بِسۡمِ ٱللَّهِ ٱلرَّحۡمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ |
Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers! |
الٓر ۚ |
I11 ʾAlif lām rā. |
تِلۡكَ ءَايَٰتُ ٱلۡكِتَٰبِ وَقُرۡءَانٍۢ مُّبِينٍۢ |
Dies sind die Zeichen der Schrift und einer deutlichen Lesung. |
رُّبَمَا يَوَدُّ ٱلَّذِينَ كَفَرُوا۟ |
2 Vielleicht wünschen die Ungläubigen, |
لَوۡ كَانُوا۟ مُسۡلِمِينَ |
sie wären Gottergebene gewesen. |
ذَرۡهُمۡ يَأۡكُلُوا۟ وَيَتَمَتَّعُوا۟ وَيُلۡهِهِمُ ٱلۡأَمَلُ ۖ |
3 Lass sie nur essen und genießen und die Hoffnung soll sie zerstreuen. |
فَسَوۡفَ يَعۡلَمُونَ |
Sie werden erfahren. |
وَمَآ أَهۡلَكۡنَا مِن قَرۡيَةٍ |
4 Wir haben keinen Ort zugrunde gehen lassen, |
إِلَّا وَلَهَا كِتَابٌۭ مَّعۡلُومٌ |
dem es nicht in einer Schrift vorherbestimmt gewesen wäre. |
مَّا تَسۡبِقُ مِنۡ أُمَّةٍ أَجَلَهَا |
5 Keine Gemeinschaft kommt ihrem Termin zuvor |
وَمَا يَسۡتَـٔۡخِرُونَ |
oder bleibt hinter ihm zurück. |
وَقَالُوا۟ يَٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِی نُزِّلَ عَلَيۡهِ ٱلذِّكۡرُ |
26 Sie sagen: „Du, auf den die Mahnung herabgesandt wurde, |
إِنَّكَ لَمَجۡنُونٌ |
du bist von Dschinnen besessen. |
لَّوۡ مَا تَأۡتِينَا بِٱلۡمَلَٰٓئِكَةِ |
7 Warum bringst du uns nicht die Engel, |
إِن كُنتَ مِنَ ٱلصَّٰدِقِينَ |
wenn du die Wahrheit sagst?“ |
مَا نُنَزِّلُ ٱلۡمَلَٰٓئِكَةَ إِلَّا بِٱلۡحَقِّ |
8 Wir senden die Engel nur wohlbedacht hinab |
وَمَا كَانُوٓا۟ إِذًۭا مُّنظَرِينَ |
und dann wird ihnen kein Aufschub mehr gewährt. |
إِنَّا نَحۡنُ نَزَّلۡنَا ٱلذِّكۡرَ |
9 Wir haben die Mahnung hinabgesandt |
وَإِنَّا لَهُۥ لَحَٰفِظُونَ |
und wachen über sie. |
وَلَقَدۡ أَرۡسَلۡنَا مِن قَبۡلِكَ فِی شِيَعِ ٱلۡأَوَّلِينَ |
310 Wir haben schon vor dir zu den Gemeinschaften der Altvorderen gesandt. |
وَمَا يَأۡتِيهِم مِّن رَّسُولٍ |
11 Doch kein Gesandter kam zu ihnen, |
إِلَّا كَانُوا۟ بِهِۦ يَسۡتَهۡزِءُونَ |
den sie nicht verspottet hätten. |
كَذَٰلِكَ نَسۡلُكُهُۥ فِی قُلُوبِ ٱلۡمُجۡرِمِينَ |
12 So bringen wir die Mahnung ins Herz der Übeltäter. |
لَا يُؤۡمِنُونَ بِهِۦ |
13 Sie glauben nicht an sie, |
وَقَدۡ خَلَتۡ سُنَّةُ ٱلۡأَوَّلِينَ |
obwohl es den Altvorderen in der Vergangenheit immer gleich zu gehen pflegte. |
وَلَوۡ فَتَحۡنَا عَلَيۡهِم بَابًۭا مِّنَ ٱلسَّمَآءِ |
14 Öffneten wir ihnen auch ein Himmelstor, |
فَظَلُّوا۟ فِيهِ يَعۡرُجُونَ |
und sie stiegen andauernd dadurch hinauf, |
لَقَالُوٓا۟ إِنَّمَا سُكِّرَتۡ أَبۡصَٰرُنَا |
15 so würden sie doch sagen: „Unsere Blicke sind berauscht. |
بَلۡ نَحۡنُ قَوۡمٌۭ مَّسۡحُورُونَ |
Nein, wir sind verzauberte Leute.“ |
وَلَقَدۡ جَعَلۡنَا فِی ٱلسَّمَآءِ بُرُوجًۭا |
416 Wir haben am Himmel Sternbilder gemacht |
وَزَيَّنَّٰهَا لِلنَّٰظِرِينَ |
und sie schön erscheinen lassen für die Betrachtenden. |
وَحَفِظۡنَٰهَا مِن كُلِّ شَيۡطَٰنٍۢ رَّجِيمٍ |
17 Und wir haben ihn vor jedwedem schmählich davongejagten Satan behütet. |
إِلَّا مَنِ ٱسۡتَرَقَ ٱلسَّمۡعَ |
18 außer dem, der verstohlen horcht; |
فَأَتۡبَعَهُۥ شِهَابٌۭ مُّبِينٌۭ |
ihm folgt ein deutlicher Feuerbrand. |
وَٱلۡأَرۡضَ مَدَدۡنَٰهَا |
19 Die Erde haben wir ausgebreitet, |
وَأَلۡقَيۡنَا فِيهَا رَوَٰسِیَ |
fest gegründete Berge auf sie gesetzt |
وَأَنۢبَتۡنَا فِيهَا مِن كُلِّ شَىۡءٍۢ مَّوۡزُونٍۢ |
und von jedwedem Ding angemessen darauf wachsen lassen. |
وَجَعَلۡنَا لَكُمۡ فِيهَا مَعَٰيِشَ |
20 Wir haben euch auf ihr Lebensunterhalt gegeben |
وَمَن لَّسۡتُمۡ لَهُۥ بِرَٰزِقِينَ |
und auch denen, die ihr nicht mit Unterhalt versorgt. |
وَإِن مِّن شَىۡءٍ إِلَّا عِندَنَا خَزَآئِنُهُۥ |
21 Es gibt nichts, von dem sich bei uns keine Vorräte befänden |
وَمَا نُنَزِّلُهُۥٓ إِلَّا بِقَدَرٍۢ مَّعۡلُومٍۢ |
und wir senden es nur in einer bestimmten Menge hinab. |
وَأَرۡسَلۡنَا ٱلرِّيَٰحَ لَوَٰقِحَ |
22 Und wir senden die Regen tragenden Winde, |
فَأَنزَلۡنَا مِنَ ٱلسَّمَآءِ مَآءًۭ فَأَسۡقَيۡنَٰكُمُوهُ |
dann senden wir vom Himmel Wasser hinab, um euren Durst zu stillen. |
وَمَآ أَنتُمۡ لَهُۥ بِخَٰزِنِينَ |
Einen Vorrat anlegen davon könnt ihr nicht. |
وَإِنَّا لَنَحۡنُ نُحۡىِۦ وَنُمِيتُ |
523 Wir sind es, die leben lassen und sterben lassen |
وَنَحۡنُ ٱلۡوَٰرِثُونَ |
und wir sind die Erben. |
وَلَقَدۡ عَلِمۡنَا ٱلۡمُسۡتَقۡدِمِينَ مِنكُمۡ |
24 Wir kennen die unter euch, die vorangehen |
وَلَقَدۡ عَلِمۡنَا ٱلۡمُسۡتَـٔۡخِرِينَ |
und wir kennen die, die zurückbleiben. |
وَإِنَّ رَبَّكَ هُوَ يَحۡشُرُهُمۡ ۗ |
25 Dein Herr wird sie versammeln. |
إِنَّهُۥ حَكِيمٌ عَلِيمٌۭ |
Er ist weise und wissend. |
وَلَقَدۡ خَلَقۡنَا ٱلۡإِنسَٰنَ مِن صَلۡصَٰلٍۢ مِّنۡ حَمَإٍۢ مَّسۡنُونٍۢ |
II626 Wir haben den Menschen erschaffen aus Ton aus geformtem Schlamm. |
وَٱلۡجَآنَّ خَلَقۡنَٰهُ مِن قَبۡلُ مِن نَّارِ ٱلسَّمُومِ |
27 Und die Dschinne haben wir zuvor aus loderndem Feuer erschaffen. |
وَإِذۡ قَالَ رَبُّكَ لِلۡمَلَٰٓئِكَةِ |
28 Und als dein Herr zu den Engeln sprach: |
إِنِّی خَٰلِقٌۢ بَشَرًۭا مِّن صَلۡصَٰلٍۢ مِّنۡ حَمَإٍۢ مَّسۡنُونٍۢ |
„Einen Menschen will ich erschaffen aus Ton aus geformtem Schlamm. |
فَإِذَا سَوَّيۡتُهُۥ |
29 Und wenn ich ihn geformt |
وَنَفَخۡتُ فِيهِ مِن رُّوحِی |
und von meinem Geist in ihn geblasen habe, |
فَقَعُوا۟ لَهُۥ سَٰجِدِينَ |
dann werft euch vor ihm nieder.“ |
فَسَجَدَ ٱلۡمَلَٰٓئِكَةُ كُلُّهُمۡ أَجۡمَعُونَ |
730 Da warfen sich die Engel allesamt nieder, |
إِلَّآ إِبۡلِيسَ أَبَىٰۤ أَن يَكُونَ مَعَ ٱلسَّٰجِدِينَ |
31 außer Iblis; der lehnte es ab, sich mit den anderen niederzuwerfen. |
قَالَ يَٰٓإِبۡلِيسُ |
32 Gott sprach: „Iblis! |
مَا لَكَ |
Was ist mit dir, |
أَلَّا تَكُونَ مَعَ ٱلسَّٰجِدِينَ |
dass du dich nicht mit den anderen niederwerfen willst?“ |
قَالَ لَمۡ أَكُن لِّأَسۡجُدَ لِبَشَرٍ |
33 Iblis sagte: „Ich werfe mich keinesfalls nieder vor einem Menschen, |
خَلَقۡتَهُۥ مِن صَلۡصَٰلٍۢ مِّنۡ حَمَإٍۢ مَّسۡنُونٍۢ |
den du aus Ton aus geformtem Schlamm erschaffen hast.“ |
قَالَ فَٱخۡرُجۡ مِنۡهَا |
34 Gott sagte: „Dann verlass den Himmel. |
فَإِنَّكَ رَجِيمٌۭ |
Du wirst schmählich davongejagt!“ |
وَإِنَّ عَلَيۡكَ ٱللَّعۡنَةَ إِلَىٰ يَوۡمِ ٱلدِّينِ |
35 Auf dir liegt der Fluch bis zum Tag des Gerichts!“ |
قَالَ رَبِّ |
836 Er sagte: „Mein Herr, |
فَأَنظِرۡنِیٓ إِلَىٰ يَوۡمِ يُبۡعَثُونَ |
gewähre mir Aufschub bis zu dem Tag, da sie auferweckt werden.“ |
قَالَ فَإِنَّكَ مِنَ ٱلۡمُنظَرِينَ |
37 Gott sagte: „Du erhältst Aufschub, |
إِلَىٰ يَوۡمِ ٱلۡوَقۡتِ ٱلۡمَعۡلُومِ |
38 bis zum Tag der bestimmten Zeit.“ |
قَالَ رَبِّ |
39 Iblis sagte: „Mein Herr, |
بِمَآ أَغۡوَيۡتَنِی |
weil du mich hast fehlgehen lassen, |
لَأُزَيِّنَنَّ لَهُمۡ فِی ٱلۡأَرۡضِ |
werde ich ihnen auf der Erde alles schön erscheinen lassen |
وَلَأُغۡوِيَنَّهُمۡ أَجۡمَعِينَ |
und sie allesamt fehlgehen lassen – |
إِلَّا عِبَادَكَ مِنۡهُمُ ٱلۡمُخۡلَصِينَ |
40 außer deine ausgezeichneten Diener unter ihnen.“ |
قَالَ هَٰذَا صِرَٰطٌ عَلَىَّ مُسۡتَقِيمٌ |
41 Gott sagte: „Das ist für mich ein gerader Weg. |
إِنَّ عِبَادِی لَيۡسَ لَكَ عَلَيۡهِمۡ سُلۡطَٰنٌ |
42 Über meine Diener hast du keine Vollmacht – |
إِلَّا مَنِ ٱتَّبَعَكَ مِنَ ٱلۡغَاوِينَ |
nur über die Fehlgehenden, die dir folgen. |
وَإِنَّ جَهَنَّمَ لَمَوۡعِدُهُمۡ أَجۡمَعِينَ |
943 Und der Höllenbrand ist für sie allesamt der Treffpunkt. |
لَهَا سَبۡعَةُ أَبۡوَٰبٍۢ |
44 Sie hat sieben Tore. |
لِّكُلِّ بَابٍۢ مِّنۡهُمۡ جُزۡءٌۭ مَّقۡسُومٌ |
Jedem Tor ist ein Teil von ihnen zugeteilt. |
إِنَّ ٱلۡمُتَّقِينَ فِی جَنَّٰتٍۢ وَعُيُونٍ |
1045 Die Gottesfürchtigen sind in Gärten und bei Quellen. |
ٱدۡخُلُوهَا بِسَلَٰمٍ ءَامِنِينَ |
46 „Betretet sie in Frieden und Sicherheit!“ |
وَنَزَعۡنَا مَا فِی صُدُورِهِم مِّنۡ غِلٍّ |
47 Wir nehmen fort, was sie in ihrer Brust an Bitterkeit hegen. |
إِخۡوَٰنًا عَلَىٰ سُرُرٍۢ مُّتَقَٰبِلِينَ |
Als Brüder, einander auf Ruhebetten gegenüberliegend. |
لَا يَمَسُّهُمۡ فِيهَا نَصَبٌۭ |
48 Keine Anstrengung berührt sie dort |
وَمَا هُم مِّنۡهَا بِمُخۡرَجِينَ |
dund sie werden nicht daraus vertrieben. |
نَبِّئۡ عِبَادِیٓ |
1149 Tue meinen Dienern kund, |
أَنِّیٓ أَنَا ٱلۡغَفُورُ ٱلرَّحِيمُ |
dass ich voller Vergebung und barmherzig bin. |
وَأَنَّ عَذَابِی هُوَ ٱلۡعَذَابُ ٱلۡأَلِيمُ |
50dass jedoch meine Strafe die schmerzhafte Strafe ist. |
وَنَبِّئۡهُمۡ عَن ضَيۡفِ إِبۡرَٰهِيمَ |
1251 Tue ihnen kund von Abrahams Gästen, |
إِذۡ دَخَلُوا۟ عَلَيۡهِ |
52 als sie bei ihm eintraten. |
فَقَالُوا۟ سَلَٰمًۭا |
Sie sprachen: „Friede!“ |
قَالَ إِنَّا مِنكُمۡ وَجِلُونَ |
und er sagte: „Wir haben Angst vor euch.“ |
قَالُوا۟ لَا تَوۡجَلۡ |
53 Sie sagten: „Hab keine Angst. |
إِنَّا نُبَشِّرُكَ بِغُلَٰمٍ عَلِيمٍۢ |
Wir verkünden dir einen wissenden Jungen.“ |
قَالَ أَبَشَّرۡتُمُونِی |
54 Er sagte: „Verkündet ihr mir, |
عَلَىٰۤ أَن مَّسَّنِیَ ٱلۡكِبَرُ |
obwohl mich das Alter erfasst hat? |
فَبِمَ تُبَشِّرُونَ |
Was verkündet ihr da?“ |
قَالُوا۟ بَشَّرۡنَٰكَ بِٱلۡحَقِّ |
55 Sie sagten: „Wir verkünden dir die Wahrheit. |
فَلَا تَكُن مِّنَ ٱلۡقَٰنِطِينَ |
So verzage nicht!“ |
قَالَ وَمَن يَقۡنَطُ مِن رَّحۡمَةِ رَبِّهِۦٓ إِلَّا ٱلضَّآلُّونَ |
56 Abraham sagte: „Wer verzagt angesichts der Barmherzigkeit seines Herrn außer diejenigen, die in die Irre gehen?“ |
قَالَ فَمَا خَطۡبُكُمۡ أَيُّهَا ٱلۡمُرۡسَلُونَ |
57 Er sagte: „Was ist euer Begehr, Gesandte?“ |
قَالُوٓا۟ إِنَّآ أُرۡسِلۡنَآ إِلَىٰ قَوۡمٍۢ مُّجۡرِمِينَ |
58 Sie sagten: „Wir wurden zu einem Volk von Übeltätern gesandt – |
إِلَّآ ءَالَ لُوطٍ |
59 mit Ausnahme der Familie Lots – |
إِنَّا لَمُنَجُّوهُمۡ أَجۡمَعِينَ |
sie werden wir allesamt erretten; |
إِلَّا ٱمۡرَأَتَهُۥ |
60 nicht aber seine Frau. |
قَدَّرۡنَآ ۙ إِنَّهَا لَمِنَ ٱلۡغَٰبِرِينَ |
Wir haben es bestimmt: Sie gehört zu denen, die zurückgelassen werden.“ |
فَلَمَّا جَآءَ ءَالَ لُوطٍ ٱلۡمُرۡسَلُونَ |
1361 Als die Gesandten zur Familie Lots kamen, |
قَالَ إِنَّكُمۡ قَوۡمٌۭ مُّنكَرُونَ |
62sagte Lot: „Ihr seid Fremde.“ |
قَالُوا۟ بَلۡ |
63 Sie sagten: „Nein, |
جِئۡنَٰكَ بِمَا كَانُوا۟ فِيهِ يَمۡتَرُونَ |
wir sind zu dir gekommen mit dem, was sie in Zweifel gezogen haben, |
وَأَتَيۡنَٰكَ بِٱلۡحَقِّ |
64 wir bringen dir die Wahrheit |
وَإِنَّا لَصَٰدِقُونَ |
und sind aufrichtig. |
فَأَسۡرِ بِأَهۡلِكَ بِقِطۡعٍۢ مِّنَ ٱلَّيۡلِ |
65 Ziehe mit deinen Leuten des Nachts fort |
وَٱتَّبِعۡ أَدۡبَٰرَهُمۡ |
und folge hinterdrein! |
وَلَا يَلۡتَفِتۡ مِنكُمۡ أَحَدٌۭ |
Keiner von euch möge sich umwenden! |
وَٱمۡضُوا۟ حَيۡثُ تُؤۡمَرُونَ |
Geht, wohin euch befohlen wird.“ |
وَقَضَيۡنَآ إِلَيۡهِ ذَٰلِكَ ٱلۡأَمۡرَ |
66 Wir entschieden diese Angelegenheit für ihn: |
أَنَّ دَابِرَ هَٰٓؤُلَآءِ مَقۡطُوعٌۭ مُّصۡبِحِينَ |
Dass jene am Morgen bis auf den letzten ausgerottet sein würden. |
وَجَآءَ أَهۡلُ ٱلۡمَدِينَةِ يَسۡتَبۡشِرُونَ |
1467 Und die Leute der Stadt kamen freudig. |
قَالَ إِنَّ هَٰٓؤُلَآءِ ضَيۡفِی |
68 Er sagte: „Dies sind meine Gäste! |
فَلَا تَفۡضَحُونِ |
Darum beschämt mich nicht! |
وَٱتَّقُوا۟ ٱللَّهَ وَلَا تُخۡزُونِ |
69 Und fürchtet Gott und bringt keine Schande über mich!“ |
قَالُوٓا۟ أَوَلَمۡ نَنۡهَكَ عَنِ ٱلۡعَٰلَمِينَ |
70 Sie sagten: „Haben wir dir den Umgang mit den Weltbewohnern nicht verboten?“ |
قَالَ هَٰٓؤُلَآءِ بَنَاتِیٓ |
71 Er sagte: „Dies sind meine Töchter, |
إِن كُنتُمۡ فَٰعِلِينَ |
wenn ihr etwas tut.“ |
لَعَمۡرُكَ إِنَّهُمۡ لَفِی سَكۡرَتِهِمۡ يَعۡمَهُونَ |
72 Bei deinem Leben, sie irrten in ihrem Rausch umher. |
فَأَخَذَتۡهُمُ ٱلصَّيۡحَةُ مُشۡرِقِينَ |
73 Da ergriff sie bei Sonnenaufgang der Schrei. |
فَجَعَلۡنَا عَٰلِيَهَا سَافِلَهَا |
74 Wir kehrten ihr Oberstes zuunterst |
وَأَمۡطَرۡنَا عَلَيۡهِمۡ حِجَارَةًۭ مِّن سِجِّيلٍ |
und ließen Steine aus Lehm auf sie regnen. |
إِنَّ فِی ذَٰلِكَ لَٴَايَٰتٍۢ لِّلۡمُتَوَسِّمِينَ |
1575 Darin liegen Zeichen für diejenigen, die genau hinsehen. |
وَإِنَّهَا لَبِسَبِيلٍۢ مُّقِيمٍ |
76 Sie liegt an einem bleibenden Weg. |
إِنَّ فِی ذَٰلِكَ لَٴَايَةًۭ لِّلۡمُؤۡمِنِينَ |
77 Darin liegt ein Zeichen für die Gläubigen. |
وَإِن كَانَ أَصۡحَٰبُ ٱلۡأَيۡكَةِ لَظَٰلِمِينَ |
1678 Die Leute des Dickichts taten Unrecht. |
فَٱنتَقَمۡنَا مِنۡهُمۡ |
79 Da rächten wir uns an ihnen. |
وَإِنَّهُمَا لَبِإِمَامٍۢ مُّبِينٍۢ |
Beide sind ein klares Vorbild. |
وَلَقَدۡ كَذَّبَ أَصۡحَٰبُ ٱلۡحِجۡرِ ٱلۡمُرۡسَلِينَ |
1780 Die Leute von Hidschr bezichtigten die Gesandten der Lüge. |
وَءَاتَيۡنَٰهُمۡ ءَايَٰتِنَا |
81 Wir gaben ihnen unsere Zeichen, |
فَكَانُوا۟ عَنۡهَا مُعۡرِضِينَ |
da kehrten sie sich von ihnen ab. |
وَكَانُوا۟ يَنۡحِتُونَ مِنَ ٱلۡجِبَالِ بُيُوتًا ءَامِنِينَ |
82 Sie schlugen sich aus den Bergen Häuser, sich sicher wähnend. |
فَأَخَذَتۡهُمُ ٱلصَّيۡحَةُ مُصۡبِحِينَ |
83 Da ergriff sie am Morgen der Schrei. |
فَمَآ أَغۡنَىٰ عَنۡهُم مَّا كَانُوا۟ يَكۡسِبُونَ |
84 Was sie erworben hatten, nützte ihnen nichts. |
وَمَا خَلَقۡنَا ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضَ وَمَا بَيۡنَهُمَآ إِلَّا بِٱلۡحَقِّ ۗ |
III1885 Er sagte: „Wir haben dein Volk auf die Probe gestellt, nachdem du weg warst, |
وَإِنَّ ٱلسَّاعَةَ لَٴَاتِيَةٌۭ ۖ |
Die Stunde wird kommen. |
فَٱصۡفَحِ ٱلصَّفۡحَ ٱلۡجَمِيلَ |
So wende dich nur schön ab! |
إِنَّ رَبَّكَ هُوَ ٱلۡخَلَّٰقُ ٱلۡعَلِيمُ |
86 Dein Herr ist der Schöpfer und der Wissende. |
وَلَقَدۡ ءَاتَيۡنَٰكَ سَبۡعًۭا مِّنَ ٱلۡمَثَانِی وَٱلۡقُرۡءَانَ ٱلۡعَظِيمَ |
1987 Wir haben dir sieben Wiederholverse gegeben und die gewaltige Lesung. |
لَا تَمُدَّنَّ عَيۡنَيۡكَ إِلَىٰ مَا مَتَّعۡنَا بِهِۦٓ أَزۡوَٰجًۭا مِّنۡهُمۡ |
88 Richte deine Augen nicht auf das, was wir einigen von ihnen zum Genuss gaben, |
وَلَا تَحۡزَنۡ عَلَيۡهِمۡ |
sei nicht traurig über sie |
وَٱخۡفِضۡ جَنَاحَكَ لِلۡمُؤۡمِنِينَ |
und senke deinen Flügel über die Gläubigen. |
وَقُلۡ إِنِّیٓ أَنَا ٱلنَّذِيرُ ٱلۡمُبِينُ |
2089 Sprich: „Ich bin der deutliche Warner!“ |
كَمَآ أَنزَلۡنَا عَلَى ٱلۡمُقۡتَسِمِينَ |
90 So wahr wie wir auf die herabgesandt haben, die zerteilen, |
ٱلَّذِينَ جَعَلُوا۟ ٱلۡقُرۡءَانَ عِضِينَ |
91 die die Lesung in Stücke zerlegen. |
فَوَرَبِّكَ لَنَسۡـَٔلَنَّهُمۡ أَجۡمَعِينَ |
92 Und bei deinem Herrn, wir werden sie allesamt fragen |
عَمَّا كَانُوا۟ يَعۡمَلُونَ |
93 nach dem, was sie taten! |
فَٱصۡدَعۡ بِمَا تُؤۡمَرُ |
2194 So führe aus, was dir befohlen wurde. |
وَأَعۡرِضۡ عَنِ ٱلۡمُشۡرِكِينَ |
und wende dich von den Beigesellern ab. |
إِنَّا كَفَيۡنَٰكَ ٱلۡمُسۡتَهۡزِءِينَ |
95 Wir schützen dich zur Genüge vor den Spöttern, |
ٱلَّذِينَ يَجۡعَلُونَ مَعَ ٱللَّهِ إِلَٰهًا ءَاخَرَ ۚ |
96 die Gott einen anderen Gott zur Seite stellen. |
فَسَوۡفَ يَعۡلَمُونَ |
Sie werden es erfahren. |
وَلَقَدۡ نَعۡلَمُ أَنَّكَ يَضِيقُ صَدۡرُكَ بِمَا يَقُولُونَ |
97 Wir wissen, dass dir die Brust eng wird angesichts dessen, was sie sagen. |
فَسَبِّحۡ بِحَمۡدِ رَبِّكَ |
98 So lobpreise deinen Herrn; |
وَكُن مِّنَ ٱلسَّٰجِدِينَ |
und sei einer von den sich Unterwerfenden! |
وَٱعۡبُدۡ رَبَّكَ |
99 Diene deinem Herrn, |
حَتَّىٰ يَأۡتِيَكَ ٱلۡيَقِينُ |
bis die Gewissheit zu dir kommt. |
Die Sure ist Einheit. Reime durchweg auf 2n / m.
Versabteilungsdifferenzen
Die traditionellen Zähler überliefern für die bereits unregelmäßig ein- bzw. zweigliedrigen Verse keine Abteilungsdifferenzen (siehe SKMS, S. 37). Mit den traditionellen Zählern wird auch die Buchstabennamengruppe vor dem Textbeginn nicht als eigener Vers behandelt, da sie keinen Reim bildet.
Literaturliste
Die Lesung rubbamā (mit tašdīd) in V. 2 wird von allen kanonischen Lesern außer ʿĀṣim und Nāfiʿ vertreten (siehe corpuscoranicum.de, „Lesarten“). Diese Lesung entspricht der etymologischen Ableitung des Wortes aus einer Wurzel RBB, die auch in anderen semitischen Sprachen in der Bedeutung von „viel“, „Vielheit“, belegt ist (siehe Zammit 2002:187). In der Poesie beginnen Verse des dichterischen Selbstpreises oft mit rubba, etwa ʾImruʿ al-Qais, Diwan 4:152: balā rubba yaumin qad lahautu wa-lailatin bi-ānisatin ka-annahā ḫattu timṯālī („Wie viele Tage und Nächte genoß ich doch in Gesellschaft einer jungen Frau, von hohem Wuchs wie eine Statue“). Die von Ḥafṣ ʿan ʿĀṣim vertretene etymologisch nicht gerechtfertige Lesung rubamā wird in der grammatischen Literatur mit komplizierten Argumenten zu rechtfertigen versucht, siehe Abū ʿAlī al-Fārisī, al-Huğğa fī ʿilal al-qirāʾāt al-sabʿ , zur Stelle; al-ʿUkbarī, al-Tibyān fī iʿrāb al-Qurʾān, zur Stelle; freundlicher Hinweis von Ali Aghaei).
Eine Crux bildet V. 90, wo ka-mā eventuell als wa-mā zu lesen ist. Das Verspaar 90–91 ist bisher nicht befriedigend gedeutet worden. Der einzige Ausweg schien in der Ansetzung eines fragmentarischen Textzustands (KÜ, S. 281) zu liegen. Die Lösung des Problems hängt jedoch an der Deutung des Wortes muqtasimūn (V. 90). Die direkte Beziehung (im Sinne von „Verteiler“ u.ä.) auf eine im Text gar nicht genannte konkrete Gruppe (ʾahl al-kitāb, al-mušrikūn), wie sie von den einheimischen Kommentatoren hergestellt wird, führt nicht weiter. Die Stelle läßt sich nur im Kontext der übrigen Vorkommen derselben Textsorte (Offenbarungsbestätigung, siehe dazu KTS, S. 145–152) beleuchten.
Im Kontext der Offenbarungsbestätigungen der II. und III. Periode erscheinen die Empfänger früherer Offenbarungen stets als Beglaubigungsinstanz für den qurʾān, vgl. mittelmekkanisch Q 26:192–200, Q 17:105–111, spätmekkanisch Q 10:94–95, Q 13:36, Q 29:47–49, Q 34:6, Q 46:30. Wird im Fortgang die Tatsache ihrer späteren Uneinigkeit festgestellt, so wird das Verb iḫtalafa (Q 32:25, Q 41:45), niemals jedoch eine Form von QSM verwendet. Da in Q 15:90–91 außerdem der Fortgang (V. 91ff.), wie immer er genau zu deuten ist, eine negative Beurteilung der muqtasimūn impliziert, kann der Beglaubigungstypus nicht vorliegen. Eine Identifizierung mit den ʾahl al-kitāb oder den mušrikūn ist daher ausgeschlossen.
Zum Vergleich sind nun diejenigen Stellen heranzuziehen, in denen eine negativ beurteilte Gruppe mit der Offenbarung des qurʾān in Zusammenhang gebracht wird. Es sind dies diejenigen Passagen, in denen eine Polemik gegen den Verkünder abgewehrt wird. Hier ist vor allem die Versgruppe Q 43:31–32 relevant:
V. 31wa-qālū lau-lā nuzzila hāḏā l-qurʾānu ʿalā rağulin mina l-qaryataini ʿaẓīm
V. 32ʾa-hum yaqsimūna raḥmata rabbika naḥnu qasamnā bainahum maʿīšatahum fi l-ḥayāti d-dunyā wa-rafaʿnā baʿḍahum fauqa baʿḍin darağātin li-yattaḫiḏa baʿḍuhum baʿḍan suḫriyan wa-raḥmatu rabbika ḫairun mimmā yağmaʿūn
„Sie sprechen: „Warum wurde diese Lesung nicht auf einen mächtigen Mann aus einer der beiden Städte herabgesandt? / Sind sie es, die die Barmherzigkeit Gottes verteilen? Wir verteilen ihren Unterhalt unter ihnen im diesseitigen Leben und haben die einen im Rang über die anderen erhoben, so dass die einen die anderen verspotten. Die Barmherzigkeit deines Herrn ist besser als das, was sie zusammentragen“.
Der in Q 43:31 geäußerten Polemik gegen die relativ niedrige soziale Stellung des Verkünders wird entgegengehalten, dass Gott, und nicht die Ungläubigen, die Barmherzigkeit (die sich hier in der Offenbarung manifestiert) verteile. Nicht sie sind Träger der Offenbarung, so dass sie über ihre Verteilung verfügen könnten, sondern die Verteilung ist in der bekannten Weise schon getroffen. Auch Q 15:90 steht im Zusammenhang der Wahrnehmung eigener Unterprivilegierung. In Q 26:210 wird eine Gruppe kategorisch vom Empfang der Offenbarung ausgeschlossen: wa-mā tanazzalat bihi š-šayāṭīn, („Die Satana kamen nicht mit ihm herab“). Ähnlich begegnet schon in Q 15:8–9 eine Abwehr von offenbarungsspezifischen Unterstellungen: mā nunazzilu l-malāʾikata ʾillā bi-l-ḥaqqi wa-mā kānū iḏan munẓarīn / ʾinnā naḥnu nazzalna ḏ-ḏikra wa-ʾinnā lahū la-ḥāfiẓūn („Nur in der Stunde der Wahrheit senden wir die Engel nieder, dann aber wird kein Aufschub gewährt. / Wir sind es, die die Ermahnung herabsenden, und wir sind es, die sie bewahren.“). Die Polemik des Anfangsteils wird im Schlussteil also wiederaufgenommen, nun bezogen auf eine Gruppe, die die Barmherzigkeit Gottes (die Offenbarung) aufzuteilen sich anmaßt und die Lesung ‚zerteilen‘ will.
Man wird also zu verstehen haben: „Nicht haben wir auf die herabgesandt, die sich die Verteilung anmaßen“, wenn auch die wörtliche Übersetzung als „die Zerteiler“ beibehalten bleiben soll. Die Aussage ist dann kontrastiv zu der an den Verkünder ergangenen doppelten Offenbarung der Lesung und der Fātiḥa zu verstehen (Q 15:87). Der mit V. 91 konkret gemeinte tadelnswerte Umgang mit dem qurʾān bleibt dagegen im Dunkeln. Er scheint jedoch die liturgische Gestaltung der Lesung zu betreffen.
Statt al-ʾaika, („das Baumdickicht“) ist in V. 78Laika zu lesen. Gerd Rüdiger Puin (2005) kann zeigen, dass al-ʾaika eine arabisierende Verlesung von laika, Leuke Kome, ist. Die Identifikation überzeugt, da sich neben al-ʾaika (Q 15:28 und Q 50:14) auch artikelloses laika findet: 26:176 und 38:13. Die traditionellen Leser ziehen daraus verschiedene Konsequenzen: An den beiden artikellosen Stellen in Q 26:176 und Q 38:13 markieren die Leser Nāfiʿ, Ibn Kathīr, Ibn ʿAmir und Abū Ğaʿfar ihr Verständnis von laika als Ortsnamen sogar durch die diptotische Vokalisation mit –a. Warš ʿan Nāfiʿ liest laika sogar in Q 15:28 auch gegen den rasm. Dagegen restituiert Ḥafṣ ʿan ʿĀṣim auch gegen den rasm die Lesung al-ʾaika (Siehe dazu www.corpuscoranicum.de, „Lesarten“). - Die von Ḥafṣ ʿan ʾĀṣim und anderen vertretene Lesung al-ʾaika lässt sich leicht als eine nachträgliche Anpassung eines nicht mehr verstandenen rasm an ein bekanntes Lexem, das Appellativum ʾaika („Dickicht“), deuten. – Die phonetische Differenz zwischen leuke und laika würde sich verringern, wenn man die für die Spätantike vorauszusetzende nachklassische Aussprache von leuke als levki beachtete, und den rasm (al-)ʾyka nicht als laika, sondern als līka lesen würde.
Literaturliste
I A Einleitung: | |
3 1–3 Offenbarungsbestätigung (deiktisch); Polemik gegen Ungläubige; Zuspruch an Propheten, Drohung/Polemik im Zusammenhang mit Offenbarung | |
2 4–5 Vernichtung, (ihlāk) von Völkerschaften stets nach vorausgehendem Beschluß | |
4 6–9 Herabsendung der Engel erst beim Gericht, jetzt Herabsendung der Mahnung | |
6 10–15 Prophetentrost; Unglaube als Reaktion auf Sendung einst und jetzt | |
B ʾāyāt (Wir-Prädikationen): Entmachtung der Dämonen | |
3 16–18 Ausschmückung und Absicherung des Himmels gegen Dämonen,Šaiṭāne | |
2 19–20 Gestaltung der Erde, Hervorbringung der Vegetation | |
1 21 Verteilung der Segnungen nach bestimmtem Maß | |
1 22 Winde, Regen | |
3 23–25 Gottes Macht, zum Leben zu erwecken und zu vernichten | |
C ʾIblīs-Episode | |
5 26–30 Erschaffung des Menschen, Niederfall der Engel | |
5 31–35 ʾIblīs’ Verweigerung der Anbetung, seine Vertreibung, Verfluchung | |
7 36–42 Gewährung von Frist, ʾIblīs’ Plan, alle Menschen außer Gottesdienern zu verführen | |
2 43–44 Hölle, ğahannam, als Bestimmungsort der Verführten | |
4 45–48 Paradies, ğanna, für Gottesfürchtige | |
II ‚Schriftlesung‘: Straf- und Verheißungslegenden: Abraham | |
2 49–50, 82 Aufforderung zum Bericht von Gottes Vergebungsbereitschaft/Härte der Bestrafung | |
10 51–60 Abraham und seine Gäste | |
6 61–66 Gesandte bei Lot | |
6 67–72 Vergehen der Stadtbewohner | |
5 73–77 Bestrafung, darin ‚Zeichen‘(ʾāya) für Einsichtige | |
Weitere Straflegenden | |
2 78–79 Die Leute von Leuke Kome/Laika (ʾAṣḥāb al-ʾaika) | |
5 80–84 Die Leute von Egra (ʾAṣḥāb al-ḥiğr) | |
III Offenbarungsbestätigungen und Prophetenzuspruch | |
2 85–86 Gott als Schöpfer von Himmel und Erde (al-ḫalq bi-l-ḥaqq) | |
3 87–89 Sieben zu Wiederholende (maṯānī) als Zuwendung an den Propheten, Zuspruch | |
4 90–93 Offenbarung an ihn, nicht an „Zerteiler“, muqtasimūn | |
6 94–99Aufforderung zum Gehorsam, Trostreden, Aufforderung zum Gottesdienst |
Strukturformel/Proportionen:
Teil I: 48 Verse | Teil II: 36 Verse | Teil III: 15 Verse |
15 (3+2+4+6) + 10 (3+2+1+1+3) + 23 (5+5+7+2+4) | 29 (2+10+6+6+5) + 7 (2+5) | (2+3+4+6) |
ʾalif lam rāʾ tilka ʾāyātu l-kitābi wa-qurʾānin mubīn] Die Sure beginnt mit einer Folge von semantisch leeren Klangeinheiten, Buchstabennamen, fawātiḥ („Eröffnungen“). Dieses in Mittelmekka üblich werdende Incipit übersetzt gewissermaßen das Bild der himmlischen Urschrift durch den kantilene-unterlegten Vortrag der Buchstabennamen als kleinsten Elementen der Schrift ins Akustische. Man möchte in ihnen am ehesten eine klangliche Einstimmung in die Rezitation aus der himmlischen Schrift sehen (vgl. KTS, S. 246–248, S. 447–449).
Über die Deutung dieser in der islamischen Tradition als fawātiḥ, („Eröffnungen“) oder ḥurūf muqattaʾa („unverbundene Buchstaben“) bezeichneten Kombinationen besteht kein Konsens. Islam Dayeh (2010) hat zu zeigen versucht, dass Suren mit dem gleichen Einsatz ḥāʾ mīm, die sogenannten ḥawāmīm, d.h. Q 39 bis Q 46, redaktionell als Teilcorpus zusammengehören. Anders als frühere Forscher, etwa Bauer (1921), sieht Dayeh in den Buchstaben nicht „Siglen“ zur Verklammerung von erst redaktionell zusammengefassten Texten, die nachträglich dem schriftlichen Text vorgeschaltet wurden, sondern Formmerkmale unter vielen, die die Suren einer gemeinsamen Entstehungszeit zuweisen. Auf jeden Fall dürfte die auffallende Tatsache, dass die fawātiḥ stets von einer Schrift-Referenz gefolgt sind (vgl. Welch 1986), für ihre Zugehörigkeit zum Verkündigungstext selbst sprechen. Sie ersetzen mit diesen meist emphatischen Schrift-Referenzen zusammen die ältere, in Frühmekka zur Einstimmung der Hörer in den folgenden mantischen Text verfolgte Strategie, die Sure mit Schwur- oder auch ʾiḏā-Serien einleiten (siehe dazu auch Stewart 2011).
Das erste Vorkommen eines einleitenden Buchstabennamens, (nūn) datiert bereits in die frühmekkanische Zeit, (Q 68:1), wo ebenfalls eine Schriftreferenz folgt: wa-l-qalami wa-mā yasṭurūn („Beim Schreibrohr und dem, was sie niederschreiben“). Hier ist das als Buchstabenname eingeführte nūn zugleich lautlich identisch mit dem aramäischen Wort für „Fisch“, das – wenn nicht Zufall vorliegt – wiederum auf die Erwähnung Jonas vorverweist, der in Q 68:48–50 als ṣāḥib al-ḥūt („der Mann mit dem Fisch“) Protagonist einer Prophetengeschichte ist. Jona heißt etwas später (in Q 21:87) explizit Ḏu l-nūn (siehe Busse 2003). Solche semantischen Referenzen sind jedoch bei den weiteren fawātiḥ nicht nachzuweisen.
An die Lautfolge schließt wie üblich unmittelbar eine Aussage über die Schrift an, hier die Klarheit der transzendenten Schrift wie auch der nun folgenden Lesung preisend. Neben der Autorisierung der Botschaft tritt damit ihre liturgische Aktualisierung in den Vordergrund. Dass in der Gemeindeliturgie inzwischen ein wichtiger Forschritt erreicht ist, zeigt die triumphale Feststellung der nunmehrigen Verfügung über ein Gemeindegebet, die sieben maṯānī, zusätzlich zur Lesung im Schlussteil der Sure (V. 87).
rubamā‚ [rubbamā] yawaddu llaḏīna kafarū lau kānū muslimīn / ḏarhum yaʾkulū wa-yatamattaʿū wa-yulhihimu l-ʾamalu fa-saufa yaʿlamūn] Die durch „vielleicht“ - rubbamā, zur Orthographıe vgl. oben „Textkritik“ - eingeleitete Aussage dürfte auf die eschatologische Situation vorverweisen. Denn die Leugner sind in der Gegenwart ‚gebannt‘ – vgl. Q 102:1: alhākumu t-takāthur, („Euch beherrscht [wörtlich: „hält in Bann“, siehe HK I, S. 126–129] das Streben nach mehr“) – von der Hoffnung auf das Andauern der Zeit ihres Genusses (matāʿ). Die Bezeichung muslimūn ist wie in den frühmekkanischen Suren Q 68:35 und Q 51:36 noch vorterminologisch als „Ergebene“ zu verstehen; der in der frühmekkanischen Sure Q 51:36 als Beispiel genannte „muslim“ Lot ist Protagonist auch einer der Erzählungen in Q 15, in der er sich wie in Q 51 durch Gottergebenheit auszeichnet.
Zu der tröstenden Aufforderung, die Leugner – hier wie bereits in Q 84:22, Q 85:19, Q 67:6 und Q 27 analytisch mit alladhīna kafarū, („die, die Unglauben oder Undankbarkeit zeigen“) bezeichnet – sich selbst zu überlassen, vgl. die früheren Tröstungen Q 74:11, Q 73:11 und – ebenfalls mit ḏarhum eingeleitet – Q 70:42, Q 52:45. Zu der bereits aus der altarabischen Dichtung geläufigen – dort oft mit daʿ ḏālika („laß das sein“) ausgedrückten – Aufforderung, von einer quälenden Erinnerung „abzulassen“, siehe den HK I, S. 43f. zu Q 70:42–43 und HK I, S. 703 zu Q 52:45.
wa-mā ahlaknā min qaryatin ʾillā wa-lahā kitābun maʿlūm / mā tasbiqu min ʾummatin ʾağalahā wa-mā yastaʾḫirūn] Wie in Q 54:51 Anspielung auf Präzedenzfälle von früheren Vernichtungsakten. Diesen ging stets ein fester Beschluss (kitāb) voraus; es geht alles nach einem Heilsplan vor sich; keine Gemeinschaft kann ihr Geschick beschleunigen oder hinauszögern. Das Wort ʾumma, ein hebräisches oder aramäisches Lehnwort (Horovitz 1964:46f.), erscheint hier zum ersten Mal. Erstmals begegnet auch ʾağal („Zeitpunkt“), vielleicht kairos („der entscheidende Moment“) wiedergebend, das in der altarabischen Dichtung für den individuellen Todeszeitpunkt steht, siehe Tamer 2008:44f., der Ḥātim al-Ṭāʾī (1981:73, V. 8) zitiert: yasʿa l-fatā wa-ḥimāmu l-mauti yudrikuhu wa-kullu yaumin yudnī li-l-fatā l-ʾağalā („Der junge Mann läuft [müht sich - SʿY dürfte hier nicht auf ‚laufen‘ beschränkt sein], das Verhängnis des Todes ereilt ihn aber, jeder Tag bringt dem jungen Mann den Zeitpunkt seines Todes näher“). Zu weiteren altarabischen Zeugnissen siehe Izutsu 2002:130–140. ʾAğal begegnet mittelmekkanisch noch in Q 71:4 und Q 17:99.
wa-qālū yā ʾayyuhā llaḏī nuzzila ʿalaihi ḏ-ḏikru ʾinnaka la-mağnūn / lau mā taʾtīnā bi-l-malāʾikati ʾin kunta mina ṣ-ṣādiqīn] Vielleicht parodierend zugespitzte Wiedergabe der spöttischen Rede der Gegner, die den Verkünder als den (selbsternannten) ‚Träger der Mahnung‘ adressieren und ihn, wie es bereits früh zum Topos geworden ist, siehe Q 81:22, Q 68:51, Q 51:39, Q 54:9, als „besessen“ beschimpfen. Damit wird ihm eine Inspiration durch Dämonen unterstellt, vor allem aber unverbürgte, erfundene Rede. Die Engel, unter denen einer von ihm als Vermittler der Botschaft in Anspruch genommen wird (siehe Q 81:19–25), sind in ihren Augen Produkte seiner Phantasie. Alle Transzendenzverweise in der Verkündigung wirken auf sie wie ‚Wortzauber‘, wie hermeneutische Manipulation (siehe HK I, S. 291–309 zu Q 81:19–25, vor allem aber den Kommentar zu Q 54:1–3). Die Verunglimpfung des Verkünders mündet in die provozierende Aufforderung, die in der Verkündigung bzw. als Überbringer der Verkündigung thematisierten transzendenten Wesen doch physisch vorzuweisen. Solche Herausforderungen begegnen auch in späteren mittelmekkanischen Suren, Q 17:90–94: wa-qālū lan nuʾmina laka ḥattā ‘…‚ taʾtiya bi-llāhi wa-l-malāʾikati qabīlā ‘…‚, „Sie sprechen: ‚Wir werden dir nicht glauben, bis du ‘…‚ Gott und Engel in Scharen zu uns bringst‘ “; Q 26:187: fa-ʾasqiṭ ʿalainā kisafan mina s-samāʾi ʾin kunta mina ṣ-ṣādiqīn „Laß doch Stückchen vom Himmel auf uns fallen, wenn du aufrichtig bist“). Es ist schwer zu entscheiden, ob bei ihnen Unverständnis – die Paganen sind mit figurativer Rede aus der monotheistischen Bildwelt nicht vertraut - oder zynische Geringschätzung vorauszusetzen ist.
mā nunazzilu l-malāʾikata ʾillā bi-l-ḥaqqi wa-mā kānū iḏan munẓarīn / ʾinnā naḥnu nazzalnā ḏ-ḏikra wa-ʾinnā lahū la-ḥāfiẓūn / wa-la-qad ʾarsalnā min qablika fī šiyaʿi l-awwalīn / wa-mā yaʾtīhim min rasūlin ʾillā kānū bihī yastahziʾūn] Göttliche Replik mit Zuspruch an den Verkünder, ihrerseits sarkastisch gefärbt: die Engel, die den Erweckungsschrei (zağra, vgl. Q 37:2, oder ṣaiḥaQ 15:73, Q 83) ausstoßen werden, werden nur bi-l-ḥaqqi,„in (der Stunde der) Wahrheit “ oder „zu Recht“, d.h. in ihrer eschatologischen Funktion, herabgesandt, vgl. in Q 50:42 das etwas spätere yauma yasmaʿūna ṣ-ṣaiḥata bi-l-ḥaqqi ḏālika yaumu l-ḫurūğ („ am Tage, da sie den Schrei‚in Wahrheit‘ hören. das ist der Tag der Auferstehung“). Das dem Begriff al-ḥaqq, dem ultimativ Wahren, verwandte al-ḥaqīqa hat bereits in der altarabischen Dichtung die Konnotation des Todes (Hamori 1974:9–11). Die Spötter werden dann nicht „warten gelassen“. - Die ‚Bewahrung der Mahnung‘ dürfte auf die „bewahrte Tafel“, al-lauḥ al-maḥfūẓ, Q 85:22, verweisen.
Mit Spott verbundene Prophetenverunglimpfungen werden später zum Topos, (siehe Q 26:6: fa-qad kaḏḏabū fa-sa-yaʾtīhim ʾanbāʾu mā kānū bihī yastahziʾūn, „und nannte es Lügen. Sie werden noch Kunde erhalten von dem, was sie stets verspottet haben“; Q 36:30:yā ḥasratan ʿala l-ʿibādi mā yaʾtīhim min rasūlin ʾillā kānū bihī yastahziʾūn, „Weh über meine Diener – zu ihnen kommt kein Gesandter, ohne dass sie ihn verspotten! “). Der Prophet als Gegenstand des Spottes wird aber nicht wie der während seiner Passion verspottete Jesus zu einem Andachtsbild (ecce homo) erhoben, sondern durch göttlichen Zuspruch wiederaufgerichtet. Seine Situation reflektiert lediglich negativ die Verworfenheit der Gegner.
ka-ḏālika naslukuhu fī qulūbi l-muğrimīn / lā yuʾminūna bihī wa-qad ḫalat sunnatu l-awwalīn] Gott läßt das Wort in das Herz bzw. den Verstand – qalb steht auch für „Verstand“ (siehe Seidensticker 1992) – eingehen, ohne dass Glaube entsteht, obwohl die – hier erstmals erwähnten – Verhaltensweisen/Erfahrungen der Früheren schon der Vergangenheit angehören und eine Lehre sein sollten.
wa-lau fataḥnā ʿalaihim bāban mina s-samāʾi fa-ẓallū fīhi yaʿrudjūn / la-qālū ʾinnamā sukkirat ʾabṣārunā bal naḥnu qaumun masḥūrūn] Einblendung eines irrealen Szenarios: einer Öffnung des Himmels, die den Ungläubigen ermöglicht, in den Himmel aufzusteigen. Doch würden sie selbst dieses Wunder als Augenwischerei abtun, vgl. zu einer früheren – ähnlich hypothetischen – Abwertung eines Wunders Q 52:44: wa-ʾin yarau kisfan mina s-samāʾi sāqiṭan yaqūlū saḥābun markūm, „Selbst wenn sie ein Stück vom Himmel herunterfallen sähen, würden sie sagen: ‚Eine Haufenwolke!‘“).
Die hier vorausgesetzte Kosmologie ist von van Bladel (2007) beschrieben worden: Der Kosmos wird nach dem biblischen, nicht dem ptolemäischen, Modell als ein Gewölbe vorgestellt, überdacht von den Himmeln, zu denen privilegierte Individuen mittels ʾasbāb, mittels Stricken oder Strickleitern, sullam, aufsteigen können. Schon frühmekkanisch, in Q 52:38, war hypothetisch von einer Leiter die Rede, von der aus die Dämonen horchen können: ʾam lahum sullamun yastamiʿūna fīhi fa-l-yaʾti mustamiʿuhum bi-sulṭānin mubīn („Haben sie Leitern, auf denen sie zuhören können? Dann soll der, der zuhört, seine Vollmacht bringen! “). Auch die Prädikation in Q 70:3, Allāhu ḏu l-maʿāriğ („der Herr der Stufenleiter“), deutete auf diese Vorstellung, wenn sich auch das biblische Bild der Jakobsleiter als unmittelbares Modell nahelegt.
wa-la-qad ğaʿalnā fi s-samāʾi burūğan wa-zayyannāhā li-n-nāẓirīn / wa-ḥafiẓnāhā min kulli šaiṭānin rağīm / ʾillā mani staraqa s-samʿa fa-ʾatbaʿahū šihābun mubīn] Der Gedanke der Vermittlung zwischen Himmel und Erde, sei es durch die Botschaft eines Engels wie der Verkünder sie in Anspruch nimmt, sei es durch ein Aufsteigen von Individuen in den Himmel, wird fortgeführt. Er tangiert auch hier die in der jüdischen Tradition zentrale Frage nach der Beteiligung von Wesenheiten außer Gott an der Offenbarung (siehe dazu Schäfer 1975), hier konkret der Dämonen, Šaiṭāne, die an den himmlischen Sphären mithorchen. In Mittelmekka wird diese Frage mittels des ‚Sternschnuppen-Mythos‘, der – nach frühmekkanischen Anspielungen in Q 55:33 und Q 52:38 – mittelmekkanisch zum ersten Mal in Q 37:6–10 erzählt worden war (vgl. den Kommentar zu Q 37), eindeutig negativ entschieden. Die V. 16–18 stellen noch einmal die Grenzziehung zwischen himmlischer und irdischer Sphäre klar: Nicht einmal die Dämonen haben Zugang zum Himmel, so kann auch von dem Aufstieg der Leugner keine Rede sein. Burūğ, wörtlich „Türme“, pyrgoi (das Wort steht für Sternbilder des Zodiakus) erschienen schon in Q 85:1 (siehe dazu Kunitzsch 2004:106–109).
Zum Sternschnuppen-Mythos und seinen letztendlich biblischen (Gen 3:24: Cherubim mit Flammenschwert als Paradieswächter, Gen 6,4: gefallene Engel) und talmudischen Grundlagen siehe Hawting 2006. Jedoch geht es einzig in der koranischen Ausformung um das ‚verbotene Mithören‘ seitens der Dämonen, denn nur im Koran steht das Problem der verschiedenrangigen Inspiration im Zentrum: Die ‚falsche‘ oder doch unzuverlässige Inspiration durch die ‚mithörenden‘ Djinnen, die sie an Dichter und Seher vermitteln, dient als negatives Gegenmodell zur ‚wahren‘ Inspiration der Propheten. Himmlisches Wissen wird einzig erwählten menschlichen Empfängern zuteil. Die wissenvermittelnde Instanz der Dämonen, (siehe dazu Goldziher 1896), die nunmehr „verflucht“ sind – nicht „gesteinigt“, wie meist übersetzt wird, siehe Zirker 2003:123 - , wird damit entmachtet.
wa-l-ʾarḍa madadnāhā wa-ʾalqainā fīhā rawāsiya wa-ʾanbatnā fīhā min kulli šaiʾin mauzūn / wa-ğaʿalnā lakum fīhā maʿāyiša wa-man lastum lahū bi-rāziqīn / wa-ʾin min šaiʾin ʾillā ʿindanā ḫazāʾinuhū wa-mā nunazziluhu ʾillā bi-qadarin maʿlūm] Die mit der Ausschmückung des Himmels begonnene ʾāyāt-Serie fährt mit der Beschreibung der Erde fort, in der – demselben, auch in der altarabischen Dichtung zugrunde gelegten, Weltbild zufolge – Berge, (hier metonym als „fest eingesetzte“, rawāsin, bezeichnet) als Stützen des Himmels dienen und daher fest verankert sind (siehe Zuhair, Dīwān 13:101, SEAP, S. 361. A-lā lā ʾarā ʿalā l-hawādiṯi bāqiyan wa-lā ḫālidan ʾillā l-ğibāla l-rawāsiyā „Wohl sehe ich nichts, was den Schicksalschlägen gegenüber bestehen und sie überdauern kann als die festeingefügte Berge“). - Zu dieser Vorstellung der Erde als eines vom Himmel überdachten Zeltes sowie ihrer ebenen Ausbreitung vgl. Ps 104 und siehe seine koranische Umschreibung in Q 78:6–16 (dazu HK I, S. 452–474). Die Qualifikation der Vegetation mit mauzūn könnte auf ihren paarigen Charakter verweisen, anderswo ist von min kulli zauğin bahīğ, Q 50:7, min kulli zauğin karīm, Q 26:7, die Rede.
wa-ʾarsalna r-riyāḥa lawāqiḥa fa-ʾanzalnā mina s-samāʾi māʾan fa-ʾasqainākumūhu wa-mā ʾantum lahū bi-ḫāzinīn] Wie auch sonst sind „Winde“ (Plural, riyāḥ, Q 18:25; Q 27:63 und öfter) positiv konnotiert, im Gegensatz zu dem konstant zur Bezeichnung einer Katastrophe eingesetzten Singular rīḥ (Q 69:6; Q 51:41; Q 17:69 und öfter). Die ʾāyāt-Serie geht über in Erinnerungen an Gottes alleinige Urheberschaft für die Versorgung der Menschen, vgl. Q 56:58–64, insbesondere V. 63–64: ʾa-fa-raʾaitum mā taḥruṯūn / ʾa-ʾantum tazraʿūnahū ʾam naḥnu l-zāriʿūn „Wie denkt ihr über das, was ihr aussät, seid ihr es, die säen, oder sind wir die Säer? “). Veronika Roth hat für die V. 17–22 auf Parallelen im „Buch der Wächter “ (Hen 2, 1–5,5) hingewiesen (siehe TUK 0909).
wa-ʾinnā la-naḥnu nuḥyī wa-numītu wa-naḥnu l-wāriṯūn / wa-la-qad ʿalimna l-mustaqdimīna minkum wa-la-qad ʿalimna l-mustaʾḫirīn / wa-ʾinna rabbaka huwa yaḥšuruhum ʾinnahu ḥakīmun ʿalīm] Gottes Kraft, Leben und Tod zu geben (siehe dazu 1 Sam 2,6: YHWH memit u-meḥayyeh [im Gebet der Hanna]), war schon in Q 53:44 Thema, sie begegnet später wieder in Q 44:8. Dass Gott selbst ‚das Erbe antritt‘ mag eine Absage an die Erbenrolle Jesu sein, die in Hebr 1,2 hervorgehoben wird. – Zu Gottes Richterrolle am Jüngsten Tag siehe Q 95:8: ʾa-laisa llāhu bi-aḥkami l-ḥākimīn („Ist Gott der gerechteste Richter nicht?"). Die als Er-Prädikation formulierte Klausel ist ein gängiger Abschlussvers von Hauptteilen.
wa-la-qad ḫalaqna l-insāna min ṣalṣālin min ḥamaʾin masnūn / wa-l-ğānna ḫalaqnāhu min qablu min nāri l-samūm] Unvermittelt, fast wie eine Fortsetzung der Wir-Prädikationen, folgt der Mythos von ʾIblīs‘ Fall. Obwohl in Form einer Erzählung gehalten, wird dieser Mythos nicht mit einer die Lesung einleitende Formel wie später im Fall der Prophetengeschichten V. 49–77, sondern gewissermaßen beiläufig erzählt. Er untermauert die eingangs dargelegte Entmachtung der Dämonen, insofern mit ʾIblīs ein Dämon von Gott selbst zu einer für die Menschen schicksalhaften Aufgabe bestellt wird. Der Mythos hat in Q 15 aber noch eine weitere Funktion: die Erwählung der Gemeinde bereits in der Präexistenz zu illustrieren. Er ist, obwohl er eine Erzählung aus der biblischen (apokryphen) Tradition wiedergibt - noch ganz Teil der Argumentation, in der es primär um die Entmachtung der Dämonen oder doch ihre Machteingrenzung geht. In diesem Kontext wird nun das Verhältnis der Zeitgenossen, der Gemeinde und ihrer Gegner, zur Dämonenwelt, verkörpert durch ʾIblīs, beleuchtet. Die Erzählung von ʾIblīs fällt damit aus dem Muster der als ‚Lesung‘ geeigneten Exempel aus der älteren Heilsgeschichte heraus. Sie liefert eher ätiologisch eine Erklärung für die Situation der Gegenwart, ohne einen Protagonisten aufzuweisen, der sich als Beispielfigur für die Hörergemeinde eignen würde. Sie ist also noch – wie schon in der Kompositionsanalyse in SKMS, S. 264f. - dem Anfangsteil zuzurechnen.
Ihr Verständnis basiert auf einem frühmekkanischen Intertext; sie wird eingeleitet durch ein annäherndes Zitat von Q 55:14–15, wo es um die Kontrastierung der im Refrain der Sure – fa-bi-ʾayyi ʾālāʾi rabbikumā tukaḏḏibān („Welche Zeichen eures Herrn wollt ihr beide leugnen? “, V. 16) – Angesprochenen, der Dämonen und Menschen, ging. In Q 55:14–15 heißt es: ḫalaqa l-ʾinsāna min ṣalṣālin ka-l-faḫḫār / wa-ḫalaqa l-ğānna min māriğin min nār („Er schuf den Menschen aus feuchter Erde wie Töpferware und schuf die Geister aus einem Gemisch von Feuer“). Nach dem syrischen Apokryphon Die Schatzhöhle (Bezold 1883:3 f.) wurde der Mensch aus Ton, aber auch aus den drei anderen Elementen erschaffen, um seine Verfügung über den gesamten Kosmos zu begründen. In Q 15 wird die Schöpfungsmaterie in einem anderen Sinne funktional: der Unterschied zwischen Erde und dem als höherrangig erachteten Feuer wird zu einem Wertmaßstab für die Position der Erschaffenen erhoben. Bereits in Q 37:11 war auf den abgehobenen Rang der Schöpfungsmaterie der Djinnen gegenüber dem der Menschen angespielt worden.
wa-ʾiḏ qāla rabbuka li-l-malāʾikati ʾinnī ḫāliqun bašaran min ṣalṣālin min ḥamaʾin masnūn / fa-ʾiḏā sawwaituhu wa-nafaḫtu fīhi min rūḥī fa-qaʿū lahū sāğidīn / fa-sağada l-malāʾikatu kulluhum ʾağmaʿūn / ʾillā ʾIblīsa ʾabā ʾan yakūna maʿa s-sāğidīn] Die erste Erzählung zu den Begleitumständen der Menschenschöpfung konzentriert sich aber nicht auf den neu geschaffenen Menschen. Dieser bleibt unbenannt, figuriert nur als ‚Sterblicher‘ (bašar), dessen Eintritt in der Geschichte einen Konflikt unter den Engeln auslöst. Bašar ist sonst Bezeichnung für den unbedeutenden sozialen Status des Verkünders (vgl. den bereits frühmekkanischen Vorwurf in Q 74:25: ʾin hādhā ʾillā qaulu l-bašar „das ist nur das Wort eines Sterblichen“ und mittelmekkanisch Q 54:24–25: ʾa-bašaran minnā wāḥidan nattabiʿuhu, „Einem Menschen, einem einzigen unter uns sollten wir folgen? “, vgl. HK I, S. 368 f., und Q 26:186wa-mā ʾanta ʾillā bašarun miṯlunā, „nicht anderes bist du als ein Mensch wie wir“). Das arabische Lexem ist eine Parallelbildung zum hebräischen basar („Fleisch“), häufig begegnend als kol basar („alle Menschen“, siehe Gen 6,13, 17,7,15, Ps 136, 25). Zur bereits biblischen Konnotation von basar mit Vergänglichkeit siehe 1.Petr I,24 (pasa sarx hōs chortos, „Alles Fleisch ist wie Gras“) basierend auf Jes 40,6–8. (Kol habasar ḥaṣir).
Der Fokus der Erzählung liegt auf ʾIblīs (siehe zu dem über das Syrische aus griechisch diabolos gebildeten Namen ʾIblīsKU, S. 87). Der arabischen Etymologie nach wäre ʾIblīs der „in Verzweiflung Gestürzte“, eine Bedeutung, die für die Hörer eventuell durchklang. Der Vorspann zur Geschichte (V. 26–27) zeigt, dass – in Übereinstimmung mit den spätantiken Erzählungen über den Engels-/Satanssturz (Bodman 2011:72–83) – die Engel in Q 15 noch als eine den Dämonen/Djinnen zugehörige Gruppe gelten. Ihre Differenzierung und andere Wertung erfolgt erst mit der wenig späteren Identifikation des ʾIblīs mit aš-šaiṭān in Q 20. Bis dahin ist ʾIblīs eine ambivalente Figur, vergleichbar dem altorientalischen Satan, einem Gott zur Seite stehenden Anwalt und Ankläger, wie aus der biblischen Hiob-Erzählung bekannt. Diese Funktion eignet ʾIblīs aber nicht von Anfang an, sondern wird ihm erst nach seiner Rebellion aufgetragen (siehe dazu Bodman 2011:67–69; zu der koranischen ʾIblīs-Erzählung siehe Neuwirth 2001, vgl. dazu auch die Vorgängertraditionen in BEQ, 54–58).
qāla yā ʾIblīsu mā lakaʾ allā takūna maʿa s-sāğidīn / qāla lam ʾakun li-asğuda li-bašarin ḫalaqtahū min ṣalṣālin min ḥamaʾin masnūn / qāla fa-ḫruğ minhā fa-ʾinnaka rağīm / wa-ʾinna ʿalaika l-laʿnata ʾilā yaumi d-dīn] Auf seine Zurechtweisung hin trägt ʾIblīs das Argument der – im Vergleich mit seiner eigenen – geringerwertigen Materie des neuen Geschöpfes vor, die ihm die Niederwerfung vor dem neuen Geschöpf verbietet. In dem apokryphen Leben Adams und Evas (siehe TUK 0445) ist es dagegen seine frühere Erschaffung, in der Schatzhöhle (Bezold 1883:4) seine „Anciennität“, sein langer Dienst, der ihn überlegen macht. Vom Neid des Teufels handelt auch Genesis Rabba18,10 und 85,3. So stichhaltig ʾIblīs' koranische Selbstrechtfertigung erscheinen mag, so wenig nützt sie ihm. Als Antwort Gottes erfolgt in Q 15 zwar nicht wie in der Schatzhöhle sein Sturz, aber doch seine Vertreibung und Verfluchung, die bis zum Gerichtstag gelten soll. Rağīm wird wie im Syrischen so auch im Arabischen für beides: „zu steinigend“ und „verflucht“ benutzt (siehe FVQ, S. 139f.) - Yaum ad-dīn zur Bezeichnung des Gerichtstags begegnete bereits frühmekkanisch in Q 70:26, Q 74:46, Q 82:15, Q 17, Q 18, Q 83:11, Q 51:12, Q 56:56.
qāla rabbi fa-ʾanẓirnī ʾilā yaumi yubʿaḏūn / qāla fa-ʾinnaka mina l-munẓarīn / ʾilā yaumi l-waqti l-maʿlūm / qāla rabbi bi-mā ʾaġwaitanī la-uzayyinanna lahum fi l-arḍi wa-laʾ-uġwiyannahum ʾağmaʿīn / ʾillā ʿibādaka minhumu l-mukhlaṣīn / qāla hādhā ṣirāṭun ʿalayya mustaqīm] Die Fortsetzung stellt dem christlichen Mythos eine ganz andere Theologie, eine Theodizee, entgegen: ʾIblīs erbittet sich eine Frist bis zum Gericht, vor allem aber die Rolle des Verführers und Prüfers der Menschen, eine Ermächtigung, die geeignet ist, das Schlechte in der Welt als Teil des göttlichen Heilsplans zu erklären. Sie wird ihm gewährt. - Die Szene ist offensichtlich an einem idealen Ort – das Possessivsuffix –hā verweist am ehesten auf ğanna („ Paradies“) vorzustellen, nur so ist die Vertreibung ʾIblīs‘ sinnvoll. Sie entspricht biblisch der Adam für seine Verfehlung auferlegten Strafe, die diesem in späteren Suren auch aufgelastet werden wird (vgl. Q 20:123). Der einen Fehltritt begeht, ist hier aber allein ʾIblīs, er übernimmt von nun an – zumindest primär – die Verantwortung für die Sündhaftigkeit in der Welt, die sich nicht wie in der christlichen Interpretation der biblischen Erzählung mit Adam verbindet.
Der von ʾIblīs an Gott gerichtete Gegenvorwurf der Verführung, der im Koran einmalig ist, aber theologisch nicht weiter ausgeschöpft wird, kann sich nur auf die als solche problematische Weisung Gottes an die Engel beziehen, vor einem anderen als ihm selbst niederzufallen. In den spätantiken Vorgängergeschichten, etwa dem Leben Adams und Evas (1. Jh.; siehe BEQ, 54–57, TUK, Nr. 0445), ist es die Gottebenbildlichkeit des Menschen, die die Aufforderung zu seiner Anbetung durch die Engel rechtfertigt. Sie wird im Koran aber gerade nicht vorausgesetzt, in Q 15 ist nicht einmal davon die Rede, dass Gott den Menschen „mit eigenen Händen“ geformt hat. Diese besondere Wertsteigerung des neuen Geschöpfes wird erst in späteren ʾIblīs-Erzählungen, siehe Q 38:75, getroffen.
Das damit entstehende Paradox, Gottes Aufruf zu einer seinem eigenen Willen widersprechenden Handlung, das ʾIblīs‘ Verurteilung problematisch macht, wird später zum Nukleus eines umfangreichen Corpus von mystischer Literatur, die intensiv an Theodizeefragen interessiert ist und die daher ʾIblīs rehabilitiert (Bodman 2011:12–28, Awn 1983).
ʾIblīs' Vorwurf an Gott, von ihm verleitet worden zu sein, dient als Auslöser für seinen Plan, die Menschen ihrerseits zu verführen. Ausgenommen sind die treuen Diener Gottes, seit Q 37:40 ein Sammelbegriff für die Gerechten aus Vergangenheit und Gegenwart, die Gemeinde eingeschlossen. In Q 15 ist die Identifikation ʿibād („Diener“) mit der Gemeinde, die von nun an auch als Kollektiv einen Namen besitzt, angesichts von V. 49 eindeutig.
ʾinna ʿibādī laisa laka ʿalaihim sulṭānun ʾillā mani ttabaʿaka mina l-ġāwīn / wa-ʾinna ğahannama la-mauʿiduhum ʾağmaʿīn / lahā sabʿatu ʾabwābin li-kulli bābin minhum ğuzʾun maqsūm] Mit der Bestätigung des Ausnahmezustands der Gemeinde, mit der bereits in der Präexistenz geregelten Bewahrung der ʿibād („Diener“) vor dem Zugriff des ʾIblīs, wird implizit deren Erwähltheit ausgesprochen. Zugleich wird die neu entwickelte Theodizee – das Böse auf der Welt erklärt sich aus ʾIblīs' Verführungsakten – auf die Situation der koranischen Gemeinde projiziert: Die Tatsache der Gegnerschaft einer privilegierten Gruppe, die den Gerechten das Leben schwermacht, erklärt sich nun durch ihr Verführtsein durch ʾIblīs, dem diese Funktion durch eine von Gott selbst ausgesprochene Konzession zugefallen ist (siehe zu der Entwicklung Neuwirth 2001). Umgekehrt erweist sich der niedere soziale Status der ʿibād als Beweis ihrer Standhaftigkeit gegenüber den Verführungen des ʾIblīs, er stellt daher die wahre Privilegierung dar.
Von ihr ausgeschlossen sind diejenigen, die der Verführung erliegen und ʾIblīs folgen, ihnen wird Gehenna verheißen, hier erstmals in Gestalt einer Architektur mit sieben Toren vorgestellt. - Der Name Gehenna ist aus dem Namen des südlich des Jerusalemer Tempelberges gelegenen Tals Ge Hinnom, einem mythischen Ort des Todes, gebildet (FVQ, S. 105f.). Küchler (2007:753) zitiert dazu I Hen 27,1–2. (Uhlig 1984: 563): „Da sprach ich: ‚Wofür ist dieses gesegnete Land, das ganz mit Bäumen gefüllt ist und (wofür) diese verfluchte Schlucht dazwischen? Da antwortete Uriel, einer von den heiligen Engeln, der bei mir war, und sprach zu mir: ‚Diese verfluchte Schlucht ist (bestimmt) für die bis in Ewigkeit Verfluchten; hier werden alle die versammelt werden, die in ihrem Munde ungehörige Worte führen und die über seine Herrlichkeit Schlimmes hören lassen. Hier wird man sie versammeln, und hier wird ihr Gericht sein.‘“ Der Name ist in der christlichen Literatur verschiedener Sprachen als Bezeichnung für die Hölle eingeführt und war zur Zeit der Korangenese längst gängig. Zum frühesten Zeugnis der Unterwelt, hier ebenfalls mit sieben Toren vorgestellt, siehe Inannas Gang in die Unterwelt (in The Electronic Text Corpus of Sumerian Literature, freundlicher Hinweis von David Kiltz, Corpus Coranicum).
ʾinna l-muttaqīna fī ğannātin wa-ʿuyūn / udḫulūhā bi-salāmin ʾāminīn / wa-nazaʿnā mā fī ṣudūrihim min ġillin iḫwānan ʿalā sururin mutaqābilīn / lā yamassuhum fīhā naṣabun wa-mā hum minhā bi-muḫrağīn] An die Straferwähnung schließt sich eine Paradiesbeschreibung an, die neben dem Standardinventar – Gärten und Quellen – auch ein Gelageszenario aufweist, siehe zum Bild der Einander-gegenüber-Sitzenden: Q 88:13; Q 56:15–16; Q 52:20; Q 37:44). Neu ist der Rekurs auf ihre psychische Befindlichkeit. Die Brust als Ort der Gefühle begegnet schon frühmekkanisch (Q 94:1: a-lam našraḥ laka ṣadrak, „haben wir dir nicht die Brust geweitet? “) und daran angelehnt - mittelmekkanisch im Mund Moses: qāla rabbī šraḥ lī ṣadrī („er sprach: mein Herr, dann weite mir die Brust“) und vom Verkünder in Q 20:25. Siehe zum Wortfeld „Herz“ in der Dichtung Seidensticker 1992: 115–140. Die Befreiung von ġill, offenbar im Sinne eines im Erdenleben angesammelten Grolls, macht erst das Einander-gegenüber-Sitzen sinnvoll. Sie wird in der Parallelstelle Q 7:43 wieder thematisiert, und ist der einzige Hinweis auf eine Läuterung, die die Seligen vor ihrem Eingang ins Paradies erfahren. Betont wird die nicht zu befürchtende Vertreibung aus dem Paradies, offenbar im Kontrast zu dem Geschick des ʾIblīs.
Die Freiheit von Mühsal (naṣab) ist neu, sie wird später wieder zur Sprache kommen (Q 35:35), wo das Paradies mit den Worten beschrieben wird: lā yamassunā fīhā naṣabun wa-lā yamassunā fīhā luġūb („in der wir weder Mühsal noch Erschöpfung auszustehen haben“). ‚Mühsal‘ war zunächst innerweltlilch ein asketischer Akt gewesen, der im Paradies entfällt; in Frühmekka war dem Verkünder aufgegeben worden, „sich im Dienst Gottes zu mühen“ (wa-ʾiḏā faraġta fa-nṣab, Q 94:7). Das Bild eines jenseitigen Mahles – unter Befreiung von Bedrängnis und Mühsal – gehört dagegen zum Standardinventar der Paradieshymnen Ephrems (siehe Ephraem [bei Bedjan 1957] und TUK 0501).
nabbiʾ ʿibādī ʾannī ʾana l-ġafūru r-raḥīm / wa-ʾanna ʿaḏābī huwa l-ʿaḏābu l-alīm] Die nun folgenden Erzählungen bilden ganz eindeutig eine Schriftperikope. Sie wird durch eine Lesungseinleitung eingeführt. Der schon frühmekkanisch nachweisbare Gebrauch des genuin arabischen Verbums nabbaʾa, das stets für eine prophetische Kommunikation steht, und seiner Derivate (siehe Q 75:13, Q 54:4, Q 54:28) dürfte die Akzeptanz des erst später – mit Q 19 – eingeführten Titels nabī erleichtert haben. Die Aufforderung: „Verkünde meinen Dienern, dass ich, der Vergebende, der Barmherzige bin, und dass meine Strafe eine schmerzliche ist“ präludiert der Doppelerzählung um Abraham und Lot wie auch den beiden an sie anschließenden Straflegenden zu zwei halbinselarabischen Völkerschaften. Sie ist an die bereits erwählte Gemeinde, (ʿibādī) gerichtet. Die Pointe der Erzählungen wird mit der Gegenüberstellung von Gottes gegensätzlichen Selbstäußerungen als vergebend und barmherzig bzw. als strafend, d.h. der rabbinischen middat ha-ḥesed bzw. middat ha-din folgend, bereits programmiert.
Die hier koranisch erstmals begegnende kontrastive Zusammenschau der beiden Manifestationen göttlicher Macht wird in der weiteren Verkündigung eine zentrale Rolle spielen. Sie ist nicht erst spätantik, sie begegnet bereits biblisch, besonders expressiv in den sogenannten „Dreizehn Attributen“ (šeloš ʿesreh ha-middot), Ex 34,6–7.: „JHWH, JHWH, ein gnädiger und barmherziger Gott, langmütig und reich an Gnade und Treue, der Gnade bewahrt den Tausenden, Schuld, Frevel und Sünde vergibt, aber nicht ganz ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Söhnen und Enkeln bis in das dritte und vierte Geschlecht.“ Die beiden in Q 15 evozierten Emotionen: Furcht und Erschaudern (angesichts der angedrohten Strafe) einerseits, Rührung und Erbarmen (seitens Gottes) andererseits, bilden vor allem aber auch in der außerbiblischen antiken Literatur ein Paar. Beide werden - mit anhaltender Wirkung für die Geschichte der Poetik – von Aristoteles als der Leitgattung der antiken griechischen Literatur, der Tragödie, als Triebfedern unterliegend reklamiert. Nach der aristotelischen Poetik, (Kap. 6, 1449b26) erfährt der Zuschauer der Tragödie durch Schauder und Rührung, oder: Furcht und Mitleid (griech. phobos kai eleos) eine Läuterung (katharsis) seiner Seele. Der Begriff katharsis, ursprünglich eine kultische Reinigung bezeichnend, wurde von Aristoteles in die Poetik übernommen. Die in der biblischen Tradition stehenden monotheistischen Religionen belassen die beiden gegensätzlichen Emotionen Furcht und Mitleid im kultischen Bereich, wo sie als Kontrastpaar das Verhältnis zwischen Gott und Menschen maßgeblich prägen. Phobos nimmt hier eine beherrschende Stellung ein; yirʿat šamayyim, „Gottesfurcht“ – siehe dazu bereits biblisch yir’at JHWH reshit da’at ḥokhma u-musar ewilim bazu „ Die Gottesfurcht ist Anfang der Erkenntnis; Weisheit und Zucht wird von den Narren verachtet“ (Spr 1,7, vgl auch Ps 111,10) – begegnet in der jüdischen Tradition als von Gott eingeforderte Haltung ebenso frequent wie phobos theou, „Gottesfurcht“, in der christlichen Tradition. Mitleid, Barmherzigkeit ist eine Einstellung Gottes zu den Menschen, die in der jüdischen Liturgie als raḥamim, in der christlichen als eleos, immer wieder abgerufen wird, man denke an das Kaddish-Gebet El male raḥamin („Gott, voller Erbarmen“) und an die mehrmals wiederholte Gebetsschlußformel in der Chrystomos-Liturgie Eti deometha hyper ‘…‚ tou periestōtos laou, tou apekdechomenou to para sou mega kai plousion eleos („Wir bitten für ‘…‚ das umstehende Volk, das dein großes und reiches Erbarmen erhofft“), die in der Ektenie nach der Schriftlesung gesprochen wird (siehe Kallis 1993:83). In diesen liturgischen Kontexten kommt jedoch der von Aristoteles als für die Tragödie besonders wirkmächtig erachteten Dimension der mimēsis, der „Kunst der Darstellung“ (siehe dazu Patzig 2003), keine aktive Rolle zu.
Anders im Koran, wo das Wechselspiel von phobos und eleos die zusätzliche Dimension der mimēsis, der sprachlichen Darstellung, involviert und daher einen Vergleich mit der Tragödie herausfordert. Denn die koranische Rede führt den Menschen durch das maßgebliche Medium der sprachlichen Performanz an die Erfahrung von Furcht und Mitleid heran. Dabei ist es wie im Judentum und Christentum der eine Gott, der – durch die Androhung von Strafe, ʿaḏāb - Furcht auslöst oder - mit dem Gebot der Gottesfurcht, taqwā – Furcht einfordert, der sich aber – vor allem – selbst „gerührt“, barmherzig zeigt. Die Erfahrung beider Haltungen wird wie bei Aristoteles, erst dia mimēseōs, durch die Kunst der Darstellung, erzeugt.
wa-nabbiʾhum ʿan ḍaifi ʾIbrāhīm / ʾiḏ daḫalū ʿalaihi fa-qālū salāman qāla ʾinnā minkum wağilūn / qālū lā tauğal ʾinnā nubašširuka bi-ġulāmin ʿalīm] Einleitung zu der Philoxenieerzählung, Abrahams Bewirtung der himmlischen Gäste. Die Geschichte, entsprechend Gen 18,1–17, wurde bereits frühmekkanisch in Q 51:24–30 ausführlich erzählt. Wie dort begegnet auch hier statt Gottes selbst (Gen 18,1) eine Mehrzahl von Boten – eventuell ein Nachhall der christlichen typologischen Deutung im Sinne einer Begegnung Abrahams mit den drei Personen der Trinität. Die Geschichte beginnt wie in Q 51:25 mit einem Gruß der Gäste, doch setzt sie Abrahams Wahrnehmung ihres übernatürlichen Charakters – der in Q 51:27–28 an ihrer Verweigerung der Speise erkennbar geworden war – bereits voraus. Hier fällt das Detail der Bewirtung weg. Abrahams Furcht wird durch die Männer beschwichtigt, die Abraham sogleich ihre Ankündigung des Sohnes vortragen, ihr lā tauğal entspricht ebenso wie lā taḫaf in Q 51:28 dem mē phobou („Fürchte dich nicht“) aus der Verkündigungsgeschichte Lk 1,30. Diese Referenz reflektiert die christliche Tradition, wo die Typologie Abraham-Maria bzw. Sarah-Maria schon hergestellt war (siehe dazu Reynolds 2010 und HK I, S. 536 zu Q 51:28). Ob diese typologische Referenz, die ja auf jeden Fall ihre christologische Spitze (insofern der angekündigte Isaak Typos Christi ist) verloren hätte, im Koran beabsichtigt ist, bleibt offen; in der koranischen Ankündigungsgeschichte, Q 19:19 wird die Beschwichtigung Maria gegenüber nicht ausgesprochen.
qāla ʾa-baššartumūnī ʿalā ʾan massaniya l-kibaru fa-bi-mā tubašširūn / qālū baššarnāka bi-l-ḥaqqi fa-lā takun mina l-qāniṭīn / qāla wa-man yaqnaṭu min raḥmati rabbihī ʾilla ḍ-ḍāllūn] Anstelle der Frau Abrahams, die in Q 51:29 gemäß Gen 18,12–13 die Ankündigung nicht zu glauben vermag, ist es hier er selbst, der zunächst Zweifel äußert. Sein Argument ist dabei das des in Q 19:8 sprechenden alten Zacharia, den sein hohes Alter an der Verheißung zweifeln lässt. Doch besinnt sich Abraham auf die Zurechtweisung der Männer hin sogleich der Barmherzigkeit (raḥma) Gottes (vgl. die Ankündigung des Themas raḥma in V. 49). – Zweifel stehen Abraham nicht an; er ist bekannt als „der, der Treue bewahrte“ (allaḏī waffā, Q 53:37); siehe zu der Entwicklung Abrahams Sinai 2009 und KTS, S. 633–652 und Neuwirth 2016.
qāla fa-mā ḫaṭbukum ʾayyuha l-mursalūn / qālū ʾinnā ursilnā ʾilā qaumin muğrimīn / ʾillā ʾāla Lūṭin ʾinnā la-munağğūhum ʾağmaʿīn / ʾillā mraʾatahū qaddarnā ʾinnahā la-mina l-ġābirīn] Es folgt wie in Q 51:31–32 Abrahams Nachfrage nach ihrem Auftrag. Anders als im biblischen Bericht und anders als in Q 51 soll es vor allem um die Rettung der Familie Lots gehen. Von ihr wird wieder – wie in dem Straflegendenkatalog Q 37:135 – eine Frau ausgenommen sein, die nun als Gattin Lots identifiziert wird, deren Untergang aber nicht mit ihrer Nichtbeachtung der – auch koranisch in V. 65 explizit gemachten – Weisung, sich nicht umzuschauen (vgl. Gen 19,28) begründet wird. Siehe zu der Figur im Koran insgesamt Schmid 2016. - Wie auch in Q 51 entfällt jeder Versuch Abrahams, Fürsprache für die Sodomiten einzulegen.
fa-lammā ğāʾa ʾāla Lūṭin-i l-mursalūn / qāla ʾinnakum qaumun munkarūn / qālū bal ğiʾnāka bi-mā kānū fīhi yamtarūn / wa-ʾataināka bi-l-ḥaqqi wa-ʾinnā la-ṣādiqūn] Die Lot-Geschichte selbst beginnt mit der deutlich zurückhaltenden Begrüßung der Gäste durch Lot, der sie nicht wie im biblischen Bericht Gen 19,1–3 in sein Haus nötigt, sondern sie – ähnlich wie Abraham in Q 51:25, jedoch ohne ein „salāmun“ („Friede!“) – sogleich mit qaumun munkarūn („fremde Leute“) anspricht. Sie rechtfertigen sich mit dem Argument, das wahr machen zu wollen, was Lots Volk in Zweifel zieht – eine deutliche Vernichtungsandrohung, wie sie sich auch anderswo mit al-ḥaqq verbindet, siehe V. 8, wo es um die eschatologische Wirklichkeit der Stunde geht.
fa-ʾasri bi-ʾahlika bi-qiṭʿin mina l-laili wa-ttabiʿ aḏārahum wa-lā yaltafit minkum aḥadun wa-mḍū ḥaiṯu tuʾmarūn / wa-qaḍainā ʾilaihi ḏālika l-ʾamra ʾanna dābira hāʾulāʾi maqṭūʿun muṣbiḥīn] Es folgt der Auftrag zum Auszug zusammen mit der Familie gemäß Gen 19,12. Das Verb asrā ist außer in Q 11:81 stets für den Exodus der Israeliten reserviert, siehe Q 20:77, Q 26:52, Q 44:23 und Q 17:1 (wo es spirituell auf den Verkünder übertragen ist). Wie in Gen 19,17 soll niemand zurückschauen. Damit geht die direkte Rede in Kommentar über. Dies ist Gottes Entscheidung für Lot: Die Frevler sollen am Morgen vernichtet werden – metaphorisch ausgedrückt mit dem Bild des zu durchtrennenden Rückens.
wa-ğāʾa ʾahlu l-madīnati yastabširūn / qāla ʾinna hāʾulāʾi ḍaifī fa-lā tafḍaḥūn / wa-ttaqū llāha wa-lā tuḫzūn / qālū ʾa-wa-lam nanhaka ʿani l-ʿālamīn / qāla hāʾulāʾi banātī ʾin kuntum fāʿilīn / la-ʾamruka ʾinnahum la-fī sakratihim yaʿmahūn] Auf die Verheißung der Vernichtung der Frevler werden diese – dialektisch in ausgelassener Stimmung und mit provokanter Äußerung – selbst eingeblendet. Nur an dieser Stelle wird Einblick in das Vergehen der sonst einfach als muğrimūn („Frevler“, Q 51:32, Q 15:58) bezeichneten Leute des Lot gegeben. Anders als im biblischen Bericht (Gen 19) haben sie offenbar ein Bestimmungsrecht über den Umgang Lots; wie im biblischen Bericht (Gen 19,5–7) fordern sie die Auslieferung der Boten, um sie sexuell zu belästigen, was Lot durch das Angebot, seine Töchter auszuhändigen (vgl. Gen 19,8), zu verhindern sucht. Die Beschreibung der Frevler als „im Rausch“ handelnd verweist zurück auf die gleichfalls metaphorisch konstatierte Trunkenheit der Gegner des Verkünders (V. 15): la-qālū ʾinnamā sukkirat ʾabṣārunā. ʿĀlamīn (wörtlich: „die in beiden Welten beheimateten [Menschen]“, siehe den Kommentar zu Q 1) steht hier – unabhängig von rabb – eindeutig für „die Menschen“, es wird kontextgemäß mit „Leute“ übersetzt. Die Rede der Frevler wird gewissermaßen in die religiös konnotierte Sprache des Gesandten übersetzt.
fa-ʾaḫaḏathumu ṣ-ṣaiḥatu mušriqīn / fa-ğaʿalnā ʿāliyahā sāfilahā wa-ʾamṭarnā ʿalaihim ḥiğāratan min siğğīl / ʾinna fī ḏālika la-ʾāyātin li-l-mutawassimīn] Die sie treffende Strafe ähnelt derjenigen der Thamūd aus Q 54:31: ʾinnā ʾarsalnā ʿalaihim ṣaiḥatan wāḥidatan fa-kānū ka-hašīmi l-muḥtaẓir („Wir sandten einen einzigen Schrei über sie. – da wurden sie wie dürre Zweige, Gestrüpp zum Gehegebauen“). Gleichzeitig leitet die ṣaiḥa auch den Jüngsten Tag ein (vgl. Q 50:42 und öfter). Die hier explizit gemachte ‚Umstürzung‘ der Stadt reflektiert sich sonst in ihrem üblichen Epithet al-muʾtafika, al-muʾtafikāt, („die ungewendete[n]“), aus hebräisch mahpekha bzw. targum-aramäisch mahpekta (KU, S. 13f.). Der auf sie herabfallende Regen von gebrannten Steinen – in Q 51:33: ḥiğāratun min ṭīn („Steine aus Ton“) – erinnert wieder an die Abschreckung der Invasoren Mekkas durch entsprechende Steine in Q 105.
wa-ʾinnahā la-bi-sabīlin muqīm / ʾinna fī ḏālika la-ʾāyatan li-l-muʾminīn] Die empirische Zugänglichkeit und Kenntnis der Überreste Sodoms wird auch in Q 37:137 vorausgesetzt: wa-ʾinnakum la-tamurrūna ʿalaihim muṣbiḥīn („Ihr zieht an ihnen vorüber, des Morgens“). Nicht zufällig nimmt Lot in den koranischen Erzählserien eine Zwischenstellung zwischen den biblischen und den lokalen, arabischen Propheten ein. Seine Stadt ist die nördlichste unter den Wohnsitzen der „vernichteten Völkerschaften“.
wa-ʾin kāna ʾaṣḥābu l-ʾaikati‚ (ʾaṣḥābu Laikata) la-ẓālimīn / fa-ntaqamnā minhum wa-ʾinnahumā la-bi-ʾimāmin mubīn] An die Straflegende um Lot schließt ein Katalog von Straflegendenreminiszenzen an: Von den ʾAṣḥāb al-ʾaika (vgl. KU, S.93), den Leuten von Laika, Leuke Kome (siehe unten und siehe „Textkritik“), zu denen Šuʿaib als Bote gesandt wurde, ist in Q 26:176, wieder die Rede, wo sie mit den biblischen Midianitern identifiziert werden; vgl. zu Šuʿaib auch etwas später Q 50:14; Q 38:13.
Zur Geographie der Gebiete um das Rote Meer siehe die auf Grundlage der ptolemäischen Geographie (um 150 n.Chr.) rekonstruierte Karte bei Puin 2005:339. Puin kann wahrscheinlich machen, dass der im Koran als al-ʾaika („das Baumdickicht“) begegnende Siedlungsort der Leute Šuʿaibs historisch Leuke Kome entspricht. Der Ort liegt als der Seehafen von Egra, der südlichen Hauptstadt des nabatäischen Königreichs, südöstlich von ihr am Roten Meer. Die Identifikation überzeugt, da sich neben al-ʾaika (Q 15:28 und Q 50:14) auch artikelloses laika findet: Q 26:176 und Q 38:18. In Q 26:176 und Q 38:13 markieren einzelne Leser ihr Verständnis von laika als einem Ortsnamen sogar durch die bei Toponymen geforderte diptotische Vokalisation mit -a. - Die bei Ḥafṣ ʿan ʿĀṣim vorherrschende Lesung al-ʾaika lässt sich leicht als eine nachträgliche Anpassung eines nicht mehr verstandenen Konsonantentexts an ein bekanntes Appellativum (ʾaika, „Dickicht“) deuten. Die Gegend um Laika schließt südlich an das Gebiet um Sodom an.
wa-la-qad kaḏḏaba ʾaṣḥābu l-Ḥiğri l-mursalīn / wa-ʾātaināhum ʾāyātinā fa-kānū ʿanhā muʿriḍīn / wa-kānū yanḥitūna mina l-ğibāli buyūtan ʾāminīn / fa-aḫaḏathumu ṣ-ṣaiḥatu muṣbiḥīn / fa-mā ʾaġnā ʿanhum mā kānū yaksibūn] Der Katalog wird beschlossen mit der Erinnerung an die Leute von al-Ḥiğr, den Bewohnern der spätantik als Egra (in dieser Lautung bei Strabo, sonst auch Hegra) bekannten Siedlung, die später als Wirkungsort des Gesandten Ṣāliḥ identifiziert und mit Madāʾin Sālih benannt wird (zu ihrer Lage siehe Puin 2005:339). Al-Ḥiğr begegnet auch in der altarabischen Dichtung (siehe Thilo 1958:56). Die Bewohner waren den Hörern der Verkündigung als Thamudäer bekannt, die „Häuser aus den Felsen aushauen“ (KU, S. 94), vgl. Q 89:9: wa-Ṯamūda llaḏīna ğābū ṣ-ṣaḫra bi-l-wād („und [an] Thamūd, die den Fels ausschlugen im Tal“). Die Geschichte ihres Verhängnisses war in Mittelmekka in Q 54:23–31 detailliert erzählt worden. Die in Q 15 gebotene Kurzfassung setzt die Kenntnis der Hergänge voraus und konzentriert sich auf den Untergang der Thamudäer, der sie trotz ihrer - durch ihre Prachtarchitektur bezeugten - Machtposition ereilt. Ihr Geschick kündigt sich wie das der Sodomiten durch den Schrei (al-ṣaiḥa) an, so auch später ausdrücklich von den Thamudäern in Q 11:70. Zu den Umständen ihres Untergangs sind vorkoranische Legenden bekannt (siehe dazu Stetkevych 1996; eine poetische Version der Legende von ʾUmaiya Ibn Abī l-Ṣalt wird in TUK, Nr. 0525 diskutiert).
Es ist bemerkenswert, dass drei unter den Straflegenden in Q 51 halbinselarabische Völkerschaften oder Stadtgesellschaften thematisieren, deren Wohnsitze nicht weit voneinander entfernt zu lokaliseren sind: Lots Stadt Sodom/Gomorra liegt am Toten Meer, südöstlich davon liegt Egra, (al-Ḥiğr) und noch weiter südlich Laika, (Leuke Kome). Wenig später, in Q 50, kommen noch die Arser, im Koran ʾaṣḥāb ar-Rass, dazu, die noch weiter südlich anzusiedeln sind. Zusammengenommen evozieren sie die Siedlungsgeographie der benachbarten Regionen der Halbinsel. Bemerkenswert ist die explizite Nennung mehrerer Namen von – wie jetzt erkennbar ist – realen Orten der Halbinsel, die an ähnliche Ortsnamenhäufungen in der altarabischen Dichtung erinnern, von denen einige sogar verifizierbar sind (siehe Thilo 1958). Während es aber dort die fortgezogene Geliebte ist, deren Itinerar der Dichter mit dem inneren Auge verfolgt, stehen die Namen im Koran für Stätten heilsgeschichtlicher Erinnerung, Orte, an denen frühere Gottgesandte die Auseinandersetzung des Verkünders mit seinen Gegnern bereits einmal präfigurierten.
Die Orte dürften den Hörern aus der Anschauung bekannt gewesen sein; Puin (2005) hält Leuke Kome sogar für denjenigen Hafen, an dem am ehesten ein visueller Eindruck von dem im Koran ja mehrfach thematisierten Meer gewonnen worden sein könnte.
Was für die Erzählsequenz in Q 51 gilt, trifft auch für die in Q 15 zu: Obwohl die Erzählungen zusammen mit der Geschichte von Noah und Pharao eine Serie bilden und einen zeitübergreifenden Zusammenhang herstellen, bilden sie doch keine kontinuierliche Geschichte der alten Völkerschaften ab, denn diese stehen untereinander in keiner genealogischen Sukzession, auch treten sie in keine Interaktion ein. Sie spiegeln vornehmlich die Situation des Propheten und appellieren an das Wissen der Hörer, die aus dem Geschick ihrer historischen Nachbarn lernen sollen. Zugleich liefern sie eine ätiologische Erklärung für das die altarabische Gesellschaft beschäftigende Problem der Ubiquität von Ruinenstätten in ihrer Lebenswelt.
wa-mā ḫalaqna s-samāwāti wa-l-ʾarḍa wa-mā bainahumā ʾillā bi-l-ḥaqqi wa-ʾinna s-sāʿata la-ʾātiyatun fa-ṣfaḥi ṣ-ṣafḥa l-ğamīl / ʾinna rabbaka huwa l-ḫallāqu l-ʿalīm] Auf die ‚Lesung‘ mit ihrer Erzählserie folgt eine Prophetenermutigung, basierend auf der Erinnerung daran, dass die Weltschöpfung einem Heilsplan folgt, der „eingedenk der Wahrheit“ oder „in Gerechtigkeit“ (bi-l-ḥaqq) verwirklicht wird. Er läuft auf „die Stunde“ hin; auf sie spielte auch die Ankündigung der Herabsendung der Engel bi-l-ḥaqq an (V. 8).
wa-la-qad ʾātaināka sabʿan mina l-maṯānī wa-l-qurʾāna l-ʿaẓīm] Es beginnt eine Offenbarungsbestätigung mit Prophetentrost. Eigentlicher Anlass des Trostes ist die Tatsache, dass der Verkünder nicht nur über seine Lesung verfügt, sondern auch über die zunächst enigmatischen, da nur metonymisch bezeichneten „sieben Wiederholelemente“ (sabʿan mina l-maṯānī). Die Bedeutung dieser maṯānī wird kontrovers diskutiert, etymologisch liegt eine Lehnwortbildung aus dem aramäischen matnita, („Wiederholtes“) vor, deren Singular arabisch nicht belegt ist (KU, S. 26f). Während die westliche Forschung für maṯānī im allgemeinen von einer Serie von sieben Straflegenden ausgeht (die aber nicht gemeint sein können, weil Suren mit dieser Komposition erst nach Q 15 entstehen und weil auch sieben solcher rein negativ orientierten Erzählungen gar nicht begegnen), hat die islamische Tradition sabʿan mina l-mathānī mit der Fātiḥa identifiziert (siehe zu der Diskussion KÜ, 279f. und Neuwirth, Neuwirth 1991). Aus mehreren Gründen hat man dieser Identifikation zu folgen. Denn die als Alternative vorgetragene Deutung von maṯānī als Straflegenden, orientiert sich an der von der späteren Erwähnung von maṯānī in Q 39:23 nahegelegten Bedeutung, wo es heißt: llāhu nazzala ʾaḥsana l-ḥadīṯi kitāban mutašābihan maṯāniya taqšaʿirru minhu ğulūdu llaḏīna yaḫšauna rabbahum ṯumma talīnu ğulūduhum wa-qulūbuhum ʾilā ḏikri llāh („Gott sandte die beste Mitteilung herab als eine oszillierende, aus Wiederholelementen bestehende Schrift, die diejenigen, die ihren Herrn fürchten, erschauern lassen, so dass sich ihre Haut zusammenzieht; darauf werden Leib und Seele wieder besänftigt und empfänglich für die Mahnung Gottes“). Diese an die antike Ethos-Lehre anklingende Qualifizierung der koranischen Erzählungen trifft auf einzelne Straflegenden, etwa die in Q 54:4 als abschreckend (‘…‚ mā fīhi muzdağar) angekündigten, durchaus zu. Doch würden die maṯānī bei dieser Deutung Elemente des qur’ān selbst decken, nicht wie Q 15:87 verlangt, Texte zusätzlich zu ihm. Auch ist in Q 39:23 von einer Anzahl sieben nicht die Rede, maṯānī zielt vielmehr auf die Funktion der betreffenden Textelemente, nämlich wiederholt zu werden. Hinzu kommt, dass einzig in Q 26 tatsächlich sieben Geschichten aufeinander folgen; doch haben sich diese in ihrer Stoßrichtung heterogenen, also keineswegs durchweg „Erschauern machenden“ Erzählungen nicht (gegen KU, S. 26) als ein zusammengehöriges Teilcorpus „zur Wiederholung“ etabliert.
Vor allem aber verweist der triumphale Ton, in dem in V. 87 die Zugänglichkeit der maṯānī zusätzlich zum qur’ān, festgestellt wird, auf ihre Bedeutung als eine neue Errungenschaft, die am ehesten in der Etablierung der Fātiḥa als Gemeindegebet, in seiner Funktion entsprechend dem christlichen Vaterunser (siehe Winkler 1928) bestehen sollte. Außer der Analogie zum Vaterunser ist auch eine solche zu den Gottesdiensteinsätzen in den beiden Nachbartraditionen in Betracht gezogen worden (siehe Neuwirth 1991 und den Kommentar zu Q 1). Auf jeden Fall geht es bei den maṯānī um einen liturgischen Text, der die Lesung flankiert.
Der Anstoß einiger Forscher (wie Paret, KÜ, S. 279f.) daran, dass die Verse der Fātiḥa nur bei Mitzählung der Basmala sieben ausmachen, ist von Rubin (2006) ausgeräumt worden, der darauf hinweist, dass auch mit sechs die Anforderung der mit „sieben“ oft gemeinten „runden Zahl unter zehn“ erfüllt sei. Es ist bemerkenswert, dass nicht nur Q 37 bereits Reminiszenzen der Fātiḥa aufweist, sondern dass auch Q 15 mehrmals auf sie verweist (V. 35yaumi d-dīn, V. 41: ṣirāṭun ‘…‚ mustaqīm, V. 49: raḥīm, V. 56: ḍāllūn, V. 70: ʿālamīn) und sogar mit einem Verweis auf Q 1:2 schließt, V. 98: fa-sabbiḥ bi-ḥamdi rabbika wa-kun mina l-sāğidīn, („So lobpreise deinen Herrn [wörtlich: preise den Herrn mit dem al-ḥamd] und sei einer der sich Niederwerfenden“); vgl. die Übersicht der lexikalisch oder phraseologisch an die Fatiha erinnernden Verse, die in Q 15 besonders zahlreich sind, in Neuwirth 1991:340f. – Zur gleichzeitigen Funktion der Fātiha, den Gottesdienst zu eröffnen, siehe Neuwirth, Neuwirth 1991 und KTS, S. 371–373 sowie den Kommentar zu Q 1.
lā tamuddanna ʿainaika ʾilā mā mattaʿnā bihī ʾazwāğan minhum wa-lā taḥzan ʿalaihim wa-ḫfiḍ ğanāḥaka li-l-muʾminīn / wa-qul ʾinnī ʾana n-naḏīru l-mubīn] Anweisung, die Privilegierten unter den Gegnern nicht zu beneiden noch ihre Verweigerung zu bedauern, sondern die – offenbar – unter Belagerung stehenden – Gläubigen zu beschützen. Der Verkünder soll sich auf seine Warnerrolle beschränken.
ka-mā‚ [wa-mā] ʾanzalnā ʿalā l-muqtasimīn / llaḏīna ğaʿalu l-qurʾāna ʿiḍīn / fa-wa-rabbika la-nasʾalannahum ʾağmaʿīn / ʿammā kānū yaʿmalūn] „Die V. 90 und V. 91 sind bis jetzt nicht einleuchtend gedeutet worden“ (KÜ, S. 185; KKK, S. 281). Die Herabsendung erfolgt dem gesamten Koran zufolge nicht auf andere als auf Gottgesandte; insofern hier von Individuen die Rede ist, die die Lesung „zerteilen“, scheint mā als Verneinung zu verstehen zu sein. Daher legt sich eine Emendation von ka-mā in wa-mā nahe (vgl. SKMS, S. 265f. und oben „Textkritik“). Die Identität der „Zerteiler“ bleibt zwar unsicher, doch gehören sie offenbar zu den Gegnern. Enigmatisch bleibt ihr in V. 91 angesprochener Umgang mit der Lesung; ʿiḍīn sind nach Wellhausen (1897:132) Losstäbe. Sollte hier gemeint sein, dass man Fragmente der Lesung bei Schwüren – al-muqtasimūn könnte auch als „die Schwörenden“ verstanden werden – als Lospfeile benutzte? Diese von der Tradition erwogene Deutung wäre schwer mit den sonstigen offenbarungspolemischen Feststellungen zu kontextualisieren. - Die Aussage in V. 91 ist jedenfalls kontrastiv zu der an den Verkünder ergangenen doppelten Offenbarung der Lesung und der Fātiḥa zu verstehen, sie gehört zu der in V. 89 getroffenen Abgrenzung gegenüber den Gegnern. Offen bleibt weiterhin, worin genau ihre Zerteilung der Lesung in kleine Teile besteht.
fa-ṣdaʿ bi-mā tuʾmaru wa-ʾaʿriḍ ʿani l-mušrikīn / ʾinnā kafaināka l-mustahziʾīn / llaḏīna yağʿalūna maʿa llāhi ʾilāhan āḫara fa-saufa yaʿlamūn] Neuerliche tröstende Anrede an den Verkünder, Aufforderung zur Meidung der „Beigeseller“, die hier erstmals in der später üblich werdenden Partizipialform mušrikūn erwähnt werden. Vorher ist nur von der „Annahme von Teilhabern“ im Gottesdienst die Rede: ʾam lahum šurakāʾu fa-l-yaʾtū bi-šurakāʾihim („haben sie vielleicht Teilhaber, die sollen sie bringen“) in Q 68:41. Eine verbale Formulierung begegnete in Q 52:43: ʾam lahum ʾilāhun ġairu llāhi subḥāna llāhi ʿammā yušrikūn („Haben sie einen Gott außer Gott? Gepriesen sei er! Erhaben ist er über das, was sie ihm beigesellen“). Dennoch scheint mušrikūn auch in V. 94 noch keine ganz selbstverständliche Katagorie zu sein, da sie durch den Zusatz „die neben Gott einen anderen Gott setzen“ erklärt werden muss (V. 96, siehe dazu KTS, S. 337–340). Das Wort ist Übersetzung des hebräischen meshattefim („Teilhaber Annehmende“), mit dem vor allem Christen bezeichnet werden (KU, S. 60f.). Hier liegt also eine „commercial metaphor“ vor – wenn sie auch nicht in Charles Torrey (1892) Liste aufgenommen worden ist. Josef Horovitz (KU, S. 60 f.) erwägt einen ironischen Umgang mit der Metapher.
wa-la-qad naʿlamu ʾannaka yaḍīqu ṣadruka bi-māyaqūlūn / fa-sabbiḥbi-ḥamdi rabbika wa-kun mina s-sāğidīn / wa-ʿbud rabbaka ḥattā yaʾtiyaka l-yaqīn] Der empfohlenen Abwendung von den Gegnern steht die Versicherung der Anteilnahme Gottes selbst gegenüber. Eine Beklommenheit war dem Verkünder, wie eine der ersten Suren (Q 97: ʾa-lam nashraḥ laka ṣadrak) triumphal konstatiert, anfangs abgenommen worden, sie quält ihn nun wegen der Spottreden der Gegner, solche sind ein Topos der mittelmekkanischen Suren (vgl. oben V. 11 und später Q 26:6 und öfter). Ihr soll durch Gotteslob entgegengewirkt werden. Die Sure endet mit der Aufforderung zum Gotteslob bzw. zur Rezitation der Fātiḥa, deren zweiter Vers hier anzitiert wird. Die Aufforderung zur Proskynese mit denen, die niederfallen, ist ein Verweis auf das inzwischen kollektiv abgehaltene Gebet, an dem die Fātiḥa entscheidend teilhaben dürfte.
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Sure 15, die die Erwählung der Gemeinde in der Präexistenz an einer mit der Menschenschöpfung verbundenen Erzählung festmacht, basiert bereits auf der Vorstellung, dass die Anhänger des Verkünders, bezeichnet als ʿibād Allāh, eine Gemeinde ausmachen. Diese neue Selbstwahrnehmung der Hörerschaft wiederum steht in Zusammenhang mit der Verfügung über ein Gemeindegebet, über einen Text, in dem sich die Gemeinde selbst in der Wir-Form äußert. Die Fātiḥa, von der Spuren schon in Q 54 und Q 37 erkennbar sind, wird in Q 15 wieder evoziert und sogar ‚anzitiert‘ (siehe zu ihr den Kommentar zu Q 1). In Q 15 kommt nun die triumphale Feststellung ihres Zuhandenseins dazu: Q 15:87 spricht ausdrücklich von den sieben maṯānī („Wiederholelementen“), die am ehesten mit den Versen der Fātiḥa zu identifizieren sind.
Die Sure ähnelt mit ihrem Anfang, einer Aufreihung von Klangelementen mit folgender Schrifterwähnung, späteren mittelmekkanischen Suren, doch wird in Q 15 zusätzlich zur autorisierenden Schrift noch ausdrücklich von ihrer Aktualisierung als qur’ān gesprochen.
Wie in Q 37 wird der Erwerb übernatürlichen Wissens durch andere Quellen als die Offenbarung, nämlich das Mithören der himmlischen Ratsversammlung, ausgeschlossen. Wie in Q 37 werden Straf- bzw. Rettungsgeschichten erzählt, in denen die wunderbare Treue Gottes bzw. seine Errettung der Gerechten aus dramatischen Gefahrsituationen den offenbar unter Belagerung stehenden Anhängern des Verkünders eine Stärkung und Ermutigung bieten. Die Anspielung auf die bedrängte Situation der Gemeinde und ihre Angewiesenheit auf den Schutz des Verkünders wird durch das Bild des seine Flügel über seine Jungen breitenden Vogels suggestiv ausgedrückt.
Q 15 nimmt in ihrem Mittelteil die Abraham- und Lot-Geschichte, gefolgt von Kurzfassungen derjenigen zu Noah, Pharao, ʿĀd und Thamūd, aus Q 51:24–46 wieder auf. Q 15 entfaltet vor allem die Lot-Geschichte in ihrer vollen dramatischen Dimension, wobei die Rettung der Familie Lots aus drastisch bedrohlicher Lage als Typus für die zu erwartende Rettung der bedrängten Gemeinde etabliert wird. Dass die Doppelerzählung als Exempel dienen soll, geht bereits aus ihren Einleitungsversen hervor, die ausdrücklich der – gerade vorher als solcher bestätigten – Gemeinde, den ʿibād, eine Geschichte über beides, Gottes Macht zur Übung von Barmherzigkeit (raḥma – rabbinisch ḥesed oder raḥamim), wie sie schon Abraham zuteil wurde, und zu gerechter Strafe (ʿaḏāb – rabbinisch dīn), wie sie die Leute des Lot und lokal, auf der Halbinsel, auch die Thamudäer und die „Leute von Laika/ Leuke Kome“ ergriffen hat. Damit wird dem Vortrag der Doppelerzählung explizit eine homiletische Absicht unterlegt. Q 15 verrät deutlich ihre Herkunft aus der Situation der Bedrängnis, wieder wird der Verkünder angehalten, die Anhänger zu schützen, seine Rolle als Warner aber nicht – durch etwaiges aktives Eingreifen – zu überspannen.
Die Sure markiert einen Einschnitt in die Selbstwahrnehmung des Verkünders und seiner Gemeinde. Ihr Wissen unterscheidet sich substantiell von dem, das die Dämonen den Dichtern und Wahrsagern eingeben. Denn mit dem Durchdringen der Prophetie sind deren Vermittlungswege über die himmlischen Sphären hinweg blockiert. Die Schar der Dämonen wird auch gebündelt in der einen Figur des ʾIblīs, der selbst in den Dienst Gottes getreten ist, so dass ihm von Gott - nur begrenzte – Freiheit zur Verführung der Menschen durch materielle und soziale Vorteile gegeben ist. Diese sind Werkzeuge der Täuschung; Gott selbst zieht die Menschen dagegen durch seine Macht zu Barmherzigkeit und zu strafender Gerechtigkeit an sich, Manifestationen seines Eintretens in die Geschichte, die sich nur dem zur Einsicht Bereiten eröffnen.
Die Sure besteht - wie in Frühmittelmekka die Regel - aus drei Teilen. Ein offenbarungspolemischer Eingangsteil wird durch eine als Lesungsankündigung überzeugende Schriftbestätigung eingeleitet, erstmals und einmalig im Koran mit Thematisierung nicht nur der transzendenten Autorität, sondern auch der Aktualisierung der Schrift durch Lesung (qurʾān). Der Anfangsteil ist weitgehend von einer Prophetentröstung ausgefüllt, die bereits auf die im Schlussteil betonte Bedrängnis des Verkünders und seiner Gemeinde vorausweist. Die anschließend geführte Debatte über Modi der Offenbarung wird ebenfalls im Schlussteil wiederaufgenommen. Von zentraler Bedeutung ist jetzt die Exklusion von übernatürlichem Wissenserwerb durch andere Quellen als die Prophetie. Dazu wird der spätantike Mythos von den himmlisches Wissen tradierenden Dämonen aufgenommen: mit ihrer Vertreibung vom Himmel ist ihr Wissenstransfer ausgeschlossen. Die Ansprüche des Verkünders auf transzendente Herkunft seiner Rede werden so von dem Verdacht der Dämonenbeteiligung gereinigt. - Eine ʾāyāt-Serie betont kontrastiv noch einmal die Dankesschuld der Menschen gegenüber Gott.
Es folgt eine die Entmachtung der Dämonen bestätigende Erzählung aus der nachbiblischen Tradition. Sie ist aber nicht als ‚Lesung‘, als im Zentrum stehende Schriftperikope, zu betrachten, da sie keiner exemplarischen Figur oder Gruppe gilt. Vielmehr konstruiert sie narrativ – indem sie eine mythische Machtteilung zwischen Gott und dem Diabolos, ʾIblīs, konstruiert – eine Erklärung für die Situation der bedrängten Gläubigen. Die Geschichte von ʾIblīs Verweigerung der Proskynese vor dem neu erschaffenen ersten Menschen und seiner Berufung zum Verführer greift auf die spätantiken Erzählungen vom Fall des Satans zurück, wird aber für eine neue Theologie ausgeschöpft. Die Geschichte dient der Theodizee. Sie erklärt die faktische Polarisierung von Gläubigen und Leugnern, die nun in den von ʾIblīs Unberührten bzw. von ihm Verführten wiedererkannt werden können. Sie besiegelt zugleich die Erwählung der Gemeinde des Verkünders, Gottes auserwählten Dienern, die bereits in der Präexistenz von der Verführung ausgenommen worden sind (V. 42: ʾinna ʿibādī laisa laka ʿalaihim sulṭānun ʾillā mani ttabaʿaka mina l-ġāwīn). Ihr sozial unterprivilegierter Status läßt sich dabei aus ihrer Unempfänglichkeit für die von ʾIblīs als Mittel der Verführung eingesetzten sozialen Vorteile verstehen. Eine Einblendung der Vergeltungsorte Paradies und Hölle beschließt den ersten Teil. Innerhalb der Verkündigung stellt diese Geschichte um die Erschaffung des ersten Menschen die „Schöpfungsgeschichte“ dar. Obwohl die Erzählung von dem ersten Menschenpaar mit Q 20 folgt, bleibt dieser „ Machtaufteilungsgeschichte“ ihre vorrangige Bedeutung. Sie wird fortan der Übertretungsgeschichte des ersten Menschenpaares vorangestellt, siehe dazu Neuwirth (2001) und Bodman (2011)
Der im Anfangsteil als Gemeinde bestätigten Hörerschaft wird im Mittelteil der ihnen eigens zugeeignet ist, V. 49: nabbiʾ ʿibādī, („verkünde meinen Dienern“), – eine biblische Geschichte vorgetragen, die ihre erhoffte Errettung aus schwerster Bedrängnis (am Beispiel der Familie Lots) gewissermaßen präfiguriert und Gottes rational nicht nachvollziehbare Barmherzigkeit (am Beispiel Abrahams) demonstriert: nabbiʾ ʿibādī ʾannī ʾanā l-ġafūru r-raḥīm wa-ʾanna ʿaḏābī huwa l-ʿaḏābu l-ʾalīm. Die programmatische Ankündigung von Exempla zu Gottes kontrastiven Verhaltensweisen gegenüber den Menschen ist als Signal für ein sich im Folgenden entwickelndes neues Gottesbild zu verstehen, das an rabbinische und christliche Debatten anschließt. Dabei wird der Darstellung dieses Bildes, die, wie der Eingangsimperativ zeigt, durch prophetische Rede erfolgen soll, erhebliche Bedeutung beigemessen.
Aber auch die beiden Erzählungen selbst sind keinesweges Nacherzählungen, sondern Neulektüren ihrer biblischen Vorbilder. Bei aller Ähnlichkeit der beiden Geschichten zu den in Gen 18,1–15; 18,16–19,28 erzählten Geschichten fällt doch - wie schon in Q 51 - eine grundsätzlich verschiedene Perspektivik auf: Die koranische Ankündigung des Sohnes ist eine exklusiv der Person Abrahams geltende Zuwendung Gottes. Die biblische Sohnesankündigung an Abraham ist dagegen von Relevanz für das mit Abraham seinen Anfang nehmende Volk. Sie bestätigt das Abraham bereits in seinem Traum nach dem „Bund zwischen den Stücken“ (Gen 15) und im Bericht über die Beschneidung (Gen 17) gegebene Versprechen einer geschichtlich bedeutenden Rolle für seine Nachkommen. Koranisch wird Abraham erst in spätmekkanischer Zeit eine göttliche Verheißung betreffend die historische Rolle seiner – nun auch arabischen – Nachkommen in einem Gebet erflehen (siehe Neuwirth 2016). Die koranische Sohnesankündigungsgeschichte in Q 15 ist folglich entpolitisiert. Siehe zu einer vergleichbaren Ausblendung der historischen Dimension bei der Exodusgeschichte den Kommentar zu Q 26.
Die Erzählungen werden durch Kurzberichte über zwei halbinselarabische Völkerschaften fortgeführt, die Teil des kulturellen Gedächtnisses der Hörer gewesen sein sollten. An der Vernichtung dieser Völkerschaften, die durch ihre architektonisch prächtigen Siedlungen hervorragten, wird die göttliche Macht zur strafenden Gerechtigkeit verdeutlicht.
Die hinter gerade der hier getroffenen Geschichtenauswahl stehende Absicht der Stärkung der Gemeinde ist unverkennbar. Obwohl die Hergänge der beiden biblischen Geschichten bereits vorher (in Q 51) erzählt worden waren, werden sie erst in Q 15 für das neue Selbstverständnis der Hörer als erwählte Gemeinde instrumentalisiert.
Der wieder polemisch-apologetisch geprägte Schlußteil läßt indirekt – über die Plots der Erzählungen - deutliche Einblicke in die Belagerungssituation der Anhänger des Verkünders zu. Die ungehemmt polemischen Aussagen ihrer Gegner (V. 15) haben ihr Echo in der Hemmungslosigkeit der Leute des Lot (V. 72), die diesen in seinem Haus umzingeln. - Der Schlussteil verweist – im Koran einzigartig – auf die neue liturgische Errungenschaft des nun offenbar verfügbaren Gemeindegebets, der Fātiḥa. Sie war bereits in der älteren Sure 26 ‚anzitiert‘ worden, in Q 15 wird mehrfach auf sie angespielt, vor allem wird ihre Rezitation am Surenschluß explizit anempfohlen. Die Existenz nicht nur von inspirierter Lesung – vorgetragen vom Verkünder –, sondern auch eines Gebets, vielleicht sogar eines Gebets am Gottesdiensteingang, einer Selbstäußerung der Gemeinde, bringt nun den Gottesdienst der Gemeinde dem Modell der Juden und der Christen einen gewichtigen Schritt näher.
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Die Sure spricht Hörer verschiedentlich explizit an, die herausfordernde und sogar beleidigende Rede gegnerischer Hörer an den Propheten wird – zumindest in Simulation – zitiert (V. 6ff.). Gott selbst antwortet ihnen und weist sie in ihre Grenzen. Er selbst spricht auch Drohungen gegen sie aus (V. 24). Die eigentlich Angesprochenen sind aber die – nicht direkt adressierten – Gläubigen, die typologisch mit der Abraham- und Lot-Erzählungen an tröstende Bespiele aus der biblischen Geschichte erinnert werden. Drei abschreckende Beispiele aus der Geschichte der arabischen Halbinsel – um die Leute aus der Stadt Lots, die ʿĀd, die Thamūd und die ʾaṣḥāb Laika – gewinnen dadurch an Suggestivität, dass sie an drei nicht weit von einander entfernten Orten (Sodom, Egra, Leuke Kome) aus der eigenen weiteren Nachbarschaft berichten, deren empirisch wahrnehmbare Ruinen durch die berichteten Hergänge nun eine Erklärung finden.
Die Hörer werden im Spiegel der ʾIblīs-Erzählung ihrer Erwähltheit versichert, die ihre sozial problematische Situation inmitten bedrängender Gegner in ein neues, positives Licht rückt. Denn ihre desolate Lage führt sich auf ihren tapferen Widerstand gegen satanischer Verführung zurück, die ihnen als Verdienst angerechnet werden muß. Ihnen wird auch indirekt durch den die Sure beschließenden Prophetentrost, der die große Errungenschaft des neuen Gemeindegebets feiert, ein entscheidender Fortschritt auf dem Weg ihrer eigenen Identitätskonstruktion bescheinigt.
Als neue Autorisierung wird die transzendente Schrift, die der aktuellen Lesung zugrunde liegt, abgerufen. Durch die Eliminierung der die Dichter und Wahrsager inspirierenden Dämonen wird die Alleinverfügung über den Zugang zu übernatürlichem Wissen seitens der Propheten und damit auch des Verkünders eindeutig gemacht. Die Gemeinde – nun auch durch eine eigene Bezeichnung (ʿibād) identifiziert - ist eine von Gott in der Präexistenz erwählte Gemeinde, die – wie ihre typologische Verwandtschaft mit den biblischen Figuren zeigt – Anteil am biblischen Heilsplan Gottes hat.