrat al-ḥiǧr (Q 15), in der ʾIblīs noch ambivalent war, nicht mehr deutungsoffen sind. Vielmehr zwingt die Verwobenheit von Erzählung und Auslegung dazu, jede das Gehorsamsideal verletzende Interpretation auszuschließen. Die Schlußerzählung offenbart so eine – gegenüber den biblischen Lesungen, den Vorträgen aus dem kitāb – neue Funktion. Sie ist vor allem Auslegung, die Licht auf die in der Mose-Geschichte demonstrierte Macht der Verführung wie auch auf die Realität menschlicher Schwäche wirft. Insofern sie eine frühere Erzählung zur Reflexion hin öffnet, ist ihr Platz im Schlußteil der Sure, statt im für Erzählungen reservierten Mittelteil, nur plausibel.
Literaturliste
Die fast durchgehend auf -3CCā/-2Cā reimende Sure beginnt mit einer kurzen apologetisch-hymnischen Eingangsrede (V. 1-7), die eine Offenbarungsbestätigung enthält. Mit ihrer Reminiszenz des thronenden Gottes erinnert sie an die Vision des Propheten aus Sure Q 53 (vgl. V. 5: ar-raḥmānu ʿala l-ʿarši stawā, vgl. dazu Q 53:6-7: ḏū mirratin fa-stawā / wa-huwa bi-l-ʾufuqi l-ʾaʿlā, „groß an Ansehen, der hoch aufgerichtet thronte“). Mit dieser Offenbarungsreminiszenz wie auch mit der emphatischen Präsentation Gottes als des Schöpfers und Weltherrschers präludiert sie dem ersten Teil der Mose-Erzählung, der um die Berufungserfahrung kreist und in dem Gottes namentliche Selbstdarstellung einen wichtigen Platz einnimmt. Beide Propheten, Mose und der Verkünder, sind damit typologisch bereits verkettet. Daran schließt sich im Mittelteil die umfangreiche ‚Lesung‘ an, die ganz der Figur des Mose gilt. Der Schlußteil (V. 100-114) entspricht einer polemisch gehaltenen Predigt, die aber durch eine abschließende zweiversige Offenbarungsbestätigung eine zuversichtliche Wendung nimmt. Danach folgt – eventuell als interpretierender Zusatz angefügt – die Geschichte der Verführung des ersten Menschen, die wieder in eine Drohung an die Ungläubigen einmündet.
Die mehrteilige Mose-Erzählung nimmt den gesamten Mittelteil ein. Sie wird – einzigartig im Koran – von Gott selbst als Erzähler vorgetragen, der – wenn er als Akteur auftritt – in der ersten Person spricht und mit Mose in ein Zwiegespräch eintritt. Diese Nähe zwischen dem göttlichen und dem in der Person Moses privilegierten menschlichen Akteur erlaubt die Berücksichtigung auch innerer, psychologischer Handlungsmotivationen, so daß die Erzählung ein ungewöhnliches Maß an emotionalem Engagement reflektiert. Sie setzt sich aus vier distinkten Szenen zusammen: (1) die Berufung Moses (vgl. Ex 3,1-4,17); sie wird voll entfaltet (V. 10-36), Gott selbst belehrt Mose über die Heiligkeit seines Berufungsortes, des wādī al-muqaddas ṭuwā, und kündigt ihm eine akustisch vernehmbare Eingebung an. Er stellt sich ihm in seiner Göttlichkeit dar (V. 14: ʾinnanī ʾanā llāhu lā ʾilāha ʾillā ʾanā) und fordert ihn zum Gottesdienst und Gebet auf (V. 14: fa-ʿbudnī, vgl. Q 1:5; V. 14: ʾaqimi ṣ-ṣalāt). Das im Weiteren vermittelte Wissen über Gott: die in seiner Hand befindliche Verhängung der „Stunde“, verbindet das biblische Szenario mit der aktuellen Situation der mekkanischen Hörer.
Es folgt (2) die lebendig geschilderte Einweisung Moses in die Vorführung von Wunderzeichen, die noch ohne Zweckbestimmung bleiben. Der Stab Moses, ein ganz unmythisch zu praktischen Zwecken gebrauchtes Artefakt, wird zur Demonstration des göttlichen Wunderzeichens (V. 23, vgl. Q 79:20), das Pharao gezeigt werden soll, für einen Moment in eine lebende Schlange verwandelt. Als weiteres Zeichen wird der Arm Moses durch etwas wie Aussatz entstellt und sofort wieder geheilt. Durch diese Autorisierung gestärkt, soll Mose vor Pharao treten (V. 22-24, vgl. Q 79:17). Nicht wie im biblischen Bericht durch göttlichen Beschluß, sondern auf sein Gebet hin erhält Mose den Beistand seines Bruders Aaron – eine göttliche Zuwendung, die bereits eine Vorgeschichte hat; Gott selbst erinnert Mose an seine zweimalige wunderbare Rettung, zuerst vor der ägyptischen Kinderverfolgung (V. 37-39), später vor seinen persönlichen Verfolgern nach einer Gewalttat, als er sich in Midian in Sicherheit bringen konnte. Die Rückblende stellt also die Hergänge, die zu seinem Aufenthalt am Ort seiner Berufung führen, klar.
(3) Der bereits in Q 79 thematisierte Auftrag zur Konfrontation Pharaos wird erweitert: Einerseits soll Pharao selbst zur Gottesfurcht bewegt werden (V. 44), andererseits soll er das Volk Israel ziehen lassen (V. 47); Befürchtungen der beiden Gesandten werden zerstreut; ihnen wird eine kurze Predigt auf den Weg gegeben (V. 47-48). Pharao verweigert sich jedoch der Botschaft – daran ändert auch Moses Predigt über Gottes Macht als Schöpfer und Erhalter nichts (V. 53-55). Er unterstellt den Gesandten, Zauberer zu sein, und fordert sie zu einem Zauberwettstreit auf (V. 57ff. ), dessen Ausgang entgegen Moses Befürchtungen überwältigend ist: Die ägyptischen Zauberer werden bekehrt und fallen anbetend nieder. Mag ihnen auch Pharao drakonische Strafen androhen, sie sprechen furchtlos – im Stil einer koranischen Predigt – ihr Glaubenszeugnis aus und lösen damit Mose bzw. den Verkünder in seiner Rolle als Prediger ab.
Der Handlungsabstand zwischen der auf Mose persönlich abzielenden Geschichte (V. 9-77) und der abschließenden Episode vom Goldenen Kalb, der Idolatrie der Israeliten (V. 83-99), wird durch einen Zusatz (V. 78-82) überbrückt. In diesem Kurzbericht über die dazwischenliegenden Ereignisse steht die Befreiung der Israeliten im Vordergrund. Die Darstellung des Exodus (al-ʾisrāʾ, V. 77: ʾasri bi-ʿibādī) beschränkt sich auf die Durchquerung des Meeres trockenen Fußes, während Pharao und sein Gefolge im Meer ertrinken (V. 78). Bereits diese summarische Darstellung, die den Schwerpunkt von Mose weg verlegt und keinerlei Rückbezüge zu dem gerade vorher Berichteten herstellt, dürfte später hinzugekommen sein; auf jeden Fall ist das Darauffolgende ein medinischer Zusatz: eine Anrede an die banū ʾisrāʾīl (die ‚zeitgenössischen Israeliten‘), die Juden Medinas, die ihnen die Rettung sowie Erhaltung ihrer Vorfahren durch göttliche Herabsendung von Manna in Erinnerung ruft, die vor allem aber den Gedanken des Gotteszorns in die Debatte wirft (V. 79-82). Sie werden vor Übertreibung im Umgang mit der ihnen von Gott gewährten Nahrung, also einer exzessiv rigorosen Befolgung ihrer Speisegesetze, gewarnt. Hier geht Moses Wort an die Israeliten in das vom Verkünder überbrachte Wort an die zeitgenössischen Juden über, der Verkünder tritt in die Rolle Moses ein. Indem er Moses gesetzliche Anweisungen modifiziert, erweist er sich als nicht mehr unter seiner Autorität stehend (siehe dazu Neuwirth 2014).
Die letzte Szene (4) des Kerntextes berichtet von der Idolatrie des Volkes. Wieder wird Mose in freundlich-väterlichem Ton von Gott angesprochen, diesmal um zu erfahren, daß sein Volk einer Versuchung erlegen ist. In Moses Abwesenheit haben die Israeliten – gegen Aarons Warnung – eine Figur verfertigt und sie als Gott verehrt (V. 87-88). Mose stellt Aaron zur Rede, der sich rechtfertigen kann. Dagegen bleibt ein weiterer Verantwortlicher, as-Sāmirī, eine bündige Rechtfertigung schuldig; ihm wird eine diesseitige Bestrafung durch Aussatz und jenseitige Rechenschaftseinforderung angekündigt (V. 92-97), er wird so als eine durchsichtig verkleidete Manifestation des Verführers schlechthin, ʾIblīs, erkennbar – eine bereits in der christlichen Tradition vollzogene Deutung. Die Erzählung schließt mit der Ankündigung der Zerstörung des Götzenbildes, keineswegs aber mit einer Bestrafung der in die Idolatrie involvierten Israeliten, sondern mit der versöhnlichen Bestätigung der Einheit Gottes (V. 98).
Die lange Erzählung stellt sich nicht als Straflegende oder Exempel, sondern als ‚Nachricht von dem, was vorausging‘ (V. 99: ʾanbāʾi mā qad sabaqa), dar, gewiß, um den Triumph des einen Gottes über alle Gegenspieler als Vorgeschichte zum aktuellen Kampf um Gottes Integrität zu demonstrieren (V. 98: ʾinnamā ʾilāhukumu llāhu llaḏī lā ʾilāha ʾillā huwa wasiʿa kulla šaiʾin ʿilmā). Sie bedient sich dazu aber keiner idealtypischen Klischeefigur, sondern zeigt Mose als zwar im Auftrag Gottes, aber auch selbständig handelnde und sogar ambivalente Figur. Mose tötet unabsichtlich (V. 40: qatalta nafsan), er bekennt seine Schwäche und Angst vor mächtigeren Gegnern (V. 45, V. 67) und bedarf der inneren Befreiung (V. 25: ʾišraḥ lī sadrī). Auch macht er eine Entwicklung durch: Erst durch seinen Aufenthalt in Midian erreicht er die Reife (V. 40: ǧiʾta ʿala qadarin), die ihn für seine Erwählung qualifiziert (V. 41).
Eine für Mittelmekka typische Offenbarungsbestätigung (V. 113-114) würde einen überzeugenden Schluß liefern, doch schließt sich noch eine weitere Erzählung (V. 115-123) an. Adam wird wegen seines „Vergessens“ des dem Mose-Bund noch vorausgehenden Gottesbundes gerügt: V. 115: wa-la-qad ʿahidnā ʾilā ʾādama min qablu fa-nasiya wa-lam naǧid lahū ʿazmā („Wir hatten früher schon mit Adam eien Bund geschlossen, doch er vergaß ihn; wir fanden bei ihm keinen festen Willen“). Die sowohl jüdisch als auch christlich vertraute Idee von Adams Gottesbund, den er als Vertreter der Menschheit insgesamt abschloß (siehe BEQ, S. 66 f.), wird später (Q 36:60) als Bund mit den Kindern Adams in der Präexistenz wiederbegegnen. Der bereits an den Israeliten exemplifizierte Bundesbruch wird damit auf den Anbeginn der Menschheitsgeschichte zurückgeführt. Im Idolatriefall folgen die Israeliten einem Verführer, der durchsichtig eine Verkörperung des Satans ist, im Falle Adams und seiner Gattin folgen sie explizit aš-Šaiṭān, Satan. Die Warnung vor ʾIblīs bzw. aš-Šaiṭān verrückt die Hörerperspektive von derjenigen unvoreingenommener Rezipienten zu der von indoktrinierten Gläubigen, die die ʾIblīs-Figur von nun an sofort als Auslöser von Übel, als identisch mit aš-Šaiṭān, erkennen.
Diese Unterminierung des Erzählpakts durch vorauslaufende Enthüllung der aus der Erzählung erst zu ziehenden Rückschlüsse ist eigentlich eine homiletische Strategie. Sie ist auch wirksam in der Belehrung des Paares über ihre Selbstgenügsamkeit im Garten (V. 118), die eigentlich keinerlei Initiative zur Mangelbehebung erfordert und so den Akt der Übertretung entwertet.
Trotz der Warnung gibt das Paar dem Angebot Iblīs’, jetzt explizit aš-Šaiṭān genannt, statt, sich dem Baum der Herrschaft und des ewigen Lebens zu nähern. Aš-Šaiṭān spielt dabei die Rolle der Schlange aus Gen 3,6, indem er die Begierde des Paares erregt, um sie zu einem Fehltritt zu verleiten (siehe dazu Ricoeur 1967:257); er ist zu dem Satan geworden, den die Schlange allegorisch verkörperte. Vom Genuß der verbotenen Frucht gewinnen sie jedoch nicht Unsterblichkeit, sondern werden nur ihrer Nacktheit bewußt. – Der Mangel muß ausgeglichen werden; der vorher unbekannten Lust, vom verbotenen Baum zu kosten, folgt der ebenso neue Wunsch, die eigene, neu realisierte physische Kondition zu verbergen und sich zu bedecken, was Gott angesichts ihrer im Garten genossenen Vollkommenheit für überflüssig erklärt hatte.
Nachdem aš-Šaiṭān im Verführungsakt konspirativ gesprochen hatte, indem er sein verlockendes Angebot flüsternd mitteilte, ist es Gott, der im Denouement spricht. Vor der Enthüllung der Nachricht von der Vertreibung aus dem Garten wird verkündet, daß Adam trotz seines Ungehorsams (V. 121: ʿaṣā) wieder angenommen und sogar erwählt worden ist. Dem Paar wird Rechtleitung versprochen und Schtz vor Verzweiflung. Keine wesentliche Veränderung ist eingetreten, ihre Wahrnehmung des Fehlhandelns, manifest in ihrer Erkenntnis der nach Ausgleich verlangenden Unvollkommenheit, wurde sofort durch die göttliche Wiederannahme ausgeglichen. Da keine bleibende Schuld vorliegt, entstehen auch keine fatalen Konsequenzen. Sterblichkeit, Tod, erscheint anders als im biblischen Bericht nicht als Vergeltung für ihr Handeln. Die Realität des Todes nicht als absoluten Endes, sondern als eines zum Jüngsten Gericht führenden Übergangs wird bereits vorausgesetzt, denn es werden eschatologische Hoffnungen geweckt (V. 123). Die Erzählung geht über in eine Predigt über diejenigen, die die Leitung nicht annehmen wollen. Ihnen droht nicht nur kärgliches Leben – erinnernd an den biblischen Fluch über die Menschheit als ganze –, sondern auch, von Gott vergessen zu werden, wie sie selbst seine Mahnungen vergessen haben (V. 126: qāla ka-ḏālika ʾatatka ʾāyātunā fa-nasītahā wa-ka-ḏālika l-yauma tunsā, „und er [Gott] wird sprechen: ‚So ist es! Unsere Zeichen kamen zu dir, und du hast sie vergessen. So bist du heute auch vergessen!“).
Es ist schwer zu verkennen, daß die beiden in der Einleitung (V. 1-8) eingespielten Themen, der Name Gottes und sein Allwissen, seine Verläßlichkeit, eine Art Subtext zur Sure bilden: Die Mose-Geschichte fokussiert mehrmals die Namen und Eigenschaften Gottes (V. 14, V. 70, V. 98, vergl. auch für den Fortgang V. 110, V. 111), sein Allwissen, Nichtvergessen (V. 52), seine Bundestreue (V. 35, V. 46, V. 50), die mit dem Vergessen des Menschen, seiner Anfälligkeit für die Verführungen aš-Šaiṭāns, kontrastiert. Die Erzählung mündet in eine Eschatologiepolemik (V. 100-112).
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Die Sure ist weitgehend mit Erzählungen gefüllt, die – einzigartig im Koran – direkt von Gott als Erzähler berichtet werden. Sie vermitteln indirekt eine Botschaft an die Hörer und spiegeln zugleich ihren bereits erreichten Konsens. Die kurze Einleitung (V. 1-8) richtet sich tröstend primär an den Verkünder. Es folgt die lange Mose-Erzählung (V. 9-99), die aus der Gegenwart in die heilsgeschichtliche Vorzeit wegleitet, in der Mose aber gelegentlich in die Rolle des Verkünders eintritt, so daß die Hörer wieder angesprochen werden. Ein kurzer Übergangsteil (V. 100-114) blendet die gegenwärtige und die eschatologische Situation der Gegner ineinander; diese sind zwar in der Gegenwart absent, werden aber mit eigenen Reden aus ihrer postmortalen Situation heraus eingeblendet. Direkt angesprochen wird außer Mose selbst nur der Verkünder, der für seinen Vortrag der Lesung Stärkung erfährt und ein hoffnungsvolles Motto vermittelt bekommt (V. 114).
Es folgt die Adam-Geschichte (V. 115-127), die mit der Mose-Erzählung durch das Motiv des Vergessens eines mit Gott geschlossenen Bundes verknüpft ist. Der vorrangige Zweck beider Erzählungen ist die Exemplifikation der Fragilität menschlicher Verläßlichkeit. Die Geschichten machen den Hörern bewußt, daß göttliche Leitung angeboten wird, daß sie aber steten Einsatz erfordert, da sie durch menschliche Unachtsamkeit und Vergeßlichkeit (V. 126) verspielt werden kann, wie die Geschichte des Volkes Moses demonstriert. Adams Fehlverhalten, sein Vergessen des göttlichen Bundes (V. 115), sein mangelnder Widerstand gegen die Verführung durch aš-Šaiṭān, wurde – ebenso wie schon im Falle der in die Idolatrie zurückgefallenen Israeliten – vergeben. Dennoch muß die menschliche Wahl zwischen Rechtleitung und Achtlosigkeit immer von neuem getroffen werden. – Den Schluß bildet eine eschatologisch eingekleidete Polemik, in der ein einziges Mal ein bereits Verdammter zum Sprechen kommt. Die Polemik wendet sich dann der Jetztzeit zu, aus der ein isolierter gegnerischer Anwurf zitiert wird (V. 133). Der dort erhobenen Forderung nach Autorisierung der Rede durch ein Wunderzeichen wird die Kongruenz der Lesung mit den früheren Schriften entgegengehalten (V. 134). Anwesende Gegner treten nicht mehr auf. Insofern der Verkünder aber wie schon im Übergangsteil V. 100-115 zu gottesdienstlichen Leistungen aufgefordert wird, ist auch die Gemeinde angesprochen.